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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 13.03.2007
Aktenzeichen: 4 K 304/01
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, ZPO


Vorschriften:

AO 1977 § 5
AO 1977 § 34
AO 1977 § 35
AO 1977 § 69
AO 1977 § 149 Abs. 2 S. 1
AO 1977 § 191 Abs. 1 S. 1
AO 1977 § 219 S. 1
FGO § 82
ZPO § 418
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

4 K 304/01

Haftung für Steuern

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 4. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. März 2007

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Görlitz,

den Richter am Finanzgericht Simböck,

den Richter am Verwaltungsgericht Just,

die ehrenamtliche Richterin,

den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Haftungs-Inanspruchnahme für Verbindlichkeiten der A GmbH.

Der Kläger war seit dem 23. Februar 1998 alleiniger Geschäftsführer der A GmbH. Die entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte am 29. April 1998. Dabei wurde auch eingetragen, dass Herr xxxxxx, der bisherige Geschäftsführer, nicht mehr Geschäftsführer sei. Die Betriebsaufgabe der A GmbH erfolgte nach der hierzu vorliegenden Gewerbe-Abmeldung am 28. Dezember 1999.

Unter dem 02. Dezember 1999 trat die B GmbH der A GmbH einen Erstattungs- bzw. Vergütungsanspruch in Höhe von 9.702,50 DM zum Zwecke der Verrechnung mit Steuerschulden ab. Der Steuerberater der A GmbH übersandte dem Beklagten unter dem 03. Dezember 1999 eine Mitteilung, dass der abgetretene Betrag aufgeteilt werden solle auf Umsatzsteuer 1997 (9.195,50 DM), Körperschaftsteuer 1997 (472,00 DM) und Solidaritätszuschlag 1997 (35,00 DM). Dieses Schreiben und die Abtretungsanzeige gingen nach dem auf beiden Dokumenten angebrachten Eingangsstempel am 18. Januar 2000 bei dem Beklagten ein. Die von dem Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegte Kopie der Mitteilung vom 03. Dezember 1999 über die Verwendung des abgetretenen Betrages enthält einen - ebenfalls nur in Kopie vorliegenden - handschriftlichen Zusatz; danach ist der Tag des Eingangs der "Erklärungen f. 1997 der Fa. B und A" der 03. Dezember 1999. Nach einem Vermerk vom 14. November 2000, der sich in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindet, ging die Abtretungsanzeige am 18. Januar 2000 bei dem Beklagten ein, ohne dass zu diesem Zeitpunkt das Guthaben noch vollständig vorhanden gewesen sei, weshalb die Umsatzsteuer 1997 noch nicht getilgt sei.

Der Beklagte unternahm zwei erfolglose Versuche, die Steuerrückstände durch Kontenpfändung bei der A GmbH beizutreiben. Im August 1999 leitete die Gewerbeaufsicht das Verfahren zur Untersagung des Gewerbebetriebes ein.

Mit Haftungsbescheid vom 16. Februar 2001 nahm der Beklagte den Kläger für Ansprüche gegen die A GmbH in Höhe von insgesamt 12.672,12 DM persönlich und unbeschränkt in Anspruch. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus:

 ZeitraumfälligBetragSäumniszuschlag
Umsatzsteuer199721.02.20008.996,67 DM1.068,00 DM
Umsatzsteuer-Zinsen199721.02.2000405,00 DM 
Umsatzsteuer199803.05.2000857,10 DM80,00 DM
Körperschaftsteuer199803.05.2000900,00 DM90,00 DM
Körp.St.-Versp.Zuschlg.199803.05.200050,00 DM 
Körperschaftsteuer für 2. Vj. 199910.06.199910.06.1999 10,85 DM
Körperschaftsteuer für 199720.07.199920.07.1999 113,00 DM
Zwischensumme  11.208,77 DM1.361,85 DM
Körperschaftsteuer für 3. Vj. 199910.09.199910.09.1999 52,00 DM
Solid.Zu.KSt.199803.05.200049,50 DM 
   11.258,27 DM1.413,85 DM
Summe Säumniszuschläge  1.413,85 DM 
   12.672,12 DM

Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass sich die geltend gemachten Beträge aus den der A GmbH erteilten Steuerbescheiden ergäben. Er - der Kläger - werde in Anspruch genommen, weil er als gesetzlicher Vertreter der A GmbH kraft Gesetzes für deren Steuerschulden hafte. Die A GmbH selbst sei nicht freiwillig bereit gewesen, die Steuerschulden zu zahlen; Vollstreckungsmaßnahmen gegen die A GmbH seien, soweit diese überhaupt noch möglich gewesen seien, ohne Erfolg geblieben. Eine Inanspruchnahme des Herrn xxxxxx komme nicht in Betracht, da dieser bereits am 23. Februar 1998 als Geschäftsführer der A GmbH abberufen worden sei. Die Zeitpunkte der Pflichtverletzungen (Nichtabgabe der Steuererklärungen bzw. Nichtzahlung der Beträge) lägen nach dessen Abberufung.

Zur Begründung des dagegen gerichteten Einspruch wies der Kläger darauf hin, dass die A GmbH ihre Geschäftstätigkeit eingestellt habe und deshalb bereits die Steuerbescheide für 1999 auf 0,00 DM herabgesetzt worden seien. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 01. Juni 2001 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 29. Juni 2001 Klage erhoben.

Hierzu führt er an, er sei zum Zeitpunkt der Entstehung der Umsatzsteuerverbindlichkeiten noch nicht Geschäftsführer der A GmbH gewesen. Außerdem seien die Steuerschulden der A GmbH durch Abtretung von Steuererstattungsansprüchen der B GmbH getilgt worden, denn unter dem 02. Dezember 1999 sei eine entsprechende Abtretungsanzeige an den Beklagten erfolgt. Da die A GmbH bereits zu Beginn des Jahres 1998 sämtliche Geschäftstätigkeit eingestellt habe, würden die der Haftungsinanspruchnahme zugrunde gelegten Steuern für 1998 und 1999 nicht geschuldet. Zudem habe er - der Kläger - während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer keinerlei Möglichkeit gehabt, Steuern abzuführen.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid des Beklagten vom 16. Februar 2001 und dessen Einspruchsbescheid vom 01. Juni 2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, die Abtretungsanzeige sei erst am 18. Januar 2000 gegen 13.15 Uhr bei ihm eingegangen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem dem Kläger vorliegenden Exemplar der Erklärung über die Aufteilung des abgetretenen Betrages, denn der darauf handschriftlich angebrachte Vermerk über den Eingang der "Erklärungen f. 1997 der Fa. B und A" bei dem Beklagten am 03. Dezember 1999 betreffe lediglich die genannten Erklärungen, nicht aber die Abtretungsanzeige selbst. Am 18. Januar 2000 sei das Guthaben der B GmbH nicht mehr (vollständig) vorhanden gewesen. Das Umsatzsteuerguthaben der B GmbH sei nicht an diese ausgezahlt, sondern wie folgt verwendet worden:

 VerwendungszweckBetrag
Steuerberater yyyyyy / Abtretung vom 06.12.19992.500,00 DM
Umbuchung auf USt-Versp.Z 199720,01 DM
Umbuchung auf KSt 1997952,00 DM
Umbuchung auf KSt-Versp.Z 199720,01 DM
Umbuchung auf Solid. Zur KSt 199771,41 DM
Umbuchung auf SZ zur KSt132,00 DM
Umbuchung auf SZ zum Solid. zur KSt6,00 DM
Umbuchung auf SZ zur USt47,98 DM
Umbuchung auf KSt 1997 der A GmbH (Abtretung)2.156,79 DM
Umbuchung auf KSt 1997 der A GmbH (Abtretung)93,20 DM
Umbuchung auf Solid. zur KSt 1997 der A GmbH168,75 DM
Umbuchung auf KSt-Versp.Z 1997 der A GmbH4,05 DM
 6.172,20 DM

Der Senat hat durch Vernehmung der Zeugen z1 und z2 Beweis über den Zeitpunkt und die Umstände des Eingangs der Abtretungsanzeige vom 02. Dezember 1999 bei dem Beklagten erhoben. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Dem Senat haben bei seiner Entscheidung zwei Bände Steuerakten des Beklagten vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Haftungsbescheid des Beklagten vom 16. Februar 2001 ist in der Gestalt, die er durch den Einspruchsbescheid vom 01. Juni 2001 erhalten hat, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten [§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)].

Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) kann derjenige, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet [Haftungsschuldner], durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Grundlage der Haftung ist vorliegend § 69 AO. Nach dieser Bestimmung haften die in den §§ 34, 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden; die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Nach der im Streitfall maßgebenden Regelung des § 34 Abs. 1 AO hat der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die er als Geschäftsführer verwaltet.

1.) Dem durch den Beschluss der Gesellschafter vom 23. Februar 1998 zum alleinigen Geschäftsführer der A GmbH bestellten Kläger oblag es mithin, für die A GmbH Steuererklärungen einzureichen und fällige Steuern fristgerecht an den Beklagten abzuführen. Dieser Verpflichtung ist der Kläger nicht vollumfänglich nachgekommen, denn die Umsatzsteuer 1997 wurde auf Grund der am 03. Dezember 1999 eingereichten Umsatzsteuererklärung festgesetzt, während für das Kalenderjahr 1998 keine Erklärungen eingereicht wurden, so dass die Besteuerungsgrundlagen insoweit von dem Beklagten geschätzt wurden. Die festgesetzte Umsatz- und Körperschaftsteuer wurde nicht entrichtet. Es ist nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass der Kläger insoweit nicht pflichtwidrig gehandelt hat.

Soweit der Kläger geltend macht, die A GmbH habe bereits Anfang 1998 ihre Geschäftstätigkeit eingestellt, kann es auf sich beruhen, ob dies angesichts der erst am 28. Dezember 1999 erfolgten Gewerbe-Abmeldung zutrifft. Entscheidend ist, dass die A GmbH Anfang 1998 nicht nach Maßgabe der §§ 60 ff. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) liquidiert und der Kläger auch nicht als Geschäftsführer abberufen worden ist. Deshalb oblag es ihm weiterhin - auch 1998 und 1999 - , die erforderlichen Erklärungen für die A GmbH gegenüber dem Finanzamt abzugeben und für die Entrichtung anfallender Steuern Sorge zu tragen. Dieser Verpflichtung ist er jedoch nur in Bezug auf die Umsatzsteuererklärung 1997 nachgekommen, während im Übrigen weder Steuererklärungen eingereicht noch Steuern von der A GmbH gezahlt wurden.

Der Kläger vermag seiner Inanspruchnahme auch nicht mit Erfolg entgegen zu halten, zum Zeitpunkt der Entstehung der Umsatzsteuerverbindlichkeiten 1997 sei er noch nicht Geschäftsführer der A GmbH gewesen. Denn entscheidendes Kriterium für die Inanspruchnahme ist nicht der Zeitpunkt der Entstehung der Umsatzsteuer. Maßgebend ist vielmehr, dass der Kläger nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer der A GmbH im Februar 1998 nicht gemäß § 149 Abs. 2 Satz 1 AO bis zum 31. Mai 1998 die erforderliche Umsatzsteuererklärung 1997 abgegeben und für die entsprechenden Steuerzahlungen Sorge getragen hat. Denn als Nachfolger des vorherigen Geschäftsführers oblag ihm - dem Kläger - die Erledigung der bei seinem Amtsantritt offenen steuerlichen Pflichten (vgl. BFH, Beschluss vom 10. Oktober 1994 - I B 228/93 - BFH/NV 1995, S. 662).

Demgegenüber ist der geltend gemachte Umstand, er - der Kläger - habe während seine Tätigkeit als Geschäftsführer der A GmbH keine Möglichkeit gehabt, Steuern an den Beklagten abzuführen, zwar grundsätzlich geeignet, den Kläger zu entlasten und die Haftungsinanspruchnahme auszuschließen. Allerdings genügt insoweit nicht die - unsubstantiiert gebliebene - Behauptung, es hätten keine ausreichenden Mittel zur Entrichtung von Steuern zur Verfügung gestanden.

Die gesetzlichen Vertreter bzw. Geschäftsführer haben dafür zu sorgen, dass die Steuern aus "den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden" (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Befinden sich im Gesellschaftsvermögen keine Mittel zur Zahlung der Steuern und können diese auch nicht beschafft werden, handelt der Geschäftsführer - sofern ihm nicht auf einen früheren Zeitpunkt eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen ist - allerdings nicht pflichtwidrig, wenn er es unterlässt, die fälligen Steuerschulden (aus eigenen Mitteln) zu tilgen. Reichen die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller Steuerschulden aus, kann zumindest hinsichtlich des überschießenden Betrages in der unterlassenen Zahlung keine Pflichtverletzung liegen. Demzufolge muss jeweils der Umfang der im maßgebenden Zeitpunkt verfügbaren Mittel festgestellt werden. Den in Anspruch genommenen gesetzlichen Vertreter trifft in diesem Rahmen aber die Pflicht, die in seinen Wissensbereich fallenden Angaben zu machen (BFH, Urteil vom 26. April 1984 - V R 128/79 - BStBl. II 1984, S. 776, 778 f.). Dieser Verpflichtung ist der Kläger trotz des ihm bereits vor Erlass des angefochtenen Haftungsbescheides erteilten Hinweises des Beklagten nicht nachgekommen. Er hat entsprechende Angaben auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt gemacht.

Im Ergebnis ist danach davon auszugehen, dass der Kläger als Geschäftsführer der A GmbH zumindest grob fahrlässig versäumt hat, die steuerlichen Pflichten der A GmbH zu erfüllen, indem erforderliche Erklärungen fristgerecht eingereicht und fällige Steuern gezahlt werden.

2.) Infolge der Pflichtverletzung des Klägers sind die von der A GmbH in dem angefochtenen Bescheid aufgeführten Beträge nicht gezahlt worden.

a) Die demgegenüber von dem Kläger vertretene Ansicht, angesichts der Anfang 1998 eingestellten Geschäftstätigkeit würden für 1998 und 1999 keine Steuern geschuldet, trifft so nicht zu.

Der Beklagte hat nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Klägers nur die Steuerfestsetzungen für 1999 auf 0,00 DM abgeändert, so dass insoweit Steuern nicht geschuldet werden. Diese Darstellung findet ihre Bestätigung darin, dass in dem angefochtenen Haftungsbescheid für 1999 lediglich Säumniszuschläge aufgeführt sind, die gemäß § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bei einer nachträglichen Änderung der Steuerfestsetzung nicht entfallen und für die der Kläger nach § 69 Satz 2 AO einstehen muss.

Für 1998 liegt demgegenüber keine Aufhebung der im Wege der Schätzung vorgenommenen Steuerfestsetzung vor. Dies wird von dem Kläger auch nicht behauptet. Die A GmbH schuldet demzufolge die ihr gegenüber festgesetzten Steuern und die sich daraus ergebenden Verspätungs- und Säumniszuschläge, die der Beklagte in dem angefochtenen Haftungsbescheid im einzelnen aufgeführt hat. Es hätte insoweit dem Kläger als Geschäftsführer der A GmbH oblegen, den Beklagten durch Einreichung entsprechender Steuererklärungen über die - nunmehr behauptete - Einstellung der Geschäftstätigkeit zu informieren und die seitens des Beklagten vorgenommene Schätzung so zu vermeiden.

Sollte der Kläger hingegen mit seinem Hinweis auf die Anfang 1998 erfolgte Einstellung der Geschäftstätigkeit sinngemäß zum Ausdruck bringen wollen, dass die für 1998 erfolgte Steuerfestsetzung einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten könne, wäre dieser Einwand unerheblich. Denn ein Haftungsschuldner muss gemäß § 166 AO die gegenüber dem Steuerschuldner - hier gegenüber der A GmbH - erfolgte Steuerfestsetzung gegen sich gelten lassen, wenn er in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen - die A GmbH - erlassenen Steuerbescheid als dessen Vertreter oder Bevollmächtigten anzufechten. Dabei kommt es im Übrigen allein auf die rechtliche, nicht dagegen die tatsächliche Anfechtungsmöglichkeit an (BFH, Urteil vom 21. Januar 1986 - VII R 196/83 - BFH/NV 1986, S. 512). Diese Möglichkeit hatte der Kläger aufgrund seiner Bestellung zum Geschäftsführer der A GmbH und ausweislich der Ende 1999 eingereichten Umsatzsteuererklärung 1997.

b) Der Kläger vermag schließlich auch nicht mit seinem Einwand durchzudringen, dass die unter dem 02. Dezember 1999 zwischen der B GmbH und der A GmbH zum Zwecke der Verrechnung mit Steuerschulden vereinbarte Abtretung eines Anspruches in Höhe von 9.702,50 DM am 03. Dezember 1999 bei dem Beklagten eingegangen sei und zur Tilgung der entsprechenden Steuerschulden der A GmbH hätte führen müssen.

Nach den Angaben des Beklagten zur Verwendung des tatsächlich lediglich 6.172,20 DM umfassenden Umsatzsteuerguthabens der B GmbH wurde allerdings bereits ein Teilbetrag von 2.422,79 DM auf Steuerschulden der A GmbH verwandt, so dass der Kläger allenfalls die Verrechnung des verbleibenden Betrages von 3.749,41 DM verlangen könnte.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vermochte sich der Senat aber nicht davon zu überzeugen, dass die unter dem 02. Dezember 1999 zwischen der B GmbH und der A GmbH vereinbarte Abtretung dem Beklagten bereits am 03. Dezember 1999 vorlag.

Der auf der Abtretungsanzeige angebrachte Eingangsstempel erbringt als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 82 FGO den vollen Beweis für den Eingangszeitpunkt der Abtretungsanzeige am 18. Januar 2000. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes kommt einer öffentlichen Urkunde auch im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung ein hoher Beweiswert zu, so dass diese nach allgemeinen Erfahrungssätzen im Regelfall vollen Beweis für die in ihr beurkundeten Tatsachen erbringt. So erbringt der Eingangsstempel einer Behörde oder eines Gerichts grundsätzlich Beweis für Zeit und Ort des Eingangs eines Schreibens (BFH, Urteil vom 25. April 1988 - X R 90/87 - BFH/NV 1989, S. 110; BFH, Beschluss vom 29. Juli 1991 - III E 1/91 - BFH/NV 1992, S. 482). Nach § 418 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 82 FGO ist allerdings der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsache zulässig. Erforderlich ist hierzu der Nachweis, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist, dass die Abtretungsanzeige (erst) am 18. Januar 2000 bei dem Beklagten einging [BFH, Urteil vom 19. Juli 1995 - I R 87, 169/94 - NJW 1996, S. 679 ]. Nicht ausreichend ist es, wenn das Ergebnis der Beweisaufnahme lediglich Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellung begründet (BFH, Beschluss vom 10. November 2003 - VII B 366/02 - BFH/NV 2004, S. 509; BGH, Urteil vom 07. Juni 1990 - III ZR 216/89 - NJW 1990, S. 2125 f. ).

Soweit der Kläger seine Behauptung, die Abtretungsanzeige habe dem Beklagten bereits am 03. Dezember 1999 vorgelegen, auf die handschriftlich auf dem Schreiben vom 03. Dezember 1999 angebrachte Bestätigung stützt, nach der der Tag des Eingangs der "Erklärungen f. 1997 der Fa. B und A" der 03. Dezember 1999 ist, dürfte es sich bei der von dem Zeugen z2 in der mündlichen Verhandlung vorgelegten einfarbigen Kopie des Schreibens vom 03. Dezember 1999 um das Original der Eingangsbestätigung handeln. Dafür spricht zumindest, dass sich auf dieser Kopie das Original des auch auf den anderen Kopien sichtbaren roten Stempelaufdrucks "Kopie/Durchschrift für Mandaten" befindet. Allerdings bezieht sich die handschriftliche Eingangsbestätigung ausschließlich auf die (Steuer-) "Erklärungen f. 1997 der Fa. B und A". Diese Wertung wird durch die Aussage des Zeugen z2 bestätigt. Dieser hat bekundet, am 03. Dezember 1999 persönlich die Steuererklärungen der B GmbH und der A GmbH bei dem Beklagten eingereicht zu haben, denn es sei ihm wichtig gewesen, den zuvor erfolgten Schätzungen des Beklagten entgegenzutreten bzw. diesen Schätzungen die Grundlage zu entziehen. Deshalb habe er Wert darauf gelegt, dass ihm der Eingang dieser Steuererklärungen quittiert werde, während die Abtretungsanzeige für ihn von untergeordneter Bedeutung gewesen sei.

Hinzu kommt, dass im Rahmen des handschriftlichen Vermerks augenscheinlich sämtliche eingegangenen Dokumente einzeln bezeichnet wurden, denn die Eingangsbestätigung dürfte eine zwei Spiegelstriche umfassende Auflistung enthalten; hinter dem ersten Spiegelstrich sind die "Erklärungen f. 1997 der Fa. B und A" aufgeführt, während der zweite Spiegelstrich durchgestrichen worden sein dürfte und ohne Eintragung blieb. Der Zeuge z1, der in der mündlichen Verhandlung bestätigte, dass die handschriftliche Eingangsbestätigung von ihm stamme, hat zwar bekundet, dass er den zweiten "Strich" nicht für einen "Spiegelstrich" halte. Ob dies zutrifft, ob also der Zeuge z1 Spiegelstriche üblicher Weise deutlicher bzw. markanter anbringt, kann indes im Ergebnis auf sich beruhen. Sollte entgegen den Angaben des Zeugen z1 ein zweiter Spiegelstrich vorliegen, spräche dieses Indiz gegen die Behauptung des Klägers, dass die Abtretungsanzeige vom 02. Dezember 1999 bereits am 03. Dezember 1999 bei dem Beklagten einging. Wollte man hingegen den Angaben des Zeugen z1 folgen, wäre der handschriftlichen Eingangsbestätigung nur zu entnehmen, dass die Steuererklärung für 1997 am 03. Dezember 1999 bei dem Beklagten eingegangen sind, während der Eingang der Abtretungsanzeige ungewiss bleibt.

Die Aussage des Zeugen z2 ist auch im Übrigen nicht geeignet, den Beweis zu führen, dass die unter dem 02. Dezember 1999 zwischen der B GmbH und der A GmbH vereinbarte Abtretung dem Beklagten bereits am 03. Dezember 1999 vorlag.

Der Zeuge z2 hat zwar bekundet, er habe die bereits erwähnten Steuererklärungen und auch die Abtretungserklärung am 03. Dezember 1999 persönlich bei dem Beklagten abgeliefert und sich den Eingang quittieren lassen. Der Senat zweifelt in diesem Zusammenhang nicht daran, dass sich der Zeuge auch - entsprechend seiner glaubhaften Schilderung - vor seinem Weg zum Finanzamt von der Vollständigkeit der Unterlagen überzeugt hat. Dass die Abtretungsanzeige deshalb auch tatsächlich am 03. Dezember 1999 bei dem Beklagten eingegangen ist, ergibt sich hieraus jedoch nicht. Der Zeuge z2 führte hierzu aus, dass die von ihm an den Beklagten überbrachten Unterlagen recht umfangreich gewesen seien und die Steuererklärungen nach seiner Erinnerung jeweils mit den zugehörigen Anlagen zusammengepackt worden seien, während die Abtretungsanzeige (nebst Anschreiben) diesen Unterlagen nur lose beigegeben worden sei. Es ist hiernach nicht ausgeschlossen, dass die Abtretungsanzeige vor der Abgabe der Unterlagen bei dem Beklagten und von dem Zeugen z2 unbemerkt verrutscht ist oder sich auf andere Weise von den übrigen Unterlagen löste und etwa zwischen andere Papiere geraten ist [und dann später nachgereicht wurde]. Der Zeuge vermittelte dem Senat zwar bei seiner Vernehmung den Eindruck, persönlich sicher zu sein, dass auch die Abtretungsanzeige am 03. Dezember 1999 übergeben worden sei. Eine konkrete Erinnerung in Bezug auf die Übergabe gerade dieses Dokumentes war jedoch ersichtlich nicht vorhanden. Zudem ließ der Zeuge z2 hinsichtlich seiner Erinnerungen an die Abtretungsanzeige Unsicherheiten erkennen. Denn er meinte, dass die Abtretungsanzeige und das zugehörige Anschreiben mittels einer Heftklammer miteinander verbunden - getackert - waren. Weder das Anschreiben vom 03. Dezember 1999 noch die Abtretungsanzeige vom 02. Dezember 1999 weisen jedoch eine entsprechende Heftklammer oder die nach dem Entfernen einer Heftklammer zurückbleibenden Löcher auf.

Nach alledem vermag die Aussage des Zeugen z2 allenfalls Zweifel an der Richtigkeit des auf der Abtretungsanzeige angebrachten Eingangsstempels zu begründen. Diese Zweifel sind jedoch nur von geringem Gewicht, zumal zusammen mit dem Eingangsstempel handschriftlich auch die Uhrzeit - 13.15 Uhr - auf der Abtretungsanzeige vermerkt wurde, so dass es nahezu ausgeschlossen erscheint, dass der bei dem Beklagten verwendete Eingangsstempel versehentlich auf ein falsches Tagesdatum eingestellt war.

Die mithin verbleibenden - allenfalls geringen - Zweifel an der Richtigkeit des Eingangsstempels sind nicht geeignet, den erforderlich Beweis über den Eingang der Abtretungsanzeige am 03. Dezember 1999 zu erbringen.

Ist mithin im Ergebnis davon auszugehen, dass die Abtretungsanzeige vom 02. Dezember 1999 erst am 18. Januar 2000 bei dem Beklagten einging und zu diesem Zeitpunkt bereits die Verrechnung des Umsatzsteuerguthabens der B GmbH entsprechend der Abtretung vom 06. Dezember 1999 sowie mit den Steuerschulden der B GmbH erfolgt war, ist auch nichts gegen die von dem Kläger geforderte Summe zu erinnern.

3.) Auch im Übrigen begegnet der angefochtene Haftungsbescheid keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Der Beklagte hat den Kläger entsprechend § 219 Satz 1 AO erst in Anspruch genommen, nachdem Versuche, die A GmbH selbst in Anspruch zu nehmen und ausstehende Steuern einzuziehen, erfolglos geblieben war.

Bei der Auswahl des Klägers als Haftungsschuldner hat der Beklagte sein Ermessen (§ 5 AO) in vertretbarer und nachvollziehbar Weise ausgeübt. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte von der Inanspruchnahme des Vorgängers des Klägers abgesehen hat, weil der Kläger bereits Anfang 1998 die alleinige Geschäftsführung der A GmbH übernommen hatte. Der Vorgänger des Klägers könnte nach Aktenlage allenfalls versäumt haben, noch vor seiner Abberufung als Geschäftsführer die nach § 18 Abs. 3 UStG erforderliche Umsatzsteuerjahreserklärung 1997 der A GmbH einzureichen. Hieraus ergäbe sich jedoch keine Pflichtverletzung, denn die Frist zur Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1997 lief gemäß § 149 Abs. 2 Satz 1 AO erst am 31. Mai 1998 ab, so dass auch insoweit allein der Kläger selbst als Haftungsschuldner in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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