Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 09.10.2007
Aktenzeichen: 4 K 23/02
Rechtsgebiete: AO, UStG


Vorschriften:

AO § 37 Abs. 2 S. 1
AO § 37 Abs. 2 S. 2
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
AO § 124 Abs. 2
UStG § 18 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

4 K 23/02

Rückforderung abgetretener Vorsteuererstattungsbeträge

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 4. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9. Oktober 2007

durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Görlitz, den Richter am Verwaltungsgericht Just, den Richter am Finanzgericht Simböck, den ehrenamtlichen Richter ... die ehrenamtliche Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Rückforderungsbescheid vom 6. Oktober 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2001 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Der Streitwert wird auf 1.135.215,00 EUR festgesetzt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die GmbH hatte für die Monate Februar und März 1995 Umsatzsteuervoranmeldungen beim Beklagten eingereicht und die daraus resultierenden Erstattungsbeträge an die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die AG, abgetreten. Die Beträge beliefen sich für Februar 1995 auf 344.248,30 DM und für März 1995 auf 1.876.041,00 DM. Die abgetretenen Beträge wurden am 2. Juni 1995 mit Umsatzsteuerschulden der Abtretungsempfängerin beim Finanzamt verrechnet.

Im Jahressteuerbescheid für 1995 wurde die Umsatzsteuer der GmbH mit Bescheid vom 29. März 2000 zunächst auf 750,00 DM festgesetzt. Abziehbare Vorsteuern wurden in diesem Bescheid nicht berücksichtigt. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2001 wurde die Umsatzsteuer auf 660,00 DM festgesetzt. Dabei wurde zuletzt eine abziehbare Vorsteuer lediglich i.H.v. 89,96 DM berücksichtigt.

Nachdem der Beklagte zunächst vergeblich versucht hatte, den aufgrund des Jahressteuerbescheides entstandenen Rückforderungsbetrag bei der Steuerschuldnerin, der GmbH, beizutreiben, forderte er mit Rückforderungsbescheid vom 6. Oktober 2000 die an die Klägerin abgetretenen Beträge von dieser zurück.

Den dagegen eingelegten Einspruch hat der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2001, die am selben Tag mit einfachem Brief zur Post gegeben worden ist, zurückgewiesen. Dagegen hat die Klägerin nach erfolgslosem Einspruchsverfahren am 17. Januar 2002 Klage erhoben.

Zur Rechtzeitigkeit der Klageerhebung hat die Klägerin vorgetragen, die Einspruchsentscheidung sei ihr erst am 17. Dezember 2001 zugegangen. Den Rückforderungsbescheid selbst hält sie für rechtswidrig. Die Verrechnung mit Umsatzsteuerschulden durch das Finanzamt habe nicht erfolgen dürfen, da die diesen Umsatzsteuerschulden zugrundeliegenden Geschäftsvorfälle tatsächlich nach § 1 Abs. 1 Buchst. a Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerfrei gewesen seien. Dies habe man zunächst nicht erkannt, dann jedoch korrigierte Rechnungen erstellt und beim Finanzamt einen entsprechenden Korrekturantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt,

den Rückforderungsbescheid vom 6. Oktober 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hält an seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Die Frage, ob die Geschäftsvorfälle, auf denen die der Verrechnung zugrunde gelegte Umsatzsteuerschuld der Klägerin beruht, tatsächlich umsatzsteuerfrei waren, sei im hier streitigen Fall unerheblich, da eine verrechenbare Schuld weder nach Bürgerlichem Gesetzbuch, noch aus steuerlicher Sicht Voraussetzung für eine Abtretung sei. Die Rechtsansicht, Vorauszahlungsbescheide müssten gesondert aufgehoben werden, um ihnen ihre Eigenschaft als Rechtsgrund für eine in der Vergangenheit erfolgte Auszahlung eines Erstattungsanspruches zu nehmen, könne im Streitfall nicht greifen, da bereits ein Jahressteuerbescheid bzgl. Umsatzsteuer 1995 ergangen sei. Mit der Jahressteuerfestsetzung werde der Vorauszahlungsbescheid unwirksam. Ein nicht mehr wirksamer Steuerbescheid könne aber nicht mehr geändert oder aufgehoben werden. Auch habe der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 24. Januar 1995 (BIII R 144/92 BStBl. II 1995, 862) die Möglichkeit der Rückforderung von im Voranmeldungsverfahren ausgezahlten Vorsteuerüberschüssen gegenüber dem Abtretungsempfänger auf Grund des Jahressteuerbescheides nicht nur auf die Fälle der fehlenden Unternehmereigenschaft oder Festsetzung der Jahressteuer auf 0,00 DM beschränkt. Insbesondere habe der Bundesfinanzhof den Fall der Versagung des Vorsteuerabzugs für das gesamte Kalenderjahr ausdrücklich als Möglichkeit benannt. Im Streitfall hab aber gerade der Jahressteuerbescheid vom 29. März 2000 eine Vorsteuer von 0,00 DM aufgewiesen, somit den gesamten Vorsteuerabzug für das Kalenderjahr 1995 versagt.

Dem Senat lagen die den Rechtsstreit betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Laut Eingangsstempel und entsprechendem Vortrag des Prozessvertreters der Klägerin ging die Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2001 im Büro der Bevollmächtigten am 17. Dezember 2001 ein. Die Klageerhebung am 17. Januar 2002 war demnach fristgemäß.

Doch selbst wenn Post, die im Büro der Bevollmächtigten bereits am Sonnabend dem 15. Dezember 2001 eingegangen wäre, ebenfalls einen Eingangsstempel vom Montag dem 17. Dezember 2001, erhalten hätte, weil das Büro sonnabends nicht besetzt ist, und Post, die montags bei Arbeitsbeginn vorgefunden wird, generell den Eingangsstempel vom Montag erhält, wäre der Klageeingang am 17. Januar 2002 noch rechtzeitig gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes handelt es sich bei der sog. Drei-Tages-Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) um eine Frist, auf die § 108 Abs. 3 AO Anwendung findet (BFH Urteil vom 14. Oktober 2003 - IX R 68/98 BStBl. II 2003, 898). Da das Ende der Drei-Tages-Fiktion im Streitfall mit dem 16. Dezember 2001 auf einen Sonntag fällt, verschiebt sich hiernach das Ende der Frist auf den Ablauf des nächstfolgenden Werktages, im Streitfall auf den 17. Dezember 2001, so dass erst mit diesem Tag der Lauf der Klagefrist begonnen hat.

Die Klage ist auch begründet, da der Beklagte den angefochtenen Rückforderungsbescheid zu Unrecht erlassen hat.

Ein Rückforderungsanspruch des Beklagten gegenüber der Klägerin als Abtretungsempfängerin der Umsatzsteuerguthaben der GmbH aus deren Umsatzsteuervoranmeldungen Februar und März 1995 ist nicht gegeben. Vielmehr bestanden die abgetretenen Erstattungsansprüche aus den Umsatzsteuervoranmeldungen noch. Die Umsatzsteuerfestsetzung für die Monate Februar und März 1995 sind nicht gesondert aufgehoben oder geändert worden. Auch aus der nachfolgenden Jahressteuerfestsetzung gegenüber der GmbH kann nicht abgeleitet werden, dass der Rechtsgrund für die Erstattungsleistung des Beklagten an die Klägerin entfallen sein sollte.

1. Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Das gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder die Rückzahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO). Für die Finanzverwaltung ergibt sich aus dieser Vorschrift ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch, wenn der Rechtsgrund für eine Steuererstattung/-vergütung von Anfang an fehlt oder später wegfällt. Als Rückforderungsanspruch im Sinne dieser Vorschrift sieht der BFH auch den Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht ausgezahlter Vorsteuerüberschüsse an, da der Vorsteuerabzugsanspruch seinem Wesen nach - unbeschadet seiner verfahrensrechtlichen Unselbständigkeit - ein Vergütungsanspruch ist (BFH Urteil vom 21. Mai 1985 - VII R 191/82 BStBl. II 1985, 488). Dieser Rückforderungsanspruch richtet sich gegen den "Leistungsempfänger". Für den Fall der Abtretung eines Steuererstattungs- bzw. Vergütungsanspruchs und der Auszahlung des Erstattungs-/Vergütungsbetrages an den Abtretungsempfänger (Zessionar) richtet sich der Rückforderungsanspruch des Finanzamts wegen rechtsgrundloser Erstattung (Vergütung) gegen den Zessionar. Dieser wird als Leistungsempfänger im Sinn des § 37 Abs. 2 AO angesehen, weil das Finanzamt willentlich an ihn geleistet hat, da er in die Rechtsstellung des Zedenten eingetreten ist und er folglich den ohne rechtlichen Grund ausgezahlten Betrag aus eigenem - erworbenen - Recht erhalten hat (BFH Urteil vom 14. Februar 1989 - VII R 55/86 BFH/NV 1989, 751, m.w.N.).

Mit der Zahlung des Erstattungs- oder Vergütungsbetrages ohne rechtlichen Grund an den Abtretungsempfänger entsteht somit gegen diesen ein in § 37 Abs. 2 AO geregelter, eigenständiger Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, der als solcher nicht identisch ist mit dem ursprünglichen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zum Zedenten gemäß § 37 Abs. 1 AO (BFH Urteil vom 27. Oktober 1992 - VII R 44/91 BFH/NV 1993, 344).

2. Der danach gegen die Klägerin als Zessionarin und Leistungsempfängerin in Betracht kommende Rückforderungsanspruch ist im Streitfall aber nicht gegeben, weil nicht durch einen Steuerbescheid verbindlich festgestellt worden ist, dass die Klägerin die von der GmbH angemeldeten Vorsteuerüberschüsse ohne rechtlichen Grund erlangt hat.

Soll ein Umsatzsteuerrückforderungsanspruch gegenüber dem Abtretungsempfänger wegen zu Unrecht ausgezahlter Vorsteuerüberschüsse (negativer Umsatzsteuer) bejaht werden, muss aufgrund der formellen Bescheidlage zweifelsfrei feststehen, dass der abgetretene Umsatzsteuererstattungs- bzw. Vergütungsanspruch materiell-rechtlich nicht bestanden hat, der Leistungsempfänger also die Zahlungen des Beklagten ohne rechtlichen Grund erlangt hatte. Der für das Kalenderjahr bzw. den einzelnen Voranmeldungszeitraum zunächst zu Unrecht festgesetzte und an den Zessionar ausgezahlte Vorsteuerüberschuss muss eine formelle Änderung dadurch erfahren haben, dass die jeweiligen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide bzw. der als Erstattungsgrundlage dienende Jahressteuerbescheid entweder selbst aufgehoben (geändert) worden ist oder - nach vorausgehender Festsetzung negativer Umsatzsteuer für einen Voranmeldungszeitraum - die Jahressteuer deshalb auf 0,00 DM festgesetzt worden ist, weil keine Unternehmereigenschaft bzw. keine Vorsteuerabzugsberechtigung bestanden hat.

Nur dann steht bei Erlass des Rückforderungsbescheides sowohl nach der materiellen Rechtslage als auch aufgrund der ergangenen Steuerbescheide fest, dass die abgetretenen Umsatzsteuerguthaben für den jeweiligen Besteuerungszeitraum (Voranmeldungszeitraum bzw. Kalenderjahr) nicht bestanden haben, der Abtretungsempfänger die Zahlungen also ohne Rechtsgrund erhalten hat. (BFH Urteil vom 24. Januar 1995 - VII R 144/92 BStBl. II 1995, 862).

Demgegenüber steht aber im Streitfall nicht fest, dass die an die Klägerin abgetretenen und ausgezahlten Vorsteuerüberschüsse der GmbH für die Monate Februar und März 1995 materiell-rechtlich nicht bestanden haben. Die aufgrund dieser Umsatzsteuervoranmeldungen ergangenen Steuerfestsetzungen sind nicht aufgehoben oder geändert worden. Dass es sich um Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung handelt (vgl. §§ 168, 164 AO), ist für die formelle Rechtslage unerheblich, solange der Beklagte - wie im Streitfall - von dem Vorbehalt keinen Gebrauch macht und die Steuerfestsetzungen nicht aufhebt oder ändert. Damit kann im Streitfall weder nach der materiellen noch nach der formellen Rechtslage davon ausgegangen werden, dass die Vorsteuerüberschüsse der GmbH für die Monate Februar und März 1995 nicht bestanden haben und die Klägerin die abgetretenen Erstattungsbeträge deshalb ohne Rechtsgrund erlangt hat.

Auch aus dem Umsatzsteuerjahresbescheid 1995 gegenüber der GmbH ergibt sich - im Gegensatz zu den vorstehend genannten Fällen der Steuerfestsetzung auf 0,00 DM - im Streitfall nicht zwingend, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen und die Steuerfestsetzungen für die Monate Februar und März 1995 fehlerhaft waren. Denn allein aus der Festsetzung einer geringeren negativen Umsatzsteuerschuld (ggf. auch 0,00 DM) für das Kalenderjahr als sie in den Voranmeldungen für einzelne Kalendermonate ausgewiesen worden ist, folgt noch nicht, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen auf fehlerhaften Angaben beruhen. Da an der Unternehmereigenschaft und der grundsätzlichen Vorsteuerabzugsberechtigung der GmbH keine Zweifel bestehen, kann das Ergebnis einer geringeren negativen Jahressteuer gegenüber den Vorsteuerüberschüssen für die Monate Februar und März 1995 auch auf den Umsätzen beruhen, die in den nachfolgenden Monaten des Jahres 1995 getätigt worden sind. Auch kann der geringere Vorsteuerbetrag in der Jahressteuerfestsetzung auf Berichtigungen des Vorsteuerabzugs gemäß § 17 UStG beruhen, die sich erst in späteren Voranmeldungszeiträumen ergeben haben (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG).

Aus diesem Grund genügt entgegen der Ansicht des Beklagten allein die Beschränkung der Vorsteuerfestsetzung im Jahressteuerbescheid auf 0,00 DM nicht, da diese - wie oben dargestellt - auch auf anderen Umständen, als einer fehlerhaften Umsatzsteuervoranmeldung beruhen kann. Es muss vielmehr ausgeschlossen sein, dass die Festsetzung der Vorsteuer im Jahresbescheid auf 0,00 DM nicht lediglich aufgrund eines zufälligen Saldo erfolgte, sondern auf rechtlichen Gründen beruht, die in der Person des Steuerpflichtigen oder des Geschäftsvorfalles (fehlende Unternehmereigenschaft oder fehlende Vorsteuerabzugsberechtigung) liegen.

3. Die Umsatzsteuerfestsetzungen aufgrund der Voranmeldungen der GmbH für die Monate Februar und März 1995 haben ihre Eigenschaft als formeller Rechtsgrund für die Erstattungen an die Klägerin auch nicht durch den späteren Erlass des Umsatzsteuerjahresbescheides 1995 verloren.

Zwar erledigt sich die Steuerfestsetzung aufgrund einer Umsatzsteuervoranmeldung bzw. der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid mit der wirksamen Bekanntgabe des Jahresumsatzsteuerbescheides gemäß § 124 Abs. 2 AO "auf andere Weise" (BFH Urteil vom 29. November 1984 - V R 146/83 - BStBl. II. 1985, 370). Der Vorauszahlungsbescheid verliert durch den Erlass des Jahressteuerbescheids seine Wirkung aber nur insoweit, als er noch nicht vollzogen ist. Das materielle Ergebnis der in dem Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer wird für die Zukunft ausschließlich aus dem Jahressteuerbescheid festgestellt (BFH Urteil vom 21. Februar 1991 - V R 130/86 - BStBl. II 1991, 465).

Davon unabhängig bleiben aber die Rechtswirkungen bestehen, die der Vorauszahlungsbescheid als solcher in der Vergangenheit ausgelöst hat. Zwar können ab dem wirksamen Ergehen eines den Vorauszahlungszeitraum umfassenden Umsatzsteuerjahresbescheids weitere Vollstreckungsmaßnahmen nicht mehr auf den Vollstreckungstitel des Vorauszahlungsbescheids gestützt werden. Eine zuvor erfolgte Maßnahme der Vollstreckung wird dadurch aber nicht unwirksam (vgl. § 257 AO); sie ist auch nicht allein deshalb aufzuheben, weil die weitere Vollziehbarkeit des ursprünglichen Vollstreckungstitels weggefallen ist. Denn der Schuldgrund einer für den Vorauszahlungszeitraum nach materiellem Recht geschuldeten Umsatzsteuer entfällt nicht deshalb, weil der Vollstreckungstitel des Vorauszahlungsbescheids durch den sämtliche Vorauszahlungszeiträume des Besteuerungszeitraums umspannenden Vollstreckungstitel des Jahressteuerbescheids abgelöst wird (BFH Urteil vom 29. November 1984 - V R 146/83 -, a.a.O.).

Daraus folgt, dass der Umsatzsteuerjahresbescheid - mit Ausnahme der oben dargestellten Fälle der Steuerfestsetzung auf 0,00 DM wegen ungerechtfertigten Vorsteuerabzugs in den einzelnen Voranmeldungszeiträumen - grundsätzlich keine Aussage über die materielle Richtigkeit der einzelnen Umsatzsteuervoranmeldungen und der Vorauszahlungsbescheide trifft. Auch die formellen Rechtswirkungen, welche die Vorauszahlungsbescheide in der Vergangenheit ausgeübt haben (hier: die Auszahlung der abgetretenen Vorsteuerüberschüsse an die Klägerin), bleiben von der Festsetzung der Jahressteuer unberührt. Lediglich für die Zukunft bestimmt sich das materielle Ergebnis der in dem Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer und die Verwirklichung (Durchsetzung) dieses Steueranspruchs ausschließlich nach dem Jahressteuerbescheid. Eine inhaltliche Verknüpfung zwischen den Vorauszahlungsbescheiden und dem Jahressteuerbescheid besteht hinsichtlich der Person des Steuerpflichtigen (Unternehmers) nur insoweit, als dieser nach § 18 Abs. 4 UStG den Unterschiedsbetrag zwischen der positiven und der negativen Jahresumsatzsteuer und der Summe der Vorauszahlungen an das Finanzamt zu entrichten hat bzw. einen Überschuss zu seinen Gunsten vergütet erhält. In dieses Ergebnis der Jahresabrechnung gegenüber dem Steuerpflichtigen finden auch die für bestimmte Voranmeldungszeiträume an Dritte abgetretenen und ausgezahlten Umsatzsteuerüberschüsse Eingang unabhängig davon, ob sie in der zutreffenden Höhe vorangemeldet oder festgesetzt worden sind (BFH Urteil vom 24. Januar 1995 - VII R 144/92 -, a.a.O.).

Für die Klägerin als Abtretungsempfängerin ergibt sich daraus, dass die Umsatzsteuerfestsetzungen gegenüber der GmbH für die Voranmeldungszeiträume Februar und März 1995 ihre Eigenschaft als formeller Rechtsgrund für die Auszahlung der Vorsteuerüberschüsse und damit als Behaltensgrund i.S.v. § 37 Abs. 2 AO durch die nachfolgende Festsetzung der Jahresumsatzsteuer nicht verloren haben. Wenn auf einen Vorauszahlungsbescheid gestützte Vollstreckungsmaßnahmen durch den nachfolgenden Erlass des Jahressteuerbescheids nicht unwirksam werden, so muss dies für sämtliche Maßnahmen des Erhebungsverfahrens gelten; d.h. auch die Auszahlung der negativen Umsatzsteuer aufgrund eines Vorauszahlungsbescheids bleibt in ihrer Wirksamkeit durch die spätere Jahresveranlagung unberührt.

Allerdings hat der BFH entschieden, dass sich der Abtretungsempfänger gegenüber dem Rückforderungsanspruch des Finanzamts dann nicht auf die Festsetzung der negativen Umsatzsteuer für einen Voranmeldungszeitraum berufen kann, wenn sich aufgrund der nachfolgenden Jahressteuerveranlagung ergibt, dass die Steuerfestsetzung für den betreffenden Voranmeldungszeitraum fehlerhaft war. Diese Rechtsprechung ist aber - wie dargelegt - auf die Fälle beschränkt, in denen der Vorauszahlungsbescheid und der Umsatzsteuerjahresbescheid dieselben Besteuerungsgrundlagen regeln, weil z.B. jeweils nur ein Vorbezug betroffen ist, oder in denen durch den Jahressteuerbescheid (durch Steuerfestsetzung auf 0,00 DM) festgestellt wird, dass mangels Unternehmereigenschaft bzw. Vorsteuerabzugsberechtigung ein abtretbarer Vorsteuerüberschuss von vornherein nicht bestand (BFH-Urteil vom 24. Januar 1995 - VII R 144/92 - a.a.O.).

Im Streitfall kann den Akten aber nicht entnommen werden, dass der Umsatzsteuerjahresbescheid 1995 gegenüber der GmbH Feststellungen darüber enthält, dass die Voranmeldungen und Festsetzungen der negativen Umsatzsteuer für die Monate Februar und März 1995 materiell fehlerhaft wären. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass der Regelungsgehalt der Vorauszahlungsbescheide, auf deren Grundlage die Vorsteuerüberschüsse an die Klägerin als Zessionarin ausgezahlt worden sind, von dem späteren Erlass des Jahressteuerbescheids 1995 unberührt geblieben ist. Die Vorauszahlungsbescheide dienen somit weiterhin als formeller Rechtsgrund für die Erstattung, so dass die Zahlungen an die Klägerin nicht nach § 37 Abs. 2 AO zurückgefordert werden können.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Aufhebung des Vorauszahlungsbescheides nach Erlass des Jahressteuerbescheides nicht mehr möglich sein dürfte. Tatsächlich erledigt sich die Vorauszahlungsfestsetzung wie dargelegt mit Wirksamwerden des Jahressteuerbescheides auf andere Weise. Es liegt hierbei jedoch in der Hand der Finanzverwaltung, vor Erlass des Jahressteuerbescheides eventuelle Vorauszahlungsbescheide aufzuheben und so deren Wirkung aufzuheben.

4. Die vorstehend mit der Rechtsprechung des BFH in Übereinstimmung stehende Auffassung trägt auch der Eigenständigkeit des Umsatzsteuervoranmeldungsverfahrens gegenüber der Festsetzung der Jahresumsatzsteuer Rechnung. Wenn auch Besteuerungszeitraum das Kalenderjahr ist (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG), so entstehen doch mit Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums kraft Gesetzes eigenständige Umsatzsteueransprüche, die von den in dem Voranmeldungszeitraum ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen und von den in diesen Zeitraum fallenden abziehbaren Vorsteuerbeträgen abhängen (§ 13 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 16 Abs. 1 und 2 UStG). Diese an die Tatbestandsverwirklichung im Besteuerungszeitraum anknüpfenden Umsatzsteueransprüche des Voranmeldungszeitraums sind im Falle des Vorsteuerüberschusses (negative Umsatzsteuer) auch selbständig abtretbar. Ihre Bedeutung als eigenständig realisierbarer Anspruch und ggf. Kreditgrundlage ginge aber verloren, wenn die Wirksamkeit und der rechtliche Bestand des abgetretenen Vergütungsanspruchs - unabhängig von der materiellen Richtigkeit einer Umsatzsteuervoranmeldung - generell von dem Ergebnis der Jahressteuerfestsetzung und der danach verbleibenden Steuerzahlungsschuld abhängig gemacht werden würde. Gegenüber dem Steuerpflichtigen (Unternehmer) erfolgt der Ausgleich fehlerhafter Angaben in den Voranmeldungen und nicht zutreffender Umsatzsteuerzahlungen bzw. -erstattungen im Laufe des Kalenderjahres durch die Festsetzung der Jahressteuer und die darauf nach § 18 Abs. 4 UStG vorzunehmende Steuerabrechnung. Von einem Abtretungsempfänger kann aber der für einen Voranmeldungszeitraum ausgezahlte Vorsteuerüberschuss nur dann nach § 37 abs. 2 AO zurückverlangt werden, wenn der konkrete Vergütungsanspruch materiell-rechtlich nicht Bestand hat, und dies vom Finanzamt durch Aufhebung (Änderung) des Vorauszahlungsbescheids oder entsprechende Regelung im Jahressteuerbescheid, die auch den betreffenden Voranmeldungszeitraum umfasst (z.B. Festsetzung der Jahressteuer auf 0,00 DM), durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, so dass sich der Leistungsempfänger nicht mehr auf den Vorauszahlungsbescheid als formellen Behaltensgrund berufen kann. Besteuerungsmerkmale, die sich auf die Umsatzsteuerjahresschuld auswirken, die aber in anderen Voranmeldungszeiträumen verwirklicht werden (z.B. erhöhte Umsätze, Vorsteuerberichtigungen), oder ein Fehlverhalten des Steuerpflichtigen hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume, die von der Abtretung nicht betroffen sind, können den rechtlichen Grund für die Auszahlung des Vorsteuerüberschusses eines Voranmeldungszeitraums an den Zessionar nicht beseitigen.

Würde dagegen die Jahressteuerveranlagung stets die formellen Rechtswirkungen eines vollzogenen Vorauszahlungsbescheids beseitigen, so könnte der für einen bestimmten Voranmeldungszeitraum zutreffend berechnete und abgetretene Vorsteuerüberschuss auch dann vom Abtretungsempfänger zurückgefordert werden, wenn der Steuerpflichtige für einen anderen Voranmeldungszeitraum eine fehlerhafte Erklärung abgibt oder die sich ergebende positive Umsatzsteuer nicht entrichtet und deshalb hinsichtlich der Jahressteuerschuld eine Zahlungspflicht verbleibt. Dies würde außerdem zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Vermehrung der Schuldner führen, denn das Finanzamt könnte die verbleibende Jahressteuerschuld sowohl im Wege der Rückforderung vom Abtretungsempfänger als auch von dem Steuerpflichtigen (Unternehmer) verlangen. Bei mehrfacher Abtretung von Vorsteuerüberschüssen für verschiedene Voranmeldungszeiträume an unterschiedliche Abtretungsempfänger würde sich bei dieser Betrachtungsweise ggf. die Zahl der Schuldner entsprechend erhöhen. Schließlich ergäbe sich das weitere Problem, von welchem der Abtretungsempfänger bzw. in welchem Verhältnis der Unterschiedsbetrag zwischen den für die Voranmeldungszeiträume ausgezahlten Vorsteuerüberschüssen und der im Jahressteuerbescheid festgesetzten (positiven oder negativen) Umsatzsteuer zurückgefordert werden könnte (BFH Urteil vom 24. Januar 1995 - VII 144/02 a.a.O.). Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. Finanzgerichtsordnung - FGO) und eine Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) notwendig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Entscheidung zum Streitwert beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).



Ende der Entscheidung

Zurück