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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Beschluss verkündet am 17.07.2009
Aktenzeichen: 3 Ko 1171/09
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, GKG


Vorschriften:

FGO § 128 Abs. 2
FGO § 142
ZPO § 115
GKG § 21 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 3. Senat

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts als Einzelrichter (§ 66 Abs. 6 Satz 1 GKG)

am 17.07.2009

beschlossen:

Tenor:

1. Von der Erhebung der Gerichtskosten im Verfahren 5 K 1541/07 (Kg) wird mit der Maßgabe abgesehen, dass diese Entscheidung dann und insoweit entfällt, als bei der Erinnerungsführerin künftig in Bezug auf dieses Verfahren die Voraussetzungen für die Aufhebung von Prozesskostenhilfe (§ 142 FGO i.V.m. § 124 ZPO) gegeben sein sollten.

2. Das Verfahren ist gebührenfrei.

3. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

I. Unter dem Aktenzeichen 5 K 1541/07 (Kg) führte die Erinnerungsführerin vor dem Sächsischen Finanzgericht gegen die zuständige Familienkasse ein Klageverfahren wegen Familienleistungsausgleichs (Kindergeld). Streitpunkt in diesem Verfahren war, ob die der Erinnerungsführerin, einer ukrainischen Staatsangehörigen, für den streitigen Zeitraum erteilte Aufenthaltserlaubnis den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG genügte. Diese Aufenthaltserlaubnis besaß die Erinnerungsführerin auf der Grundlage des § 34 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz. Sie war mit folgender Nebenbestimmung versehen: "Selbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Beschäftigung nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde gestattet."

Die Erinnerungsführerin vertrat durch ihren Prozessbevollmächtigten unter Hinweis auf die Materialien zum neugefassten § 62 Abs. 2 EStG die Rechtsansicht, dass es auch bereits dann die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Sinne dieser Bestimmung darstelle, wenn die konkrete Erwerbstätigkeit nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde aufgenommen werden dürfe. Die beklagte Familienkasse trat diesem Rechtsstandpunkt entgegen.

Den Antrag der Erinnerungsführerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe lehnte der 5. Senat des Sächsischen Finanzgerichts durch Beschluss vom 26.01.2009 ab. Er verwies dabei darauf, dass der Erinnerungsführerin für den Streitzeitraum weder eine selbständige Erwerbstätigkeit gestattet worden sei noch sie eine Erlaubnis der Ausländerbehörde zur Aufnahme einer Beschäftigung vorgelegt habe. Die hiergegen eingelegte Gehörsrüge der Erinnerungsführerin, mit der diese einwandte, ihr maßgeblicher rechtlicher Gesichtspunkt sei in dem Ablehnungsbeschluss nicht erörtert worden, wies der 5. Senat durch Beschluss vom 15.04.2009 in der Sache zurück. Er vertrat darin die Rechtsansicht, dass ein Kindergeldanspruch nur bestehen könne, wenn der betreffende Ausländer berechtigt erwerbstätig sei; die nur hypothetische Möglichkeit, dass die Ausländerbehörde eine Erwerbstätigkeit genehmigen könnte, genüge nicht. Darin liege auch keine schwierige Rechtsfrage.

Durch Beschluss vom 21.04.2009 übertrug der 5. Senat den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung. In der mündlichen Verhandlung vor der Einzelrichterin am 08.06.2009 bekräftigte die Erinnerungsführerin durch ihren Prozessbevollmächtigten ihren Rechtsstandpunkt.

Durch Urteil auf Grund der genannten mündlichen Verhandlung wies die Berichterstatterin die Klage ab. Die Erinnerungsführerin habe im fraglichen Streitzeitraum keine Gestattung der selbständigen Erwerbstätigkeit besessen; ebenso wenig habe die Ausländerbehörde damals der Aufnahme einer Beschäftigung durch die Erinnerungsführerin zugestimmt. Der Rechtsansicht der Erinnerungsführerin, dass allein schon die Möglichkeit einer solchen Zustimmung, wie sie sich aus der Nebenbestimmung der Aufenthaltserlaubnis ergebe, für die Gewährung von Kindergeld genüge, könne nicht gefolgt werden. Entgegen der Einschätzung der Erinnerungsführerin ergebe sich dies auch nicht aus der von ihr herangezogenen Stelle aus den Gesetzesmaterialien. In dem Urteil wurde die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.

II. Unter dem 17.09.2007 war an die Erinnerungsführerin die Gerichtskostenrechnung über vier Gebühren aus einem Mindeststreitwert von 1.000 EUR, insgesamt also 220 EUR, ergangen. Auf die Mitteilung der Geschäftsstelle des 5. Senats des Sächsischen Finanzgerichts an die Landesjustizkasse Chemnitz, dass die Erinnerungsführerin Prozesskostenhilfe beantragt habe und daher die Vollstreckung der genannten Kostenrechnung einstweilen zu unterbleiben habe, teilte die Landesjustizkasse mit, dass bereits am 05.10.2007 die angeforderten 220 EUR beglichen worden seien.

III. Mit ihrem am 14.07.2009 eingegangenen Schriftsatz beantragt die Erinnerungsführerin, die im Verfahren 5 K 1541/07 (Kg) entstandenen Gerichtskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht zu erheben. Sie verweist darauf, dass sie seinerzeit Prozesskostenhilfe beantragt habe. Dieser Antrag sei mit einer pauschalen Begründung abgelehnt worden, welche ihren konkreten Vortrag übersehen habe. In dem auf ihre dementsprechende Gehörsrüge hin ergangenen Beschluss sei dieser falsche Ansatz deutlich geworden; die Gehörsrüge sei ohne Erfolg geblieben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.06.2009 habe die Erinnerungsführerin nochmals ihren Rechtsstandpunkt verdeutlicht. Zwar sei daraufhin die Klage abgewiesen, jedoch die Revision zugelassen worden. Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe trotz Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache stelle eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des Gesetzes dar.

IV. Die Erinnerung der Erinnerungsführerin gegen den Kostenansatz im Verfahren 5 K 1541/07 (Kg) ist statthaft (§ 66 Abs. 1 Satz 1 GKG). Ist - wie hier hinsichtlich der Eingangskostenrechnung - bereits eine Kostenrechnung dem Erinnerungsführer zugegangen, so ist der Antrag auf Nichterhebung von Kosten, wie er hier gestellt worden ist, als Erinnerung im Sinne des § 66 Abs. 1 GKG auszulegen (BFH-Beschluss vom 25.04.2006 VIII E 2/06 m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung des BFH).

Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten, die wegen unrichtiger Sachbehandlung angefallen sind, nicht erhoben. Als unrichtige Sachbehandlung im Sinne dieser Bestimmung kommt auch eine richterliche Handlung in Betracht (Hartmann, Kostengesetze, 35. Auflage 2005, § 21 GKG Rn. 6 m.w.N.). Von einer unrichtigen Sachbehandlung kann jedoch nur dann ausgegangen werden, wenn die entsprechende Verfahrensweise des Gerichts offensichtlich und eindeutig gegen eine gesetzliche Bestimmung verstoßen hat (Hartmann, a.a.O., Rn. 8). Auf ein Verschulden des Gerichts kommt es hierbei nicht an (BFH-Beschluss vom 05.08.2002 VII B 56/00, BFH/NV 2002, 1492).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, soweit es sich um eine Belastung der Erinnerungsführerin mit Gerichtskosten handelt, die ihr nicht zur Last fallen würden, wenn ihr für das genannte Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre.

In dem Ausgangsverfahren 5 K 1541/07 (Kg) hatte die Erinnerungsführerin nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO offensichtlich und eindeutig Anspruch auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Nach diesen Bestimmungen erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach diesen Bestimmungen erfüllte die Erinnerungsführerin offensichtlich. Dies ergibt sich aus den Daten ihres Prozesskostenhilfeantrags vom 16.10.2007 in Verbindung mit den dort beigefügten Unterlagen. Ein Einsatz von Einkommen und/oder Vermögen (§ 142 FGO i.V.m. § 115 ZPO) wäre bei ihren persönlichen Verhältnissen nicht zu verlangen gewesen.

Die Rechtsverfolgung im Verfahren 5 K 1541/07 (Kg) hatte aber auch offensichtlich hinreichende Aussicht auf Erfolg; eine Mutwilligkeit scheidet ohnehin aus. Diese Erfolgsaussichten ergeben sich bereits daraus, dass auch aus der Sicht der Einzelrichterin, die dort das Urteil gefällt hat, die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung besitzt, weshalb in dem Urteil die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen wurde. Die Klärung rechtsgrundsätzlich bedeutsamer Fragen des Bundesrechts ist aber nicht im Prozesskostenhilfeverfahren, sondern allein im Hauptsacheverfahren durchzuführen. Zu diesem Zweck ist in derartigen Fällen für das Hauptsacheverfahren - wenn zugleich die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind - Prozesskostenhilfe zu gewähren. Anderenfalls würde der Gedanke des Prozesskostenhilfeverfahrens offensichtlich verfehlt, den finanziell Unbemittelten bei seinen Möglichkeiten der Rechtsverfolgung weitgehend mit dem finanziell Bemittelten gleichzustellen. Dies gilt vorliegend umso mehr, als gegen eine Ablehnung der Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Finanzgericht gemäß § 128 Abs. 2 FGO keine Beschwerde zum Bundesfinanzhof möglich ist. Um sich den Weg dorthin - über die Durchführung des finanzgerichtlichen Hauptsacheverfahrens - zu erhalten, müsste der finanziell Unbemittelte daher, wie es vorliegend die Erinnerungsführerin auf sich genommen hat, den Rechtsstreit vor dem Finanzgericht auf eigenes Kostenrisiko weiterverfolgen. Genau dies kann ihm aber nach seiner wirtschaftlichen Lage nicht abverlangt werden und darf ihm bei den - angesichts der Rechtsgrundsätzlichkeit gegebenen - Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens auch nicht zugemutet werden.

Vorliegend kann offen bleiben, ob angesichts dieser Maßstäbe bereits die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags der Antragstellerin durch den Beschluss vom 26.01.2009 oder die Zurückweisung ihrer hiergegen gerichteten Anhörungsrüge durch Beschluss vom 15.04.2009 offensichtlich fehlerhaft war. Denn jedenfalls liegt ein derartiger offensichtlicher Fehler darin, dass nach Gewinnung der Erkenntnis von der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache durch die Einzelrichterin der Erinnerungsführerin keine Gelegenheit gegeben worden ist, einen neuen Prozesskostenhilfeantrag zu stellen, dem noch vor Erlass des Urteils vom 08.06.2009 hätte stattgegeben werden können und müssen. Wenn das Gericht zunächst wegen Fehlens der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache die Prozesskostenhilfe rechtmäßig ablehnt, sodann jedoch im weiteren Verlaufe seines Verfahrens zur Bejahung der grundsätzlichen Bedeutung gelangt, gebietet es die prozessuale Fürsorgepflicht als Ausfluss des Grundrechts auf ein faires Verfahren (vgl. Art. 78 Abs. 3 Satz 1 SächsVerf), der betreffenden Partei nahezulegen, ein neuerliches Prozesskostenhilfegesuch anzubringen und sich damit die im Lichte der nunmehr gegebenen Rechtserkenntnis des Gerichts zustehende Prozesskostenhilfe zu sichern. Dies ist vorliegend jedoch nicht geschehen.

V. Allerdings ist von der Erhebung von Gerichtskosten im Verfahren 5 K 1541/07 (Kg) nicht sogleich endgültig abzusehen. Durch eine solche Entscheidung würde die Erinnerungsführerin besser gestellt, als sie bei der - ihr zustehenden - Gewährung von Prozesskostenhilfe in diesem Verfahren gestellt gewesen wäre. Daher ist im Wege der Entscheidung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG lediglich diese Gleichstellung herbeizuführen. Dies führt dazu, dass die Nichterhebung der Gerichtskosten dann und insoweit endet, als etwa in der Zukunft bei der Erinnerungsführerin in Bezug auf das Verfahren 5 K 1541/07 (Kg) die Voraussetzungen des § 142 FGO i.V.m. § 124 ZPO für die Aufhebung von Prozesskostenhilfe, wäre diese ihr gewährt worden, gegeben sein sollten (vgl. hierzu auch Hartmann, a.a.O., § 21 GKG Rn. 64).

VI. Die vorliegende Entscheidung ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde nicht gegeben (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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