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Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 04.12.2006
Aktenzeichen: 4 K 1015/03
Rechtsgebiete: EStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 62 Abs. 1
EStG § 63 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a
BGB § 1608 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

4 K 1015/03

Kindergeld

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 4. Senat -

im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung

am 4. Dezember 2006 durch die Richterin am Finanzgericht Gradl als Berichterstatterin

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wegen Kindergeld für Dezember 2001 wird abgewiesen.

2. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.

3. Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 22 v. H. und die Beklagte zu 78 v. H. zu tragen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte ist befugt, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin ihrerseits zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Streitig ist der Kindergeldanspruch für ein verheiratetes Kind.

Die Klägerin bezog Kindergeld für ihren volljährigen Sohn xxx, weil sich dieser in Berufsausbildung befand. Nach seiner Heirat im November 2001 kam er für seine Ehefrau, deren Tochter und die gemeinsame Tochter auf.

Mit Bescheid vom 17. November 2002 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für 2001 auf, weil xxx Einkünfte den Grenzbetrag überschritten hatten.

Nach Zurückweisung ihres Einspruchs hat die Klägerin Klage erhoben.

Auf Grund einer höchstrichterlichen Entscheidung half die Beklagte der Klage hinsichtlich Januar bis November 2001 ab und setzte entsprechend Kindergeld fest. Die Beteiligten haben diesbezüglich den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

In Bezug auf Kindergeld für Dezember 2001 ist die Klägerin der Ansicht, dass trotz der Verehelichung ein Anspruch ihrerseits bestünde, denn es sei ein sog. Mangelfall gegeben. Bei der Berechnung der Einkünfte ihres Sohnes für Dezember 2001 sei in Abzug zu bringen, dass seine mittellose Ehefrau und die beiden Töchter auf seine Unterstützung angewiesen gewesen seien. Infolge der Heirat habe seine Ehefrau sämtliche staatliche Unterstützung, insbesondere den Unterhaltsvorschuss für ihre erstgeborene Tochter, verloren. Daher komme er auch allein für den Unterhalt seiner leiblichen Tochter und der Stieftochter auf.

Die Klägerin beantragt nun sinngemäß,

unter Änderung des Bescheides vom 06. November 2002 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2003 Kindergeld für xxxfür Dezember 2001 in gesetzlicher Höhe festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ihrer Ansicht nach bestünde kein Kindergeldanspruch für Dezember 2001, weil die anteiligen Einkünfte von xxx den anteiligen Grenzbetrag überschreiten. Ein sog. Mangelfall läge nicht vor, denn bei der Berechnung der Einkünfte müsse lediglich die hälftige Unterhaltsverpflichtung für das leibliche Kind zum Abzug gebracht werden.

Dem Gericht hat die von der Beklagten geführte Verwaltungsakte vorgelegen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.

Entscheidungsgründe:

Auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten entscheidet die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung, § 79 a Abs. 3 und 4, § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Im Übrigen ist die zulässige Klage unbegründet.

Die Klägerin hat für Dezember 2001 keinen Anspruch auf Kindergeld für ihren Sohn, weil seine eigenen Einkünfte i.H.v. 1.441,08 DM die kindergeldunschädliche Grenze überschritten haben.

Für ein volljähriges Kind, das noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und sich in Berufsausbildung befindet, wird Kindergeld gewährt, soweit es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt sind, von nicht mehr als 14.040 DM im Kalenderjahr hat, §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) und Satz 2 Einkommensteuergesetz 2001 (EStG). Ist das Kind bereits verheiratet, ist zusätzlich Voraussetzung, dass ihm sein Ehegatte mangels ausreichender Einkünfte keinen Unterhalt leisten kann (BFH-Urteil vom 02. März 2000 IV R 13/99, BFHE 191, 69 BStBl II 2000, 522).

Im Streitfall scheitert der Kindergeldanspruch bei Vorliegen der anderen genannten Tatbestandsmerkmale daran, dass die Einkünfte und Bezüge des Sohnes der Klägerin, welche zur Bestreitung seines Unterhalts/seiner Berufsausbildung bestimmt sind, im Dezember 2001 wenigstens 1.441,08 DM betragen und damit den anteiligen Grenzbetrag von 1.170 DM übersteigen. Die Einkünfte/Bezüge des Sohnes der Klägerin ermitteln sich wie folgt:

 2.063,64 DMEinnahmen
./. 417,89 DMSozialversicherungsbeiträge (lt. Klägerin)
./. 166,67 DMWerbungskosten
+ 241,00 DMBezüge
- 279,00 DM hälftige Unterhaltsbelastung
= 1.441,08 DM

Unstreitig ist die Höhe der Einnahmen mit 2.063,64 DM, der Werbungskosten mit 166,67 DM und des Netto-Betrages der Bezüge mit 241,00 DM. Streitig ist zwischen den Beteiligten der Betrag der abziehbaren Sozialversicherungsbeiträge. Während die Beklagte 366,31 DM annimmt, geht die Klägerin von 417,89 DM aus. Wie sich aus der Berechnung ergibt, ist die Differenz von 51,58 DM jedoch nicht streitentscheidend, so dass das erkennende Gericht die genaue Höhe der zu berücksichtigenden Sozialversicherungsbeiträge offen lässt und einfachheitshalber von dem höheren Betrag ausgeht.

Weiterhin ist die hälftige Unterhaltsbelastung durch das Kindeskind der Klägerin in Höhe von 279 DM zu berücksichtigen. Die Unterhaltsbelastung orientiert sich an dem in § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG enthaltenen Existenzminimum des Kindeskindes (voller Kinderfreibetrag 6.912 DM und voller Betreuungsfreibetrag 3.024 DM), vermindert um das für das Kindeskind gezahlte Kindergeld (3.240 DM) und beträgt folglich monatlich 558 DM (davon die Hälfte: 279 DM).

Entgegen der Ansicht der Klägerin darf weder die volle Unterhaltsbelastung in Bezug auf ihr Kindeskind noch die Unterhaltsbelastung in Bezug auf das Stiefkind ihres Sohnes berücksichtigt werden.

Gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht angeschlossen hat, haben die Eltern eines verheirateten Kindes für die Monate nach seiner Eheschließung grds. keinen Anspruch mehr auf Kindergeld, weil nun der Ehegatte vorrangig unterhaltsverpflichtet ist (BFH-Urteil vom 02. März 2000 IV R 13/99, BFHE 191, 69, BStBl II 2000, 522).

Ausnahmsweise besteht ein Anspruch auf Kindergeld, falls die Einkünfte des Ehegatten und die Einkünfte des Kindes nur unzureichend sind und folglich ein sog. Mangelfall gegeben ist (BFH-Urteil vom 02. März 2000 IV R 13/99, BFHE 191, 69 BStBl II 2000, 522).

Bei der Ermittlung der kindergeldschädlichen Einkünfte und Bezüge des Kindes sind grundsätzlich nur die Werbungskosten und -nach neuester höchstrichterlicher Rechtsprechung- auch die Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen. Als Ausnahme zu diesem Grundsatz ist im Fall des verheirateten Kindes auch die Belastung, welche ihm durch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem eigenen, leiblichen Kind entsteht, zu berücksichtigen. Diese Ausnahme kann aber weder auf den vollen Kinder- und Betreuungsfreibetrag, noch auf die Unterhaltsbelastung, die dem Kind für ein fremdes Kind entsteht, ausgeweitet werden. Sinn und Zweck der Kindergeldregelung würden einer derartigen Verfahrensweise zuwiderlaufen.

Ausgehend von der in § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den Eltern auferlegten Pflicht, für den Unterhalt ihrer Kinder zu sorgen, war der Gesetzgeber gehalten, den Einkommensbetrag in Höhe des Existenzminimums ihres Kindes von der Besteuerung freizuhalten, um die verminderte Leistungsfähigkeit der Eltern ausreichend zu berücksichtigen (BVerfG-Beschluss vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653). Diese steuerliche Freistellung wird überwiegend durch das Kindergeld erreicht, § 31 EStG. Da aber auch das Zivilrecht unterschiedliche Ausprägungen der Unterhaltspflicht kennt, hat der Gesetzgeber in § 32 EStG typisierend geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Eine Auslegung hat diese typisierende Regelung durch die Rechtsprechung erfahren.

Da z.B. gemäß § 1602 BGB eine Unterhaltsverpflichtung der Eltern für ihr volljähriges Kind zurücktritt, falls dieses auf Grund seiner Einkünfte und Bezüge imstande ist, sich selbst zu unterhalten, wurde in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bestimmt, bis zu welcher Höhe das Kind kindergeldunschädlich eigene Einkünfte und Bezüge erzielt (sog. Grenzbetrag).

Auch der in der Rechtsprechung gefundene o.g. Wegfall des Anspruchs auf Kindergeld ab der Verehelichung des Kindes ist eine typisierende Regelung. So ist § 32 EStG weiter dahingehend auszulegen, dass der Kindergeldanspruch für über 18 Jahre alte Kinder eine typische Unterhaltssituation seitens der Eltern voraussetzt. Diese besteht aber nicht mehr, falls das Kind heiratet. Denn zivilrechtlich ist gemäß § 1608 Satz 1 BGB vorrangig der Ehegatte zum Unterhalt verpflichtet. Nur wenn er dazu mangels Mittel nicht in der Lage ist, tritt wieder die Unterhaltsverpflichtung der Eltern in den Vordergrund, § 1608 Satz 2 BGB.

Allerdings lebt die Unterhaltsverpflichtung nur in der Gestalt wieder auf, wie sie das Zivilrecht in § 1601 BGB vorsieht. Danach sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. In gerader Linie verwandt sind nach § 1589 Abs. 1 Satz 1 BGB Personen, deren eine von der anderen abstammt. Eltern müssen demnach ihr eigenes Kind und gegebenenfalls ihre Kindeskinder unterstützen, weil sie nur zu denen in gerader Linie verwandt sind. Keine Unterhaltspflicht besteht gegenüber dem Ehegatten ihres Kindes oder gegenüber dem Stiefkind ihres Kindes. Letztere haben nach § 1601 BGB Anspruch auf Unterhalt gegenüber ihren leiblichen Eltern und sich bei diesen zu berücksichtigen. Da das Stiefkind "freiwillig", d.h. ohne zivilrechtliche Verpflichtung und allenfalls auf Grund einer sittlichen Verpflichtung durch das Kind unterstützt wird, gehören die Aufwendungen dafür zu dem unbeachtlichen Bereich der Einkommensverwendung (s.a. Göppinger/Wax, Kommentar zum Unterhaltsrecht, 8. Auflage, Rz. 352).

Aus den geschilderten Grundsätzen folgt für den Streitfall, dass für das Kindeskind der Klägerin nicht der volle Kinder-/Betreuungsfreibetrag als Unterhaltsbelastung berücksichtigt werden kann. Denn dies würde im Ergebnis bedeuten, dass die Unterhaltsverpflichtung ihrer Schwiegertochter von der Klägerin getragen würde.

Ebenso dürfen die vom Sohn der Klägerin getragenen Unterhaltsbelastungen für sein Stiefkind nicht bei der Ermittlung seiner Einkünfte und Bezüge berücksichtigt werden.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass mit der Verehelichung die Zahlungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für das Stiefkind eingestellt worden sind. Dieses gilt grundsätzlich nur für die Kinder alleinstehender Elternteile. Bei einer Verehelichung ist die vorherige Notlage beseitigt, so dass nicht mehr die Allgemeinheit für den Unterhalt des Kindes im Vorleistung treten muss. Auch wenn der Stiefvater keine bürgerlich-rechtliche Unterhaltsverpflichtung hat, so wird der Unterhalt des Stiefkindes von ihm aus sittlichen Gründen verlangt. Soweit es von der Klägerin als unbillig empfunden wird, dass die Verehelichung derartig einschneidende finanzielle Folgen nach sich zieht, ist auf die oben dargelegte typisierende Regelung zu verweisen. Es ist gerade nicht entscheidend, ob die typisierende Annahme im Einzelfall zutrifft (BFH-Urteile vom 02. März 2000 IV R 13/99, BFHE 191, 69, BStBl II 2000, 522; vom 30. November 2004 VIII R 9/04, BFH/NV 2005, 860).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 136 Abs. 1; 138 FGO. Die während des Klageverfahrens auf Grund höchstrichterlicher Rechtsprechung erfolgte Teilabhilfe wurde dabei berücksichtigt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis ergeben sich aus den §§ 152 Abs. 3; 155 FGO und den §§ 708 Nr. 10; 711 Zivilprozessordnung (ZPO).



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