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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 13.11.2008
Aktenzeichen: 3 K 649/08
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 195
AO § 196
AO § 193 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 3. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. November 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Schurwanz,

den Richter am Finanzgericht Burckgard,

den Richter am Finanzgericht Kerber,

den ehrenamtlichen Richter ... und

den ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Jahr 2003 gründeten W. L. (Vater) und P. L. (Sohn) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Zum 01. Dezember 2003 wurde die GbR in eine offene Handelsgesellschaft (OHG) umgewandelt (Anmeldung zum Handelsregister am 10. August 2004; Eintragung am 04. Oktober 2004). Die OHG mit der Firma "... OHG" wurde durch formwechselnde Umwandlung zum 01. Januar 2004 auf die L. ... GmbH - die Klägerin - umgewandelt. Gegenstand des Unternehmens ist - laut Eintragung ins Handelsregister - die Herstellung und der Verkauf von Gegenständen "Rund ums Bild", Fotozubehör, Fotohandel, Digitale Bildbearbeitung, auch auf CD, DVD, Fotoexpressdienst mit Bildgrößen aller Art, Vermittlung von Fototransfer, Verkauf von Handys und Telekommunikationsprodukten sowie Zubehör, Service "Rund ums Handy", Garantievertragswerkstatt - Mobilfunk, Vermittlung von Funktelefonverträgen, Verkauf von Bildern, Bilderrahmen und Einrahmservice von Bildern und Gemälden, sowie Beratung zum Verkauf und Vermittlung vorgenannter Gegenstände, Verkauf und Bestellannahme von "..."-Produkten nach Katalogauswahl, Beratung und Lieferung mit Aufstell- und Installationsservice, Installationen von Elektrogroßgeräten vor Ort.

Mit Prüfungsanordnung vom 27. September 2007 ordnete der Beklagte bei der Klägerin nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) eine allgemeine Außenprüfung (Betriebsprüfung) an. Die Prüfung sollte sich auf folgende Steuerarten und Zeiträume erstrecken: Körperschaftsteuer 2004 und 2005, Umsatzsteuer 2004 und 2005, Gewerbesteuer 2004 und 2005 sowie die gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 2004 und zum 31. Dezember 2005. Sie sollte voraussichtlich in der 42. Kalenderwoche beginnen; der genaue Prüfungsbeginn sollte telefonisch mitgeteilt werden. Sollte die Buchführung mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden sein, wurde zur Vorbereitung und Durchführung der Außenprüfung gebeten, bis zum 11. Oktober 2007 einen Datenträger (CD-ROM) mit den steuerlich relevanten Daten zu übersenden.

Die Klägerin legte durch ihren Bevollmächtigten am 24. Oktober 2007 gegen die Prüfungsanordnung Einspruch ein mit dem Ziel der ersatzlosen Aufhebung. Sie trug vor, dass die Klägerin zum 01. Januar 2004 durch Formwechsel gegründet worden sei. Eine Betriebsprüfung nach einem so kurzen Zeitraum sei unüblich und unangemessen.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 teilte der Bevollmächtigte mit, dass zum 01. Oktober 2007 eine Änderung des Ortes der Geschäftsleitung (§ 10 AO) der Klägerin erfolgt sei. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung befinde sich nach dem Wechsel des Hauptwohnsitzes des einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführers P. L. nunmehr an dessen neuen Hauptwohnsitz in W. Der Sitz der Klägerin (§ 11 AO) bleibe B. Es werde um Aktenabgabe an das zuständig gewordene Finanzamt ... gebeten, das von dem Zuständigkeitswechsel - ebenfalls mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 - unterrichtet worden sei.

Mit Schreiben an das Finanzamt ... vom 06. November 2007 bat der Beklagte um Zustimmung zur weiteren Durchführung der Betriebsprüfung trotz Zuständigkeitswechsel nach § 26 AO. Das Finanzamt ... erklärte mit Schreiben vom 08. November 2007, es stimme gemäß § 26 AO der Fortführung der mit Prüfungsanordnung vom 27. September 2007 begonnenen Betriebsprüfung durch den Beklagten zu.

Das Finanzamt ... lehnte dann aber mit Schreiben an den Beklagten vom 15. November 2007 die Übernahme der Besteuerung für die Klägerin für alle Steuerarten ab, weil Post nicht zugestellt werden konnte (Vermerk: "Firma erloschen").

Der Beklagte wies mit Schreiben vom 20. Dezember 2007 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung zurück. In diesem Schreiben führte er u.a. aus, dass ein Zuständigkeitswechsel zwischen dem Beklagten und dem Finanzamt ... geprüft worden sei. Das Finanzamt ... habe die Übernahme der Besteuerung abgelehnt, weil nach dessen Ermittlungen die Firma erloschen war und Post nicht zugestellt werden konnte. Der Beklagte habe jedoch auch unabhängig von der örtlichen Zuständigkeit das Recht zur Durchführung der Außenprüfung, denn das Finanzamt ... habe bereits mit Schreiben vom 08. November 2007 der Durchführung der Betriebsprüfung durch den Beklagten gemäß § 26 Abs. 2 AO zugestimmt.

In der Folgezeit ging das Finanzamt ... zunächst doch von seiner örtlichen Zuständigkeit aus; es erteilte der Klägerin eine Steuernummer. In den Akten des Beklagten findet sich ein Vermerk über ein am 21. Januar 2008 geführtes Telefonat zwischen den Bearbeitern der beiden betroffenen Finanzämter. Hiernach sollte der Beklagte trotz der Übernahme durch das Finanzamt ... die Betriebsprüfung noch zu Ende führen. Vor endgültiger Übernahme sollte noch eine Nachschau erfolgen, ob der Ort der Geschäftsleitung sich wirklich in W. befinde.

Am 07. März 2008 fand ein weiteres Telefonat statt, in dem vom Finanzamt ... mitgeteilt wurde, dass die Nachschau ergeben habe, dass sich der Ort der Geschäftsleitung im Amtsbezirk des Finanzamtes ... befinde. Der Steuerfall werde übernommen. Die Betriebsprüfung könne aber durch den Beklagten durchgeführt werden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 02. April 2008 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Prüfungsanordnung vom 27. September 2007 als unbegründet zurück. Er führt aus, dass bereits der Umwandlungsvorgang einen Prüfungsgrund darstelle. Die Klägerin sei Rechtsnachfolgerin der ... OHG, sie führe daher ein bereits seit mehreren Jahren bestehendes Unternehmen fort, so dass nicht von einem Unternehmen in der Aufbauphase gesprochen werden könne. Im Übrigen gebe es keinen allgemeinen Rechtssatz, wonach eine Außenprüfung in der Aufbauphase eines Betriebs nicht durchgeführt werden dürfe.

Auch der Gesichtspunkt der örtlichen Zuständigkeit führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung. So sei zwar der Sitz der Geschäftsleitung nach W. verlegt worden und damit grundsätzlich das Finanzamt ... für die Besteuerung zuständig, dennoch könne der Beklagte die Außenprüfung durchführen. Nach § 26 Abs. 2 AO sei es bei einem Zuständigkeitswechsel in das Ermessen des bisher zuständigen Finanzamtes gestellt, ein bereits begonnenes Verwaltungsverfahren fortzuführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens diene und die nunmehr zuständige Finanzbehörde zustimme. Der Zustimmung des Steuerpflichtigen bedürfe es nicht, jedoch seien seine Interessen angemessen zu berücksichtigen. Er sei von der Fortführung des Verfahrens durch das bislang zuständige Finanzamt zu benachrichtigen. Das Finanzamt ... habe der Fortführung der Außenprüfung durch den Beklagten mit Schreiben vom 08. November 2007 zugestimmt. Der Klägerin sei dies mit Schreiben vom 20. Dezember 2007 mitgeteilt worden. Dass die Klägerin der Zuständigkeitsvereinbarung zwischen den Finanzämtern zustimme, sei nicht notwendig.

Die Klägerin habe keine konkreten Einwände geltend gemacht, weshalb ihre Interessen durch die Zuständigkeitsvereinbarung objektiv verletzt seien. Solche seien auch nicht erkennbar.

Der pauschalen Ablehnung durch die Klägerin stünden die Interessen des Beklagten vorrangig gegenüber. So befinde sich der Ort der wirtschaftlichen Betätigung der Klägerin nach wie vor im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Zudem seien weitere Prüfungsanordnungen für verbundene Unternehmen und Rechtsvorgänger ergangen, weshalb eine einheitliche Prüfung der Unternehmensgruppe für zwingend erforderlich gehalten werde, um die Prüfungen zweckmäßig abzuwickeln. Auch erleichtere die Ansässigkeit der Betriebsstätte und des steuerlichen Beraters im Bezirk des Beklagten die praktische Durchführung der Außenprüfung. Die Distanz zum Finanzamt ... würde eine Prüfung durch dieses erschweren.

Mit Schreiben vom 10. April 2008 bat der Bevollmächtigte der Klägerin um Vorlage des Schreibens des Finanzamtes ... vom 08. November 2008, auf das sich der Beklagte in der Einspruchsentscheidung beziehe. Der Bitte wurde durch Übersendung einer Kopie Genüge getan.

Die Klägerin hat am 30. April 2008 Klage erhoben. Sie rügt eine fehlerhafte Ermessensausübung durch den Beklagten. Eine pflichtgemäße Ermessensausübung setze einen konkreten Anlass für die Prüfung gerade des betroffenen Steuerpflichtigen voraus. Der Beklagte führe in seiner Einspruchsentscheidung aus, dass eine Außenprüfung grundsätzlich ohne weitere Voraussetzungen durchgeführt werden könne; der Umwandlungsgrund stelle jedenfalls einen Prüfungsgrund dar. Der Beklagte zeige damit, dass er aus Einzelfallgesichtspunkten tätig werden wolle. Darüber hinaus könne nach Auffassung des Beklagten die Ermittlung aller steuerlichen Verhältnisse der Klägerin Gegenstand des Prüfungsverfahrens sein. Dies spreche eher für eine routinemäßige Prüfung der Klägerin. Der Beklagte vermenge damit in unzulässiger Weise generalpräventive und spezialpräventive Erwägungen. Eine rechtmäßige Außenprüfungsanordnung könne nur entweder aus generalpräventiven oder aus spezialpräventiven Gründen erfolgen. Eine kumulative Anwendung beider Gründe sei unzulässig und führe zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung.

Daneben habe der Beklagte nicht beachtet, dass das Finanzamt ... die nach § 26 AO erforderliche Zustimmung, bei der es sich um eine Ermessensentscheidung handele, des zuständig gewordenen Finanzamtes nicht wirksam erteilt habe. Weder der Beklagte noch das Finanzamt ... haben vor der Erteilung der Zustimmung der Klägerin rechtliches Gehör gewährt. Die Klägerin hätte durch die bisher zuständige Behörde angehört werden müssen, weil diese vor der Frage der Weiterführung des Verfahrens stehe. Dies sei jedoch nicht geschehen. Auch nach der Erteilung der Zustimmung sei der Klägerin keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Die Klägerin habe erst am 15. April 2008, also nach Erlass der Einspruchsentscheidung, die Mitteilung der Zustimmung schriftlich bekommen. Das Finanzamt ... habe mithin bei seiner Ermessenausübung nicht sämtliche ermessensrelevanten Erwägungen in seine Ermessenentscheidung - die Zustimmung - eingestellt, weil der Klägerin keine Gelegenheit zur Äußerung in der Sache gegeben worden sei. Es liege ein Ermessensdefizit vor. Dieses führe zwangsläufig auch zur Rechtswidrigkeit der Einspruchsentscheidung, weshalb die Prüfungsanordnung aufzuheben sei.

Weiterhin rügt die Klägerin die Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Dem Beklagten sei der Inhalt der Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Umwandlung bekannt. Aus den Erläuterungsberichten zu den Jahresabschlüssen sei zu entnehmen, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin darstellen und aus welchem Grund und in welcher Höhe Rückstellungen und Rücklage gebildet wurden. Ein weitergehender Erkenntnisgewinn sei durch die Außenprüfung nicht zu erwarten. Wenn der Beklagte weitere Erläuterungen benötige, so es einfacher, sich dies von der Klägerin im Rahmen deren steuerlichen Mitwirkungspflichten erläutern zulassen, als die Klägerin einer Außenprüfung zu unterziehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei insofern verletzt.

Die Kläger beantragt,

die Prüfungsanordnung vom 27. September 2007 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 02. April 2008 ersatzlos aufzuheben;

im Falle des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 02. April 2008.

Ergänzend führt er aus, dass die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer bis zum September 2007 mit Wohnsitz in B. ... gemeldet waren. Zum 01. Oktober 2007 habe P. L. seinen Wohnsitz nach W. verlegt. Die Geschäftsräume der Klägerin befinden sich nach wie vor im Einkaufszentrum B. Die Verlegung des Orts der Geschäftsleitung in zeitlichem Zusammenhang mit der Prüfungsanordnung deute auf eine rein taktische Maßnahme zur Vermeidung einer steuerlichen Überprüfung hin, denn sie sei unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 03. Juni 2008 Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2008 hat der Beklagten vorgetragen, dass er nunmehr von seiner vollumfänglichen örtlichen Zuständigkeit ausgehe. Er nimmt Bezug auf ein Schreiben des Finanzamtes ... vom 14. April 2008 an den Beklagten, in dem das Finanzamt ... mitteilt, dass sich nach den vorliegenden Informationen der Ort der Geschäftsleitung nicht in W., sondern in B. sei. Die Zuständigkeit für die Besteuerung liege derzeit noch beim Beklagten. Ergänzt hat der Beklagte diesen Vortrag durch den Hinweis, dass sich P. L. als Kandidat zur Wahl der IHK-Vollversammlung im Wahlbezirk ... habe aufstellen lassen. Auf dem Stimmzettel sei Adresse ..., B., angegeben. Auch dies sei ein Hinweis, dass sich der Ort der Geschäftsleitung im Zuständigkeitsbereich des Beklagten befinde.

Die Klägerin hat erwidert, dass es ihr freistehe, den Ort ihrer Geschäftsleitung zu bestimmen. Es stehe allein ihr zu, zu beurteilen, ob die Verlegung ökonomisch sinnvoll oder ineffizient sei. Die zeitliche Nähe der Verlegung zur Prüfungsanordnung sei rein zufällig. Im Zusammenhang mit der Kanditatur von P. L. sei entscheidend, dass der Sitz der Klägerin i. S. von § 11 AO in B. sei. Der Ort der Geschäftsleitung sei demgegenüber in W., denn dort habe P. L., der für den organisatorischen Bereich und damit für die unternehmerische Ausrichtung der Klägerin zuständig sei, seinen Wohnsitz. W. L. koordiniere innerhalb der Geschäftsführung der Klägerin den technischen Teil. Sofern er in Entscheidungen über die unternehmerische Ausrichtung der Klägerin einbezogen werde, erfolge dies am Wohnsitz des P. L. in W. Dort würden gemeinsam die Entscheidungen der Geschäftsführung der Klägerin getroffen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist unbegründet.

a) Die Prüfungsanordnung ist nicht wegen örtlicher Unzuständigkeit des Beklagten rechtswidrig.

aa) Da die Außenprüfung ein Vorgang des Besteuerungsverfahrens ist, richtet sich die örtlich Zuständigkeit, soweit - wie im Streitfall - keine Sonderregeln bestehen, nach den §§ 18 ff. AO (§ 17 AO). § 195 Satz 1 AO, wonach die Außenprüfung von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt wird, dient nur der Klarstellung. Sonderregeln sind nur in § 195 Sätze 2 und 3 AO enthalten, wonach andere als die für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden mit der Außenprüfung und der Festsetzung der Steuer beauftragt werden können (BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483).

(1) Für die Besteuerung von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen nach dem Einkommen und Vermögen - betrifft im Streitfall die Prüfung der Gewerbesteuer, der Körperschaftsteuer und der Feststellungen nach dem KStG - ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet (§ 20 Abs. 1 AO).

Ändern sich die die Zuständigkeit begründenden Umstände, wechselt nach § 26 Satz 1 AO die Zuständigkeit in dem Zeitpunkt, in dem eine der betroffenen Finanzbehörden hiervon tatsächlich erfährt. Ein Kennenkönnen oder Kennenmüssen genügt für einen Zuständigkeitswechsel nicht. Die Vorschrift verlangt aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität überschaubare eindeutige Verhältnisse, damit Unsicherheiten vermieden werden, die zu Kompetenzstreitigkeiten führen. Die die Zuständigkeit ändernden Umstände müssen daher aus Sicht der betroffenen Finanzämter zweifelsfrei feststehen (BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 X R 158/87, a.a.O.).

Im Streitfall war für die Besteuerung der Klägerin nach dem Einkommen - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - zunächst zweifelsfrei das beklagte Finanzamt zuständig, weil die Klägerin in dessen Bezirk seine Geschäftsleitung hatte.

Die Zuständigkeit des Beklagten bestand auch noch um Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vom 27. September 2007 am 01. Oktober 2007, einem Montag (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO; BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003 IX R 68/98, BStBl II 2003, 898), und auch noch zu Beginn des Einspruchverfahrens, denn erstmals mit Schreiben des steuerlichen Beraters vom 24. Oktober 2007 war die Rede davon, dass der Ort der Geschäftsleitung der Klägerin verlegt worden sei.

Ein Zuständigkeitswechsel ist bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht eingetreten, denn die die Zuständigkeit begründenden Umstände haben sich aus der Sicht der betroffenen Finanzämter nicht zweifelsfrei dahingehend geändert, dass nunmehr das Finanzamt ... zuständig wäre. Das Verhalten der betroffenen Finanzämter zeigt, dass man sich unsicher darüber ist, ob der Ort der Geschäftsleitung wie von der Klägerin behauptet nach Wiesenburg verlegt wurde. So dürfte der Beklagte zunächst von einem Zuständigkeitswechsel ausgegangen sein, wenn er das Finanzamt ... um Zustimmung zur Fortführung der Betriebsprüfung bat und dieses auch zustimmte. Wenige Tage später lehnte das Finanzamt ... die Übernahme jedoch ab. Dann erteilte das Finanzamt ... eine Steuernummer, machte die endgültige Übernahme jedoch von einer Nachschau abhängig, ob der Ort der Geschäftsleitung sich wirklich in W. befinde (Telefonat vom 21. Januar 2008). Anschließend ging man von einem Zuständigkeitswechsel aus (Telefonat vom 07. März 2008), inzwischen nun aber doch nicht mehr (Schreiben des Finanzamts ... vom 14. April 2008). Bei dieser Sachlage kann von einem zweifelsfreien Feststehen der die Zuständigkeit ändernden Umstände aus Sicht der betroffenen Finanzämter nicht die Rede sein. Aus den von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs genannten Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität bleibt es deshalb bei der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten, bis - ggf. im Rahmen der Betriebsprüfung - zweifelsfrei feststeht, dass der Ort der Geschäftsleitung nach Wiesenburg verlegt wurde.

Ist im Streitfall somit ein Wechsel der Zuständigkeit nicht eingetreten, ist folglich unerheblich, ob die Voraussetzungen des § 26 Satz 2 AO im Streitfall erfüllt sind.

(2) Für die Umsatzsteuer ist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AO das Finanzamt zuständig, von dessen Bezirk aus der Unternehmer sein Unternehmen ganz oder vorwiegend betreibt. Das wird in der Regel der Ort der Geschäftsleitung sein, der nicht mit dem Sitz des Unternehmens zusammenfallen muss. Entscheidend für die örtliche Zuständigkeit für die Umsatzsteuer nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AO ist, von wo aus der Unternehmer seine gewerbliche Tätigkeit "ausübt", sie "betreibt". Da im Regelfall die gewerbliche Tätigkeit auf einem Plan des Unternehmers beruht, kommt als Ort des Unternehmens derjenige in Betracht, an dem der Plan des Unternehmers zur Ausführung gelangt. Dies wird im Allgemeinen dort sein, von wo aus der Unternehmer seine gewerbliche Tätigkeit anbietet, wo er Aufträge entgegennimmt, ihre Ausführung vorbereitet und die Zahlungen an ihn geleistet werden (BFH-Urteil vom 18. März 1971 V R 101/67, BFHE 102, 23, BStBl II 1971, 518; BFH-Urteil vom 19. Dezember 2000 VII R 86/99, BFH/NV 2001, 742, m.w.N.).

Im Streitfall liegt der Ort des Unternehmens ausgehend vom Unternehmensgegenstand in B. und damit im Bezirk des Beklagten. Denn in B. befindet sich das Geschäftslokal der Klägerin und die von ihr im Rahmen ihres Unternehmensgegenstandes ausgeübte gewerbliche Tätigkeit kann typischerweise nur im Geschäftslokal angeboten werden, dort werden Aufträge entgegengenommen, ihre Ausführung vorbereitet und dort erfolgen auch die Zahlungen an die Klägerin, weil sie auf der Grundlage ihres Unternehmensgegenstandes typischerweise Barzahlungsgeschäfte tätigen wird.

Für die Anordnung der Prüfung der Umsatzsteuer war und ist der Beklagte zuständig. Ein Zuständigkeitswechsel kommt insoweit auch bei einer Verlegung des Sitzes der Geschäftsleitung nach W. nicht in Betracht. Das heißt, dass für die Besteuerung der Klägerin zwei Finanzämter zuständig wären, sollte zweifelsfrei feststehen, dass die Klägerin ihre Geschäftsleitung nach W. verlegt hat.

b) Die Prüfungsanordnung lässt Ermessensfehler nicht erkennen; die Ermessenerwägungen sind ausreichend dargelegt.

aa) Eine Prüfungsanordnung (§ 196 AO) ist ein schriftlicher Verwaltungsakt, der gemäß § 121 AO zu begründen ist, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist (z.B. BFH-Urteile vom 16. Dezember 1987 I R 238/83, BFHE 152, 32, BStBl II 1988, 233; vom 10. Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286; BFH-Beschluss vom 12. August 2002 X B 210/01, BFH/NV 2003, 3). Die Anordnung einer Außenprüfung ist zwar eine Ermessensentscheidung, gleichwohl genügt für die Anordnung einer routinemäßigen Außenprüfung, die unter § 193 Abs. 1 AO 1977 fällt, die Angabe der Rechtsgrundlage. Eine Prüfungsbedürftigkeit wird in den Fällen des § 193 Abs. 1 AO 1977 grundsätzlich unterstellt. Die Verwaltung hat ihr Ermessen allerdings durch die Bestimmungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung - Betriebsprüfungsordnung (Steuer) - (BpO 2000) vom 15. März 2000 (BStBl I 2000, 368) eingeschränkt. Diese Selbstbeschränkung ist auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 19. August 1998 XI R 37/97, BFHE 186, 506, BStBl II 1999, 7, und vom 28. Juni 2000 I R 20/99, BFH/NV 2000, 1447).

bb) Im Streitfall enthielt die Prüfungsanordnung vom 27. September 2007 zunächst keine Begründung sondern nur einen Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO, was bei sog. routinemäßigen Außenprüfungen ausreichen würde. In der Einspruchsentscheidung erwähnte der Beklagte als konkreten Grund für eine Prüfung die Umwandlung zum 01. Januar 2004. Hiermit ist der Begründungspflicht Genüge getan. Für die Auffassung des Prozessbevollmächtigten, dass eine Prüfungsanordnung entweder nur aus generalpräventiven oder aus spezialpräventiven Gründen erfolgen könne und eine Kumulation beider Gründe nicht möglich sei, findet sich weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine Grundlage.

Die Anordnung der Prüfung von nur zwei Veranlagungszeiträumen ist ebenfalls ermessensgerecht, denn zum Einen sieht § 4 BpO 2000 vor, dass der Prüfungszeitraum in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen soll; zum Anderen besteht die Besonderheit der Umwandlung.

Der Beklagte musste in der Prüfungsanordnung auch nicht darlegen, warum anstelle von Einzelermittlungen eine Außenprüfung erforderlich war, oder etwa gar ganz auf die Außenprüfung verzichten und sich auf Einzelermittlungen beschränken. Denn der Gesetzgeber geht in § 193 Abs. 1 AO davon aus, dass für Steuerpflichtige, die einen gewerblichen Betrieb unterhalten, die Außenprüfung das geeignete und erforderliche Mittel zur Erforschung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse in steuerlicher Hinsicht ist (BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

3. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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