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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 16.02.2005
Aktenzeichen: 2 K 507/04
Rechtsgebiete: UStG, EWGRL 388/77


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 27 Buchst. a
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. k
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Umsatzsteuer 1996 bis 1999

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 2. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Februar 2005 durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts ... als Vorsitzenden, den Richter am Finanzgericht ..., die Richterin am Finanzgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ... die ehrenamtliche Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die bis zur mündlichen Verhandlung entstandenen Kosten tragen die Klägerin zu 45 v.H. und der Beklagte zu 55 v.H., die danach entstandenen Kosten trägt die Klägerin.

Das Urteil ist für die Klägerin wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung eines Betrages in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob Zahlungen für Personalgestellungen in die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind.

Die Klägerin ist eine milde Stiftung bürgerlichen Rechts, die ihrem satzungsgemäßen Zweck entsprechend Einrichtungen der Alten- und Behindertenpflege sowie ein Krankenhaus betreibt, und als steuerbegünstigte Körperschaft anerkannt ist. Gleichzeitig befindet sich auf dem Gelände der Klägerin eine Kirchengemeinde, deren Bezirk das Gelände der Klägerin umfasst. Die Kirchengemeinde gehört zum evangelischen Kirchenkreis ... und damit zur Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz .... Die Kirchengemeinden, die Kirchenkreise und die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz sind nach Art. 6 Abs. 4 der Grundordnung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz ... eigenständige Rechtspersönlichkeiten (Blatt 80 ff. der Gerichtsakte). Darüber hinaus befindet sich auf dem Gelände der Klägerin ein Diakonissen-Mutterhaus.

In der auf dem Gelände der Klägerin befindlichen Kirche halten der Stiftungsvorsteher und ein weiterer Pastor Gottesdienste ab. Daneben sind an der Durchführung der Gottesdienste ein Kantor und eine Küsterin beteiligt. Pastor, Kantor und Küsterin sind bei der Klägerin beschäftigt. Die Personalkosten des Pastors erhielt die Klägerin vom kirchlichen Verwaltungsamt anteilig zu 20 v.H. erstattet. Die Personalkosten des Kantors übernahm die Kirchengemeinde anteilig für 5 Stunden je Woche, die Personalkosten für die nur geringfügig beschäftigte Küsterin erstattete sie vollumfänglich. Wegen der Einzelheiten wird die entsprechende Verträge und Abrechnungen Bezug genommen (Blatt 43 ff. der Gerichtsakte). Die Klägerin behandelte die Zahlungen als nicht steuerbare echte Zuschüsse. Aufgrund eine Außenprüfung vertrat der Beklagte die Auffassung, dass die Zahlungen steuerbare Entgelte darstellten und erließ am 8. April 2003 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1999.

Nach erfolglosen Einspruchsverfahren hat die Klägerin am 17. März 2004 Klage erhoben. Sie macht im Wesentlichen geltend, die Zahlungen seien nicht steuerbare Zuschüsse, da sie, die Klägerin, selbst Kirchengemeinde sei und im Rahmen von Gottesdiensten seelsorgerische Leistungen erbringe. Gegenüber dem Konsistorium bestehe keine vertragliche Verpflichtung. Die Auffassung des Beklagten könne lediglich dann zutreffend sein, "wenn das Pfarramt oder das kirchliche Verwaltungsamt selbst Kirchengemeinde wären", für die sie, die Klägerin, entgeltlich tätig geworden wäre. Selbst wenn es sich um steuerbare Leistungen handeln sollte, wären diese nach § 4 Nr. 27 Buchst. a Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerfrei. Die Vorschrift sei eingeführt worden, um eine gleichmäßige Besteuerung herbeiführen, da derartige Leistungen früher im südlichen Raum der Bundesrepublik auf Grund der Eigenschaft mehrerer geistlicher Genossenschaften sowie Mutterhäuser als Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht umsatzsteuerbar gewesen seien, während die gleichen Leistungen der Umsatzsteuer unterworfen worden wären, soweit die Institutionen privatrechtlich organisiert gewesen seien. Berücksichtige man, dass das Diakonissen-Mutterhaus auf Betreiben des DDR-Regimes in die rechtliche Selbstständigkeit habe entlassen werden müssen, begründe die Nichtanwendung der Vorschrift einen Verstoß gegen die Besteuerungsgleichheit. Für den Fall, dass die Steuerbefreiung nur im Rahmen einer abweichenden Steuerfestsetzung nach § 163 Abgabenordnung Berücksichtigung finden könne, berufe sie sich zumindest auf eine unmittelbare Anwendung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. k der 6. EG-Richtlinie. Der Gesetzgeber habe diese Bestimmung durch § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG nicht korrekt umgesetzt. Aus der beigefügten Bestätigung der Stiftungsaufsicht der Kirchenprovinz ... ergebe sich, dass sie ein in besonderer Rechtsform arbeitendes Werk gemäß Art. 107 Abs. 1 Satz 1 der Grundordnung der evangelischen Kirche der Kirchenprovinz ... und damit eine religiöse Einrichtung im Sinne der maßgeblichen Bestimmung sei (Blatt 17 der Gerichtsakte). Jedenfalls aber müsse der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG zur Anwendung kommen.

Die Klägerin beantragt wörtlich,

die Bescheide über die Umsatzsteuer 1996, Umsatzsteuer 1997, Umsatzsteuer 1998 und Umsatzsteuer 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Februar 2004 derart zu ändern, dass

in der Umsatzsteuer-Festsetzung für 1996 die Bemessungsgrundlage für die Umsätze zu 15 v.H. um 7.211,68 DM,

in der Umsatzsteuer-Festsetzung für 1997 die Bemessungsgrundlage für die Umsätze zu 15 v.H. um 13.223,16 DM,

in der Umsatzsteuer-Festsetzung für 1998 die Bemessungsgrundlage für die Umsätze zu 15 v.H. um 8.943,12 DM und die Bemessungsgrundlage für die Umsätze zu 16 v.H. um 26.598 DM sowie

in der Umsatzsteuer-Festsetzung für 1999 die Bemessungsgrundlage für die Umsätze zu 16 v.H. um 28.087,81 DM vermindert werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte führt im Wesentlichen an, gegen einen pauschalen Zuschuss spreche die genaue Abrechnung der Personalgestellung. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 27 a UStG komme nicht zur Anwendung, da diese sich nur auf Mitglieder einer geistlichen Genossenschaft oder eines Mutterhauses beziehe. Die Klägerin sei auch keine religiöse Einrichtung sondern eine medizinische.

Nachdem der Beklagte erklärt hatte, auf die in dem Antrag der Klägerin genannten Bemessungsgrundlagen den ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG anzuwenden und die Umsatzsteuer für die Streitjahre entsprechend herabzusetzen, haben die Beteiligten insoweit teilweise den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die Leistungen unterliegen der Umsatzsteuer, es handelt sich um steuerbare und steuerpflichtige Umsätze.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Auch die Klägerin als eine Stiftung bürgerlichen Rechts kann Unternehmerin sein, es kommt nicht darauf an, in welcher Rechtsform jemand tätig wird. Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt einen Leistungsaustausch voraus. Grundlage für den Leistungsaustausch ist ein Kausalzusammenhang, eine innere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Der Leistende muss seine Leistung erkennbar um der Gegenleistung willen erbringen (BFH vom 13. November 1997 V R 11/97, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1998, 169).

Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall ein Leistungsaustausch zu bejahen. Die Klägerin hat gegenüber dem Kirchenkreis und der Kirchengemeinde konkrete Leistungen erbracht. Die Leistungen der Klägerin bestehen darin, den Pastor sowie den Kantor und die Küsterin gestellt zu haben, damit in der Kirchengemeinde Gottesdienste abgehalten werden konnten. Da die Kirchenkreise und Kirchengemeinden eigenständige Rechtspersönlichkeiten sind (vgl. Art. 6 Abs. 4 der Grundordnung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen) sind diese als Empfänger einer durch die Klägerin erbrachten Leistung anzusehen. Dies gilt unabhängig davon, dass die Klägerin gegenüber dem Konsistorium keine vertragliche Verpflichtung eingegangen war und die von der Kirchengemeinde veranstalteten Gottesdienste im Interesse ihrer Mitarbeiter sowie der Heimbewohner und Patienten lagen. Die Klägerin hat die Personalgestellungen auch in der Erwartung erbracht, eine zumindest kostendeckende Gegenleistung zu erhalten. Es bestand danach die für die Annahme eines Leistungsaustausches erforderliche innere Verknüpfung zwischen der Leistung der Klägerin und den Zahlungen des Kirchenkreises bzw. der Kirchengemeinde. Die Leistungsbezogenheit der Zahlungen wird insbesondere darin deutlich, dass die Zahlungen vom Umfang der Personalgestellungen abhängig waren, die Leistungen also in gegenseitiger Abhängigkeit standen. Entsprechend der erhaltenen Leistung wurden die Personalkosten des Pastors durch das kirchliche Verwaltungsamt nur zu 20 v.H. und die Personalkosten des Kantors durch das Pfarramt nur für 5 Wochenstunden übernommen. Die Zahlungen unterscheiden sich dadurch ganz wesentlich von nicht steuerbaren Zuschüssen, die nicht konkreten Leistungen zugeordnet werden können. Der Beklagte geht daher zu Recht davon aus, dass der Tatbestand der entgeltlichen Leistung erfüllt ist.

2. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG kommt nicht zur Anwendung. Nach dieser Vorschrift ist die Gestellung von Mitgliedern geistlicher Genossenschaften und Angehörigen von Mutterhäusern für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche und schulische Zwecke steuerbefreit. Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Klägerin überhaupt zu den begünstigten Einrichtungen gehört. Die Steuerbefreiung der Personalgestellung scheitert jedenfalls daran, dass nur die Gestellung von Mitgliedern oder Angehörigen der genannten Einrichtungen begünstigt ist. Die Befreiung erstreckt sich nicht auf die Gestellung von Personen, die - wie der Pastor, der Kantor und die Küsterin - in einem Arbeitsverhältnis zu den Einrichtungen stehen.

Es kann dahinstehen, ob Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. k der 6. EG-Richtlinie durch § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG korrekt umgesetzt wurde. Denn auch eine unmittelbare Berufung der Klägerin auf die Richtlinie führt nicht zur Steuerbefreiung, da deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. k der 6. EG-Richtlinie ist die Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen für bestimmte dem Gemeinwohl dienende Zwecke wie auch für Zwecke geistigen Beistands von der Umsatzsteuer befreit. Begünstigt sind damit nur Personalgestellungen, die von religiösen oder weltanschaulichen Einrichtungen erbracht werden. Nach Auffassung des Senats ist die Klägerin jedoch keine religiöse Einrichtung in diesem Sinne. Zwar ist die Klägerin unstreitig kirchlich gebunden. Dies allein führt aber nicht dazu, dass sie als eine religiöse Einrichtung anzusehen ist. Auch wenn die Klägerin sich als Teil des kirchlichen und diakonischen Handelns der evangelischen Kirche versteht, so bleibt sie doch eine Einrichtung, die primär der Alten-, Behinderten- und Krankenpflege dient. Dahinter tritt der kirchliche Bezug zurück. Sofern der Umstand, dass die Klägerin im kirchlichen Geist tätig wird, für die Steuerbefreiung ausschlaggebend wäre, könnten im Übrigen Wettbewerbsvorteile gegenüber Einrichtungen entstehen, die dasselbe Betätigungsfeld haben, aber nicht im Entferntesten etwas mit der Religion zu tun haben. Daher kann es keinen Unterschied machen, ob eine Einrichtung, die im Bereich der Alten- und Krankenpflege tätig ist, in einem kirchlichen Kontext steht oder nicht Darüber hinaus sind die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen des Art. 13 der 6. EG-Richtlinie umschrieben werden, eng auszulegen (Europäischer Gerichtshof vom 11. August 1995 Rs. C-453/93, Umsatzsteuer-Rundschau 1995, 476). Durch die Wortwahl "religiös" anstelle von "kirchlich" wird deutlich, dass die Bestimmung auf den ideellen (Kern-)Bereich der Religion abzielt, so dass Einrichtungen, die sich lediglich im Rahmen einer institutionalisierten Religionsausübung bewegen, nicht begünstigt werden sollen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 138 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision wurde zugelassen, da der Begriff einer religiösen Einrichtung nicht eindeutig geklärt ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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