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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 10.06.2009
Aktenzeichen: 2 K 1404/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 2. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Juni 2009

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Weber als Vorsitzender,

den Richter am Finanzgericht Schulz,

den Richter am Finanzgericht Keilig,

den ehrenamtlichen Richter Herr ... und

den ehrenamtlichen Richter Herr ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die private Nutzung des im Betriebsvermögen befindlichen BMW 740i nach der 1%-Regelung anzusetzen ist, oder ob die Besteuerung der Privatnutzung anhand des vom Kläger geführten Fahrtenbuchs erfolgen kann.

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt als Sachverständiger Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Im Betriebsvermögen befinden sich ein BMW 740i, den der Kläger gebraucht erworben hatte, und ein BMW Z 3.

Zwischen dem 14. September und dem 10. Dezember 2004 fand beim Kläger eine Betriebsprüfung statt. Im Rahmen der Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass der Kläger den privaten Nutzungsanteil für den BMW 740i nach der 1%-Regelung ermittelt hatte, allerdings ausgehend von einer (fehlerhaften) Bemessungsgrundlage von 67.000 DM. Die Prüferin erhöhte den Privatanteil unter Berücksichtigung eines Bruttolistenpreises von 113.000 DM.

Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) erließ daraufhin am 12. Januar 2005 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000. Im Einspruchsverfahren begehrte der Kläger die Versteuerung der Privatnutzung anhand eines von ihm für den BMW 740i geführten Fahrtenbuchs. Auf den ersten 11 Seiten des Fahrtenbuchs (Fahrten zwischen dem 3. Januar und dem 31. Mai 2000) ist -mit einer Ausnahme- lediglich der km-Stand zu Beginn der ersten Fahrt einer jeden Seite und der km-Stand am Ende der letzten Fahrt auf einer jeden Seite eingetragen. Bis zum 31. August 2000 ist auf den folgenden 4 Seiten jeweils bei einer Fahrt zusätzlich der km-Stand am Ende einer Fahrt angegeben. Zwischen dem 4. September und dem 10. November ist bei etwas mehr als der Hälfte der Fahrten der km-Stand am Ende einer Fahrt angegeben. Ab dem 13. November 2000 ist bei allen Fahrten der km-Stand am Ende einer Fahrt angegeben. Die Eintragungen des Klägers für das Streitjahr reichen über 21 Seiten. Bei einer Fahrt am 6. November 2000 ist keine Entfernung eingetragen. Im Übrigen sind die gefahrenen km je Fahrt/Tag eingetragen. Soweit der Kläger als Zweck der Fahrt Ortstermine ("Ortst.", "Ortsbes.", "OT") und Gerichtstermine eingetragen hatte, fehlen regelmäßig Angaben zum Aktenzeichen, bei einem wesentlichen Teil der Ortstermine auch der Name der aufgesuchten Person. Auf Nachfrage des FA reichte der Kläger daraufhin seine Kostenabrechnungen nach, aus denen sich u.a. die in Rechnung gestellten, entfernungsabhängigen Fahrtkosten ergaben. Diese ordnete er den einzelnen Fahrten zu. Bei einer Überprüfung dieser Angaben stellte das FA fest, dass die Kostenabrechnungen keine Angaben zum Datum der Fahrt enthielten. Ferner wichen bei 25 Fahrten die Angaben im Fahrtenbuch von denen in den Kostenabrechnungen ab. Der Kläger führte die Abweichungen darauf zurück, dass seine Frau die Abrechnung erstellt habe. Da die Gerichte bereits im Jahre 2000 mit Routenplanern gearbeitet und seine Angaben hinsichtlich der entstandenen Fahrtkosten überprüft hätten und es hierbei wiederholt zu Beanstandungen gekommen sei, habe seine Frau die Fahrtkosten ebenfalls anhand eines Routenplaners ermittelt. Hierauf seien die Abweichungen zurückzuführen.

Das FA änderte den Einkommensteuerbescheid am 31. August 2005 aus anderen Gründen und wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 1. September 2005 zurück. Zur Begründung führte es aus, das Fahrtenbuch entspreche nicht den in R 31 Abs. 9 Satz 2 Lohnsteuerrichtlinien genannten Kriterien. In dem Fahrtenbuch seien weder die aufgesuchten Geschäftspartner, noch der km-Stand zu Beginn und zum Ende jeder Fahrt aufgezeichnet. Die vom Kläger ergänzend eingereichten Unterlagen hätten zu Differenzen bei den km-Angaben geführt, so dass diese für einen Abgleich mit dem Fahrtenbuch nicht geeignet gewesen seien. Die Erklärung des Klägers wegen der Benutzung eines Routenplaners sei nicht nachvollziehbar, weil eine Nachfrage beim Landgericht H. ergeben habe, dass eine Überprüfung der Fahrtkosten nur erfolge, wenn die abgerechneten km zu hoch erscheinen würden. Außerdem seien in 6 Fällen Abweichungen festgestellt worden, bei denen eine Abrechnung gegenüber Privatpersonen und Firmen erfolgt sei. Da auch die weiteren Unterlagen keine Gewähr für die Richtigkeit des Fahrtenbuchs liefern würden, könne dieses nicht als ordnungsgemäß eingestuft werden.

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor, der Privatanteil sei nach dem von ihm geführten Fahrtenbuch zu berücksichtigen. Ein Fahrtenbuch müsse mindestens folgende Angaben enthalten: Datum und Kilometerstand zu Beginn und Ende jeder einzelnen betrieblichen Fahrt, Reiseziel, Reisezweck und aufgesuchte Geschäftspartner. Auf einzelne dieser Angaben könne verzichtet werden, soweit wegen der besonderen Umstände im Einzelfall die betriebliche Veranlassung der Fahrten und der Umfang der Privatfahrten ausreichend dargelegt und Überprüfungsmöglichkeiten nicht beeinträchtigt seien. Er habe am Ende einer Fahrt den Kilometerstand als Anfangskilometerstand für die nächste Fahrt eingetragen. Die Übertragung des Kilometerstandes von der Spalte Kilometerstand am Ende der Fahrt in die Spalte Kilometerstand am Anfang erfolge rein mechanisch. Die Prüferin sei selbst zu dem Ergebnis gekommen, dass das Fahrtenbuch schlüssig sei und keine Fahrt fehle. Die Angabe zu den Geschäftspartnern im Fahrtenbuch sei entbehrlich, da diese aus den Abrechnungen seiner selbständigen Gutachtertätigkeit gegenüber den Gerichten nachvollzogen werden könne. Soweit die km laut Fahrtenbuch von denen aus den Abrechnungen abwichen, liege dies daran, dass im Fahrtenbuch die tatsächlich gefahrenen km angegeben seien, während in den Abrechnungen die km laut Routenplaner angesetzt worden seien. Diese i.d.R. geringen Abweichungen von 2 bis 6 km seien vernachlässigbar. Das FA verkenne, welche hervorragenden Unterlagen er, der Kläger, dem FA zur Überprüfung seiner Angaben zur Verfügung gestellt habe. Soweit Zweifel bestünden, könnte er, der Kläger, die von ihm erstellten Gutachten vorlegen. Aus diesen ergebe sich, an welchen Tagen er einen Ortstermin durchgeführt habe.

Die Kläger beantragen,

(unter) Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2000 vom 12. Januar 2005 -in der Fassung des Bescheides vom 31. August 2005- und des hierzu ergangenen Einspruchsbescheides vom 1. September 2005 bei den Einkünften des Ehemanns aus selbständiger Arbeit die angesetzten Privatentnahmen um 7.956,91 DM (=4.068,30 EUR) zu mindern und die Steuer entsprechend herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt das FA aus, der Kläger habe kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt. Im Fahrtenbuch sei nur vereinzelt ein Fahrtenziel angegeben worden. Auf die Angaben zum Fahrtenziel könne nicht verzichtet werden, weil viele Eintragungen entgegen der Auffassung der Kläger nicht nachvollziehbar seien. Zwar sei es grundsätzlich möglich, dass fehlende Eintragungen durch andere Unterlagen ersetzt werden könnten. Dies gelinge aber nur, wenn die km-Angaben im Fahrtenbuch mit denen in den Abrechnungen gegenüber den Gerichten übereinstimmten. Dies sei jedoch häufig nicht der Fall.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Kläger sind durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid nicht in ihren Rechten verletzt. Das FA hat zu Recht bei der Einkommensteuerfestsetzung 2000 einen geldwerten Vorteil aus der Privatnutzung des betrieblichen Pkw angesetzt und diesen der Höhe nach zutreffend bewertet.

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kfz für jeden Kalendermonat mit 1% des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Abweichend davon kann die private Nutzung nach Satz 3 der Vorschrift mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

Diese pauschale Bewertungsregelung beruht auf dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass bestimmte Arten von Kfz, namentlich vor allem PKW und Krafträder, typischerweise nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt werden. Die Bewertungsregelung ist grundsätzlich nur dann nicht anwendbar, wenn vom Steuerpflichtigen nachgewiesen wird, dass eine Privatnutzung des PKW ausscheidet (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 13. Februar 2003 X R 23/01, BStBl II 2003, 472). Der Kläger hat in dem von ihm vorgelegten Fahrtenbuch Privatfahrten eingetragen, so dass die Bewertungsregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG im Streitfall anwendbar ist.

Letztlich konnte die Privatnutzung nur nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bewertet werden, denn der Kläger hat kein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch vorlegt.

Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist zwar gesetzlich nicht näher bestimmt. Aus dem Wortlaut der Regelung und aus deren Sinn und Zweck entnimmt aber die mittlerweile gefestigte Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile vom 09. November 2005 VI R 27/05, BStBl II 2006, 408; vom 16. November 2005 VI R 64/04, BStBl II 2006, 410 und vom 16. März 2006 VI R 87/04, BStBl II 2006, 625), dass die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Deshalb muss ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt werden. Die zu erfassenden Fahrten einschließlich der dann erreichten Gesamtkilometerstände müssen im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden.

Nach diesen Grundsätzen kann das vom Kläger im Streitjahr erstellte Fahrtenbuch nicht als ordnungsgemäß anerkannt werden.

Der Kläger hat entgegen seinem Vortrag im Klageverfahren nicht nach jeder Fahrt den KM-Stand im Fahrtenbuch eingetragen, sondern häufig nur den KM-Stand am Anfang der jeweiligen Seite und den KM-Stand am Ende der letzten Fahrt auf der Seite. Hinzu kommen die häufig fehlenden Angaben zu den Reisezielen. Diese Angaben sind auch nicht entbehrlich, worauf das FA nach Auffassung des Senats zu Recht hingewiesen hat. Dies wäre ausnahmsweise nur der Fall, wenn man aus den Kostenrechnungen des Klägers den Tag und die gefahrenen KM entnehmen könnte. Da der Kläger seinen Kostenrechnungen aber die Entfernung laut Routenplaner zu Grunde gelegt haben will, können die Abrechnung die fehlenden (abweichenden) Angaben im Fahrtenbuch nicht ersetzen. Die Grenze des vertretbaren Prüfungsaufwands des Fahrtenbuchs auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit ist jedenfalls dann überschritten, wenn - wie vom Kläger vorgetragen - weitere Unterlagen herangezogen werden müssen, um die Richtigkeit und Vollständigkeit des Fahrtenbuchs beurteilen zu können.

Da das Fahrtenbuch bereits aus anderen Gründen nicht ordnungsgemäß geführt wurde, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Kläger im Fahrtenbuch alle Fahrten eingetragen hat. Hieran bestehen insoweit Zweifel, als der Kläger alle Fahrten an einem Tag als eine Fahrt behandelt hat. Möglicherweise könnte bereits das Erreichen eines jeden Zwischenziels als Ende einer eigenständigen Fahrt zu beurteilen ist, mit der Folge, dass an einem Tag zumindest zwei Eintragungen zu erfolgen hätten.

Kann die private Nutzung des Fahrzeugs nicht anhand eines Fahrtenbuches ermittelt werden, ist sie mit 1% des Bruttolistenpreises anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Gegen die Höhe des von der Prüferin angesetzten Bruttolistenpreises in Höhe von 113.000 DM hat der Kläger nichts vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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