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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 12.02.2008
Aktenzeichen: 4 K 435/06
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1
EStG § 62 Abs. 1
EStG § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 70 Abs. 2
AO § 37 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

4 K 435/06

Kindergeld

Im Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 4. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. Februar 2008

durch

den Richter am Finanzgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Gewährung von Kindergeld für die Monate Januar 2005 bis April 2005 Streitgegenstand war.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Kindergeld.

Der am 1984 geborene Kläger befand sich seit dem 01. September 2003 in Ausbildung zum Ausbaufacharbeiter bei der Institut für Berufliche Bildung Fördergesellschaft mbH . Diese Ausbildung sollte bis voraussichtlich 31. August 2005 dauern.

Ab Oktober 2003 war das Kindergeld von seiner eigentlich kindergeldberechtigten Mutter an den Kläger selbst abgezweigt. Der Abzweigungsbetrag belief sich bis einschließlich Oktober 2004 auf 160,25 EUR, da der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt drei berücksichtigungsfähige Geschwister hatte, ab November 2004 wurde ein monatlicher Betrag von jeweils 154,00 EUR abgezweigt.

Am 11. Mai 2004 trat der Kläger eine Haftstrafe an, die er bis Oktober 2005 verbüßte. Dieser Haftstrafe lag eine vom Kläger in der ersten Jahreshälfte 2004 begangene Körperverletzung zugrunde. Bereits vor dieser Tat hatte der Kläger im Alter von etwa 16 Jahren eine Freiheitsstrafe wegen eines ähnlichen Deliktes verbüßen müssen. Diese war damals nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftzeit zur Bewährung ausgesetzt worden. Da der Kläger die neue Tat im Jahr 2004 noch während des Laufs der Bewährungszeit begangen hatte, wurde (auch) die Strafaussetzung zur Bewährung für die erste Tat widerrufen.

Während der Zeit seiner Inhaftierung nahm der Kläger vom 17. Januar 2005 bis zum 14. April 2005 an einer berufsvorbereitenden Maßnahme teil und schloss diese auch erfolgreich ab.

Nach Ende der Haftstrafe setzte der Kläger schließlich seine Ausbildung ab dem 12. Oktober 2005 bei der o.g. Institut für Berufliche Bildung Fördergesellschaft mbH fort und beendete diese - nach haftbedingter Verlängerung- am 31. August 2006.

Nachdem die vormals zuständige Familienkasse der Agentur für Arbeit von der Inhaftierung des Klägers Kenntnis erlangt hatte, hob sie mit Bescheid vom 01. Dezember 2005 gegenüber der Mutter des Klägers die Kindergeldfestsetzung für den Kläger für den Zeitraum von Juni 2004 bis August 2005 auf und forderte überzahltes Kindergeld i.H.v. 2.341,25 EUR vom Kläger zurück. (Der Restbetrag von 93,75 EUR war von der Mutter des Klägers zurückzuzahlen). Von diesem Bescheid erhielt der Kläger zeitgleich eine Abschrift.

Nachdem der Kläger hiergegen erfolglos Einspruch eingelegt hatte, erhob er Klage, die er wie folgt begründet: Seine Mutter - die Zeugin - habe bei seinem Haftantritt die Mitarbeiterin des Beklagten Frau K. telefonisch von der Inhaftierung in Kenntnis gesetzt und nachgefragt, was in kindergeldrechtlicher Hinsicht nunmehr zu unternehmen sei. Hierauf sei ihr mitgeteilt worden, dass nichts weiter zu veranlassen sei. Außerdem sei der Kläger in der Zeit vom 01. Oktober 2004 bis zum 30. September 2005 ausbildungsplatzsuchend gemeldet gewesen, was aus zwei Schreiben der Agentur für Arbeit hinsichtlich der Meldung beitragsfreier Zeiten an die Rentenversicherung ersichtlich sei.

Durch internen Organisationsakt wurden die vormals zuständige Familienkasse der Agentur für Arbeit mit dem Beklagten zusammengelegt.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2006 hat der Beklagte den Bescheid vom 01. Dezember 2005 insoweit geändert, als nunmehr nur noch die Festsetzung des Kindergeldes für die Monate Juni 2004 bis Dezember 2004 und für die Monate Mai 2005 bis August 2005 aufgehoben und auch nur noch die auf diese Zeiträume entfallenden Beträge zurückgefordert werden, so dass der Kläger nunmehr beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 06. März 2006 und des Änderungsbescheides vom 19. Juni 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er habe erstmals mit dem Schreiben der Mutter des Klägers vom 05. September 2005 - dem eine entsprechende Haftbescheinigung beigelegen habe - Kenntnis darüber erlangt, dass der Kläger sich von Juni 2004 bis August 2005 in Haft befunden habe. Das Ausbildungsverhältnis sei deshalb mit Haftantritt im Mai 2004 bis zum Zeitpunkt der Entlassung am 12. Oktober 2005 unterbrochen gewesen. Während der Inhaftierung habe sich der Kläger (bis auf den zwischenzeitlich anerkannten Zeitraum der berufsvorbereitenden Maßnahme) nicht in Berufsausbildung befunden. Dass die Berufsausbildung im Anschluss an die Inhaftierung wieder fortgesetzt worden sei, sei unerheblich. Ein Hinweis auf einen Anruf der Mutter zum Zeitpunkt des Haftantrittes finde sich in der Verwaltungsakte nicht.

Hinsichtlich des Streitzeitraumes Januar 2005 bis April 2005 erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit im Rahmen der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt.

Das Gericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2008 Beweis erhoben über die Frage, ob der Beklagte zum Zeitpunkt des Haftantritts des Klägers über diesen Umstand informiert wurde durch Vernehmung der Zeugin A. und der Zeugin K.

Dem Gericht lagen die den Streitfall betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis mit den Beteiligten durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3, 4 Finanzgerichtsordnung - FGO).

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger als derjenige, an den das Kindergeld von der eigentlich berechtigten Mutter nach § 74 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) abgezweigt worden ist, klagebefugt.

2. Der Rechtsstreit war hinsichtlich des Streitzeitraumes Januar 2005 bis April 2005 beendet (so auch Ruban in Gräber FGO § 138 Rn. 11), da die Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit diesbezüglich übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die Einstellung des Verfahrens insoweit hat lediglich deklaratorischen Charakter.

3. Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 01. Dezember 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 06. März 2006 sind in der Gestalt die sie durch den Bescheid vom 19. Juni 2006 erhalten haben rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, da für ihn für den (restlichen) Zeitraum seiner Inhaftierung kein Anspruch auf Kindergeld bestand.

a) Für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, besteht ein Anspruch auf Kindergeld nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG - neben anderen hier nicht problematischen Voraussetzungen - nur dann, wenn es einen der in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG aufgeführten Tatbestände erfüllt. Ein volljähriges Kind wird nach den im Streitfall einschlägigen Alternativen berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG), wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG) oder wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG).

Im Streitfall ist keiner dieser Berücksichtigungstatbestände erfüllt.

Der während des gesamten Streitzeitraumes unter 21 Jahre alte Kläger war in der Zeit von Juni 2004 bis August 2005 nach Aktenlage nicht arbeitssuchend i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG gemeldet. Selbst wenn diese Voraussetzung jedoch erfüllt gewesen sein sollte, steht die Inhaftierung des Klägers seiner Berücksichtigung im Rahmen der Kindergeldgewährung entgegen. Ein arbeitssuchend gemeldetes Kind darf nicht an der Aufnahme einer Beschäftigung gehindert sein (Glanegger in Schmidt EStG Rn. 36; BFH Beschluss vom 20. Dezember 2001 VI B 123/99, BFH/NV 2002, 492), was bei einer Strafhaft jedoch der Fall ist.

Auch befand sich der Kläger im Zeitraum von Juni 2004 bis Dezember 2004 und von Mai 2005 bis August 2005 nicht in Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG. Zwar hatte der Kläger im Streitfall zunächst ein betriebliches Ausbildungsverhältnis begonnen, dieses wurde jedoch in den o.g. Zeiträumen durch die Inhaftierung unterbrochen, so dass der Kläger tatsächlich nicht ausgebildet wurde. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es auf die tatsächliche Durchführung der Ausbildung und nicht lediglich auf das rechtliche Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses an. Hiervon werden von Verwaltung und Rechtsprechung zwar Ausnahmen für die Fälle der Erkrankung oder Mutterschaft (Abschn. 63.3.2.7 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleiches nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA-FamEStG) zugelassen. Auch hat der Bundesfinanzhof in seinemUrteil vom 20. Juli 2006 (III R 69/04, BFH/NV 2006, 2067) entschieden, dass eine Unterbrechung der Ausbildung nicht eintrete, wenn ein Kind in Untersuchungshaft genommen sei oder wegen eines laufenden Strafverfahrens im Ausland nicht ausreisen dürfe. In solchen Fällen beruhe der Umstand, dass die Ausbildung vorübergehend unterbrochen sei - ähnlich wie im Falle einer Erkrankung - nicht auf dem Willen des Kindes. Denn unabhängig davon, ob das Kind die ihm zur Last gelegten Straftaten tatsächlich begangen oder zu verantworten habe, habe es nicht in dem Bewusstsein gehandelt, dass diese Taten eine Unterbrechung oder einen Abbruch seiner Ausbildung zur Folge haben könnten.

Diese Rechtsprechung kann nach Ansicht des Gerichtes auf den hier vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Zwar kann auch hier davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Straftat, wegen der er letztlich erneut in Haft genommen wurde, primär nicht deshalb beging, um seine Ausbildung zu unterbrechen. Tatsächlich jedoch befand er sich bereits zum wiederholten Mal wegen eines Körperverletzungsdelikts in Haft. Die erneute Straftat beging er während noch die Bewährungszeit hinsichtlich seiner vormaligen Straftat lief. Die Konsequenzen seines strafbaren Handelns - insbesondere die Gefahr eines erneuten Freiheitsentzuges und die damit verbundene Unmöglichkeit seine Ausbildung planmäßig fortzusetzen - mussten dem Kläger gerade aufgrund seiner Vorgeschichte bewusst gewesen sein. Insofern ist nach Ansicht des Gerichtes davon auszugehen, dass der Kläger die Unterbrechung seiner Ausbildung zu verantworten hat (wie hier für den Fall entsprechend schwerwiegender Straftaten: Dürr in BFH-PR 2006, 486). Die vom Bundesfinanzhof angenommene Gleichstellung mit einer Erkrankung ist deshalb im Streitfall zu verneinen.

Auch die Voraussetzungen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG sind im Streitfall nicht erfüllt, da der Kläger eine Berufsausbildung nicht mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen konnte. Voraussetzung hierfür wäre, dass das Kind sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Hieran fehlt es im Streitfall bereits deshalb, weil der Kläger keine Eigenbemühungen um einen Ausbildungsplatz gezeitigt hat und nach Aktenlage auch nicht bei einer Agentur für Arbeit als ausbildungsplatzsuchend gemeldet war. Die vom Klägervertreter in diesem Zusammenhang angeführten Bestätigungen der Agentur für Arbeit hinsichtlich der Meldung beitragsfreier Zeiten an die Rentenversicherung sind insoweit offensichtlich falsch und beinhalten im Übrigen keine Bindungswirkung für die Festsetzung des Kindergeldes (FG Düsseldorf Urteil vom 11. August 2006 - 18 K 5042/05 Kg EFG 2006, 1764). Im Übrigen hätte der Kläger, selbst wenn er ausbildungsplatzsuchend gemeldet gewesen wäre, aufgrund seiner Inhaftierung einer Vermittlung in einen Ausbildungsplatz während des Streitzeitraumes nicht zur Verfügung gestanden.

b) Der Beklagte war auch berechtigt, die Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 EStG mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. Nach dieser Vorschrift ist bei einer für den Anspruch auf Kindergeld wesentlichen Änderung der Verhältnisse die Festsetzung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern. Die Behörde hat insoweit keinen Ermessensspielraum (BFH Beschluss vom 18. Dezember 1998 - VI B 215/98 BStBl. II 1999, 231; BFH Urteil vom 25. Juli 2001 - VI R 18/99 BStBl. II 2002, 81).

Im Streitfall liegt die Änderung der Verhältnisse in der Unterbrechung der Ausbildung durch den Haftantritt des Klägers. In diesem Zusammenhang kann auch dahinstehen, ob die Mutter des Klägers den Beklagten rechtzeitig zum Haftantritt über diesen Umstand informiert hat. Eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG ist nämlich nicht nur dann möglich, wenn der Kindergeldberechtigte seine Mitwirkungspflicht verletzt hat, vielmehr kommt es auf ein Verschulden des Kindergeldberechtigten nicht an (vgl. BFH Beschluss vom 18. Dezember 1998 a.a.O.). Hierfür jedenfalls findet sich in den Vorschriften der §§ 62 ff. EStG, insbesondere in den §§ 68 und 70 EStG, keine Grundlage (BFH Urteil vom 14. Oktober 2003 - VIII R 56/01 BStBl. II 2004, 123).

Da aufgrund der rechtmäßigen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergeldes weggefallen war, konnte der Beklagte gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) das zuviel gezahlte Kindergeld zurückfordern. Der auch im Steuerrecht zu beachtende Grundsatz von Treu und Glauben steht dem nicht entgegen.

Hier käme als Ausprägung dieses Grundsatzes allein die Verwirkung des Rückforderungsanspruchs des Beklagten in Betracht. Es ist jedoch keine Verwirkung eingetreten.

Verwirkung setzt voraus, dass sich der - hier zur Rückerstattung gemäß § 37 Abs. 2 AO - Verpflichtete nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf verlassen durfte und verlassen hat, dass dieser das Recht in Zukunft nicht geltend machen werde. Der Zeitablauf allein (das sog. Zeitmoment) reicht für die Annahme der Verwirkung eines Rückforderungsanspruchs grundsätzlich nicht aus. Hinzu kommen muss ein Verhalten des Berechtigten, aus dem der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung den Schluss ziehen darf, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werden solle (Umstandsmoment oder Vertrauenstatbestand). Schließlich muss der Verpflichtete auch tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich entsprechend eingerichtet haben (Vertrauensfolge; insgesamt hierzu statt vieler BFH Urteil vom 14. Oktober 2003 a.a.O. m.w.N.).

Im Streitfall kann offen bleiben, ob die zwischen eventueller Kenntniserlangung des Beklagten von den zur Rückforderung des Kindergeldes führenden Umständen bereits zum Zeitpunkt des Haftantritts und Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs verstrichene Zeitspanne ausreicht, um die Möglichkeit der Verwirkung des Anspruchs in Erwägung zu ziehen. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger darauf vertraut hat, das erhaltene Kindergeld behalten zu dürfen. Die Verwirkung des Rückforderungsanspruches scheitert jedenfalls daran, dass es an einem Verhalten des Beklagten fehlt, welches für den Kläger bei objektiver Auslegung den eindeutigen Schluss zuließ, dass ihm das zu Unrecht gezahlte Kindergeld belassen werde. Die Weiterzahlung des Kindergeldes allein genügt insoweit zur Begründung eines Vertrauenstatbestandes nicht. Hinzu kommen müssen vielmehr besondere Umstände, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung seitens der Behörde erscheinen lassen. Bei einem Massenverfahren wie im Kindergeldrecht ist dabei ein besonders eindeutiges Verhalten der Familienkasse zu fordern, dem zu entnehmen ist, dass sie auch nach Prüfung des Falles unter Berücksichtigung veränderter Umstände von einem Fortbestehen des Kindergeldanspruchs ausgeht und ein anderer Eindruck bei dem Kindergeldempfänger oder -berechtigten nicht entstehen kann. Dem Verhalten der Familienkasse muss also die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der Kindergeldempfänger mit einer Rückforderung des Kindergeldes nicht zu rechnen braucht (BFH Urteil vom 14. Oktober 2003 a.a.O. m.w.N.).

Selbst wenn man es im Streitfall als wahr unterstellt, dass die Zeugin A. den Beklagten rechtzeitig telefonisch zum Zeitpunkt des Haftantrittes über die Unterbrechung der Ausbildung informiert hat, fehlt es an einem derart eindeutigen Verhalten des Beklagten. Die Zeugin A. selbst konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob bei besagtem Telefonat seitens der Zeugin K. eine Aussage dahingehend gemacht worden ist, dass "nichts weiter zu veranlassen" sei. Der Zeugin K. selbst war das Telefonat gar nicht mehr erinnerlich. Sonstige Indizien, die einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Klägers begründen könnten, sind nicht vorgetragen worden und auch aus dem Inhalt der Akten nicht ersichtlich.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, bzw. hinsichtlich des Streitzeitraumes Januar 2005 bis April 2005 auf §§ 138 Abs. 2 Satz 2, 137 Satz 1 FGO, da der Kläger den Beklagten erst im Rahmen des Klageverfahrens über die von ihm während der Haftzeit absolvierte berufsvorbereitende Maßnahme informiert hat.

5. Soweit ersichtlich, ist bislang höchstrichterlich nur entschieden, dass eine erstmalige Untersuchungshaft bei rechtlichem Fortbestehen eines Ausbildungsverhältnisses nicht zum Verlust des Anspruches auf Kindergeld führt. Das Gericht hat deshalb die Revision zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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