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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Beschluss verkündet am 29.09.2008
Aktenzeichen: 3 Ko 1632/08
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 3 Abs. 2
GKG § 21 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

3 Ko 1632/08

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 3. Senat

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts ...,

die Richterin am Finanzgericht ... und

den Richter am Finanzgericht ...

am 29.09.2008

beschlossen:

Tenor:

1. Von der Erhebung der Gerichtskosten im Verfahren 5 K 46/08 (Kostenrechnung vom KSB in Verbindung mit der Teillöschung in Höhe von 110,-- Euro vom 28.05.2008) wird abgesehen.

2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.

3. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

I. Mit seinem am 08.01.2008 beim Sächsischen Finanzgericht eingegangenen Schriftsatz vom 04.01.2008 machte der Erinnerungsführer als Gegenstand geltend: "1. Anfechtungsklage ..., 2. Antrag auf Vollstreckung ..., 3. Antrag auf Prozesskostenhilfe ... und 4. Antrag auf Fristverlängerung ...". Zu allen vier Begehren gab er nähere Erläuterungen. Sodann führte er in dem Schriftsatz (Seite 2) aus:

"Da ich zum heutigen Zeitpunkt noch keine Klage beim Sächsischen Finanzgericht eingereicht habe, mir das Geld für einen Anwalt fehlt, bitte ich Sie um Hilfe.

Sollten Sie die Möglichkeit einer Beratungsstelle oder einer anderen Institution haben, die Arbeit für Sie und für mich Kosten spart unter Berücksichtigung meiner Antragstellung bitte ich Sie freundlichst um Mitteilung."

Dem Schriftsatz waren Fotokopien des Einspruchs und der Einspruchsentscheidung beigefügt.

Das Sächsische Finanzgericht behandelte den Vorgang als Klage und leitete ihn dem beklagten Finanzamt Annaberg zur Stellungnahme zu.

Den in dem genannten Schriftsatz enthaltenen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe lehnte der 5. Senat des Sächsischen Finanzgerichts durch Beschluss vom 26.03.2008 ab, da die Klage mangels Zulässigkeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besitze. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Beschluss Bezug genommen.

Auf die Anfrage der Berichterstatterin, ob er angesichts dieses Beschlusses an seiner Klage festhalte, teile der Erinnerungsführer durch Schriftsatz vom 10.04.2008 mit, dass er diese Klage zurückziehe. Daraufhin stellte das Sächsische Finanzgericht das Verfahren durch Beschluss der Berichterstatterin vom 11.04.2008 ein.

II. Unter dem 22.05.2008 war gegenüber dem Erinnerungsführer unter dem im Tenor genannten Kassenzeichen die Gerichtskostenrechnung über 220,-- Euro ergangen. Durch Teillöschungsanordnung vom 28.05.2008 wurde diese Gerichtskostenrechnung im Hinblick auf die Klagerücknahme auf die Hälfte (110,-- Euro) herabgesetzt.

III. Mit Schriftsatz vom 04.06.2008 wandte sich der Erinnerungsführer gegen die Gerichtskostenrechnung über 220,-- Euro. Er trug vor, er könne und werde diesen Betrag nicht bezahlen. Es habe kein Verfahren stattgefunden, also könne auch kein Betrag gefordert werden. In dem ersten Schreiben habe er auf seine Zahlungsunfähigkeit hingewiesen und das Gericht um Hilfestellung bei mehreren Fragen gebeten. Diese Hilfestellung sei nicht gegeben worden, stattdessen sei ihm die Prozesskostenhilfe trotz seiner Schwerbehinderung und seiner geringen Rente abgelehnt worden und es seien gleichzeitig Kosten angesetzt worden, über die er vorher nicht informiert worden sei. Dieses Verfahren, wie überhaupt das ganze Vorgehen des Finanzgerichts, halte er für sehr bedenklich und nicht nachvollziehbar. Durch Verfügung vom 06.06.2008 half die Kostenbeamtin des Finanzgerichts der Erinnerung nicht ab und legte sie dem Kostensenat zur Entscheidung vor.

IV. Die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen den Kostenansatz im Verfahren 5 K 46/08 ist statthaft (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz [GKG]). Ist - wie hier - bereits eine Kostenrechnung dem Erinnerungsführer zugegangen, so ist der Antrag auf Nichterhebung von Kosten, wie er hier gestellt worden ist, als Erinnerung im Sinne von § 66 Abs. 1 GKG auszulegen (Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 25.04.2006 VIII E 2/06 mit weiteren Nachweisen aus der ständigen Rechtsprechung dieses Gerichtshofes).

Im Hinblick auf die - zur Zeit der Einlegung der Erinnerung möglicherweise noch nicht bekannt gewesene - Reduzierung der Gerichtskostenforderung von 220,-- auf 110,-- Euro wegen Klagerücknahme geht der beschließende Senat davon aus, dass nur noch dieser geringere Betrag Gegenstand der Erinnerung ist. Einer teilweisen Abweisung der Erinnerung als unzulässig hinsichtlich des überschüssigen Betrages bedarf es daher nicht.

Die Erinnerung ist auch begründet. Zwar liegt keine unrichtige Sachbehandlung ( § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG) vor. Denn die Auferlegung der Kosten eines Klageverfahrens an den Kläger nach Klagerücknahme ist zwingende gesetzliche Folge, ohne dass es insoweit eines ausdrücklichen Ausspruchs in dem das Verfahren einstellenden Beschluss bedarf.

Jedoch ist vorliegend von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG Gebrauch zu machen. Nach dieser Vorschrift kann für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrages von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht. Eine solche Unkenntnis rechtlicher Verhältnisse kann sich auch auf die prozessuale Rechtslage beziehen (BFH-Beschluss vom 25.04.2006, wie oben zitiert).

Vorliegend ist in diesem Sinne von einer Unkenntnis des Erinnerungsführers auszugehen, die zu der hier gegenständlichen Auferlegung von Gerichtskosten geführt hat. Denn dem Erinnerungsführer war bei Abfassung seines Schriftsatzes vom 04.01.2008 offenbar nicht bewusst, dass er bei der von ihm gewählten Formulierung - ungeachtet des abschließenden, vorstehend unter I. zitierten Absatzes - damit rechnen musste, dass dieser Schriftsatz vom Finanzgericht nicht lediglich als isolierter Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, sondern zugleich bereits als Klage selbst verstanden werden würde, wie dies sodann auch geschehen ist. Wenn aber erst einmal eine Klage erhoben ist, bleibt es auch bei ihrer späteren Rücknahme bei der Tragung von zwei der grundsätzlich vier Gerichtsgebühren (Kostenverzeichnis Nr. 6111 zu § 3 Abs. 2 GKG).

Inwieweit eine derartige Unkenntnis unverschuldet ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Dabei sind sowohl der Bildungsgrad des Rechtsbehelfsführers als auch die wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 25.04.2006, wie oben zitiert). Weiterhin in den Blick zu nehmen sind auch die Vermögensverhältnisse des Erinnerungsführers.

Wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG erfüllt sind, ist dem beschließenden Gericht ein Ermessen eingeräumt, ob von der Erhebung der Kosten abgesehen werden soll ("kann" in § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG, vgl. BFH-Beschluss vom 25.04.2006, wie oben zitiert).

Vorliegend sieht der Senat die Unkenntnis des Erinnerungsführers als unverschuldet an und macht von seinem Ermessen dahingehend Gebrauch, dass er dem Erinnerungsführer die - nach Klagerücknahme noch bestehend gebliebenen - Gerichtskosten erlässt.

Die Frage, in welcher Form ein Bürger beim Finanzgericht um Rechtsschutz als finanziell nicht hinreichend Bemittelter nachsuchen kann, ohne - bei Ablehnung der Unterstützung durch Prozesskostenhilfe - mit Gerichtskosten belastet zu sein, ist nirgends ausdrücklich gesetzlich geregelt. Richtiger Weg ist, dass der Betreffende zunächst ausschließlich Prozesskostenhilfe beantragt und bei Gewährung derselben innerhalb von 2 Wochen nach Erhalt des entsprechenden Gerichtsbeschlusses die Klage nachholt und hierbei zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagefrist beantragt ( § 56 Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung [FGO]).

Diese Rechtslage ist jedoch für den rechtlich nicht vorgebildeten Bürger kaum erkennbar. Die Gesetze schweigen hierzu. Zwar ist in der Finanzgerichtsordnung das Verfahren der Gewährung von Prozesskostenhilfe geregelt ( § 142 FGO i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]). Diese Bestimmungen enthalten jedoch keinerlei Hinweis dazu, wie ein Bürger vorgehen muss, der seine gerichtlichen Rechtsbehelfe nur entschieden bekommen möchte, falls die Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Lediglich in den einschlägigen Fachkommentierungen, die aber für den rechtlich Unbewanderten kaum erreichbar und nachvollziehbar sein werden, wird die erwähnte Vorgehensweise erläutert (vgl. beispielsweise Gräber, FGO, 6. Aufl. 2006, § 56 Rn. 29 ff.). Hinzu kommt, dass keine gesetzliche Pflicht für die Prozesskostenhilfe gewährenden Gerichte besteht, in ihrem Beschluss auf die Notwendigkeit, innerhalb von 2 Wochen die Klage nachzuholen und Wiedereinsetzung in vorigen Stand zu beantragen, hinzuweisen. Inwieweit solche Hinweise erfolgen, liegt daher allein in der richterlichen Unabhängigkeit der jeweils entscheidenden Richter.

Ob es einen weiteren Weg gibt, diese Kostenfalle zu vermeiden, nämlich die sogenannte bedingte Klageerhebung, ist zweifelhaft. Bei einer solchen Vorgehensweise würde die Prozesskostenhilfe beantragt und zugleich bereits die Klage erhoben, jedoch ausdrücklich als bedingt durch die Gewährung von Prozesskotenhilfe bezeichnet. Einer solchen Vorgehensweise steht aber nach weit verbreiteter Ansicht das Verbot einer bedingten Einlegung von Rechtsbehelfen entgegen (so etwa Finanzgericht des Saarlandes, Beschluss vom 25.10.2002 1 K 352/02, m.w.N.). Dieser Weg birgt daher noch größere Risiken für den rechtlich unbewanderten Rechtsschutzsuchenden als die vorstehend erläuterte Verfahrensweise.

Indem der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Problematik die - ermäßigte - Kostentragungspflicht auch bei Rücknahme der Klage eingeführt hat, ohne zugleich Regelungen zu treffen, die dem rechtlich Unbewanderten deutlich vor Augen führen, in welcher Weise er vorzugehen hat, um nicht in diese "Kostenfalle" zu laufen, hat er eine Rechtslage entstehen lassen, deren Verfassungsmäßigkeit zweifelhaft erscheint. Denn nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz, dem als Landesverfassungsrecht im Freistaat Sachsen Art. 38 Satz 1 der Sächsischen Verfassung entspricht, hat der Rechtsschutzsuchende Anspruch auf tatsächlich und rechtlich wirkungsvollen Rechtsschutz gegen Akte aller öffentlichen Gewalt, hier also gegen die auf dem Finanzrechtsweg anzugreifenden Entscheidungen der Finanzverwaltung. Von einem solchen wirkungsvollen Rechtsschutz kann aber keine Rede sein, wenn dem wirtschaftlich (in Sinne des § 114 ZPO) bedürftigen Rechtsschutzsuchenden kein klarer Weg aufgezeigt wird, in welcher Weise er zunächst die Erfolgsaussichten seines Rechtsbehelfs gerichtlich überprüfen lassen kann, bevor er denselben mit der genannten Kostenfolge anhängig macht. Insoweit kann er auch nicht darauf verwiesen werden, sich außergerichtlichen Rechtsrat zu suchen. Denn das Beratungshilfegesetz gilt nach seinem § 2 nicht im Bereich des Steuerrechts. Zudem ist - wie gerichtskundig ist - selbst bei den einschlägigen Beratungsstellen, insbesondere auch bei den Sozialberatungen der karitativen Organisationen, die Kenntnis über den einzigen mit Sicherheit hilfreichen, vorstehend beschriebenen Verfahrensweg nicht allgemein verbreitet. Im Übrigen sind derartige außergerichtliche Beratungsmöglichkeiten ohnehin kein verfassungsrechtlich zureichender Ausgleich dafür, dass der Gesetzgeber bei der Neuschaffung einer Kostenlast die erforderliche Klarstellung zur Gewährleistung des tatsächlichen und rechtlich wirkungsvollen Rechtsschutzes für wirtschaftlich bedürftige Rechtssuchende unterlässt. Denn bei diesen Informationen handelt es sich im Lichte der genannten Verfassungsbestimmungen nicht um eine Holschuld des Rechtsschutzsuchenden, sondern um eine Bringschuld des Gesetzgebers.

Da es § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG ermöglicht, von der Erhebung der Gerichtskosten abzusehen, sieht es der beschließende Senat als verfassungsrechtlich geboten, aber auch hinreichend an, von dieser Vorschrift im entsprechenden Fall, wie er auch hier gegeben ist, Gebrauch zu machen, sodass sich eine Aussetzung des Erinnerungsverfahrens und eine Vorlage der vorstehend beschriebenen gesetzlichen Lage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit erübrigt.

Dass in derartigen Fällen die Unkenntnis des rechtlich nicht vorgebildeten Rechtsschutzsuchenden von dem einzig mit Sicherheit Erfolg versprechenden Weg, der beschriebenen Kostenfalle zu entgehen, regelmäßig unverschuldet ist, ergibt sich aus den vorstehenden Zusammenhängen (vgl. in dem selben Sinne Thüringer Finanzgericht, Beschluss vom 28.02.2005 II 7007/05 Ko, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 2005, 975 ff.). Gründe, beim Erinnerungsführer Abweichendes anzunehmen, liegen hier nicht vor.

Die vorliegende Entscheidung ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet ( § 66 Abs. 8 GKG).

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde nicht gegeben ( § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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