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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: 3 K 1860/04
Rechtsgebiete: FördG, EStG


Vorschriften:

FördG § 1 Abs. 1 S. 2
FördG § 3 S. 2 Nr. 2
FördG § 4 Abs. 2 Nr. 1
EStG § 7 a Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

3 K 1860/04

Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung 1999

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 3. Senat

unter Mitwirkung

des Präsidenten des Finanzgerichts,

der Richterin am Finanzgericht,

des Richters am Finanzgericht,

der ehrenamtlichen Richterin und

der ehrenamtlichen Richterin

auf Grund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 16. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Grundlagen zur Einkommensbesteuerung 1999 vom 10.08.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.07.2004 wird insoweit abgeändert, als der Klägerin eine weitere Abschreibung auf das Gebäude von 226.743 DM zu gewähren ist.

II. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

III. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Das Urteil ist in Bezug auf die Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz vornehmen kann, wenn die Gesellschaft selbst nicht betrieblich tätig ist, die das Gebäude selbst nutzenden Gesellschafter das Gebäude jedoch im Rahmen freiberuflicher Tätigkeit nutzen.

Die Klägerin - eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts - besteht aus sieben Ärzten. Sie wurde mit Vertrag vom 18.05.1994 mit dem Zweck des Kaufes, der Sanierung und Modernisierung des Gebäudes R.-Straße in C. zum Zwecke der privaten Vermögensverwaltung gegründet. Die Klägerin erwarb am 08.12.1994 dieses Grundstück zum Preis von 658.000 DM und sanierte es in den Folgejahren. Im Streitjahr 1999 wurden in dem Gebäude acht Arztpraxen betrieben. Sieben davon von den Gesellschaftern der Klägerin, weitere Räume wurden an einen Nichtgesellschafter zum Betrieb einer Arztpraxis vermietet. Die sieben Gesellschafter der Klägerin bezahlten ebenfalls Miete für ihre Arztpraxen an die Klägerin. In Bezug auf die fremdvermietete Arztpraxis erklärte die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 1999 gab die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an. In Bezug auf die fremdvermieteten Praxisräume wurden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von - 13.379 DM erklärt. Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden in Höhe von - 246.448 DM angegeben. Die Klägerin legte eine Einnahmen-Überschussrechnung für das Streitjahr 1999 vor, von der auch die fremdvermieteten Praxisräume erfasst wurden. Innerhalb der Gebäudeabschreibungen von 307.357 DM wurde eine Sonderabschreibung für die durch die Gesellschafter genutzten Gebäudeteile von 226.743 DM vorgenommen.

Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) war der Ansicht, dass die Klägerin keine Sonderabschreibungen vornehmen könne, da sie rein vermögensverwaltend tätig werde und damit keinen Gewerbebetrieb unterhalte. Mit Feststellungsbescheid vom 10.08.2001 wurden Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung von - 33.084 DM festgestellt und den Gesellschaftern zugerechnet. Die begehrte Sonderabschreibung von 226.743 DM wurde nicht gewährt.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch ihres steuerlichen Vertreters vom 05.09.2001. Sie betreibe nicht eigentliche Vermögensverwaltung, da ihre Gesellschafter ihren jeweiligen Gesellschaftsanteil - der in Höhe der jeweils durch sie benutzten Arztpraxis bestehe - im Rahmen ihrer freiberuflichen Tätigkeit betrieblich nutzten. Es sei deshalb notwendiges Betriebsvermögen gegeben. Es liege folglich im Ergebnis die Verwaltung eigenbetrieblich genutzten Vermögens vor. Mit Einspruchsentscheidung vom 14.07.2004 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die erhobene Klage.

Bei den als Arztpraxen durch die Gesellschafter genutzten Gebäudeteile handele es sich um notwendiges Betriebsvermögen, sodass der Fördertatbestand für die begehrten Sonderabschreibungen erfüllt sei. Die Klägerin beruft sich auf die Rechtsprechung des 3. Senates des BFH, wonach bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, deren Gesellschafter betrieblich beteiligt seien, auf Ebene der Gesellschaft eine betriebliche Einkunftserzielung festzustellen sei. Deshalb könne die Personengesellschaft anteilig - soweit also betrieblich beteiligte Gesellschafter betroffen seien - die Sonderabschreibungen insoweit geltend machen, als diese Betriebsvermögen voraussetzen. Im übrigen betreffe die Rechtsprechung zur Einkünftequalifikation bei der Zebragesellschaft eine andere Frage, da es im Streitfall nicht um die Qualifikation der Einkünfte der Klägerin gehe, sondern die Zugehörigkeit des Gebäudes als Objekt der Investition zu einem Betriebsvermögen verfahrensgegenständlich sei.

Es handele sich bei der Klägerin schon deshalb nicht um eine vermögensverwaltende Gesellschaft im eigentlichen Sinne, da sie fast ausschließlich das von ihren Gesellschaftern zur freiberuflichen Einkunftserzielung selbstgenutzte Vermögen verwalte.

Folgte man der Ansicht des FA konsequent, so könnte durch die "Vorschaltung" einer vermögensverwaltenden Gesellschaft betrieblich genutztes Vermögen im Privatvermögen gehalten und betrieblich genutzt werden - eine steuerliche Verstrickung könnte - systemwidrig - vermieden werden. Die Investition der Klägerin und ihrer Gesellschafter erfülle im übrigen die Zweckbestimmung des Fördergebietsgesetzes.

Die Klägerin beantragt:

Der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Grundlagen zur Einkommensbesteuerung 1999 vom 10.08.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.07.2004 wird insoweit abgeändert, als der Klägerin eine weitere Abschreibung auf das Gebäude von 226.743 DM gewährt wird.

Der Beklagte beantragt

die Abweisung der Klage.

Da das Gebäude sich nicht in einem Betriebsvermögen befinde, könne die begehrte Sonderabschreibung nicht gewährt werden. Zweck der Klägerin sei die private Vermögensverwaltung des Gebäudes. Zwar nutzten die sieben Gesellschafter der Klägerin das Gebäude überwiegend im Rahmen ihrer freiberuflichen Einkunftserzielung. Das Fördergebietsgesetz stelle in § 1 Abs. 1 Satz 2 jedoch ausdrücklich auf die Personengesellschaft als Anspruchsberechtigte ab, nicht auf die Gesellschafter.

Ergänzend wird auf alle Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, sowie auf alle Protokolle und sonstigen Aktenbestandteile sowie auf die beigezogenen Steuerakten Bezug genommen; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Nach der für das Streitjahr 1999 geltenden Vorschrift des § 3 Satz 2 Nr. 2 des Fördergebietsgesetzes (FördG) wird die Anschaffung eines Altgebäudes durch Gewährung einer Sonderabschreibung gefördert, wenn das angeschaffte Wirtschaftsgut bei dem Erwerber zu einem Betriebsvermögen gehört und entweder vor dem 01.01.1994 angeschafft wurde - das scheidet bei der Anschaffung im Streitfall im Jahr 1994 aus - oder nach dem 31.12.1993 angeschafft wurde und mindestens fünf Jahre danach zu eigenbetrieblichen Zwecken verwendet wird. Die Sonderabschreibungen betragen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 FördG bei Investitionen, die zwischen 01.01.1991 und 31.12.1996 abgeschlossen werden, bis 50% der Bemessungsgrundlage.

Anders als bei Abschreibungen nach dem EStG, ist die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung nach § 3 FördG bei Personengesellschaften und Gemeinschaften nicht durch den Gesellschafter, der die Aufwendungen getragen hat, möglich (dazu § 7 a Abs. 7 EStG). § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG bestimmt vielmehr als lex specialis zu § 7 a Abs. 7 EStG, dass die investierende Gesellschaft die Sonderabschreibung vornehmen kann und begründet dadurch eine Sperrwirkung für den Gesellschafter (BFH, Urteile vom 15. Januar 2002 IX R 21/98, BStBl II 2002, 309 und vom 27. Juli 2004 IX R 20/03, BStBl II 2005, 33). Dies führt nach der zweistufigen Methodik der Gewinnermittlung bei der Personengesellschaft dazu, die Sonderabschreibung auf der ersten Ebene der Ermittlung des Gewinnes der Gesellschaft zu berücksichtigen und den Gesellschaftern - als den Steuerpflichtigen nach § 1 EStG - den ihnen nach dem geltenden Gesellschaftsvertrag zustehenden Gewinnanteil zuzuweisen (dazu BFH vom 27.07.2004 a.a.O., allgemein: BFH, Großer Senat, Beschluss vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BStBl II 1995, 617, C IV 2 b der Entscheidungsgründe).

2. Im Streitfall war von dem Vorliegen der erforderlichen Zugehörigkeit des Gebäudes zu einem Betriebsvermögen auszugehen, soweit das Gebäude durch die Gesellschafter im Rahmen ihrer jeweiligen freiberuflichen Tätigkeit als (Zahn-) Ärzte genutzt wurde.

Zwar handelt es sich bei der Klägerin um eine Zebragesellschaft, die mangels erheblicher Zusatzleistungen neben ihrer mietweisen Überlassung von Gebäudeteilen keine betriebliche Tätigkeit ausübt und deshalb Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, kein Betriebsvermögen bilden kann und an der Gesellschafter beteiligt sind, die ihre gesellschaftliche Beteiligung zu eigenbetrieblichen Zwecken nutzen (zur Qualifizierung der Einkünfte der Gesellschafter letztlich durch das für die Besteuerung des Gesellschafters zuständige Finanzamt: BFH, Großer Senat, Beschluss vom 11. April 2005 GrS 2/02, BStBl II 2005, 679).

Dies bedeutet jedoch nicht, dass im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen nach § 3 FördG, unter Vernachlässigung des der Besteuerung von Personengesellschaften zugrunde liegenden Transparenzprinzips, lediglich auf die Befindlichkeit des Wirtschaftsgutes bei der Gesellschaft, nicht bei den Gesellschaftern abzustellen wäre. Denn die Reichweite der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG ist insoweit einzugrenzen, als sie lediglich beabsichtigt, eine einheitliche Ausübung des Wahlrechtes über die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung dem Grunde und der Höhe nach für alle beteiligten Steuerpflichtigen auf Ebene der Gesellschaft sicherzustellen und insoweit von der individualistischen Vorgehensweise des § 7 a Abs. 7 EStG abweicht (vgl. auch Stuhrmann in Blümich, Kommentar zum EStG/KStG/GewStG, § 1 FördG Rdnr. 6 und Wacker in Schmidt, Kommentar zum EStG, 25. Auflage, 2006, § 15 Rdnr. 206). Deshalb kann die Voraussetzung der Befindlichkeit des Wirtschaftsgutes in einem Betriebsvermögen bei einer vermögensverwaltenden Gesellschaft auch dadurch erfüllt sein, dass die Gesellschafter ihre Beteiligung betrieblich nutzen, wie für eine Zebragesellschaft typisch. Ein solches Verständnis trägt nicht nur dem Transparenzprinzip Rechnung, sondern entspricht auch dem Zweck des FördG, Investitionen im betrieblichen Bereich in den neuen Bundesländern zu beschleunigen.

Auch die steuerliche Erfassung der stillen Reserven, die durch die Gewährung von Sonderabschreibungen in erhöhtem Maße entstehen, ist bei dem aufgezeigten Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG nicht gefährdet, da die Gesellschafter der Klägerin allesamt mit der Beteiligung an der Klägerin betriebliche Einkünfte erzielen und ihre gesamthänderische Beteiligung an dem Grundstück der Klägerin in ihrem jeweiligen Betriebsvermögen enthalten ist. Damit unterläge die Veräußerung des Gebäudes einer Besteuerung.

Die Berechnung der geänderten Steuer nach Anerkennung der beantragten Sonderabschreibung in Höhe von 226.743 DM wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war angesichts der Schwierigkeit der Materie erforderlich, § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus §§ 151 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 FGO, 708 Nr. 10, 744 ZPO. Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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