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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: 2 K 2212/05
Rechtsgebiete: EStG, GmbHG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 38 Abs. 3 S. 1
EStG § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EStG § 41a Abs. 2 S. 1
GmbHG § 35 Abs. 1
AO 1977 § 34 Abs. 1
AO 1977 § 69
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

2 K 2212/05

Haftungsbescheid über Lohnsteuerrückstände vom 29.11.2002

In dem Finanzrechtsstreit

[...]

hat der 2. Senat

durch

Vizepräsidentin des Finanzgerichts, Richter am Finanzgericht und Richterin am Landgericht und der ehrenamtlichen Richter

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13. Juli 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger

Tatbestand:

Der Kläger war seit 9. März 2000 Geschäftsführer der E.-R. C. Services Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Er war ebenfalls ab März 2000 alleiniger Gesellschafter der GmbH. Am 31. Januar 2001 trat der Kläger seine Geschäftsanteile an die Firma P., eine Aktiengesellschaft nach tschechischem Recht, zum Kaufpreis von l,00 DM ab. Zur neuen Geschäftsführerin wurde ebenfalls am 31. Januar 2001 Frau R. R. bestellt.

Auf Grund eines Fremdantrages der Krankenkasse vom 10. Januar 2001 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH geprüft. Nach dem vom Insolvenzgericht eingeholten Sachverständigengutachten vom 12. März 2002 waren die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung dem Grunde nach gegeben, jedoch eine die Verfahrenskosten deckende Masse nicht vorhanden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde daher mit Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 19. März 2002 abgewiesen. In diesem Beschluss ist weiterhin ausgeführt, dass nach Überzeugung des Gerichts der Kläger auch nach seiner Abberufung noch als faktischer Geschäftsführer anzusehen sei.

Die GmbH entrichtete unter anderem die angemeldete Lohnsteuer inkl. Folgesteuern und steuerlicher Nebenleistungen für das 3. und 4. Quartal 2000 nicht bzw. nur teilweise. Auf Grund der verspäteten bzw. unterlassenen Tilgung - auch der Lohnsteuer für das 2. Quartal 2000 - wurden Säumniszuschläge verwirkt, die ebenfalls nicht entrichtet wurden.

Der Beklagte nahm den Kläger mit Bescheid vom 29. November 2002 für die genannten Rückstände i.H.v. insgesamt 3.193,78 E. nach § 191 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 69, 34 und 35 AO in Haftung. Am 13. Dezember 2002 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass keine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten vorläge, da die GmbH über keine Vermögenswerte mehr verfügt habe. Übrige Gläubiger seien gegenüber dem Beklagten nicht bevorzugt worden. Mit Schreiben vom 3. Februar 2003 ergänzte der Kläger seinem Rechtsbehelf nochmals dahingehend, dass er im Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer nicht Geschäftsführer der GmbH gewesen sei. Ferner bezweifelte er die Höhe der Lohnsteuer.

Das Steuerbüro, welches die Lohnsteueranmeldungen vornahm, teilte dem Beklagten mit, dass in den Lohnsteueranmeldungen für das 3. und 4. Quartal bis Oktober 2000 5 Arbeitnehmer, für November 2000 4 Arbeitnehmer und für Dezember 2000 3 Arbeitnehmer berücksichtigt worden seien. Die Lohnsteueranmeldungen seien aufgrund der in Kopie vorgelegten Arbeitsverträge und der mündlichen Angaben des Klägers erstellt worden.

Der Beklagte setzte mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2005 die Haftungsschuld auf 2.874,65 E. herab und wies den Einspruch im Übrigen zurück, da der Kläger, selbst wenn er als Geschäftsführer abgerufen worden sei, in Haftung zu nehmen sei, da er danach als faktischer Geschäftsführer aufgetreten sei. Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen.

In seiner Klagebegründung trägt der Kläger vor, nicht mehr Geschäftsführer - auch kein faktischer - in dem fraglichen Zeitraum gewesen zu sein. Er sei mit Gesellschafterbeschluss vom 20. Oktober 2000 abberufen worden. Zudem sei die Haftung ausgeschlossen, weil Forderungen gegen den Kläger geltend gemacht würden, die er auf Grund der inkongruenten Deckung gemäß § 131 InsO nicht mehr an den Beklagten hätte zahlen dürfen. Dem Kläger sei es unmöglich gewesen, sich normgemäß zu verhalten. Der Insolvenzverwalter hätte nämlich die Zahlungen an den Beklagten anfechten können. Insofern entfalle mangels Verschulden und Kausalität der Haftungstatbestand. Schließlich sei am 10. Januar 2001 durch die AOK der Insolvenzantrag gestellt worden. Der Kläger hätte die Lohnsteuer für das IV. Quartal 2000 schon deshalb nicht mehr zahlen dürfen.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 29. November 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. November 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der Haftungsbescheid rechtmäßig sei. Da das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden sei, komme es auf die Anfechtung nach der Insolvenzordnung nicht an.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Haftungsbescheid ist zu Recht ergangen. Als Geschäftsführer der GmbH war der Kläger verpflichtet, die Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und die im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum insgesamt einbehaltene Lohnsteuer spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums an das Finanzamt abzuführen (§ 35 Abs. 1 GmbHG, § 34 Abs. 1 AO, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 EStG). Liquiditätsschwierigkeiten der GmbH entbinden den Geschäftsführer nicht von dieser Pflicht. Reichen die zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen Löhne einschließlich des Steueranteils nicht aus, darf er die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder als Teilbetrag auszahlen und muss er aus den verbleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen.

Der Senat geht davon aus, dass der Kläger nicht mit Beschluss vom 20. Oktober 2000 als Geschäftsführer abberufen wurde. Zum einen ist nicht ersichtlich, weshalb der Beschluss von Herrn L. B. als alleinigem Gesellschafter gefasst werden durfte, da bis 31. Januar 2001 der Kläger alleiniger Gesellschafter war und danach die Firma P.. Zum anderen ist nicht erkennbar, welchen Sinn die Abberufung vom 31. Januar 2001 haben sollte, wenn der Kläger schon am 20. Oktober 2000 abberufen sein will. Selbst wenn der Kläger tatsächlich bereits mit Wirkung zum 20. Oktober 2000 als Geschäftsführer abberufen wurde, steht dies seiner Inanspruchnahme für die rückständige Lohnsteuer inkl. Folgesteuern und steuerlicher Nebenleistungen nicht entgegen. Gemäß § 69 AO haften auch Personen i.S.d. § 35 AO, zu denen der faktische Geschäftsführer zählt. Sie haben entsprechend § 34 AO die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters zu erfüllen, auch wenn sie nicht formell zum Geschäftsführer bestellt sind (vgl. BFH, BFH/NV 1990, 7). Jedenfalls ist nach den Feststellungen des Insolvenzgerichtes, auf das sich der Senat stützt, der Kläger auch nach einer möglichen Abberufung am 20. Oktober 2000 als faktischer Geschäftsführer für die GmbH tätig gewesen. Er war somit zur Einbehaltung und Abführung der auf die Löhne entfallenden Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten aus den von ihm verwalteten Mitteln verpflichtet.

Ein Verschulden des Klägers liegt vor; der Kläger hat zumindest grob fahrlässig gehandelt. Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Tipke/Kruse, Kruse/Loose § 69 AO Rn. 26). Die Nichtabführung von Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten stellt regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers dar (vgl. BFH, BFH/NV 2001, 1222; BFH, BFH/NV 1999, 745). Zahlungsschwierigkeiten der GmbH ändern weder etwas an der Pflicht, noch schließen sie Verschulden bei Nichterfüllung der Pflicht aus. Das Argument des Klägers, er sei nicht in der Lage gewesen, die Lohnsteuern zu zahlen, da er über keine finanziellen Mittel mehr verfügt hat, kann an dem festgestellten Verschulden entsprechend der obigen Ausführungen nichts ändern. Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Geschäftsführers zur Steuerzahlung gemäß § 69 AO entfällt nicht dadurch, dass sie (möglicherweise) mit Schadenersatzverpflichtungen gegenüber der GmbH gemäß §§ 43, 64 Abs. 2 GmbHG oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB konkurriert. Ein vom Kläger als Entschuldigungsgrund anführbarer gesellschafts- oder strafrechtlich relevanter Schuldvorwurf scheidet nach Auffassung des Senats im Übrigen schon deshalb aus, weil bei pflichtgemäßer Lohnsteuerabführung eine Einzahlung in eine staatliche Kasse erfolgt, in deren Folge kein endgültiger Vermögensschaden bei den Insolvenzgläubigern eintreten kann. Bei begründeter Anfechtung durch einen Insolvenzverwalter sind der Insolvenzmasse und damit den Insolvenzgläubigern die bei dieser Kasse eingezahlten Lohnsteuerbeträge sicher (vgl. FG Köln, EFG 2006, 86).

Der dem Beklagten durch das unterlassene Einbehalten und Abführen der Lohnsteuer entstandene Schaden beruht entgegen der Auffassung des Klägers auch auf seiner Pflichtverletzung. Eine Pflichtverletzung des gesetzlichen Vertreters einer Kapitalgesellschaft ist dann nicht kausal für den Haftungsschaden, wenn dieser auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Entgegen der Auffassung des Klägers stehen die Vorschriften der InsO der Haftungsinanspruchnahme nicht entgegen. Die Pflichtverletzung des Klägers (Nichtabführung der Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten) war für den Steuerausfall kausal, weil der Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. An der Kausalität ändert nichts, dass der Steuerausfall möglicherweise (später) auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Klägers eingetreten wäre, weil ein Insolvenzverwalter (möglicherweise) die Zahlungen der Lohnsteuer angefochten hätte (vgl. Sächsisches Finanzgericht, EFG 2005, 1238).

Die Kausalität der Nichtabführung der Lohnsteuer durch den Kläger für den Steuerausfall beim Beklagten entfällt nicht deshalb, weil der Steuerausfall - hätte der Kläger die Lohnsteuerbeträge bei Fälligkeit bezahlt - im Sinne einer Reserveursache bzw. hypothetischen Schadensursache (nicht im Sinne eines rechtmäßigen Alternativverhaltens) durch eine insolvenzrechtliche Anfechtung gleichfalls entstanden wäre (vgl. Sächsisches Finanzgericht, a.a.O.; entgegen FG Baden-Württemberg, EFG 2005, 2 und FG des Saarlands, EFG 2005, 680 und 1091; Valentin, EFG 2005, 1093; BGH, ZIP 2001, 80 und, ZIP 2005, 1026). Zwar ist nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt, anfechtbar, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Die Abführung von Lohnsteuer wirkt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in der Insolvenz des Arbeitgebers regelmäßig gläubigerbenachteiligend, weil sie zu Lasten des Vermögens des Arbeitgebers erfolgt und das Finanzamt ohne die erhaltene Befriedigung die Lohnsteuer nur als Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) hätte geltend machen können (vgl. BGH, BGHZ 157, 350; FG Baden-Württemberg, EFG 2004, 1425; FG des Saarlandes, EFG 2005, 680).

Die Annahme, dass die Reserveursache in Gestalt eines Anfechtungsrechts des Insolvenzverwalters zwingend zu demselben Steuerausfall führt wie die pflichtwidrige Nichtabführung der Steuer durch den Geschäftsführer bei Fälligkeit, ist nach Auffassung des erkennenden Senats jedoch unzutreffend. Zum einen steht zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung nicht fest, dass es zur Ausübung des Anfechtungsrechts durch den Insolvenzverwalter kommt, da nicht sicher ist, ob das Insolvenzverfahren überhaupt eröffnet wird; seine Eröffnung könnte - wie hier - mangels Masse abgelehnt werden. Zudem kann der ursächliche Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung durch Unterlassen und dem Steuerausfall nicht verneint werden, denn die Kausalität des Unterlassens wird nicht dadurch beseitigt, dass durch eine Anfechtung der Zahlungen ein Schaden beim Steuergläubiger (später) eintreten würde. Hypothetische Schadensursachen sind keine Fragen der Kausalität, sondern Fragen der Schadenszurechnung (vgl. BGH, ZIP 1988,1060, m.w.N.; Sächsisches Finanzgericht, a.a.O.; Heinrichs in Palandt, 63. Aufl., Vorbem. zu § 249 Rdnr. 96, m.w.N.). Dass der durch die haftungsbegründende Nichtabführung der Lohnsteuer real bewirkte Steuerausfall später durch einen anderen Umstand herbeigeführt worden wäre, kann nämlich an der Kausalität der realen Ursache nichts ändern. Ob dieser andere hypothetische Umstand beachtlich ist und zur einer Entlastung des Schädigers führt, ist eine Wertungsfrage und richtet sich nach dem Schutzzweck der Norm. Der Schutzzweck der Norm des § 69 AO und des § 41a EStG ist es, das Lohnsteueraufkommen in besonderer Weise zu schützen. Gegen diesen Schutzzweck wird verstoßen, wenn den Geschäftsführer einer GmbH die bloß potentielle Anfechtungsmöglichkeit durch einen Insolvenzverwalter im hypothetischen Fall einer Insolvenzeröffnung bereits bei insolvenzrechtlicher Zahlungsunfähigkeit davon befreit, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers, die er einzubehalten hat, an das Finanzamt abzuführen. Zumal der Kläger selbst keinen Insolvenzantrag gestellt hat und es dazu fraglich ist, ob er sich über den hypothetischen Kausalverlauf Gedanken gemacht hat. Auch eine wertende Beurteilung lässt es deshalb nicht geboten erscheinen, den hypothetischen Verlauf im Streitfall zu berücksichtigen. Auf Grund der Pflichtverletzungen des Klägers ist ein Schaden entstanden. Des Weiteren kann der Gedanke, dass andere Gläubiger der GmbH bei einer unterstellten Anfechtung (teilweise) befriedigt werden können, es nicht rechtfertigen, dass der Kläger diese Zahlungen von vornherein verweigern durfte. Die Wahrung der Interessen der anderen Gläubiger der GmbH war nicht Aufgabe des Klägers in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH (so Sächsisches Finanzgericht, a.a.O.).

Entgegen der Auffassung des Klägers endete der Haftungszeitraum auch nicht bereits mit der Stellung des Insolvenzantrages am 10. Januar 2001, so dass er nicht mehr verpflichtet gewesen wäre, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen. Der Haftungszeitraum endet erst, wenn der Kläger nicht mehr über das Vermögen der GmbH verfügen kann, z.B. weil ein (starker) vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde. Erst dann hat das Insolvenzgericht dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übertragen. In diesem Fall wird der vorläufige Insolvenzverwalter zum gesetzlichen Vertreter (§ 34 Abs. 3 AO). Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hat alle handelsrechtlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten zu erfüllen und anstelle des Schuldners dessen steuerliche Pflichten zu erledigen (vgl. Tipke/Kruse, § 34 Tz. 25, § 251 Tz. 37). Mangels Bestellung eines Insolvenzverwalters endete der Haftungszeitraum deswegen nicht am 10. Januar 2001.

Der Haftungsbescheid lässt - zumindest in der Gestalt der Einspruchsentscheidung (vgl. § 44 Abs. 2 FGO) - keinen Ermessensfehler erkennen. Dabei kann das Gericht die Ermessensausübung nur nach Maßgabe des § 102 Satz 1 FGO überprüfen.

Die Ausübung des Auswahlermessens ist nicht zu beanstanden. Die Arbeitnehmer können mit Rücksicht auf § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG nicht in Anspruch genommen werden, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von der nicht vorschriftsgemäßen Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer Kenntnis hatten (vgl. BFH, BStBl II 1988, 176). Eine Inanspruchnahme der GmbH als Arbeitgeber gemäß § 42d EStG war bei Erlass des Haftungsbescheides nicht erfolgversprechend. Von ihrer Inanspruchnahme als mögliche Haftungsschuldnerin hat der Beklagte deshalb zutreffend abgesehen. Die weiteren in Betracht kommenden möglichen Geschäftsführer hat der Beklagte als potentielle Haftungsschuldner gesehen und soweit möglich in Anspruch genommen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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