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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Beschluss verkündet am 15.10.2009
Aktenzeichen: 3 Ko 888/09
Rechtsgebiete: GKG, InsO
Vorschriften:
GKG § 1 Abs. 2 | |
GKG § 6 Abs. 1 | |
GKG § 22 Abs. 1 | |
GKG § 66 Abs. 1 | |
InsO § 41 Abs. 1 | |
InsO § 335 |
In dem Finanzrechtsstreit
...
hat der 3. Senat
gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG
am 15.10.2009
beschlossen:
Tenor:
1. Der Kostenansatz vom 27.08.2008 (KSB ) im Verfahren 4 K 693/08 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass eine Kostenschuld des Erinnerungsführers in Höhe von x Euro gegenüber der Gerichtskasse besteht.
3. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.
4. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I. Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Erhebung von Gerichtskosten im Verfahren 4 K 693/08 vor dem Sächsischen Finanzgericht.
Am 15.04.2008 erhob der Erinnerungsführer Untätigkeitsklage gegen das Finanzamt C mit dem Antrag, den Haftungsbescheid vom 11.01.2007, mit dem der Erinnerungsführer für Steuern und steuerliche Nebenleistungen i.H.v. Euro in Haftung genommen wurde, ersatzlos aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen. Nach Klageerhebung wurde in P am 16.05.2008 über das Vermögen des Erinnerungsführers ein Insolvenzverfahren eröffnet. Seit diesem Zeitpunkt ist das Klageverfahren gemäß § 240 ZPO, § 155 FGO, Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.05.2000 unterbrochen. Mit Verfügung vom 07.07.2008 wurde das Verfahren aus dem Prozessregister des Sächsischen Finanzgerichts gelöscht.
II. Unter dem 27.05.2008 erging an den Erinnerungsführer die Gerichtskostenrechnung KSB über vier Gebühren nach Nr. 6110 des Kostenverzeichnisses zum GKG aus dem Mindeststreitwert von 1.000 Euro, insgesamt also 220 Euro.
Unter dem 07.11.2008 erging an den Erinnerungsführer die Gerichtskostenrechnung KSB über vier Gebühren nach Nr. 6110 des Kostenverzeichnisses zum GKG aus einem Gegenstandswert i.H.v. Euro, also Euro, abzüglich des bereits mit der Gerichtskostenrechnung vom 27.05.2008 eingeforderten Betrages i.H.v. 220 Euro und damit über insgesamt Euro.
III. Mit Schreiben vom 30.03.2009 an die Landesjustizkasse Chemnitz wandte sich der Erinnerungsführer gegen die Gerichtskostenrechnung und bat, die Kostenentscheidung zu überprüfen, gegebenenfalls dieses Schreiben an das Sächsische Finanzgericht weiterzuleiten und zwar mit dem Antrag, diese Gerichtskosten zu erlassen bzw. von der Kostenfestsetzung Abstand zu nehmen.
Die Landesjustizkasse Chemnitz leitete das Schreiben der Kostenbeamtin des Sächsischen Finanzgerichts zu. Nachdem diese dem Begehren nicht abgeholfen hat, legte sie das Verfahren dem Kostensenat zur Entscheidung vor.
Wegen der Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
IV. Das Schreiben des Erinnerungsführers vom 30.03.2009 ist als Erinnerung gegen den Kostenansatz im Verfahren 4 K 693/08 auszulegen und als solche statthaft, § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG. Dies gilt auch dann, wenn der Erinnerungsführer eine Nichterhebung der Gerichtskosten i.S.v. § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG erreichen wollte. Ist bereits eine Kostenrechnung dem Erinnerungsführer zugegangen, so ist der Antrag auf Nichterhebung von Kosten nach § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG nach ständiger Rechtsprechung des BFH als Erinnerung i.S.v § 66 Abs. 1 GKG auszulegen (vgl. BFH-Beschluss v. 25.03.2008 - VIII E 1/08, BFH /NV 2008, 1185; v. 25.04.2006 - VIII E 2/06 BFH/NV 2006, 1335, m.w.N.)
Der zulässige Antrag ist begründet.
Die Kostenrechnung vom 07.11.2008 ist zwar dem Grunde und der Höhe nicht zu beanstanden. Allerdings durfte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Kostenansatz erfolgen.
1. Für Verfahren vor den Finanzgerichten werden die Kosten nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) erhoben, § 1 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Erinnerungsführer Kostenschuldner, da er das Verfahren vor dem Finanzgericht beantragt hat.
Gerichtskosten dürfen angesetzt werden, sobald der ihnen zugrunde liegende Entstehungstatbestand verwirklicht ist und die Kosten fällig geworden sind (vgl. BFH-Beschluss v. 04.07.1986 - VII E 3/85, BFH/NV 1987, 53). Beide Voraussetzungen liegen vor.
a) Die Verfahrensgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren (vgl. § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 6110 des Kostenverzeichnisses in der Anlage 1 zum GKG) ist mit Einreichung der Untätigkeitsklage am 15.04.2008 verwirklicht worden. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG wurde diese Gebühr zum selben Zeitpunkt auch fällig. Nach § 63 Abs. 1 Satz 4 GKG sind die Gebühren dabei jedoch zunächst vorläufig nach dem Mindeststreitwert gemäß § 52 Abs. 4 GKG, also von 1.000 Euro zu bemessen. Somit ergab sich zunächst eine fällige Verfahrensgebühr i.H.v. 220 Euro. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Verfahrens-gebühr bereits mit Einreichung der Klage in vollem Umfang verwirklicht worden ist.
b) Seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erinnerungsführers am 16.05.2008, die gemäß § 240 ZPO, § 155 FGO das Klageverfahren unterbrochen hat, gilt auch der 220 Euro übersteigende Teil der Verfahrensgebühr als fällig. Dies ergibt sich aus des § 41 Abs. 1 InsO.
Bei Unterbrechung des Verfahrens wird der 220 Euro übersteigende Teil der Verfahrensgebühr grundsätzlich erst nach Ablauf von sechs Monaten fällig, § 9 Abs. 2 Nr. 4 GKG, ohne dass es auf die Löschung im Prozessregister ankommt. § 9 Abs. 2 GKG regelt die Fälligkeit von Gebühren, soweit diese nicht bereits durch speziellere Vorschriften geregelt sind.
Im Falle der Insolvenz enthält die InsO mit § 41 Abs. 1 InsO eine Spezialregelung für noch nicht fällige Forderungen. Danach gelten Forderungen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens als fällig. Zwar handelt es sich vorliegend um ein ausländisches Insolvenzverfahren, so dass sich die Wirkungen gemäß § 335 InsO grundsätzlich nach dem Recht des Staats richten, in dem das Verfahren eröffnet worden ist. Allerdings ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften, dass § 41 Abs. 1 InsO - zumindest analog - auch im Fall eines ausländischen Insolvenzverfahrens anzuwenden ist.
Durch die Regelung des § 41 Abs. 1 InsO soll verhindert werden, dass die Gläubiger von noch nicht fälligen Forderungen durch die Abwicklung des Verfahrens benachteiligt werden, indem ihnen alle Mittel des Schuldners, die einer möglichen Befriedigung dienen könnten, ohne ihre Berücksichtigung entzogen werden (Blersch/Goetsch/Haas, InsO, § 41 Rn. 3). Die Vorschrift stellt eine Spezialregelung zu den allgemeinen Vorschriften über die Fälligkeit von Forderungen dar.
Nach § 335 InsO bezieht sich die Anwendung von ausländischem Recht auf das Insolvenzverfahren selbst und dessen Wirkungen. Dies hat nicht zur Folge, dass vom Insolvenzverfahren betroffene Forderungen nunmehr nach ausländischem Recht zu beurteilen wären. Nach ausländischem Recht bestimmt sich nur, ob eine Berücksichtigung im ausländischen Insolvenzverfahren in Betracht kommt, nicht jedoch, ob die Forderung entstanden und fällig ist. § 41 Abs. 1 InsO regelt allein die Fälligkeit und kommt daher als Spezialvorschrift zu § 9 Abs. 2 GKG auch bei ausländischen Insolvenzverfahren zur Anwendung.
Dem steht auch die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.05.2000 nicht entgegen. Artikel 4 Abs. 1 regelt - ebenso wie § 335 InsO -, dass, soweit die Verordnung nichts anderes bestimmt, für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird, anzuwenden ist. Abs. 2 der Vorschrift konkretisiert dies. Danach regelt das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist. Es regelt insbesondere, welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind und wie Forderungen zu behandeln sind, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen (Buchst. g). Die Auswirkungen auf die Fälligkeit sind nicht genannt.
Für eine Anwendung des § 41 Abs. 1 InsO auf die Verfahrensgebühr spricht letztlich auch Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.05.2000. Danach richten sich die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse ausschließlich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem der Rechtsstreit anhängig ist.
c) Ein Anlass, die Gerichtskosten gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht zu erheben, besteht nicht. Die Unterbrechung des Verfahrens tritt gemäß § 240 ZPO, § 155 FGO kraft Gesetzes ein. Die Austragung aus dem Prozessregister ist nur eine interne Verfahrenshandlung und berührt weder die Entstehung von Kosten, noch die Anhängigkeit des Rechtsstreits. Maßgeblich ist allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine unrichtige Sachbehandlung als Ursache scheidet aus.
d) Eine Nichterhebung der Kosten nach § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG kommt nicht in Betracht, da weder eine abweisende Entscheidung ergangen, noch eine Zurücknahme der Klage erfolgt ist.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Frage, wer Kostenschuldner der bereits im rechtshängigen Verfahren entstandenen und fälligen Verfahrensgebühr ist, unabhängig von der Frage zu beurteilen ist, wer nach Beendigung des Rechtszugs die Kosten des Verfahrens insgesamt oder teilweise zu tragen hat, vgl. dazu § 29 Abs. 1 Nr. 1 GKG.
2. Da jedoch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erinnerungsführers eröffnet war, durfte kein Kostenansatz in Form einer Kostenrechnung (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 KostVfg) mehr ergehen. Die Gerichtskosten stellen eine Insolvenzforderung dar, die nur im Wege der Anmeldung verfolgt werden kann.
Wie oben dargestellt, ist die Verfahrensgebühr bereits mit Klageerhebung und damit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Solche Forderungen sind auch nach tschechischem Insolvenzrecht durch Anmeldung zur Tabelle geltend zu machen ( Sicklinger, Das neue tschechische Insolvenzrecht aus der Sicht des deutschen Gläubigers, S. 130). Dies ergibt sich aus dem in § 109 Abs. 1 Buchst. a des tschechischen Insolvenzgesetzes geregelten Verbot der Klageerhebung und dem in § 5 Buchst. d des tschechischen Insolvenzgesetzes niedergelegten Grundsatz, dass die Gläubiger sich aller Handlungen enthalten müssen, die auf eine Befriedigung ihrer Forderungen außerhalb des Insolvenzverfahrens abzielen (vgl. hierzu Heidenhain/Pravda, ZIP 2008, 679/680).
Die Kostenschuld war daher lediglich festzustellen (vgl. Beschluss des OLG Frankfurt v. 25.09.2006 - 10 U 79/05, [...]; Beschluss des Thüringer Landesarbeitsgerichts v. 06.01.2005 - 1 Sa 43/02, [...]; dort jeweils sogar für Masseverbindlichkeiten nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit).
V. Das Verfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet, § 66 Abs. 8 GKG.
Ende der Entscheidung
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