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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 2 K 428/05
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG § 4 Nr. 12 S. 1lit. a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

2 K 428/05

Einkommensteuer 2000 und 2001 und Umsatzsteuer 2000 bis 2003

In dem Finanzrechtsstreit ...

hat der 2. Senat unter Mitwirkung

von Vizepräsidentin des Finanzgerichts xxx Richter am Finanzgericht xxx Richter Amtsgericht xxx und der ehrenamtlichen Richter xxxx

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 27. April 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist die Zuordnung von Umsätzen von Prostituierten im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft sowie Hinzuschätzung von Umsätzen und Einkünften im Rahmen der Umsatzsteuer (USt) und Einkommensteuer (ESt).

Der Kläger ist Inhaber eines Einzelunternehmens und erzielte Umsätze aus Vermietungen, Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Tätigkeit. Er ist des Weiteren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Fa. a. d. GmbH mit Sitz in D., welche am 2. August 2000 im Handelsregister des AG D. unter HRB A eingetragen wurde (im Folgenden nur GmbH). Unternehmensgegenstand der GmbH ist lt. Satzung die tägliche Vermietung von Wohn- und Arbeitsräumen an Personen, die diese Einrichtungen eigenverantwortlich - auch für die Erbringung von nicht genehmigungspflichtigen Dienstleistungen - nutzen können, die Erledigung von Serviceleistungen für die Mieter, eine Künstleragentur sowie ein Foto- und Videostudio (vgl. Handelsregisterauszug, HRB A, AG D., Anlage zum Gesellschaftsvertrag, Dauerunterlagen GmbH). Der Kläger hat der GmbH lt. Bericht über die Aufstellung des Jahresabschlusses 2000 am 2. Mai 2000 das notwendige Anlagevermögen mit Ausnahme des Pkw übertragen. Zum Anlagevermögen der GmbH gehörten in den Streitjahren verschiedene Fahrzeuge. Im Jahr 2002 waren dies zwei Pkw VW Multivan T 4, ein Smart, ein VW-Transporter und ein Reisemobil Chausson Welcome (Bilanzakte GmbH 2002, Bl. 5).

Der Kläger vermietete insgesamt an die GmbH ein Büro sowie drei Wohnungen, welche er seinerseits von Dritten (Vermietern) angemietet hatte. Im Einzelnen wurden an die GmbH vermietet:

Ab 1. Mai 2000: U. Str. 18, Büroräume (1 Zimmer, Bad, Küche); Mietzins DM 400,00 und Nebenkosten DM 100,00 (Bl. 24 Dauerunterlagen);

Ab 1. Mai 2000: A. Str. 77 (2 Räume ca. 87,10 qm); Mietzins DM 783,00 und Nebenkosten DM 261,00 (Bl. 25 Dauerunterlagen);

Ab 1. Juli 2000: L. Str. 159 (2 Zimmer, Küche, Bad, Korridor; ca. 70,9 qm); Mietzins: DM 709,00 und Nebenkosten DM 220,00 (Bl. 26 Dauerunterlagen);

Ab 1. November 2000: D. Str. 19a (vier Wohneinheiten, ca. 270 qm); Mietzins DM 2.319,00 + Nebenkosten DM 544,00 (Bl. 27 Dauerunterlagen).

Die Mietverhältnisse des Klägers mit der GmbH und den Vermietern begannen zeitgleich und wiesen identische Mietzinsen aus. Die GmbH überwies die Mieten auf das Konto des Klägers, der wiederum die von ihm geschuldeten Mieten an die Vermieter leistete.

Mit Vertrag vom 15. Dezember 2002 erwarb der Kläger die bei Betriebseröffnung eingebrachten Einrichtungsgegenstände zu demselben Kaufpreis von EUR 25.000,00 von der GmbH zurück (darin enthaltene ausgewiesene USt: EUR 3.448,27) und vermietete diese ab diesem Zeitpunkt zu einer monatlichen Miete von EUR 1.102,00 wieder an die GmbH (darin enthaltene ausgewiesene USt: EUR 152,00). Mit Vertrag vom 3. Januar 2002 überließ der Kläger alle auf ihn registrierten Internetdomains der GmbH für eine jährliche Nutzungsgebühr i.H.v. EUR 21.000,00 zzgl. 16% USt (EUR 3.360,00).

Der Beklagte setzte erklärungsgemäß die ESt 2000 mit Bescheid vom 7. November 2002 auf DM 0 und die ESt 2001 mit Bescheid vom selben Tag auf DM 776,00 fest. Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO.

Am 16. Juli 2002 fand bei der GmbH eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Besteuerungszeitraum 2000 und die Voranmeldungszeiträume I. bis IV. Quartal 2001 statt. Die Prüferin stellte dabei u.a. fest, dass Gegenstand des Unternehmens die Vermietung von möblierten Zimmern in angemieteten Räumen an Prostituierte sei.

Im Rahmen einer bei der GmbH und dem Kläger am 14. Januar 2004 durchgeführten Außenprüfung (betriebsnahe Veranlagung) betreffend die Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer 2000 und 2001 vertrat der Prüfer nunmehr die Auffassung, dass zwischen der GmbH und dem Kläger eine Betriebsaufspaltung und ein Organschaftsverhältnis bestehe. Zudem seien die Umsätze der Prostituierten der GmbH bzw. dem Organträger zuzurechnen. Da nur 50% der Einnahmen an die GmbH gezahlt würden, seien auch die restlichen 50% als steuerpflichtige Umsätze zu erfassen. Hinsichtlich der Einkommensteuer 2000 seien DM 52.542 aus dem Verkauf von Anlagevermögen der GmbH zu erfassen. Die Verwaltungskosten für die Wohnung U.str. 18 in Höhe von DM 194 seien gewinnerhöhend zu berücksichtigen, da die Instandhaltungsrücklage erst bei tatsächlicher Verwendung als Betriebsausgabe abziehbar sei.

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und setzte (u.a.) unter Erhöhung der in den Steuererklärungen angegebenen Umsätze jeweils um 100% (2000: DM 72.478,00; 2001: DM 176.405,00; 2002: EUR 202.711,00; 2003: EUR 223.972,00) mit Bescheiden vom 13. Oktober 2004 die Umsatzsteuer 2000 auf EUR 8.056,43 und 2001 auf EUR 22.279,03, sowie mit Bescheiden vom 4. Oktober 2004 die Umsatzsteuer 2002 auf EUR 43.004,26 und 2003 auf EUR 53.196,41 gegenüber dem Kläger als Organträger fest. In den Jahren 2002 und 2003 wurden hierbei die Umsätze des Einzelunternehmens des Klägers aus der Überlassung der Internetdomains und der Einrichtungsgegenstände den Umsätzen der Organgesellschaft hinzugerechnet und die Vorsteuer aus dem Ankauf der Gegenstände von der GmbH zum Abzug zugelassen.

Die ESt 2000 wurde durch Bescheid vom 27. September 2004 auf DM 1.725,00 und die ESt 2001 durch Bescheid vom selben Tag auf DM 8.130,00 geändert. Der verbleibende Verlustabzug zur ESt zum 31. 12. 2000 wurde mit Bescheid vom 27. September 2004 gesondert auf DM 0 festgestellt. Gegen sämtliche Bescheide legte der Kläger Einspruch ein, der jeweils mit Einspruchsentscheidungen vom 7. Februar 2005 zurückgewiesen wurden. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage.

Der Kläger ist unter Hinweis auf sein Vorbringen im Verfahren 2 V 2658/04 der Auffassung, dass eine umsatzsteuerliche Organschaft nicht vorliege. Eine Betriebsaufspaltung bestehe nicht, da die Wohnungen keine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen würden und nicht im zivilrechtlichen Eigentum des Besitzunternehmens stünden. Es sei aus Vereinfachungsgründen zweckmäßiger gewesen, den Kläger als Mieter der Räume anzugeben, obwohl nur die GmbH die Räume genutzt habe, diese sei wirtschaftliche Eigentümerin. Der Kläger habe keine Einnahmen aus der Vermietung erzielt, sondern sei lediglich als Strohmann aufgetreten.

Auch sei die Zuschätzung von Umsätzen nicht sachgerecht. Die Auffassung des Beklagten ziele auf Bordellbetriebe ab. Demzufolge müsse der Betreiber durch seine Gesamttätigkeit als Inhaber eines Bordell-Gewerbebetriebs in Erscheinung treten. Dieser Sachverhalt sei aber auf den Streitfall nicht übertragbar, da es sich nicht um einen nach außen erkennbaren Bordellbetrieb handele. Wie im Einzelnen die Mieter bzw. Kunden der GmbH die Räume nutzen, interessiere diese nicht. Der Kläger habe die Frauen auf deren Anruf in die Wohnungen gelassen, diese hätten dann die Einnahmen auf in den Wohnungen liegende Zettel geschrieben und das Geld dagelassen. Diese Zettel seien nicht mehr vorhanden. Es sei nur mit Bargeld gearbeitet worden.

Es liege ein ordnungsgemäß geführtes Kassenbuch vor. Die zuletzt angemieteten Flächen betrügen insgesamt rund 400 qm, sodass von einer Miete von rund 10 EUR pro Quadratmeter auszugehen sei. Da es sich um möblierten Wohnraum und eine Warmmiete handele, könne die durchschnittliche Miete allenfalls geringfügig überschritten sein. Die Einnahmen aus der Vermietung lägen bei ca. 50% der Einnahmen der Prostituierten, dies resultiere daraus, dass damals der ortsübliche Preis DM 300 pro Stunde gewesen sei. Wenn die Frauen einen anderen Preis ausgehandelt hätten, habe der Kläger darauf keinen Einfluss gehabt.

Von Fahrdiensten und einer Koordinationstätigkeit des Geschäftsführers sei nichts bekannt. Die Kilometerleistungen der Fahrzeuge seien durch den Kläger entstanden, der zwischen den ca. 10 km auseinanderliegenden Objekten hin- und hergefahren sei. Die Fahrzeuge seien auch von den Frauen für Hausbesuche genutzt worden, wofür sie auch Miete gezahlt hätten. Dies sei im Kassenbuch mit dem Zusatz "HB" vermerkt worden. Die Überwachungskameras hätten lediglich der Kontrolle der Umsätze gedient und eher einen psychologischen Effekt gehabt. Ärger mit Freiern habe es sehr selten gegeben, in diesen Fällen sei der Kläger angerufen worden. Eigenes Personal für die Sicherheit habe er nicht gehabt.

Der Sachverhalt habe sich vier Jahre nach der Umsatzsteuer-Sonderprüfung nicht geändert, sodass eine Neudefinition des Steuerschuldners und eine neue Bemessung der Umsätze aufgrund der späteren Betriebsprüfung nicht möglich sei. Gegenüber dem Prüfer habe der Kläger nicht den Begriff der "Puffmutter" verwendet.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 27. September 2004 sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2005 aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2003 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2005 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer 2000 bis 2003 ohne die Berücksichtigung der Umsätze der Organgesellschaft a. d. GmbH festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist unter Hinweis auf die ergangenen Einspruchsentscheidung der Auffassung, dass von einer Betriebsaufspaltung auszugehen sei. Die überlassenen Wirtschaftsgüter müssten nur eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen. Es komme nicht darauf an, ob das Besitzunternehmen rechtliches oder wirtschaftliches Eigentum besitze. Die Ausstattung der vermieteten wesentlichen Betriebsgrundlagen sei an den Betriebszweck angepasst.

Die Zuschätzung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Bei einem Bordellbetrieb erbringe umsatzsteuerlich der Inhaber des Unternehmens die von den Kunden in Anspruch genommenen Leistungen. Entscheidend sei, dass die Tätigkeit des Bordellbetreibers über die bloße Zimmervermietung an Prostituierte hinausgehe. Der Geschäftsführer habe Fahrdienste zu Kunden und die Koordinierung der Einsätze übernommen. Im Anlagevermögen seien mehrere Kfz ausgewiesen, die eindeutig diesem Zweck dienten. Die GmbH habe für ihre Tätigkeit auf eigenen Homepages und in Anzeigen bei der Sächsischen Zeitung und der Morgenpost geworben. Der Kläger habe Erlöse als Zuhälter erzielt. Schon die Höhe der Miete spreche gegen die bloße Vermietung. Die Anzahl der Eintragungen sei ausweislich eines Quittungsblocks in einer der Wohnungen von drei bis vier auf später sieben bis zwölf gestiegen. Wenn man davon ausgehe, dass die Eintragungen nur für diese eine Wohnung mit einer Größe von 270 qm gemacht wurden, ergebe sich bei täglich drei Vermietungen ein über der erzielbaren reinen Wohnungsmiete liegender Betrag. Der Kläger habe gegenüber dem Prüfer angegeben, dass er eine "Puffmutter" sei und 50% der Einnahmen der Prostituierten an ihn abzuführen seien.

Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung zurück. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die USt-, Prüfungs- und Rechtsbehelfsakten sowie der Akte über die Dauerunterlagen Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen P. gemäß Beweisbeschluss vom 29. März 2006. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. April 2006 verwiesen. Das Gericht hat die Akten 1 V 2658/04 und 1 K 577/05 einschließlich der entsprechenden Steuerakten beigezogen. In der mündlichen Verhandlung übergab der Kläger zwei Aktenordner mit Belegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die ESt- und USt-Bescheide sowie die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

I.

1. Zwischen dem Kläger und der GmbH liegt in den Streitjahren eine umsatzsteuerliche Organschaft vor, sodass die Umsätze der GmbH dem Kläger zuzurechnen sind.

a) Eine Organschaft i.S.v. § 2 Absatz 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) liegt vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist. Es ist hierbei unschädlich, wenn das eine oder andere Merkmal weniger in Erscheinung tritt, alle drei Merkmale müssen jedoch vorliegen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 - XI R 25/94, BStBl II 1997, 441). Für die hier allein streitige wirtschaftliche Eingliederung ist dabei entscheidend, dass die Organgesellschaft gemäß dem Willen des Unternehmers im Rahmen des Gesamtunternehmens, und zwar in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesem, es fördernd und ergänzend, wirtschaftlich tätig ist. Anders als beim gewerbesteuerlichen Organkreis und entgegen der Auffassung des Klägers ist bei der USt nicht Voraussetzung für das Vorliegen einer Organschaft, dass die Muttergesellschaft einen nach außen in Erscheinung getretenen Gewerbebetrieb unterhält. Im Falle einer Betriebsaufspaltung kann umsatzsteuerrechtlich eine Organschaft vorliegen, wenn der Organträger als Besitzunternehmer einer Betriebskapitalgesellschaft die für ihre Tätigkeit verwendeten Grundstücke verpachtet, sofern die dadurch vorhandene wirtschaftliche Eingliederung durch die finanzielle und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers ergänzt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Januar 2002 - V B 39/01, BFH/NV 2002, 823 m.w.N.).

b) Im Streitfall ist von einer wirtschaftlichen Verflechtung und damit einer Organschaft auszugehen, da der Kläger der GmbH sämtliche zum Betrieb erforderlichen Räumlichkeiten (sowohl Büro als auch Wohnungen) und damit wesentliche Betriebsgrundlagen zur Nutzung entgeltlich überlassen hat. Bei der Überlassung von Grundbesitz liegt eine wesentliche Betriebsgrundlage bereits dann vor, wenn das Grundstück für die Betriebsgesellschaft wirtschaftlich von nicht nur geringer Bedeutung ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. Mai 2000 - VIII R 11/99, BStBl II 2000, 621). So verhält es sich, wenn der Betrieb auf das Grundstück angewiesen ist, weil er ohne ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könnte. Eine besondere Gestaltung für den jeweiligen Unternehmenszweck der Betriebsgesellschaft (branchenspezifische Herrichtung und Ausgestaltung) ist nicht erforderlich; notwendig ist allein, dass das Grundstück die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bildet und es ihr ermöglicht, ihren Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 2003 - IX R 15/01 BFH/NV 2003, 1321 m.w.N.). Unerheblich ist, ob sich die überlassenen Räume im zivilrechtlichen Eigentum des Klägers befinden (vgl. BFH-Urteil vom 17. September 1992 - IV R 49/91, BFH/NV 1993, 95).

Im Streitfall wird die Annahme einer Organschaft neben der Überlassung der Räumlichkeiten des Weiteren durch die Überlassung der Internet-Domains ab 2002 und die Vermietung des Mobiliars der Räume durch den Kläger an die GmbH für die vorgesehene Nutzung gestützt.

2. Der Beklagte hat zu Recht die Umsätze der Prostituierten dem Kläger im Wege der Schätzung nach § 162 Abs. 1 AO zugerechnet. Ein Schätzungsanlass ist dann anzunehmen, wenn Anhaltspunkte für unvollständige Angaben oder fehlende Unterlagen bestehen. Die GmbH hat lediglich die von ihr vereinnahmten Umsätze aus Vermietung umsatzsteuerlich erklärt. Nach Anhörung des Klägers, der Durchsicht der im Termin vorgelegten Unterlagen und nach der Zeugeneinvernahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die GmbH tatsächlich als Unternehmer nach § 2 UStG hinsichtlich aller erzielten Umsätze anzusehen ist, also auch derer, die die Prostituierten durch ihre Leistung erzielten.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die Verschaffung der Möglichkeit von Geschlechtsverkehr dadurch, dass ein Steuerpflichtiger seinen Kunden Räume zur Verfügung stellt, in denen diese die Dienste von Dirnen beanspruchen können, keine in § 4 Nr. 12 Satz 1 lit. a UStG bezeichnete steuerfreie Leistung durch Grundstücksvermietung dar (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 1994 - V B 15/94, BFH/NV 1995, 457). Folglich waren die von der GmbH den Prostituierten in Rechnung gestellten Beträge der Umsatzsteuer zu unterwerfen, was durch die GmbH nach Aktenlage auch erfolgte.

b) Besteuerungsgegenstand ist umsatzsteuerlich grundsätzlich nur die einzelne Leistung eines Unternehmers, die er an den Leistungsempfänger ausführt. Unabhängig davon durch andere Personen ausgeführte Leistungen werden daher in die Beurteilung des von dem Unternehmer bewirkten Umsatzes nicht einbezogen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Februar 1991 - V R 53/85, BStBl II 1991, 737). Besteuert werden tatsächliche wirtschaftliche Vorgänge, denen regelmäßig zivilrechtliche Leistungspflichten zugrunde liegen. Für die Bestimmung des leistenden Unternehmers und des Besteuerungsgegenstandes ist regelmäßig auf die zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen, auf jeden Fall aber bei - etwa wegen Sittenwidrigkeit - fehlenden zivilrechtlichen Verpflichtungen auf das Außenverhältnis, also darauf abzustellen, wer als Unternehmer auftritt. Deshalb sind die Umsätze eines Bordellbetriebes, auch soweit sie nicht höchstpersönlich erbracht werden, demjenigen zuzurechnen, der sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an die Leistungsempfänger erbringt (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 - V R 11/91, BFH/NV 1991, 844).

c) Sämtliche Bordellleistungen sind der GmbH bzw. dem Kläger zuzurechnen. Zwar ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Bordellbetreiber nach außen als solcher auftritt (vgl. FG Saarland, Urteil vom 15. Dezember 1993 - 1 K 29/93, EFG 1994, 542, nachfolgend Beschluss des BFH vom 30. Juni 1994 - V B 15/94, BFH/NV 1995, 457 und FG Saarland, Urteil vom 30. September 1992 - 1 K 259/91, EFG 1993, 333). Nach Auffassung des Senates kann dies aber nicht nur dann gelten, wenn es sich um ein nach außen für jeden erkennbaren Bordellbetrieb handelt. Die von der o. g. Rechtsprechung entschiedenen Fälle schließen andere Fallkonstellationen nicht aus. Aus den Darstellungen der Beteiligten sowie den vorliegenden Unterlagen ist ein entsprechendes Auftreten der GmbH hinreichend nachgewiesen. Zwar handelt es sich ersichtlich nicht um einen Club mit Kontaktraum, Bar oder Sauna. Die GmbH bzw. der Kläger haben aber für den reibungslosen Ablauf des Geschäftsbetriebes gesorgt, den Zugang der Prostituierten zu den Zimmern geregelt und die Werbung unter eigenem Namen veranlasst. Aus den vorgelegten Aktenordnern ist ersichtlich, dass die GmbH Anzeigen geschaltet hat. Nach der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und gegenüber dem Zeugen P. steht ferner fest, dass er Fahrdienste für die Prostituierten zu Hausbesuchen etc. leistete. Dafür sprechen auch die im Anlagevermögen befindlichen Fahrzeuge, insbesondere das Wohnmobil. Eine glaubhafte Einlassung des Klägers, wozu er diese Vielzahl von Fahrzeugen für die Vermietung von Arbeitsräumen benötigte, liegt nicht vor. Die Vermietung von Fahrzeugen gehört jedenfalls nicht zum Geschäftsgegenstand der GmbH, entsprechende Leistungen sind im Kassenbuch auch nicht abgerechnet worden.

Der Zeuge P. bekundete, dass der Kläger ihm gegenüber die Fahrzeugnutzung mit Fahrdiensten der Prostituierten zu Freiern begründet hat. Der Smart sei von den Frauen selbst genutzt worden. Auf der Web-Seite der GmbH seien auch Preise für die Prostitutionsleistungen von DM 300 angegeben gewesen. Des Weiteren habe der Kläger bzw. die GmbH gemäß der Preisliste 50% der Einnahmen der Prostituierten erhalten. Der Kläger habe sich ihm gegenüber als Inhaber eines Bordells vorgestellt und sich als "Puffmutter" bezeichnet. Die Aussage des Zeugen P. war glaubhaft, er machte in der Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck. Insbesondere war kein Belastungseifer festzustellen, vielmehr machte er seine Angaben in ruhiger und sachlicher Form.

Auch die verschiedenen Leistungen der GmbH sprechen insgesamt für die Existenz eines Bordellbetriebes und nicht lediglich für die Bereitstellung von Räumen für selbständige Prostituierte. Die Abrechnung der Dienstleistungen der Frauen erfolgte nicht nur für die Zurverfügungstellung von Räumen, wie es der Geschäftszweck der GmbH nahelegen würde, sondern auch für Einkünfte aus Hausbesuchen. Die Einlassung, dass damit die Fahrdienste bzw. die Fahrzeuggestellung abgegolten würden, erscheinen wenig glaubhaft. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger hinsichtlich aller Leistungen als Zuhälter tätig geworden ist, da nicht nachvollziehbar ist, warum eine selbständige Unternehmerin DM 150 für einen Transport innerhalb des Stadtgebietes zahlen sollte. Zwar hat der Kunde eines Hausbesuches möglicherweise nicht die Vorstellung, die Leistung eines Bordellbetriebes in Anspruch zu nehmen. Jedoch spricht die Abrechnung der Hausbesuche maßgeblich gegen die Behauptung des Klägers, die Prostituierten seien selbständige Unternehmerinnen, die ohne sein Zutun Umsätze erzielten. Auch die Einlassung des Klägers, die Höhe der Miete für das Fahrzeug sei aus Vereinfachungsgründen bzw. aus Gründen einer Mischkalkulation genauso hoch wie die Anmietung eines Raumes gewesen, zeigt, dass der Kläger an den Einnahmen der Prostituierten aus deren Dienstleistungen partizipieren sollte. Wegen der Unsicherheit dieser Besucher hat er nach seinen Angaben in Einzelfällen ebenfalls die Begleitung übernommen.

Für die Annahme eines Bordellbetriebes ist auch das Vorhandensein von Überwachungskameras anzuführen, die aus der Liste der der GmbH zunächst veräußerten und nach Rückkauf vermieteten Gegenstände ersichtlich sind. Mit diesen konnte der Kläger den gesamten Ablauf der Tätigkeit der Prostituierten überwachen und nicht nur, wie er behauptet, die Abrechnungen. Mit den Kameras erreichte die GmbH auch gegenüber den Kunden den Eindruck, dass eine Überwachung aus Sicherheitszwecken stattfindet und dass sie sich in einem Bordell befinden.

Aus der Gesamtschau der Umstände steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die GmbH nicht nur kleinere Hilfstätigkeiten für die Prostituierten zur Förderung des Umsatzes der GmbH geleistet hat, sondern Leistungen an Kunden erbracht hat, die denen eines Bordells entspricht. Dies war für die Kunden auch erkennbar.

Aus Sicht des Senates kann es nicht darauf ankommen, dass die Wohnungen von außen nicht ohne weiteres als Bordell zu erkennen waren. Jedenfalls mit Eintritt in die Wohnung war nach den Schilderungen des Klägers offensichtlich, dass es sich nicht um eine Privatwohnung handelte. Dafür spricht insbesondere die Einrichtung der Räume und die Anwesenheit mehrerer Prostituierter. Der Kunde wusste mit dem Eintritt, dass er ein Bordell mit mehreren Prostituierten besucht. Dass der Kunde den Namen des Betreibers nicht erkennen konnte, ist unerheblich, da es dem Regelfall entspricht. Ferner spricht die gewählte Zahlungsart nicht gegen die Annahme der Leistungserbringung durch die GmbH. Da der Preis nach dem Vorbringen des Klägers regelmäßig schon feststand und nur noch Sonderleistungen ausgehandelt werden mussten, kann es nicht darauf ankommen, dass nicht die GmbH selbst, sondern die insoweit als Subunternehmerin oder Angestellte handelnde Prostituierte das Geld in voller Höhe vereinnahmte. Es entspricht offenbar der Praxis auch in nach außen erkennbaren Bordellbetrieben, dass die Zahlung in voller Höhe direkt an die Prostituierte erfolgt (vgl. z.B. Urteil des FG Köln vom 20. Januar 2005 - 13 K 12/02, EFG 2005, 986). Die Prostituierte handelte insoweit als Vertreterin oder Botin der GmbH.

d) Auch die Schätzung ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Bei der Schätzung sind gemäß § 162 Abs. 1 Satz 2 AO alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Da sämtliche Bordellleistungen solche der GmbH waren und im Regelfall die Prostituierten die Hälfte des eingenommenen Betrages von DM 300 - der nach Angaben des Klägers der zu diesem Zeitpunkt ortsübliche gewesen sein soll - an die GmbH abgeführt worden ist, sind die erklärten Umsätze der GmbH aus der Vermietung der Räume zu verdoppeln. Dabei ist zu Gunsten der GmbH bzw. des Klägers nicht berücksichtigt, dass die Prostituierten im Einzelfall höhere Umsätze tätigten und dass die im Kassenbuch aufgeführten nicht vollständig sind, da der Kläger diese Umsätze nicht kontrolliert haben will.

3. Hinsichtlich der Einkommensteuer 2000 sind Einwendungen des Klägers gegen die Änderung des Bescheides nicht vorgebracht worden. Generell ist davon auszugehen, dass Einnahmen aus einem Bordellbetrieb Einkünfte aus Gewerbebetrieb darstellen (BFH-Urteil vom 12. April 1988 - VIII R 256/81, BFH/NV 1989, 44). Soweit der Kläger für die Wohnung in der U.str. 18 eine Instandhaltungsrücklage gebildet hat, ist diese steuerlich erst bei ihrem tatsächlichen Abfluss gemäß § 11 EStG zu berücksichtigen (Schmidt, EStG, § 11 Rn. 30). Des Weiteren war der Verkauf von Betriebsvermögen des Einzelunternehmens an die GmbH als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen. Die Änderung des Einkommensteuerbescheides aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung ist damit rechtmäßig erfolgt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO.



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