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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 2 K 748/07
Rechtsgebiete: AO, InvZulG 1999, EStG


Vorschriften:

AO § 39 Abs. 2
InvZulG 1999 § 3 Abs. 1
EStG § 7 Abs. 5
EStG § 7i
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 2. Senat unter Mitwirkung von Vizepräsidentin des Finanzgerichts ...,

Richter am Finanzgericht ..... und

Richterin am Finanzgericht ... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 11. Oktober 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Bescheid vom .... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom .... wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Erstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Investitionszulage.

Die Klägerin erwarb mit notariellem Vertrag vom 5. September 2000 von H den in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilten Grundbesitz des Hinterhauses ... in L für DM 14.000 für jede beim Verkäufer verbleibende Wohneinheit. Soweit der Verkäufer bereits Kaufverträge über Teileigentum abgeschlossen hatte, verpflichtete sich die Klägerin, diese Sondereigentumseinheiten aus der Haftung ihrer Auflassungsvormerkung zu entlassen. Unter § 6 vereinbarten die Vertragsparteien, dass der wirtschaftliche Übergang am Tag der Beurkundung stattfinden sollte. Der Verkäufer bewilligte der Klägerin eine Auflassungsvormerkung, die am 13. Oktober 2000 in das Grundbuch eingetragen wurde. Zugleich trat er der Klägerin seine Rechte an der Wohnungseigentümergemeinschaft ab und verpflichtete sich bei der Bestellung von Grundschulden zur Finanzierung des Kaufpreises mitzuwirken.

Der Verkäufer H hatte bereits mit notarieller Urkunde vom 13. November 1998 eine Teilungserklärung abgegeben, die den Grundbesitz in 43 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten aufteilte. In der Folgezeit - vor dem 5- September 2000 - veräußerte er die Wohnungen mit den Nummern l, 3, 4, 6, 8-12, 14, 15, 17 - 20, 22 - 24, 28, 30 - 33 und 36 - 39 an einzelne Erwerber. Unter dem 26. Oktober 2000 legte das Grundbuchamt L die Wohnung-/Teileigentumsgrundbuchblätter 200015 - 200057 an und schloss das Grundbuchblatt zum Grundstück .....

Mit weiteren notariellem Vertrag vom 5. September 2000 verpflichtete sich die Klägerin gegenüber H das Gebäude entsprechend der Baubeschreibung zu sanieren. Die bereits an die Herrn H finanzierende M-Bank abgetretenen Kaufpreisansprüche aus den jeweiligen Kaufverträgen sollten an die, die Klägerin finanzierende B-Bank AG abgetreten werden. Sollte dieser Vorgang nur durch eine Rückabtretung der M-Bank an H erfolgen, trat dieser seine Kaufpreisansprüche an die einzelnen Erwerber am 5. September 2000 an die Klägerin ab. H konnte weiterhin Kaufverträge abschließen, jedoch nur unter den Bedingungen des notariellen Vertrages und einer Abtretung der Kaufpreise an die Klägerin bzw. die B-Bank AG bei dem Vertragsabschluss mit den Dritten. Die Klägerin verpflichtete sich des Weiteren der Verkäufer von allen mit dem Grundstück verbundenen Verpflichtungen freizustellen. Für die Abtretung der Kaufpreisansprüche verpflichtete die Klägerin sich zur Zahlung von DM 2.299.000.

In der Folgezeit sanierte die Klägerin das Objekt bis zum 29. Dezember 2000. Am 12. März 2002 beantragte sie eine Investitionszulage gemäß § 3 InvZulG 1999 in Höhe von DM 386.610. Der Antrag umfasste nicht die Wohnungen 7, 16, 21, 25 und 27. Mit Bescheid vom 26. April 2002 setzte der Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Investitionszulage auf DM 333.332 unter Einbeziehung eines Investitionszulagenantrages für ein anderes Objekt in Höhe von DM 17.900 (= EUR 9.152,12) fest. Dabei kürzte er die Höhe der Investitionen von DM 3.304.443,24 um DM 29.000,01 (Buchhaltungskosten), DM 126.500,80 (in Anspruch genommener Skonto) und DM 28.942,86 (Aufwendungen für Kaufverträge etc.) auf DM 3.119.999,57. Dies ergab unter Berücksichtigung des Selbstbehalts den - aufgerundeten - Betrag von DM 333.332. Mit Antrag vom 7. Juni 2002 erweiterte die Klägerin ihren Antrag dahingehend, dass sie nunmehr eine Investitionszulage von DM 441.870 begehrte, da weitere Investitionen in Höhe von DM 1.414.240,76 im Jahr 2001 für das Objekt getätigt wurden. Daraufhin führte der Beklagte eine betriebsnahe Veranlagung durch, in Folge derer er mit Bescheid vom 24. Januar 2003 die Investitionszulage für das streitgegenständliche Objekt auf EUR 0 festsetzte, der Betrag von EUR 9.152,12 für das andere Objekt blieb bestehen. Dem lag zugrunde, dass der Beklagte nunmehr der Auffassung war, dass die Klägerin zum einen weder wirtschaftliche noch bürgerlich-rechtliche Eigentümerin war und zum anderen, dass die Erwerber teilweise eine Förderung nach § 7i EStG in Anspruch genommen hätten. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte mit Entscheidung vom 12. März 2007 als unbegründet zurückwies.

Die Klägerin trägt vor, dass der Beklagte den Bescheid nicht deswegen rückwirkend ändern könne, weil kein - wirtschaftliches - Eigentum vorgelegen hätte, da die tatsächlichen Umstände ihm bei Erlass des ursprünglichen Bescheids bekannt waren. Im Übrigen sei die Klägerin gemäß § 6 des notariellen Kaufvertrages vom 5. September 2000 seit diesem Tag wirtschaftliche Eigentümerin. Eine vollständige Übertragung der wirtschaftlichen und rechtlichen Eigentümerstellung sei gewollt gewesen. Die Vertragsparteien hätten aber verhindern wollen, mit den Erwerbern von Teileigentum notariell zu beurkundende Vertragsänderungen vorzunehmen, um nicht das Risiko von "Vertragsreue" bei diesen einzugehen. Eine Kürzung habe auch nicht wegen der Erwerber zu erfolgen, die eine Abschreibung nach § 7i EStG geltend gemacht hätten, da eine solche Inanspruchnahme nicht gegeben sei. Zumindest habe die Klägerin keine Informationen dazu.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 24. Januar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vorn 12. März 2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass der Klägerin nur bezüglich der Wohnungen, bei der sie selbst Eigentümerin sei, eine Investitionszulage zu gewähren wäre. Da für die Wohnungen 7, 16, 21, 25 und 27 kein Antrag gestellt worden sei, beträfe dies die Wohnungen 5, 13 und 26. Bei den Wohnungen 18, 22, 30, 33, 37 und 38 hätten die Erwerber Sonderabschreibungen in Anspruch genommen. Hier sei die alte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anzuwenden, so dass das Kumulierungsverbot zu beachten sei. Bei allen anderen Wohnungen sei H Eigentümer gewesen, so dass es an der Anspruchsberechtigung der Klägerin fehle.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze und die dem Gericht übersandten Steuerakten Bezug genommen. Die Akte 2 V ... (Antrag auf Aussetzung der Vollziehung) war beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Der Bescheid vom 24. Januar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da die Klägerin als wirtschaftliche Eigentümerin Anspruch auf Gewährung von Investitionszulage hat.

1. Die Klägerin ist gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO wirtschaftliche Eigentümerin des Objekts ... in L aufgrund des Kaufvertrages vom 5. September 2000 geworden. Eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zuordnung von Wirtschaftsgütern kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn ein anderer als der rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft ausübt und den nach dem bürgerlichen Recht Berechtigten (durch vertragliche Vereinbarung oder aus anderen Gründen) für die gewöhnliche Nutzungsdauer wirtschaftlich von der Einwirkung ausschließen kann ( § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO), so dass der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat oder kein Herausgabeanspruch besteht (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. Juni 1994, BFH/NV 1995, 20). Der Bundesfinanzhof führt dazu aus (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. November 1996, BStBl. II 1998, 97), dass die in § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO enthaltene Definition des wirtschaftlichen Eigentümers eine Mehrzahl ungleichartiger zivilrechtlicher Rechtslagen umfasse, die Nichteigentümern eine eigentumsähnliche Rechtsposition verschaffen. Die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO erfordere deshalb die Bildung von Fallgruppen und eine wertende Zuordnung. Entscheidend sei danach, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer eine - auch rechtlich abgesicherte - Position habe, die es ihm ermögliche, diesen dauerhaft derart von der Einwirkung auf den betreffenden Gegenstand auszuschließen, dass seinem Herausgabeanspruch bei dem für die gewählte Gestaltung typischen Verlauf zumindest tatsächlich keine nennenswerte praktische Bedeutung zukomme.

So ist der vorliegende Fall. Die Klägerin hat mit Abgabe der notariellen Vertragserklärungen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs den Grundstückskaufvertrag rechtswirksam abgeschlossen, unabhängig davon, ob Wirksamkeitsvoraussetzungen (u.a. aufschiebende Bedingungen, Zeitbestimmungen, Genehmigungen) erst später eintraten (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 2. Februar 1982, BStBl II 1982, 390 m.w.N.). Die vom Verkäufer abgeschlossenen Verträge über Teileigentum waren ihr gegenüber wegen der eingetragenen Auflassungsvormerkung gemäß § 883 BGB unwirksam. Damit der Verkäufer nicht vertragsbrüchig wird bzw. die Klägerin in den Vorteil der bereits vereinbarten und zu ihren Gunsten an die sie finanzierende Bank abzutretenden Kaufpreise kommt, hat sie sich verpflichtet, auf ihre Rechte aus der Auflassungsvormerkung jeweils zu verzichten. Außerdem war ausdrücklich geregelt, dass das wirtschaftliche Eigentum auf sie am 5. September 2000 übergeht. Des Weiteren konnte der Verkäufer H nicht frei verfügen. Soweit er Wohnungen nach dem 5. September 2000 veräußerte, wären die Verträge von der Klägerin nur unter Beachtung der zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarungen erfüllt worden. Ansonsten hätte der Verkäufer mangels Besitz an der Sache keine Sanierung vornehmen können und wegen der Vormerkung hätte er nicht wirksam rechtliches Eigentum verschaffen können. Damit hatte sie insgesamt eine Stellung, mit dem sie den Eigentümer von der Nutzung seines Eigentums ausschließen konnte.

2. Bezüglich der sechs Wohnungen, bei denen sie selbst vermerkte, dass die Erwerber Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen, liegt kein Verstoß gegen das Kumulationsverbot vor. Wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 14. Dezember 2006 (III R 27/03, BStBl 2007, 332) unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 18. Mai 2006 (III R 21/03, BStBl II 2006, 776) klarstellte, handelt es sich bei dem Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) um ein Gesetz mit materieller Rückwirkung, soweit darin das Kumulationsverbot zwischen Bauträger und Erwerber geregelt ist. Anders als bei der Mehrfachbegünstigung durch Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz 1999 und Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Mai 2006, a.a.O.) scheidet bei der Doppelbegünstigung durch Investitionszulage beim Bauträger und erhöhten Absetzungen beim Erwerber eine ergänzende Rechtsfortbildung aus, die für das Zusammentreffen von Investitionszulagengesetz und Fördergebietsgesetz vorlag. Dem Investitionszulagengesetz 1999 liegt kein Prinzip zugrunde, nachdem jegliche Doppelbegünstigung ausgeschlossen sein soll. Die Kumulierungsverbote gelten z.B. nicht für Investitionszulage und degressive Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 5 EStG. Erstmals im November 2000 schlug der Finanzausschuss vor, ein Kumulationsverbot zwischen Investitionszulagen und erhöhten Absetzungen auch bei fehlender Personenidentität zu schaffen. Die Änderung des § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 entsprechend dem Vorschlag des Finanzausschusses ist daher eine materielle Änderung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Investitionszulage zu Lasten des anspruchsberechtigten Veräußerers (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 27.Mai 2004, BFH/NV 2005, 382). Da die Erwerber hier eine Abschreibung nach § 7i EStG - so der Beklagte in seinem Vortrag - und keine nach dem Fördergebietsgesetz in Anspruch nahmen, liegt kein Kumulationsverbot vor, da die Klägerin mit ihren Investitionen vor dem 20. Dezember 1999 begonnen hat.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 155 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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