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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Gerichtsbescheid verkündet am 02.03.2005
Aktenzeichen: 1 K 1648/02
Rechtsgebiete: UStG, UstG, EWGRL 388/77, LwAnpG


Vorschriften:

UStG § 4
UstG § 15 Abs. 2 Nr. 1
LwAnpG § 67 Abs. 1
EWGRL 388/77 Art. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

GERICHTSBESCHEID

In dem Finanzrechtsstreit

wegen Umsatzsteuer 1998

hat der 1. Senat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ... der Richterin am Finanzgericht ... des Richters am Landgericht ... am 2. März 2005 gem. § 90a Finanzgerichtsordnung für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Klägerin werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Nachfolgeunternehmen der LPG F.D.. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Verwertung des bis zum 31.12. 1990 nicht entflechtbaren Vermögens der LPG bzw. dessen Verwaltung bis zur Verwertungsreife.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2000 (Bd. II Dauerunterlagen) bestätigte das Regierungspräsidium C., dass alle Handlungen der Klägerin grundsätzlich mit der Durchführung des LwAnpG zusammenhängen.

In der Umsatzsteuererklärung 1998 machte die Klägerin Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmen i.H.v. 80.825,91 DM geltend. Dem Umsatzsteuer-Bescheid für 1998 vom 31. Januar 2001 legte das Finanzamt im Wege der Schätzung abziehbare Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmen nur i.H.v. 22.632 DM zugrunde (= 28 % des erklärten Betrages). Hinsichtlich der weiteren geltend gemachten Beträge sei ein Abzug ausgeschlossen, da die Umsatzsteuerbefreiung aus § 4 UStG folge, und nicht aus § 67 des Gesetzes über die strukturelle Anpassung der Landwirtschaft an die soziale und ökologische Marktwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik - Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG) - (das durch den Einigungsvertrag [Anl. II Kap. VI Sachg. A Abschn. II Nr. 1] in das Bundesrecht übernomen wurde), der einen Vorsteuerabzug erlaube.

Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als das Finanzamt bezüglich der Höhe der nach § 4 UStG steuerfreien Umsätze (also Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, und solche aus Vermietung und Verpachtung) den Angaben der Klägerin folgte (Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2002, Bl. 50 der Rechtsbehelfsakte) und die Umsatzsteuer für 1998 auf 2.894,42 Euro herabsetzte. Das Finanzamt erkannte einen Vorsteuer-Abzug aus Rechnungen von anderen Unternehmen i.H.v. 71.545,91 DM an.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie bei Umsätzen, die sowohl nach § 67 LwAnpG als auch nach § 4 UStG von der Umsatzsteuer befreit seien, zum Vorsteuer-Abzug, den § 67 LwAnpG erlaube, berechtigt sei. Dies folge daraus, dass § 67 LwAnpG die speziellere und dem Steuerpflichtigen günstigere Regelung sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Bescheids vom 31. Januar 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2002 die negative Umsatzsteuer für 1998 auf 1.850,37 Euro festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993 schließt die Steuer für solche Lieferungen sowie sonstige Leistungen vom Vorsteuerabzug aus, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit hinsichtlich des Vorsteuer-Betrages, der auf Lieferungen und sonstige Leistungen entfällt, die die Klägerin zur Ausführung von nach § 4 UStG steuerfreien Umsätze verwendet hat. Steuerfrei sind (u. a.) Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1993) und nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1993 die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken.

Nach § 67 Abs. 1 LwAnpG sind die zur Durchführung dieses Gesetzes vorgenommenen Handlungen frei von Gebühren, Steuern, Kosten und Abgaben. Nach § 67 Abs. 2 LwAnpG ist die Steuerfreiheit von der zuständigen Behörde ohne Nachprüfung anzuerkennen, wenn die zuständige Landwirtschaftsbehörde bestätigt, dass eine Handlung der Durchführung dieses Gesetzes dient. Der Begriff der Steuer in § 67 Abs. 1 LwAnpG erfasst auch die Umsatzsteuer (Urteil des Finanzgerichts des Landes Brandenburg vom 13. Mai 2003 - 1 K 834/00, EFG 2003, 1345).

Eine Steuerbefreiung nach § 67 LwAnpG ist möglicherweise bereits deshalb nicht gegeben, weil inhaltlich ausreichende Bestätigungen der zuständigen Landwirtschaftbehörde fehlen. Bestätigungen, die einzelne Handlungen genau bezeichnen, liegen nicht vor. Das Regierungspräsidium C. will vielmehr mit Einzelbescheiden mitteilen, dass Vorgänge nicht unmittelbar der Durchführung des LwAnpG dienen.

Der Senat braucht diese Frage nicht zu entscheiden, weil der Vorsteuerabzug nach § 4, 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist. Zwar haben Steuerbefreiungen mit Vorsteuerabzug Vorrang vor solchen ohne Vorsteuerabzug (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Rn. 33). Dieser Grundsatz kann aber dann nicht gelten, wenn die Steuerbefreiung, die den Vorsteuerabzug zulässt, richtlinienwidrig ist.

Die 6. Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedssaaten über die Umsatzsteuern (im Folgenden: RL 77/388/EWG) ermächtigt den nationalen Gesetzgeber nicht, Umsätze, wie sie im Zusammenhang mit Umwandlungen nach dem LwAnpG vorkommen, von der Umsatzsteuer freizustellen. Die RL 77/388/EWG regelt Steuerbefreiungen abschließend (Waza in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG § 4 Rn. 10).

Nationale Rechtsvorschriften, nach denen Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit sind und die weder von einer in der RL 77/388/EWG vorgesehenen Steuerbefreiung gedeckt noch nach einer in ihr vorgesehnen Abweichung zulässig sind, verstoßen gegen Art. 2 der Richtlinie (Waza in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG § 4 Rn. 10).

Wenn auch die Umsatzsteuer-Befreiung dem Gemeinschaftsrecht widerspricht, so ist sie doch gültiges nationales Recht (Urteil des Finanzgerichts des Landes Brandenburg, a.a.O.). Nationale Rechtsvorschriften sind richtlinienkonform auszulegen. Ein nationales Gericht hat bei der Anwendung des nationalen Rechts - gleich, ob es sich um vor oder nach einer Richtlinie erlassene Vorschriften handelt - seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (Hernfeld in Schwarze, EU-Kommentar, Art. 94 EGV Rn. 70). Diese Verpflichtung folgt aus Art. 10 und 249 Abs. 3 EGV (Hatje in Schwarze, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rn. 27). Ergibt sich eine Rechtsfolge (hier: Steuerfreiheit von Umsätzen) sowohl aus einer rechtlinienkonformen Norm (hier: § 4 UStG) als auch aus einer richtlinienwidrigen (hier: § 67 Abs. 1 LwAnpG), so ist die richtlinienkonforme Bestimmung anzuwenden, mit der Folge, dass dann auch der Vorsteuer-Abzug ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Zulassung der Revision aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Es erscheint sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden,um die mit einer mündlichen Verhandlung verbundenen Kosten zu vermeiden.

Ende der Entscheidung

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