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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 11.09.2008
Aktenzeichen: 3 K 873/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 33 Abs. 1
EStG § 33 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 3. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11. September 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Schurwanz,

den Richter am Finanzgericht Kerber,

den Richter am Finanzgericht Burckgard,

den ehrenamtlichen Richter ... und

den ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die einkommensteuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen im Zusammenhang mit einer GmbH sowie für die Strafverfolgung des Klägers.

Die ... GmbH (B GmbH) wurde am 04. Juni 1991 errichtet. Am Stammkapital i.H.v. DM 50.000,-- waren zunächst der Kläger, der zugleich der alleinige und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer war, mit DM 38.000,--, M. S. mit DM 7.000,-- und A. B., geb. T., mit DM 5.000,-- beteiligt. Die Stammeinlagen wurden laut Anmeldung zum Handelsregister durch den Kläger jeweils hälftig eingezahlt.

Die B GmbH wurde unter der Nr. HR ... in das Handelsregister beim Amtsgericht ... eingetragen. Der Kläger meldete das Gewerbe der B GmbH bei der Stadt ... per 31. Juli 1993 wegen vollständiger Betriebsaufgabe ab. In den dem Handelsregister vom Kläger eingereichten Gesellschafterlisten für 1993 und 1994 gab dieser jeweils sich als alleinigen Gesellschafter der B GmbH an. Unter dem 15. Februar 1996 teilte der von Rechtsanwalt K., ..., vertretene Kläger dem Amtsgericht ... mit, das Gewerbe der B GmbH werde seit dem 31. Juli 1993 nicht mehr betrieben. Zu diesem Zeitpunkt habe die B GmbH ihre Geschäftsräume in der ... straße 7, ..., aufgegeben. Die B GmbH wurde im Handelsregister am 14. Juli 1999 wegen Vermögenslosigkeit aufgrund § 141 a FGG von Amts wegen gelöscht.

Unter dem 28. April 2003 teilte das Amtsgericht ... dem Kläger mit, die Staatsanwaltschaft ... habe im Verfahren ... ihren Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zurückgenommen. Nach Angaben des Beklagten stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den angeschuldigten Kläger am 20. Mai 2003 mangels genügenden Anlasses zur Erhebung öffentlicher Klage nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Die Staatsanwaltschaft ... teilte dem Kläger die Einstellungsmitteilung Verfahrens ... unter dem 03. Juni 2003 mit.

Mit zusammengefassten Bescheiden vom 15. Juli 2004 setzte der Beklagte die Einkommensteuer der Kläger für 2002 auf EUR 2.084,-- und für 2003 auf EUR 1.926,-- fest. Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Kläger gingen beim Beklagten am 18. August 2004 ein. Sie trugen vor, es seien Ausgaben für die B GmbH zu berücksichtigen, die ausschließlich die Klägerin getragen habe. Zu diesen Ausgaben zähle auch die Tilgung von Verbindlichkeiten der B GmbH. Die Kläger müssten noch Verbindlichkeiten der inzwischen aufgegebenen Firma des Klägers tilgen.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens wies der Beklagte darauf hin, dass die B GmbH bereits aufgelöst sei. Die Kläger gaben an, von der Löschung der B GmbH erst über den Beklagten erfahren zu haben. Der Geschäftsbetrieb der B GmbH solle fortgeführt werden.

Unter dem 12. Mai 2005, einem Donnerstag, wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Er führte aus, Aufwendungen im Zusammenhang mit der bereits gelöschten B GmbH könnten in den Streitjahren nicht einkunftsmindernd berücksichtigt werden, da sie nicht im Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stünden. Denn es sei nicht mit Einkünften des Gesellschafters aus der Verwaltung des Vermögens einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten B GmbH zu rechnen. Die ertragslose Verwaltung von Vermögen sei einkommensteuerlich nicht relevant. Selbst wenn es den Klägern gelingen sollte, die Löschung der B GmbH rückgängig zu machen und diese ihre Geschäftstätigkeit wieder aufnehmen sollte, so bildeten die vom Kläger steuerlich geltend gemachten Aufwendungen allenfalls Betriebsausgaben der B GmbH. In diesem Falle führten die von den Klägern übernommenen Kosten zu Anschaffungskosten der Beteiligung an der B GmbH, die allenfalls im Falle deren erneuter Auflösung i.R.d. Einkünfte nach § 17 EStG zu berücksichtigen seien.

Der Abzug der Aufwendungen als Sonderausgaben sei nicht möglich.

Im übrigen könnten Gerichts- und Anwaltskosten, von Ämtern erhobene Kosten, Fahrtkosten, Kosten des die Löschung der B GmbH betreffenden Verfahrens wie auch des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen sowie Aufwendungen für die Tilgung von Schulden der B GmbH auch nicht von den Klägern als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.

Am 16. Juni 2005 ging ein von beiden Klägern unterzeichneter Schriftsatz beim Gericht ein. Sein Betreff lautet:

"Klageantrag gegen den Einspruchsbescheid des Finanzamtes ... bezüglich des Zeichens ... mit RB ... vom 18.03.04 sowie vom 6.03.05".

Die Kläger baten um "Verlängerung der erforderlichen Niederschriftsabgabe zur Klagethematik".

Die Kläger tragen vor, im Jahre 1993 sei die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der B GmbH mangels Masse abgelehnt worden. Im Oktober 1993 habe der Kläger die B GmbH aufgeben müssen. Seine Familie habe nicht nur das Stammkapital von DM 50.000,--, sondern auch ihr privates Wohnhaus im Werte von ca. 300.000,-- DM sowie weitere DM 120.000,-- verloren. Der Kläger wolle das Unternehmen der B GmbH in deren Rechtskleid fortführen. Es bestünden noch Forderungen der B GmbH.

In den Jahren 2002, 2003 und den Folgejahren seien im Zusammenhang mit der B GmbH Kosten i.H.v. fast 5.000,-- EUR angefallen. Sie entfielen auf Verwaltungsgebühren, Anwaltskosten, Vollstreckungsaufwendungen, Fahrt-, Telefon- und Faxkosten.

Der Kläger habe mit der Abwehr des von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehls einen Rechtsanwalt beauftragt. Die Anwaltskosten hätten sich auf etwa 1.080,-- EUR belaufen. Der Kläger könne nicht angeben, wann er diesen Betrag gezahlt habe, vermute aber, die Zahlung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft geleistet zu haben. Es seien der Klägerin Kosten durch eine Hausdurchsuchung im Zuge des Ermittlungsverfahrens der Steuerfahndung entstanden .

Die nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen führen aus:

"Gegen den Einspruchsbescheid des Finanzamtes ... bezüglich der Handhabung der Einkommensteuer im Allgemeinen und in Besonderen für die Jahre 2002 und 2003, sowie für die Folgezeiten, stelle ich Klagebegehren."

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Einspruchsentscheidungen und führt aus, die von den Klägern vorgetragene Höhe der Strafverteidigungskosten sei nicht nachvollziehbar. Gegenüber dem Finanzamt ... habe die Klägerin lediglich EUR 2.177,-- an Strafverteidigungskosten geltend gemacht. Er weist darauf hin, dass nach § 9 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ein Antrag auf Entschädigung binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft zu stellen sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist, sollte sie zulässig sein, jedenfalls unbegründet.

Die Klage ist dahingehend auszulegen, dass die Kläger beantragen, unter Änderung der Bescheide vom 15. Juli 2004 und der zu diesem ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 12. Mai 2005 die Einkommensteuer für 2002 und 2003 unter Berücksichtigung insgesamt um EUR 5.000,-- reduzierter zu versteuernder Einkommen festzusetzen.

Es kann dahinstehen, ob die Klage zulässig ist. Denn sie ist jedenfalls unbegründet.

Die auf die Beteiligung an der B GmbH entfallenden Kosten können in den Streitjahren keine einkommensteuerliche Berücksichtigung finden. Es liegen weder negative Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft noch Werbungskosten i.R. von Einkünften aus Kapitalvermögen in Betracht. Der Kläger hat nicht etwa Aufwendungen zum Erhalt oder zur Sicherung der möglicherweise in seiner Beteiligung an der B GmbH liegenden Einkunftsquelle getätigt. Denn verdeckte Einlagen in eine Kapitalgesellschaft führen zu nachträglichen Anschaffungskosten. Eine Steigerung des Werts der Beteiligung ist nicht erforderlich. Zu den verdeckten Einlagen zählt insbesondere die Erfüllung von Verbindlichkeiten einer GmbH (Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 27. Aufl., 2008, § 17, RZ 164, m.w.N.).

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG gilt auch die Auflösung einer Kapitalgesellschaft als Veräußerung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG. Die Löschung wegen Vermögenslosigkeit bildet einen Fall der Auflösung (Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 27. Aufl., 2008, § 17, RZ 214, m.w.N.). In diesem Fall entsteht der Auflösungsverlust bereits mit der Löschung, andernfalls erst mit Abschluss der Liquidation (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 27. Aufl., 2008, § 17, RZ 222, m.w.N.). Es fallen weder die Auflösung noch das nach klägerischen Angaben immer noch ausstehende Ende der Liquidation in die Streitjahre.

Strafverteidigungskosten können außergewöhnliche Belastungen bilden. Gemäß § 33 Abs. 1 EStG können außergewöhnliche Belastungen allerdings nur auf Antrag abgezogen werden. An einem solchen Antrag fehlt es bislang. Die Berücksichtigung der Strafverteidigungskosten als außergewöhnliche Belastungen ist jedoch unabhängig hiervon nicht möglich.

Dem objektiven Nettoprinzip folgend ist nach § 33 Abs. 1 EStG nur der vom Steuerpflichtigen getragene Aufwand nach Abzug von Erstattungen, seien diese auch in anderen Besteuerungszeiträume erfolgt, abzugsfähig.

Es braucht nicht geklärt zu werden, ob der Kläger angesichts der Rücknahme des Antrags auf Strafbefehl gemäß § 467a Abs. 1 Satz 1 StPO beantragt hat, die ihm als Angeschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, wobei ein solcher Antrag auch durch die Staatsanwaltschaft möglich ist. Der Antrag ist nicht fristgebunden (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., 2008, § 467a, RZ 11) und kann somit noch vom Kläger erforderlichenfalls nachgeholt werden.

Gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO gehören zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 der Zivilprozessordnung zu erstatten sind. Soweit dem Steuerpflichtigen wie im Streitfall aufgrund dieser Vorschriften ein Anspruch auf Erstattung der streitigen Kosten der Strafverteidigung zusteht, scheidet schon mangels Belastung ein Abzug nach § 33 EStG aus (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BStBl II 2008, 223). Nicht zwangsläufig sind Aufwendungen indes, wenn der Steuerpflichtige mit seinem Verteidiger ein Honorar vereinbart hat, das über den durch die Staatskasse erstattungsfähigen Kosten liegt. Ein Abzug dieser Mehraufwendungen ist mangels Zwangsläufigkeit nicht möglich (vgl. auch Herg in Blümich, EStG, § 33, Rz 236). Es ist schon zweifelhaft, ob sich ein angeschuldigter Steuerpflichtiger der Honorarvereinbarung mit einem Strafverteidiger insbesondere aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Die in § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG genannten Gründe der Zwangsläufigkeit müssen von außen, d.h. vom Willen des Steuerpflichtigen unabhängig, derart auf seine Entschließung einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Dezember 1995 III R 177/94, BFHE 179, 383, BStBl II 1996, 197, m.w.N.). Die Vereinbarung eines über den Gebührensätzen der BRAGO liegenden Anwaltshonorars beruht regelmäßig auf dem freien Willen des Steuerpflichtigen und ist nicht unabdingbare Voraussetzung für eine effiziente und qualifizierte Strafverteidigung. Deshalb rechtfertigt auch der Umstand, dass der Steuerpflichtige kraft öffentlich-rechtlicher Verpflichtung in den (Straf-)Prozess hineingezogen wird (vgl. Arndt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz C 56), allein nicht die Annahme der Zwangsläufigkeit sämtlicher Aufwendungen aufgrund einer Honorarvereinbarung. Dies kann jedoch offen bleiben. Zur Strafverteidigung notwendig und angemessen sind nämlich nur Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach den Vorschriften des Kostenrechts zu erstatten sind. Das gegenwärtige Kostenrecht lässt keinen Bedarf erkennen, über die nach einem Freispruch von der Staatskasse zu tragenden Anwaltskosten hinaus weitere Kosten dieser Art im Wege ihrer steuerlichen Abzugsfähigkeit nach § 33 EStG zu berücksichtigen. Insoweit ergibt sich nunmehr steuerrechtlich keine andere Wertung des Begriffs der "Notwendigkeit" als nach den kostenrechtlichen Bestimmungen (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BStBl II 2008, 223).

Im Übrigen hat der Kläger trotz Aufforderung durch das Gericht weder die Kosten der Strafverteidigung nach Art, Höhe und Zeitpunkt der Begleichung angegeben, noch diese nachgewiesen. Dasselbe gilt hinsichtlich der Person desjenigen, der sie getragen hat, und auch hinsichtlich etwaiger Erstattungen.

Auch die Kosten der Hausdurchsuchung können nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden: Das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) gilt gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 4 StrEG, soweit hier von Interesse, für die Durchsuchung, soweit die Entschädigung nicht in anderen Gesetzen geregelt ist und das Verfahren eingestellt wird. Wenn wie im Streitfall die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt hat, nachdem sie die öffentliche Klage (hier in Gestalt des Antrags auf Strafbefehl) zurückgenommen hat, entscheidet gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StrEG das Amtsgericht, das für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre nach § 9 Abs. 1 Satz 3 StrEG auf Antrag. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 StrEG ist der Antrag binnen eines Monats nach Zustellung der Mitteilung über die Einstellung des Verfahrens zu stellen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 5 StrEG ist der Beschuldigte in der Mitteilung über Antragsrecht, -frist und zuständiges Gericht zu belehren. M.E. stellen die der Klägerin durch die etwaige Durchsuchung entstandenen und etwaig nicht erstatteten Kosten angesichts dieser Vorschriften selbst dann keine außergewöhnliche Belastung da, wenn der Kläger die Antragsfrist versäumt haben sollte, weil dies vermeidbar gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe für eine etwaige Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Ende der Entscheidung

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