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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: 4 K 562/05
Rechtsgebiete: AO, BGB, ZPO


Vorschriften:

AO § 79 Abs. 2
AO § 79 Abs. 3
AO § 110 Abs. 1 S. 2
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
AO § 355 Abs. 1 S. 1
BGB § 104 Nr. 2
BGB § 1896 Abs. 1
BGB § 1896 Abs. 4
BGB § 1903
ZPO § 53
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

4 K 562/05

Kindergeld

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 4. Senat -

am 20. Februar 2008

durch

den Richter am Finanzgericht als Einzelrichter

im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird abgetrennt, soweit Streitgegenstand die Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum von April 2000 bis einschließlich Februar 2004 war, und unter dem Aktenzeichen 4 K 194/08 nach § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens - einschließlich der Kosten des abgetrennten Verfahrens 4 K 194/08 - hat die Klägerin zu tragen.

Der Streitwert für das abgetrennte Verfahrens 4 K 194/08 beträgt 6.902,00 Euro. Der Streitwert für das Verfahren 4 K 562/05 beträgt 1.694,00 Euro.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Kindergeld für das Kind A., dessen Gewährung die Klägerin für den Zeitraum von März 2004 bis Januar 2005 begehrt.

Die Klägerin beantragte im März 2004 für ihre 1974 geborene Tochter A. Kindergeld. Zur Begründung ihres Antrages legte die Klägerin eine Kopie der Bestallung der Frau M. zur Berufsbetreuerin ihrer Tochter vor sowie einen ihrer Tochter erteilten Rentenbescheid, aus der die Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente ab Juli 2003 hervorgeht. Nachdem die Klägerin die Aufforderung der Familienkasse, den Nachweis über die Behinderung ihrer Tochter (Schwerbehindertenausweis) vorzulegen, unbeantwortet gelassen hatte, lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 12. Januar 2005 ab.

Mit Schreiben vom 26. Februar 2005, dass am 01. März 2005 bei dem Beklagten einging, wandte sich die damalige Betreuerin der Klägerin - Frau B. - an den Beklagten und erhob "Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.01.2005, Eingang am 17.01.2005". Hierzu führte sie aus, dass sie um Nachsicht in der Kindergeldsache bitte, weil die Klägerin nicht in der Lage sei, ihre Zuarbeit für die Familienkasse pünktlich zu erledigen. Dem Schreiben legte sie unter anderem Kopien ihrer Bestellung zur Berufsbetreuerin der Klägerin vom 05. Mai 2004 sowie des Schwerbehindertenausweises der Tochter der Klägerin bei. Der Beklagte verwarf den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 14. März 2005 als unzulässig mit der Begründung, dass die Einspruchsfrist nicht eingehalten worden sei.

Parallel dazu wertete der Beklagte das Schreiben vom 26. Februar 2005 als neuen Antrag und setzte hierauf mit Bescheid vom 12. April 2005 Kindergeld ab Februar 2005 in Höhe von 154,00 Euro monatlich fest.

Die Betreuerin B. hat am 15. April 2005 für die Klägerin Klage erhoben mit dem ausdrücklich erklärten Ziel, den Beklagten zu verpflichten, Kindergeld rückwirkend für vier Jahre - gerechnet ab Antragstellung am 04. März 2004 - festzusetzen.

Hierzu führt sie an, sowohl sie - die Klägerin - als auch ihre Tochter seien unter Betreuung gestellt, weil sie nicht in der Lage seien, ihre Angelegenheiten in vollem Umfang selbst zu besorgen. Die Betreuung sei der Familienkasse angezeigt worden. Der Beklagte habe den Schriftwechsel gleichwohl mit der betreuten Klägerin selbst geführt, nicht aber mit der hierzu berufenen Betreuerin. Aus diesem Grund sei "den Betreuern die Ablehnung vom 17.01.05 erst am 26.02.05 bekannt geworden". Deshalb sei "nach verspäteter Bekanntgabe" Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Betreuung sei wegen einer "schweren depressiven Episode und Alkoholkrankheit" eingerichtet worden. Die Klägerin leide an akuten Psychosen, die zur Folge hätten, dass diese sich schon mehrfach monatelang in stationärer Behandlung befunden habe. Auf Anregung des Gerichts, Zeitpunkt und Umstände des Bekanntwerdens des Bescheides vom 12. Januar 2005 detaillierter zu beschreiben, führte die Betreuerin der Klägerin aus, dass die Betreuerin der Tochter der Klägerin - Frau M. - im Februar 2004 den Kindergeldantrag ausgefüllt habe und der Klägerin lediglich zur Unterschrift vorgelegt habe. Sie - die Betreuerin der Klägerin - habe bei Übernahme der Betreuung keine Kenntnis von dem Antrag auf Kindergeld erhalten und sei auch nicht davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Kindergeld bestehen könnte. Erst im Rahmen eines am 25. Februar 2005 bei der Klägerin durchgeführten Hausbesuches sei ihr - der Betreuerin - durch Zufall das Schreiben der Familienkasse in die Hände gefallen. Da die Klägerin in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sei, gelte für sie § 210 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so dass der Ablehnungsbescheid der Familienkasse nicht habe bestandskräftig werden können.

Die Klägerin hat ihren Antrag in dem am 12. Februar 2008 durchgeführten Erörterungstermin darauf beschränkt,

den Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. März 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Kindergeld für den Zeitraum von März 2004 bis Januar 2005 festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, der Familienkasse sei die Bestellung einer Betreuerin für die Klägerin nicht bekannt gewesen. Die Klägerin könne daher nicht mit der sinngemäß erhobenen Rüge durchdringen, der Bescheid vom 12. Januar 2005 sei nicht an die Betreuerin der Klägerin zugestellt worden. Die psychische Erkrankung der Klägerin, die es dieser nach dem Vortrag der Betreuerin unmöglich mache, fristgerecht auf den streitgegenständlichen Bescheid zu reagieren, sei im Übrigen ungeeignet, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen, denn die Bestellung der Betreuerin sei knapp ein Jahr vor Erlass des Bescheides vom 12. Januar 2005 erfolgt. Wenn die Betreuerin nicht in der Lage gewesen sei, sich in diesem Zeitraum einen Überblick über die Angelegenheiten der von ihr betreuten Klägerin zu verschaffen, falle dieser Umstand weder in die Risikosphäre der Familienkasse noch sei insoweit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen. Außerdem habe es die Betreuerin versäumt, im Rahmen ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die zur Begründung dieses Antrages dienenden Tatsachen anzugeben und glaubhaft zu machen. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Betreuerin nicht dazu berufen gewesen sei, die Postangelegenheiten der Klägerin wahrzunehmen, denn das Vormundschaftsgericht habe eine Anordnung im Sinne von § 1896 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht getroffen.

Dem erkennenden Gericht hat bei der Entscheidung ein Band Kindergeldakten einschließlich des Einspruchsvorganges des Beklagten vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Über die Klage entscheidet der Berichterstatter als Einzelrichter, denn der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 23. Januar 2008 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung [FGO]).

I. Die Klage ist, soweit sie nach dem Ergebnis des am 12. Februar 2008 durchgeführten Erörterungstermins aufrecht erhalten wurde, unbegründet.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2005 ist in der Gestalt, die er durch den Einspruchsbescheid vom 14. März 2005 erhalten hat, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten [§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO].

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld für ihre Tochter A. für den Zeitraum von März 2004 bis Januar 2005 nicht zu, weil der diesen Zeitraum erfassende Ablehnungsbescheid vom 12. Januar 2005 bestandskräftig geworden ist und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen.

1.) Der Bescheid vom 12. Januar 2005 ist - spätestens - mit Ablauf des 17. Februar 2005 bestandskräftig geworden, denn die Frist zur Erhebung des Einspruchs beträgt nach § 355 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) einen Monat. Diese Frist begann - spätestens - am 17. Januar 2005.

a) Die genannte Einspruchsfrist beginnt nach § 355 Abs. 1 Satz 1 AO mit der Bekanntgabe des anzufechtenden Verwaltungsaktes. Da der im Streit stehende Bescheid vom 12. Januar 2005 durch Übersendung mit der Post bekannt gegeben wurde, gilt er nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zu gegangen ist.

Der Bescheid vom 12. Januar 2005 ist nach dem Stempelaufdruck auf der Aktenausfertigung am 12. Januar 2005 zur Post gegeben worden. Hiernach ist gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO davon auszugehen, dass er der Klägerin am Samstag, dem 15. Januar 2005 zugegangen ist. Hiervon abweichend ist in dem Einspruchsschreiben vom 26. Februar 2005 angegeben, dass der Bescheid (erst) am 17. Januar 2005 - einem Montag - zugegangen sei. Unterstellt man zu Gunsten der Klägerin die Richtigkeit dieser Angabe, ist die einmonatige Einspruchsfrist nicht schon am 15. Februar 2005, sondern erst am 17. Februar 2005, 24.00 Uhr abgelaufen und damit die Bestandskraft des Bescheides vom 12. Januar 2005 eingetreten.

b) Die Klägerin vermag mit ihrem in diesem Zusammenhang - sinngemäß - erhobenen Einwand, der Bescheid vom 12. Januar 2005 habe nicht durch Übersendung an sie - die Klägerin - bekannt gegeben werden dürfen, nicht durchzudringen.

Soweit die (frühere) Betreuerin der Klägerin im Rahmen ihrer Argumentation die Behauptung aufstellt, sie habe der Familienkasse angezeigt, dass sie zur Betreuerin der Klägerin bestellt worden sei, findet diese Behauptung in den Verwaltungsvorgängen keine Bestätigung. In den Verwaltungsvorgängen findet sich erst im Zusammenhang mit dem Einspruchsschreiben vom 26. Februar 2005 eine Kopie des Betreuerausweises. Aus dem weiteren Inhalt der Verwaltungsvorgänge ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die (damalige) Betreuerin schon vorher - vor dem 26. Februar 2005 - direkt oder über Dritte der Familienkasse mündlich oder schriftlich ihre Bestellung zur Betreuerin angezeigt haben könnte. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die genannte Behauptung "ins Blaue hinein" erfolgte, um die angestrebte Festsetzung von Kindergeld durchzusetzen. Die Behauptung, die Familienkasse über die erfolgte Bestellung informiert zu haben, steht aber zumindest im Widerspruch zu dem Vorbringen der (damaligen) Betreuerin in ihrem Schriftsatz vom 27. Juli 2005, denn danach war sie - die (damalige) Betreuerin - ursprünglich davon ausgegangen, dass kein Anspruch auf Kindergeld bestanden habe, und erst durch den Bescheid vom 12. Januar 2005 dazu veranlasst worden, sich mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen.

In rechtlicher Hinsicht ist es im Übrigen unerheblich, ob der Beklagten die Betreuung der Klägerin im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides bekannt war. Entscheidend ist insoweit, dass die Begründung eines Betreuungsverhältnisses die Geschäftsfähigkeit des Betreuten und damit dessen Handlungsfähigkeit unberührt lässt, soweit dieser nicht (vollständig) geschäftsunfähig ist. Der Betreuer ist innerhalb seines Aufgabenkreises gesetzlicher Vertreter des Betreuten. Soweit der Betreute noch - wenn auch vielleicht beschränkt - geschäftsfähig ist, tritt der Betreuer insoweit neben den Betreuten, d.h. es besteht eine sog. Doppelzuständigkeit. Dies hat zur Folge, dass der Betreute seine Angelegenheit selber (wirksam) wahrnehmen kann und ihm ebenso Verwaltungsakte wirksam bekannt gegeben werden können (Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: November 2007, § 79 AO RdNr. 21).

So liegt der Fall hier, denn nach Angaben der (damaligen) Betreuerin war die Klägerin in ihrer Geschäftsfähigkeit eingeschränkt [Schreiben vom 27. Juli 2005 und vom 17. Oktober 2005]. Die (damalige) Betreuerin der Klägerin führt zwar auch an, die Betreuung sei eingerichtet worden, weil die Klägerin "nicht in der Lage sei, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen". Dieser Umstand ist jedoch nach § 1896 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB] Voraussetzung jeder Betreuungsanordnung und bietet daher keinen Anhaltspunkt für eine (vollständige) Geschäftsunfähigkeit im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB. Für die Richtigkeit dieser Einschätzung spricht zudem, dass das Vormundschaftsgericht keinen Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB angeordnet oder die Betreuung nach § 1896 Abs. 4 BGB auf die Postangelegenheiten der Klägerin erstreckt hat, so dass auch hiernach von einer (nur) eingeschränkten Geschäftsfähigkeit auszugehen ist.

Es liegt im Übrigen auch keine Ausnahme nach § 79 Abs. 2 und 3 AO vor, die eine wirksame Bekanntgabe des Bescheides vom 12. Januar 2005 ausgeschlossen hätte.

Dem Betreuten gegenüber kann ein Verwaltungsakt dann nicht wirksam durch Übersendung an ihn bekannt gegeben werden, wenn entweder ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB besteht [vgl. § 79 Abs. 2 AO] oder der Betreuer in einem konkreten Verwaltungsverfahren seine gesetzliche Vertretungsbefugnis tatsächlich wahrnimmt [vgl. § 79 Abs. 3 AO in Verbindung mit § 53 der Zivilprozessordnung (ZPO)]. Keine dieser beiden Fälle ist - wie bereits ausgeführt - im Streitfall gegeben.

Konnte der Bescheid vom 12. Januar 2005 hiernach im Ergebnis wirksam durch Übersendung an die Klägerin persönlich bekannt gegeben werden, kann es dahinstehen, ob und wann die (damalige) Betreuerin der Klägerin Kenntnis von diesem Bescheid erhielt.

2.) Hinsichtlich des bestandskräftigen Bescheides vom 12. Januar 2005 liegen Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor.

Nach § 110 Abs. 1 AO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten; das Verschulden des Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

a) Im Streitfall liegt zumindest die Vermutung nahe, dass die Klägerin selbst kein Verschulden in Bezug auf die Versäumung der Einspruchsfrist trifft.

Es kann insoweit offen bleiben, ob die Klägerin selbst aufgrund ihrer Erkrankung und/oder aufgrund des Umstandes, dass sie selbst den Kindergeldantrag nicht eingereicht, sondern nur unterschrieben hatte, und/oder aufgrund des von der (damaligen) Betreuerin behaupteten Alkoholkonsums außer Stande war, die Einspruchsfrist zu wahren.

Der Beklagte weist in diesem Zusammenhang allerdings zutreffend darauf hin, dass die Wiedereinsetzungsgründe in dieser Hinsicht weder dargelegt noch glaubhaft gemacht wurden, denn der pauschale Hinweis auf den Konsum von täglich 0,7 Liter 36%-igem Alkohol ist in dieser Allgemeinheit ungeeignet, ein Verschulden der Klägerin selbst auszuschließen.

Selbst wenn man in diesem Zusammenhang zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass diese selbst kein Verschulden im Sinne von § 110 AO trifft, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.

b) Im Streitfall ist hinsichtlich der Einspruchsfrist jedenfalls von einem Verschulden der (damaligen) Betreuerin der Klägerin auszugehen.

Nach dem in Kopie zu den Akten der Familienkasse gereichten Betreuerausweis vom 05. Mai 2004 erfolgte die Bestallung der (damaligen) Betreuerin unter anderem für den Aufgabenkreis Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden. Die (damalige) Betreuerin war mithin in diesem Aufgabenkreis - neben der Klägerin selbst - für die Wahrung der Einspruchsfrist verantwortlich. Dementsprechend oblag es der (damaligen) Betreuerin der Klägerin, den aus der Erkrankung der Klägerin resultierenden Einschränkungen in der Geschäftsfähigkeit Rechnung zu tragen und entsprechende Vorsorge zur Wahrung der Vermögensinteressen der Klägerin zu treffen.

Dies ist augenscheinlich nicht geschehen, denn die (damalige) Betreuerin hat den Bescheid vom 12. Januar 2005 nach eigenen Angaben erst mehr als fünf Wochen nach dessen Zugang bei der Klägerin "durch Zufall in die Hände" bekommen, ohne dass insoweit eine Darlegung - das Verschulden der (damaligen) Betreuerin ausschließender - Umstände erfolgt wäre. Sollte die (damalige) Betreuerin auch in dieser Hinsicht den bereits angeführten Alkoholkonsum der Klägerin geltend machen wollen, muss nach Aktenlage davon ausgegangen werden, dass ihr dieser Alkoholmissbrauch im Januar 2005 schon längere Zeit bekannt war, ohne dass sie insoweit geeignete Vorsorge getroffen hätte, um die Wahrung der Vermögensinteressen der Klägerin sicher zu stellen. Denn der Alkoholkonsum dürfte - jedenfalls nach dem Vortrag der (damaligen) Betreuerin - wesentlicher Grund für die Anordnung der Betreuung gewesen sein, so dass es der (damaligen) Betreuerin gerade in dieser Hinsicht oblag, geeignete Vorsorge zu treffen. Das Gericht verkennt nicht, dass gerade in der Anfangszeit nach der erstmaligen Anordnung einer Betreuung unter Umständen noch einige Schwierigkeiten organisatorischer Art und möglicherweise auch im zwischenmenschlichen Umgang zwischen Betreutem und Betreuer zu bewältigen sind, um die Betreuung sachgerecht durchführen zu können. Insoweit erscheint es zwar denkbar, dass bei einem erst kurz nach "Beginn" der Betreuung auftretenden Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Die (damalige) Betreuerin der Klägerin war aber bereits acht Monate vor der Bekanntgabe des Bescheides vom 12. Januar 2005 bestellt worden, so dass ihr genügend Zeit zur Verfügung gestanden hat, geeignete Vorsorge zu treffen, notfalls durch eine Anregung an das Vormundschaftsgericht, ihre Befugnisse als Betreuerin zu erweitern. Das ist augenscheinlich nicht geschehen und hierzu von der (damaligen) Betreuerin der Klägerin auch nichts vorgetragen worden.

Da sich die Klägerin dieses Versäumnis ihrer (damaligen) Betreuerin nach § 110 Abs. 1 Satz 2 AO zurechnen lassen muss, ist die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen und der angegriffene Einspruchsbescheid deshalb rechtmäßig.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, für das abgetrennte Verfahren 4 K 194/08 hingegen aus § 136 Abs. 2 FGO.

III. Die Festsetzung der Streitwerte folgt aus den §§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes.

Ende der Entscheidung

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