Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 04.08.2009
Aktenzeichen: 4 K 691/05
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 70 Abs. 3
AO § 125
AO § 126 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 4. Senat -

am 04. August 2009

ohne mündliche Verhandlung

durch

den Richter am Finanzgericht X. als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit Streitgegenstand die Festsetzung von Kindergeld für den Monat Dezember 2004 war.

Der Bescheid der Familienkasse Z. vom 28. Dezember 2004 und deren Einspruchsbescheid vom 05. April 2005 werden in der Gestalt, die sie durch den Änderungsbescheid der Familienkasse Y. vom 04. September 2007 gefunden haben, aufgehoben, soweit darin die Festsetzung des Kindergeldes für die Monate Januar 2005 bis März 2005 aufgehoben wird.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Kindergeld für die 1985 geborene Tochter des Klägers für den Zeitraum von Dezember 2004 bis März 2005.

Der Kläger bezog auf seinen Antrag hin fortlaufend Kindergeld für seine Tochter B. Diese war ab dem 01. September 2004 bei der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit Z. als arbeitssuchend gemeldet. Die Familienkasse Z. setzte hierauf mit Bescheid vom 11. August 2004 für den Zeitraum ab September 2004 Kindergeld fest. Ab 18. November 2004 war die Tochter des Klägers bei der Arbeitsvermittlung in C. arbeitslos gemeldet. Im Rahmen des unter dem 21. November 2004 gestellten Antrages auf Kindergeld gab der Kläger die Wohnanschrift seiner Tochter in D. und - für die Überweisung des Kindergeldes - die Bankverbindung seiner Tochter an.

Im Hinblick auf einen elektronischen Auszug aus den Akten der Arbeitsverwaltung, aus dem zu ersehen ist, dass die Tochter am 29. November 2004 aus der Bewerberliste "gestrichen" wurde, weil sie zu einer Einladung ohne Angabe von Gründen nicht erschienen war, hob die Familienkasse Z. die Festsetzung des Kindergeldes mit Bescheid vom 06. Dezember 2004 ab Dezember 2004 auf (mit der Begründung, dass die Tochter des Klägers einer Einladung der Arbeitsvermittlung nicht gefolgt sei). Auf den dagegen sinngemäß erhobenen Einspruch setzte die Familienkasse Z. mit Bescheid vom 09. Dezember 2004 Kindergeld ab Dezember 2004 fest. Dieser Bescheid enthält - wie die vorhergegangenen Festsetzungen - den Hinweis, dass das Vermittlungsgesuch bei der Arbeitsvermittlung alle drei Monate erneuert werden müsse und der Kindergeldanspruch unter anderem dann ende, wenn die Agentur für Arbeit ihre Vermittlungsbemühungen einstelle, weil das Kind einer Aufforderung der Arbeitsvermittlung zur Meldung nicht nachgekommen sei.

Unter dem 13. Dezember 2004 teilte die Agentur für Arbeit C. - der Familienkasse Z. mit, dass die Vermittlungsbemühungen für die Tochter des Klägers am 23. November 2004 "wegen Postrücklaufs" eingestellt worden seien. In dem hierzu von der Familienkasse beigezogenen Auszug aus der Bewerberkartei der Arbeitsvermittlung findet sich unter dem 29. November 2004 die Eintragung, dass die Tochter des Klägers "zur 1. Einladung ohne Angabe von Gründen nicht erschienen" sei und deshalb die "Abmeldung veranlasst" worden sei. Weiterhin ist hinsichtlich der 1. Einladung "PRL" (Postrücklauf) vermerkt. Die "Abmeldung wurde unter dem 30. November 2004 veranlasst. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2004 teilte die Familienkasse Z. dem Kläger mit, dass seine Tochter gemäß der Mitteilung des Arbeitsamtes C. unbekannt verzogen und demzufolge nicht mehr bei der Arbeitsvermittlung gemeldet sei. Die Familienkasse Z. hob die Festsetzung des Kindergeldes mit Bescheid vom 28. Dezember 2004 unter Hinweis auf § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes mit Wirkung ab Dezember 2004 auf und forderte von dem Kläger das für den Monat Dezember 2004 ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro zurück.

Zur Begründung seines dagegen gerichteten Einspruchs vom 04. Januar 2005 führte der Kläger an, seine Tochter sei nach ihrem Umzug nach D. dort stets unter der angegebenen Anschrift erreichbar gewesen. Die Familienkasse Z. wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 05. April 2005 als unbegründet zurück mit der Begründung, dass die Tochter des Klägers im Monat Dezember 2004 nicht bei der Arbeitsvermittlung als Arbeitssuchende gemeldet gewesen sei.

Der Kläger hat am Montag, dem 09. Mai 2005 Klage erhoben.

Er macht geltend, seine Tochter sei stets unter der angegebenen Anschrift in D. erreichbar gewesen, denn sie erhalte seit dem 01. Januar 2005 Arbeitslosengeld II und sei z.B. zum 01. April 2005 von der Agentur für Arbeit in C. zu einer Rehaberatung eingeladen worden. Der zuständigen Sachbearbeiterin bei der Agentur für Arbeit C. sei bekannt gewesen, dass seine Tochter schwanger gewesen sei. Sie habe zudem die Handynummer seiner Tochter gekannt und daher die Möglichkeit gehabt, anlässlich des Postrückläufers telefonisch Verbindung zu seiner Tochter aufzunehmen. Eine derartige Nachfrage sei angesichts der bei der Agentur für Arbeit bekannten Lern- und Gesundheitsprobleme seiner Tochter auch angezeigt gewesen.

Das Gericht gewährte dem Kläger auf dessen dahingehenden Antrag mit Beschluss vom 25. Juli 2007 Prozesskostenhilfe. In diesem Beschluss führte das Gericht aus, dass eine Änderung der für den Anspruch auf Kindergeld maßgebenden Verhältnisse nicht eingetreten sei, weil bereits die Festsetzung des Kindergeldes mit der Kenntnis erfolgt sei, dass die Tochter des Klägers nicht mehr bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldet sei. § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes komme daher als Rechtsgrundlage für den im Streit stehenden Bescheid vom 28. Dezember 2004 nicht in Betracht.

Hierauf änderte die Familienkasse Y. den Bescheid vom 28. Dezember 2004 mit Bescheid vom 04. September 2007 dahingehend ab, dass die Festsetzung des Kindergeldes erst ab Januar 2005 aufgehoben wird. Als Rechtsgrundlage ist in dem Bescheid § 70 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes genannt.

Der Kläger erklärte den Rechtsstreit hierauf sinngemäß in Bezug auf den Monat Dezember 2004 für in der Hauptsache erledigt. Die Beklagte hat sich dieser Erklärung am 07. Juli 2009 angeschlossen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Familienkasse Z. vom 28. Dezember 2004 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 05. April 2005 und des Änderungsbescheides der Familienkasse Y. vom 04. September 2007 aufzuheben, soweit die Festsetzung des Kindergeldes für die Monate Januar 2005 bis März 2005 aufgehoben wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, durch den Änderungsbescheid vom 04. September 2007 sei in zulässiger Weise ein Austausch der Rechtsgrundlage vorgenommen worden.

Dem Gericht hat bei der Entscheidung ein Band Akten der Beklagten einschließlich der Einspruchsheftung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

I.

Infolge eines gesetzlichen Parteiwechsels richtet sich die Klage gegen die Familienkasse Y., denn aufgrund der Neuorganisation der Familienkassen besteht die Familienkasse Z. seit dem ( . . . ) nicht mehr. Deren Aufgaben werden seitdem von der Familienkasse Y. wahrgenommen, die deshalb an die Stelle der Familienkasse Z. tritt. Da der Parteiwechsel erst nach Rechtshängigkeit erfolgte, ist es unerheblich, dass die Familienkasse Y. im Gerichtsbezirk des Finanzgerichts A. liegt. Denn nach Eintritt der Rechtshängigkeit eintretende Veränderungen lassen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes in Verbindung mit § 70 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - die einmal begründete Zuständigkeit des erkennenden Gerichts nicht nachträglich entfallen.

II.

Über die Klage entscheidet der Berichterstatter als Einzelrichter, denn der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20. Juli 2007 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 FGO).

III.

Nachdem der Kläger durch seinen Vortrag sinngemäß zum Ausdruck gebracht hat, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache - soweit Kindergeld für den Monat Dezember 2004 Streitgegenstand war - erledigt hat, und die Beklagte sich der Erledigungserklärung in dem nichtöffentlichen Erörterungstermin am 07. Juli 2009 angeschlossen hat, war das Verfahren insoweit analog § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO einzustellen.

IV.

Über die Klage im Übrigen - d.h. in Bezug auf die Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld für die Monate Januar 2005 bis März 2005 - entscheidet das Gericht gemäß § 94 a FGO ohne mündliche Verhandlung.

V.

Die Klage im Übrigen ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Familienkasse Z. vom 28. Dezember 2004 ist in der Gestalt, die er durch deren Einspruchsbescheid vom 05. April 2005 sowie den Änderungsbescheid der Familienkasse Y. vom 04. September 2007 gefunden hat, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit darin die Festsetzung des Kindergeldes für die Monate Januar 2005 bis März 2005 aufgehoben wird (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der angefochtene Aufhebungsbescheid ist rechtswidrig und deshalb aufzuheben, weil eine Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes für das I. Quartal 2005 nicht gegeben ist.

1) Soweit die Beklagte ihre Entscheidung nach der in dem Änderungsbescheid vom 04. September 2007 angeführten auf § 70 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stützen will, ist die Entscheidung rechtswidrig, weil die Beklagte zum einen von dem ihr nach § 70 Abs. 3 Satz 1 EStG zustehenden Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat und sie zum anderen die Aufhebung der Festsetzung unter Verstoß gegen § 70 Abs. 3 Satz 2 EStG mit Rückwirkung in die Vergangenheit vorgenommen hat.

a) Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 EStG können materielle Fehler der letzten Festsetzung durch Neufestsetzung oder durch Aufhebung der Festsetzung beseitigt werden.

§ 70 Abs. 3 Satz 1 EStG ist nach seinem Wortlaut als Kann-Vorschrift ausgestaltet und bringt damit zum Ausdruck, dass der Familienkasse - beschränkt auf eine Aufhebung für die Zukunft (§ 70 Abs. 3 Satz 2 EStG) - ein Ermessen eingeräumt ist [ FG Köln, Urteil vom 31. August 2000 - 2 K 4691/99 - EFG 2000, S. 1394 (1395); Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Stand: Februar 2009, § 70 EStG RdNr. 16; Claßen, in: Lademann, EStG, Stand: April 2009, § 70 RdNr. 11].

Der sich nach dem Wortlaut der Vorschrift ergebende Ermessensspielraum wird in der Praxis zwar wegen der Grundsätze der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung erheblich eingeengt sein und - im Regelfall - dazu führen, dass ein einmal erkannter Fehler beseitigt werden muss [ Felix, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand: März 2009, § 70 RdNr. D 6; Bergkemper, Aufhebung oder Änderung einer Kindergeldfestsetzung, FR 2000, S. 136 (138); Tiedchen, Die Änderung von bestandskräftigen Kindergeldbescheiden, DStZ 2000, S. 237 (241)]. Deshalb wird der Ermessensspielraum der Familienkasse regelmäßig im Sinne einer Verpflichtung zur Fehlerbeseitigung eingeschränkt sein [ Treiber, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, Stand: Oktober 2008, § 70 EStG RdNr. 25; Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Stand: April 2009, Fach A § 70 EStG RdNr. 16]. Eine so verstandene Auslegung der Norm bedeutet trotz der damit im Regelfall verbundenen "Vorprägung" der Ermessensausübung in eine bestimmte Richtung aber nicht, dass § 70 Abs. 3 Satz 1 EStG - entgegen seinem Wortlaut - von vornherein jedes Ermessen ausschließt, also eine gebundene Entscheidung vorliegt [so aber wohl: Dürr, in: Frotscher, EStG, Stand: Januar 2009, § 70 RdNr. 17; Reuß, in: Bordewin/Brandt, EStG, Stand: Mai 2009, § 70 RdNr. 66].

Nach Aktenlage bestehen keine Zweifel daran, dass die Tochter des Klägers im Streitzeitraum nicht bei einer Agentur für Arbeit arbeitsplatzsuchend gemeldet war (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG). Da auch nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a), 2 b), 2 c) oder 3 EStG erfüllt sind, liegt ein materieller Fehler im Sinne von § 70 Abs. 3 Satz 1 EStG vor. Gleichwohl ist der Bescheid vom 04. September 2007 rechtswidrig, denn die Beklagte hat von dem ihr zustehenden Ermessen keinen Gebrauch gemacht (sog. Ermessensnichtgebrauch).

In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die Begründung der Ermessensausübung angesichts der bereits dargelegten Bindung der Beklagten an die Grundsätze der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und der sich hieraus ergebenden Konsequenz, dass das Ermessen im Regelfall zu Gunsten der Anwendung des § 70 Abs. 3 EStG auszuüben sein wird, besonders ausführlich sein muss [vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 30. August 1985 - 4 C 50.82 - NJW 1986, S. 393 (394) ]. Denn im Streitfall ergibt sich aus der für die Beklagte maßgebenden Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA-FamEStG - (BStBl. I 2004, S. 742), dass die Familienkassen bei der Anwendung des § 70 Abs. 3 Satz 1 EStG von einer gebundenen Entscheidung ausgehen, also gerade kein Ermessensspielraum bestehen soll. Ziffer 70.5.1 Abs. 1 Satz 2 DA-FamEStG hat folgenden Wortlaut:

Eine solche Neufestsetzung bzw. Aufhebung der letzten Festsetzung steht nicht im Ermessen der Familienkasse; sie ist bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen vielmehr zwingend vorzunehmen (gebundene Entscheidung).

Im Übrigen hat die Beklagte auch nicht behauptet, dass sie - entgegen der genannten Dienstanweisung - von einem bestehenden Ermessensspielraum ausgegangen sei und dieses Ermessen in einer bestimmten Weise habe ausüben wollen.

Die fehlende Ermessensbetätigung kann auch nicht nachgeholt werden. Nach § 102 Satz 2 FGO ist die Familienkasse befugt, ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes, der Gegenstand des Prozesses ist, bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens zu ergänzen. Ergänzen bedeutet, dass die Behörde lediglich befugt ist, ihre zuvor bereits angestellten und dargelegten Ermessenserwägungen zu vertiefen, zu verbreitern oder zu verdeutlichen, nicht aber erstmals anzustellen, Ermessensgründe auszuwechseln oder vollständig nachzuholen (BFH, Urteil vom 11. März 2004 - VII R 52/02 - BFHE 205, S. 14; von Groll, in: Gräber, FGO, 6. Auflage, München 2006, § 102 RdNr. 20).

b) Neben dem angeführten Ermessensnichtgebrauch ergibt sich die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 04. September 2007 auch noch daraus, dass die getroffene Entscheidung gegen § 70 Abs. 3 Satz 2 EStG verstößt.

Nach § 70 Abs. 3 Satz 2 EStG wird mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Neufestsetzung oder der Aufhebung der Festsetzung folgenden Monat neu festgesetzt oder aufgehoben.

Hiernach durfte die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes erst mit Wirkung ab Oktober 2007 aufheben, nicht jedoch rückwirkend für den Streitzeitraum, die Monate Januar 2005 bis März 2005.

Die Beklagte vermag nicht mit ihrem dagegen gerichteten Einwand durchzudringen, sie habe mit dem Bescheid vom 04. September 2007 in zulässiger Weise den Austausch der Rechtsgrundlage vorgenommen, nachdem sich aus dem Beschluss des Gerichts vom 25. Juli 2007 ergeben hatte, dass der in dem Bescheid vom 28. Dezember 2004 genannte § 70 Abs. 2 EStG nicht geeignet war, die im Streit stehende Entscheidung zu tragen.

Die Beklagte geht zwar zutreffend davon aus, dass die einem Bescheid beigegebene Begründung - mithin auch die Bezeichnung der Rechtsgrundlage - nachgeschoben oder ausgetauscht werden kann. Insofern konnte die Beklagte zwar die Angabe des § 70 Abs. 2 EStG als Rechtsgrundlage durch die Angabe des § 70 Abs. 3 EStG ersetzen, nicht aber die (ohnehin fehlende) Ermessensausübung mit Wirkung für die Vergangenheit - d.h. den Bescheid vom 28. Dezember 2004 - nachholen.

Ist ein Verwaltungsakt - wie hier - nicht nach § 125 der Abgabenordnung (AO) nichtig, ist die Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird. Da sich die Begründung nach dem Regelungsgehalt des § 121 Abs. 2 Nr. 2 AO auf die Sach- und ebenso die Rechtslage erstreckt, gehört zur Begründung eines Verwaltungsaktes im Allgemeinen auch die Angabe der Rechtsgrundlage der getroffenen Entscheidung [ Tipke, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: Februar 2009, § 121 AO RdNr. 9].

Hiervon ausgehend ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens die ursprünglich angegebene, als unzutreffend oder unzureichend erkannte Begründung der im Streit stehenden Entscheidung von der Behörde im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens durch Mitteilung einer zutreffenden Begründung ersetzt oder diese ergänzt wird. Ein gebundener Verwaltungsakt kann noch im finanzgerichtlichen Verfahren auf eine andere Begründung gestützt werden ? das gilt sogar für die nachträgliche Angabe einer anderen Rechtsgrundlage ? , soweit dadurch sein Wesen nicht verändert wird [ BFH, Urteil vom 24. August 2004 - VII R 50/02 - BFH/NV 2004, S. 1742 (1744) ]. Die Änderung der Begründung ist mithin nicht durch § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO, sondern unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in die Identität des Verwaltungsaktes, d.h. in seinen Regelungsausspruch Grenzen gesetzt [ BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1993 - 7 B 107.92 - NVwZ 1993, S. 976 (977) ].

Wollte man in diesem Zusammenhang allein auf die in dem Verwaltungsakt verfügte Regelung abstellen, läge hiernach - abgesehen von der zugleich verfügten Teilabhilfe in Bezug auf den Monat Dezember 2004 - keine Änderung des Verwaltungsaktes vor, weil unverändert die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung gegenüber dem Kläger aufgehoben wird. Bei einer auf diesen Blickwinkel beschränkten Prüfung der Identität des Verwaltungsaktes wäre es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Beklagte im Rahmen des Bescheides vom 04. September 2007 die Begründung ihrer Entscheidung insoweit änderte, als sie die Angabe des § 70 Abs. 2 EStG als Rechtsgrundlage durch die Angabe des § 70 Abs. 3 EStG ersetzte.

Im Anwendungsbereich des § 126 AO hätte es im Übrigen nicht - wie geschehen - des Erlasses des Änderungsbescheides vom 04. September 2007 bedurft, denn die Nachholung oder Ergänzung der Begründung wird durch nachträgliche Bekanntgabe der für den Erlass des Verwaltungsaktes - hier des Bescheides vom 28. Dezember 2004 - maßgebenden Gründe bewirkt und ist selbst gerade kein Verwaltungsakt [ Schwarz, in: Handkommentar Verwaltungsrecht, 1. Auflage, Baden-Baden 2006, § 45 VwVfG RdNr. 21].

Die Beklagte übersieht bei ihrer Argumentation, dass § 70 Abs. 2 EStG, auf den der Bescheid vom 28. Dezember 2004 gestützt wurde, keine Ermessensbetätigung zulässt (BFH, Urteil vom 25. Juli 2001 - VI R 18/99 - BStBl. II 2002, S. 81), während § 70 Abs. 3 EStG eine Ermessensausübung vorsieht. Deshalb bedurfte es nicht lediglich der Ergänzung der Begründung, sondern einer inhaltlichen Änderung des Bescheides vom 28. Dezember 2004 durch Nachholung der Ermessensausübung. Bei dem "Nachschieben" ursprünglich nicht angestellter Ermessenerwägungen handelt es sich nicht um eine bloße Aufbesserung der Gründe, sondern um eine nachträgliche inhaltliche Änderung des erlassenen Verwaltungsaktes [so ausdrücklich: BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1990 - 8 C 48.88 - BVerwGE 85, S. 163 (165 f.) ]. In dieser Hinsicht ist deshalb kein Anwendungsfall des § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO gegeben.

Dies bedeutet weiterhin, dass für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der auf § 70 Abs. 3 EStG gestützten Änderungs-Entscheidung auf den Zeitpunkt ihres Erlasses des Bescheides im September 2007 abzustellen ist, zumal anderenfalls § 102 Satz 2 FGO umgangen würde, der lediglich eine Ergänzung von Ermessensgründen erlaubt, nicht hingegen deren vollständige Nachholung. Weitere Konsequenz dessen ist, dass die auf § 70 Abs. 3 EStG gestützte Änderung nur in den Grenzen des § 70 Abs. 3 Satz 2 EStG möglich gewesen wäre, also nur mit Wirkung ab Oktober 2007.

2) Die angefochtene Entscheidung kann auch nicht - entsprechend der Begründung zu dem Bescheid vom 28. Dezember 2004 - auf § 70 Abs. 2 EStG gestützt werden.

Nach § 70 Abs. 2 EStG ist die Festsetzung von Kindergeld, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben oder zu ändern.

Die Familienkasse Z. hat die Festsetzung des Kindergeldes mit Bescheid vom 09. Dezember 2004 in Kenntnis des Umstandes vorgenommen, dass die Tochter des Klägers im Dezember 2004 nicht mehr bei der Agentur für Arbeit als arbeitsplatzsuchend gemeldet war. Dies ergibt sich aus dem Bescheid der Familienkasse Z. vom 06. Dezember 2004, in dem zur Begründung der getroffenen Entscheidung angeführt wird, dass die Tochter des Klägers bei der Agentur für Arbeit nicht als arbeitsplatzsuchend gemeldet sei und der Einladung der Arbeitsvermittlung nicht gefolgt sei. Grundlage dieser Entscheidung war ersichtlich der bei der Aktenausfertigung des Bescheides vom 06. Dezember 2004 in den Verwaltungsakten der Beklagten abgelegte Papierausdruck des elektronischen Auszug aus den Akten der Arbeitsverwaltung, aus dem zu ersehen ist, dass die Tochter am 29. November 2004 aus der Bewerberliste "gestrichen" wurde, weil sie zu einer Einladung ohne Angabe von Gründen nicht erschienen war.

Hieraus erschließt sich für den streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Dezember 2004, in dem wörtlich die gleiche Begründung angeführt wird, dass keine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Vielmehr war die Tochter des Klägers unverändert nicht arbeitslos gemeldet. Hieran hatte sich auch im Zeitpunkt des Ergehens des Bescheides vom 04. September 2007 nichts geändert.

3) Weiterhin kann die im Streit stehende Entscheidung nicht auf § 173 Abs. 1 Satz 1 AO gestützt werden, weil nicht erst nachträglich bekannt geworden war, dass die Tochter des Klägers im Dezember 2004 nicht bei einer Agentur für Arbeit als arbeitsplatzsuchend gemeldet war.

Nach § 173 Abs. 1 Satz 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Diese Regelung gilt nach § 155 Abs. 4 AO für die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß, so dass sie auch im Streitfall heranzuziehen ist, denn das Kindergeld wird gemäß § 31 Satz 3 EStG als Steuervergütung gezahlt.

§ 173 Abs. 1 Satz 1 AO vermag die im Streit stehende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum von Januar 2005 bis März 2005 jedoch nicht zu rechtfertigen, weil der Familienkasse Z. ausweislich des Bescheides vom 06. Dezember 2004 bereits im Zeitpunkt der mit Bescheid vom 09. Dezember 2004 erfolgten Festsetzung des Kindergeldes bekannt war, dass die Tochter des Klägers nicht bei der Agentur für Arbeit als arbeitsplatzsuchend gemeldet war.

4) Auch im Übrigen sind keine Rechtsvorschriften ersichtlich sind, die die im Streit stehende Entscheidung vom 04. September 2007 rechtfertigen könnten.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 135 Abs. 1, 138 Abs. 2 Satz 1 FGO.

VII.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

VIII.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 3 FGO bezeichneten Revisionsgründe ersichtlich ist.

Ende der Entscheidung

Zurück