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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Beschluss verkündet am 11.04.2006
Aktenzeichen: 2 V 18/06
Rechtsgebiete: GewStG, EStG, FGO


Vorschriften:

GewStG § 2 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 2 S. 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
FGO § 69 Abs. 2 S. 2
FGO § 69 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

2 V 18/06

Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Gewerbesteuermessbetrag 1995 bis 1997)

In dem Finanzrechtsstreit ...

hat der 2. Senat am 11. April 2006 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahren trägt die Antragstellerin.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Einkünfte der Antragstellerin der Gewerbesteuer unterliegen oder ob sie als Künstlerin freiberuflich tätig war.

Die Klägerin ist Eiskunstläuferin. Am 6. Juni 1997 reichte die Klägerin die Einkommensteuererklärung 1995 beim Antragsgegner ein. Darin erklärte sie u.a. im Hinblick auf ihre Eiskunstlauftätigkeit Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Mit Bescheid vom 16. Juli 1997 setzte der Antragsgegner die Einkommensteuer 1995 antragsgemäß auf 43.756,00 DM fest. Die Steuerfestsetzung erfolgt nach § 164 Absatz 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Am 13. März 1998 reichte die Antragstellerin die Einkommensteuererklärung für das Jahr 1996 beim Antragsgegner ein. Mit Bescheid vom 18. Juni 1998 setzte der Antragsgegner abweichend von den Angaben der Antragstellerin die Einkommensteuer 1996 auf 3.289,00 DM fest. Die Festsetzung erfolgte nach § 164 Absatz 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Am 30. April 1999 reichte die Antragstellerin die Einkommensteuerklärung für das Jahr 1997 beim Antragsgegner ein. Mit Bescheid vom 20.05.1999 setzte der Antragsgegner abweichend von den Angaben der Antragstellerin die Einkommensteuer 1997 auf 8.742,00 DM fest. Die Steuerfestsetzung erfolgt nach § 164 Absatz 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Gewerbesteuererklärungen wurden nicht angegeben. Bei der Antragstellerin wurde vom 7. September 1999 bis zum 2. Februar 2000 eine Betriebsprüfung durchgeführt, die sich u.a. auf die Frage der Qualifizierung der Einkünfte als Eiskunstläuferin und die Frage einer Mitunternehmerschaft mit ihrem Eiskunstlaufpartner erstreckte. Die Betriebsprüfung bejahte Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit, die im Rahmen einer Mitunternehmerschaft erzielt worden seien. In Auswertung des Berichtes der Betriebsprüfung vom 19. April 2000 setzte der Antragsgegner mit Bescheid vom 9. Juni 2000 die Einkommensteuer 1996 mit 50.748,00 DM, die Einkommensteuer 1997 mit 69.677,00 DM und die Einkommensteuer 1995 mit 52.353,00 DM mit 4.711,77 DM fest. Ein Gewerbesteuermessbetragsbescheid gegenüber der Antragstellerin erging nicht.

Mit Bescheid vom 10. September 2001 erließ der Antragsgegner Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 1995, 1996 und 1997. Dieser sowie der Gewerbesteuermessbetragsbescheid für die GbR wurde auf den Einspruch der Antragstellerin in dem diesbezüglichen Einspruchsverfahren aufgehoben, da der Antragsgegner entsprechend dem Vortrag der Antragstellerin im Einspruchsverfahren wegen der Gewerbesteuer der GbR nicht mehr von einer Mitunternehmerschaft ausging. Die Antragstellerin wurde nach Auskunft des Antragsgegners in dem Einspruchsverfahren gegen den Gewerbesteuermessbetragsbescheid der GbR nicht hinzugezogen.

Mit Bescheid vom 24. November 2005 setzte der Antragsgegner den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1995 bis 1997 fest (1995: 644,23 Euro, 1996: 3.796,34 Euro und 1997: 7.298,69 Euro). Die Änderung des Bescheides wurde auf § 174 Abs. 4 AO gestützt. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2005 legte die Antragstellerin dagegen Einspruch ein. Sie führte darin aus, dass sie keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele, da sie freiberuflich als Künstlerin tätig sei. Der ebenfalls gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde vom Antragsgegner abgelehnt. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

In ihrem gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung trägt die Antragstellerin vor, dass bis zum Jahr 1994 die Einkünfte der Antragstellerin als freiberufliche Einkünfte anerkannt worden seien. Gleiches gelte für die Einkünfte der Jahre 1998ff. Es sei widersprüchlich, nur in den Jahren 1995 bis 1997 Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit anzunehmen. Die Tätigkeit der Antragstellerin sei als Künstlerin anzusehen, da sie Eiskunstläuferin sei. Zudem sei sie wegen ihres Beschäftigungsverhältnisses bei der Bundeswehr unselbständig tätig. Ihre Einkünfte aus der Sportlertätigkeit könnten deswegen keine gewerblichen Einkünfte sein. Wegen der Organisation und Abwicklung der sportlichen Veranstaltungen durch die Eislauf-Union e.V. habe der Antragstellerin auch keine unternehmerische Freiheit zugestanden, die für eine gewerbliche Tätigkeit maßgebend sei. Soweit der Antragsgegner bei der Einkommensteuer nachträglich eine gewerbliche Tätigkeit annehme, müsse der Antragstellerin zugebilligt werden, ihren Gewinn nunmehr nach § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 EStG zu ermitteln.

Der Antragsteller ist dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entgegen getreten. Er ist der Auffassung, dass die Einkünfte der Antragstellerin als Sportlerin solche aus Gewerbebetrieb darstellten. Eine künstlerische Tätigkeit sei bei Sportlern zu verneinen. Die Wahl der Gewinnermittlungsart könne rückwirkend nicht geändert werden.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen sie sprechende Gesichtspunkte zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen auslösen (ständige Rechtsprechung seit BFH, BFHE 87, 447, BStBl. III 1967, 182).

Solche ernstlichen Zweifel sind in Bezug auf die Gewerbesteuermessbetragsbescheide nicht gegeben. Die Antragstellerin unterliegt nach § 2 Abs. 1 GewStG der Gewerbesteuer. Gewerbebetrieb ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG jede selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs oder als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist; ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet. Zu den gewerbesteuerfreien freiberuflichen Tätigkeiten zählen insbesondere selbständig ausgeübte künstlerische Tätigkeiten im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.

Das Wesen künstlerischer Betätigung liegt in der freien schöpferischen Gestaltung, in der der Steuerpflichtige seine individuelle Anschauungsweise und Darstellungskraft zum Ausdruck bringt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH, BFH/NV 1999, 465 m.w.N.). Diese herkömmliche Auslegung des Künstlerbegriffs ist verfassungsgemäß, da es bei ihr nicht um die Differenzierung zwischen "höherer" oder "niedrigerer" Kunst bzw. "guter" oder "schlechter" Kunst geht. Vielmehr dienen die Abgrenzungskriterien lediglich als Prüfungsmaßstab zwischen Kunst und Nichtkunst im steuerrechtlichen Sinne (BFH, BFH/NV 1999, 460). Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht das Wesentliche der künstlerischen Betätigung in der freien schöpferischen Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden (BVerfG, BVerfGE 30, 173, 188; BVerfG, BVerfGE 67, 213). Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist nicht primär Mitteilung, sondern Ausdruck, und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers (vgl. BFH, BFH/NV 1990, 146 m.w.N.) im Gegensatz zur Unterhaltung.

Unerheblich ist dagegen, mit welcher Zielsetzung die künstlerische Tätigkeit ausgeübt wird oder für welche Zwecke sie verwendet werden soll. Eine künstlerische Tätigkeit bleibt daher auch dann künstlerisch, wenn sie für gewerbliche Zwecke (z.B. Werbung) eingesetzt werden soll. Eine enge Weisungsgebundenheit spricht dagegen gegen eine künstlerische Gestaltungsfreiheit. Gleiches gilt, wenn der Steuerpflichtige nur bekannte Vorbilder nachahmt (vgl. BFH, BStBl. II 1991, 889: Holzschnitzer als Kunsthandwerker oder Künstler) oder aufgrund von in der Natur der Sache liegenden Zwangsvorgaben keinen erheblichen Gestaltungsspielraum hat (vgl. BFH, BStBl. II 1991, 20: Industriedesigner; Gestaltung von Produkten lediglich nach der neuesten Moderichtung nicht künstlerisch, wenn auf bekannte Vorbilder zurückgegriffen wird oder der Gebrauchszweck von Gegenständen keinen Gestaltungsspielraum lässt). Auch muss eine Tätigkeit nicht deshalb als künstlerisch angesehen werden, weil sie notwendige Voraussetzung zur Entstehung eines Kunstwerks ist (BFH, BStBl. II 1990, 643: Klavierstimmer). Ein Filmhersteller ist nur dann Künstler, wenn er an allen Tätigkeiten mitwirkt, die für den künstlerischen Wert bestimmend sind (Drehbuch; Regie; Kameraführung; Schnitt; Vertonung). Üben dagegen andere Personen entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des Kunstwerks aus, liegt eine gewerbliche Filmherstellung vor. Der Einsatz von Mitarbeitern mit eigener Gestaltungsfreiheit ist mithin einer künstlerischen Tätigkeit wesensfremd (vgl. BFH, BStBl II 1981, 170). Auch Artisten (z.B. Feuerschlucker, Schlangenmenschen, Jongleure) sind gewerblich tätig (vgl. BFH, BFH/NV 1993, 716), da der Schwerpunkt der Tätigkeit in der Unterhaltung liegt. Ebenso üben Profisportler eine gewerbliche Tätigkeit aus. Von der künstlerischen Tätigkeit z.B. eines Balletttänzers unterschieden sich die sportlichen oder artistischen Tätigkeiten dadurch, dass sie keine über die Anschauung der sportlich, artistisch oder optisch ansprechenden Leistung hinausgehenden geistigen oder seelischen Eindrücke vermittelten.

Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine künstlerische als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so ist zu unterscheiden, ob es sich um trennbare Tätigkeiten handelt oder nicht. Sind die verschiedenen Tätigkeiten nach der Verkehrsauffassung ohne Schwierigkeiten zu trennen, so können sie nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs steuerlich getrennt beurteilt werden, und zwar auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen. Sind allerdings bei einer Tätigkeit die verschiedenen Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so liegt eine einheitliche Tätigkeit vor, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, ob das künstlerische oder das gewerbliche Element vorherrscht.

Bei der gebotenen umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände kommt auch der Verkehrsauffassung erhebliche Bedeutung zu (vgl. BFH, BStBl II 1992, 353). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist von den tatsächlichen Verhältnissen im Einzelfall abhängig (vgl. BFH, BFH/NV 1985, 17). Die Tätigkeit der Antragstellerin besteht weniger darin, Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse durch das Medium des Eiskunstlaufs in einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden darauf ab, sondern vielmehr Preisrichter und Publikum durch besondere körperliche Fähigkeiten zu beeindrucken. Von der darstellenden künstlerischen Tätigkeit z.B. eines Balletttänzers, die auch eine besondere Körperbeherrschung voraussetzt, unterscheidet sich die Leistungen der Antragstellerin dadurch, dass sie keine über die Anschauung der körperlichen Fähigkeiten hinausgehenden geistigen oder seelischen Eindrücke vermitteln.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann für die Abgrenzung von Sport und Kunst nicht maßgebend sein, dass der Ausführende sich selbst als Künstler definiert, dass sie bei der Künstlersozialkasse versichert ist oder daß sich die für die Vermarktung ausschlaggebende Popularität aus früheren Erfolgen als Sportler herleitet. Maßgebend ist allein, ob die jeweiligen Darbietungen dem Bereich des Sports oder dem der Kunst zuzuordnen sind. Kennzeichnend für den Sport ist vorrangig der Wettkampfgedanke. Sportveranstaltungen dienen der Ermittlung eines Siegers. Im Spitzensport gewinnt daneben die Unterhaltung der Zuschauer ständig an Bedeutung. Das kann im Einzelfall, z.B. beim Schaulaufen nach einer Eiskunstlaufmeisterschaft, die Abgrenzung zwischen Eisrevue und Eiskunstlaufsport schwierig machen. Maßgebende Kriterien für die Zuordnung sind insbesondere: die Existenz von Regeln und Wertmaßstäben aus dem Bereich des Sports, die Art der Veranstaltung, der Veranstaltungsort sowie die Zugehörigkeit des Akteurs zu einschlägigen Interessengruppen, Vereinigungen etc. So ist ohne weiteres von einer sportlichen Betätigung auszugehen, wenn für eine Aktivität ein Regelwerk existiert, das von einem Verband erlassen worden ist, der dem Deutschen Sportbund angehört. Die Art der Veranstaltung ist maßgebend, wenn Akteure etwa nach einer Wettkampfveranstaltung ihr Können im Rahmen einer Schauveranstaltung darbieten, wie dies beim Eiskunstlauf und Turniertanz der Fall ist. In diesem Fall muß die Schauveranstaltung als Annex des vorangegangenen Wettkampfs gewertet werden. Findet Eiskunstlauf oder Tanz dagegen im Rahmen einer Revue- oder Varieteveranstaltung statt, so könnte es sich um eine künstlerische Tätigkeit handeln. Davon geht auch die Einstufung der Künstlersozialkasse aus, die den Eiskunstläufer nur für den Showbereich als Künstler ansieht, nicht für den Bereich des Sports.

Die für die Zuordnung der einzelnen Aktivitäten der Antragstellerin erforderlichen Feststellungen hätte die Antragstellerin darzulegen. Dazu ist erforderlich, dass die Antragstellerin darlegt, ob, wann und inwieweit Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse durch das Medium des Eiskunstlaufs in einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Bei sportlichen Wettkampfveranstaltungen wird das künstlerische Element regelmäßig fehlen. Auch ist aus dem Vortrag der Antragstellerin nicht ersichtlich, ob und wie sich die Einkünfte aus der Tätigkeit als Eiskunstläuferin in einen sportlichen und einen künstlerischen Bereich aufteilen lassen.

Hinsichtlich der Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge am 24. November 2005 ist keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Der Beklagte kann sich nämlich auf § 174 Abs. 4 Satz 3 AO berufen, wonach der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich ist, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des fehlerhaften Bescheides gezogen werden. Diese Frist ist hier gewahrt. § 174 Abs. 4 AO ist auch auf die Antragstellerin anwendbar, da sie an dem Steuerrechtsverhältnis beteiligt ist. Zwar sind die Beteiligten zunächst von einem Steuerrechtsverhältnis zwischen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und dem Antragsgegner ausgegangen. Dann wäre die Antragstellerin nichtbeteiligte Dritte und § 174 Abs. 4 AO unanwendbar. Ein Dritter ist jedoch an der Aufhebung eines Steuerbescheids i. S. des § 174 Abs. 4 AO beteiligt, wenn er im eigenen Namen einen entsprechenden Aufhebungsantrag gestellt hat. Als eigene verfahrensrechtliche Initiative (Einspruchseinlegung gemäß § 359 Nr. 1 AO) kommen nur Rechtshandlungen im eigenen Namen in Betracht (vgl. BFH, BFH/NV 2003, 1142). Nicht beteiligt ist, wer nur in seiner Eigenschaft als Mitgesellschafter einer GbR in das von dieser betriebene Verfahren eingeschaltet war (vgl. BFH, BFH/NV 2003, 1142). Beantragt ein Gesellschafter im Namen der GbR die Aufhebung eines gegen die GbR ergangenen Gewerbesteuermessbetragsbescheides, ist er nicht Beteiligter dieses Verfahrens (vgl. BFH, BFH/NV 2003, 1142). Dementsprechend wäre die Antragstellerin an dem Gewerbesteuermessbetragsverfahren der - unterstellten - GbR nicht beteiligt. Da Beteiligter des Gewerbesteuermessbetragsverfahrens die angenommene GbR war, hätte auch nur die GbR Einspruch gegen den die GbR betreffenden Gewerbesteuermessbetragsbescheid einlegen. Die GbR wäre insoweit Einspruchsführerin, nicht die Antragstellerin. Der Antragsgegner hätte die Wirkungen des § 174 Abs. 4 AO nur durch eine Hinzuziehung der Antragstellerin im Einspruchsverfahren (§ 359 Nr. 2 AO) der angenommenen GbR erstrecken können (§ 174 Abs. 5 AO). Dafür ist nichts ersichtlich.

§ 174 Abs. 4 AO ist im vorliegenden Fall jedoch anwendbar, da von der Existenz einer GbR nicht auszugehen ist. Da die Antragstellerin das Zustandekommen einer Personengesellschaft bestritten hat, konnte sie in eigenem Namen Einspruch gegen der Gewerbesteuermessbetragsbescheid in Bezug auf die vom Antragsgegner unterstellte GbR einlegen (vgl. BFH, BFH/NV 2001, 1078). Da damit nicht die GbR, sondern die vermeintlichen Gesellschafter steuerpflichtig wären, handelt es sich um einen Sachverhalt, der das Steuerrechtsverhältnis der Antragstellerin betrifft. In diesem - hier vorliegenden - Fall hat der Antragsgegner deshalb zu Recht § 174 Abs. 4 AO angewandt, ohne dass eine Hinzuziehung nach § 175 Abs. 5 AO erforderlich gewesen ist.

Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit im Gewerbesteuerverfahren den Feststellungen des Antragsgegners bei der Einkommensbesteuerung in vorhergehenden und nachfolgenden Jahren widersprechen und somit treuwidrig sein würde. Denn die Annahmen des Antragsgegners bei der Einkommensbesteuerung weisen keine Bindungswirkung für die Gewerbesteuer auf.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Beschwerde war zuzulassen, da höchstrichterlich über die Eigenschaft von Eiskunstläufern als Gewerbetreibende noch nicht entschieden ist.



Ende der Entscheidung

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