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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 08.02.2006
Aktenzeichen: 4 K 1435/02
Rechtsgebiete: EStG, GG
Vorschriften:
EStG § 3 Nr. 45 | |
EStG § 4 Abs. 1 S. 2 | |
EStG § 4 Abs. 4 | |
GG Art. 3 Abs. 1 |
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 4. Senat unter Mitwirkung des Richters am Finanzgericht H als Vorsitzender des Richters am Finanzgericht G., des Richters am Amtsgericht S. der ehrenamtlichen Richterin Dr. B. des ehrenamtlichen Richters D. ohne mündliche Verhandlung am 8. Februar 2006
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht, ob die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft um einen privaten Anteil an den Telefonkosten zu erhöhen sind.
Der Kläger wendet sich gegen den mit Einspruchsentscheidung vom 10. Juni 2002 bestätigten Bescheid vom 4. Februar 2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2000. Der Beklagte hatte den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 2000 festgestellt i.H. von 3.495,00 DM unter Berücksichtigung eines im Einkommensteuerbescheid 2000 vom 4. Februar 2002 vorgenommenen Verlustabzuges i.H. von 6.653,00 DM. Im Einkommensteuerbescheid 2000 sind Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft i.H. von 19.555,00 DM angesetzt worden (vor Abzug des Freibetrages für Land- und Forstwirte gemäß § 13 Abs. 3 EStG). Demgegenüber hatte der Kläger die auf der Grundlage von Einnahme-Überschussrechnungen ermittelten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von insgesamt 19.494,00 DM erklärt (vgl. Anlage L zur ESt-Erklärung 2000). Die Erhöhung der Einkünfte für 2000 um 61,00 DM resultierte daraus, dass der Beklagte den Gewinn des Wirtschaftsjahres 2000/2001 um einen nicht angesetzten Privatanteil für die Nutzung des betrieblichen Telefons erhöht hatte. Der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1999/2000 ist hingegen unter Ansatz eines Privatanteiles ermittelt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die bei den Bilanzakten befindlichen Einnahme-Überschussrechnungen verwiesen.
Der Kläger macht geltend, seine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft seien nicht um einen Privatanteil an den Telefonkosten zu erhöhen: Gemäß § 3 Nr. 45 EStG seien ab 2000 die Vorteile des Arbeitnehmers aus der privaten Nutzung von betrieblichen Personalcomputern und Telekommunikationsgeräten steuerfrei gestellt. Die Vorschrift sei verfassungswidrig, soweit sie die Steuerbefreiung lediglich für Arbeitnehmer vorsehe, nicht aber für Gewerbetreibende, Selbständige sowie Land- und Forstwirte. Ein sachlicher Grund dafür bestehe nicht: Entscheide sich der Gesetzgeber, wie in § 3 Nr. 45 EStG geschehen, aus Gründen der Vereinfachung für die Steuerbefreiung der privaten Telefonnutzung, so würden Unternehmer durch die Beschränkung der Steuerbefreiung auf Arbeitnehmer in verfassungswidriger Weise diskriminiert, da bezogen auf den Vereinfachungszweck ein sachlicher Unterschied zwischen Arbeitnehmern und Unternehmern, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen könne, nicht exisitiere. Der Kläger bezieht sich auf ein von ihm vorgelegtes Rechtsgutachten vom 7. Juli 2002 der Privatdozentin Dr. J H zur Vereinbarkeit von § 3 Nr. 45 EStG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Bl. 11-29 dA).
Für den Fall, dass das Gericht § 3 Nr. 45 EStG für verfassungswidrig hält, regt der Kläger an, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.
Er beantragt,
den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2000 vom 4. Februar 2002 dahingehend zu ändern, dass ein verbleibender Verlustvertrag zum 31. Dezember 2000 i.H. von 3.615,00 DM festgestellt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die in § 3 Nr. 45 EStG vorgesehene Steuerbefreiung gelte nicht für Land- und Forstwirte, Gewerbetreibende und Selbständige. Der Ausschluss von Unternehmern von der Steuerbefreiung verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Der Beklagte bezieht sich unter anderem auf das BMF-Schreiben vom 6. Mai 2002 IV A 6 - S 2144 - 19/02 (vorgelegt als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 28. Oktober 2002, Bl. 38 dA; das BMF-Schreiben ist veröffentlicht in DStR 2002, 999). Wegen der weiteren Einzelheiten des Beklagtenvorbringens wird auf den Schriftsatz vom 28. Oktober 2002 verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht einen privaten Anteil an der Nutzung des betrieblichen Telefons einkünfteerhöhend angesetzt. Die auf die private Nutzung der betrieblichen Telefonanlage entfallenden Kosten können nicht als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG vom Gewinn des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft abgezogen werden; vielmehr ist insoweit der vorgenommene Betriebsausgabenabzug durch Ansatz einer Nutzungsentnahme wieder rückgängig zu machen, § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG. Eine Steuerbefreiung dieser Nutzungsentnahme ist im EStG nicht vorgesehen. § 3 Nr. 45 EStG - erstmals anwendbar für das Kalenderjahr 2000 - stellt lediglich Vorteile eines Arbeitnehmers aus der privaten Nutzung von betrieblichen Personalcomputern und Telekommunikationsgeräten steuerfrei, sieht aber eine entsprechende Befreiung des privaten Nutzungsanteils für Steuerpflichtige mit Gewinneinkunftsarten nicht vor. Die Vorschrift gilt mithin nicht für den Kläger, der kein Arbeitnehmer ist, sondern als selbständiger Landwirt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt.
Der in § 3 Nr. 45 EStG geregelte Ausschluss von Unternehmern von der Steuerbefreiung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt in der Beschränkung der Steuerbefreiung auf die privaten Nutzungsvorteile von Arbeitnehmern keine gleichheitssatzwidrige Privilegierung dieser Personengruppe gegenüber Unternehmern. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes setzt voraus, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72, 88, Beschluss vom 8. Juni 1993 1 BvL 20/85, BverfGE 89, 15, 22f.; Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Aufl. 1998, § 4 Rn. 73 zu FN 11). Dies lässt sich hier nicht feststellen:
Bereits aus Gründen der gesetzlichen Regelungssystematik erscheint zweifelhaft, ob § 3 Nr 45 EStG die Gruppe der Unternehmer im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG "anders behandelt" als die Gruppe der Arbeitnehmer: Entgegen der in dem Rechtsgutachten vertretenen Auffassung wird Unternehmern keine Steuerbefreiung vorenthalten (vgl. S. 12 des Gutachtens, Bl. 22 dA: ... "Vorenthaltung der Steuerbefreiung" ...). Vielmehr stellt § 3 Nr 45 EStG unter den dort beschriebenen Voraussetzungen lediglich Einnahmen von Arbeitnehmern aus nichtselbständiger Arbeit steuerfrei, nämlich Arbeitslohn in Form von Sachbezügen, resultierend aus der Überlassung der betrieblichen Telefonanlage zu privaten Zwecken (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 8 Abs. 2 EStG, § 2 Abs. 1 LStDV). Demgegenüber geht es im Bereich der Gewinneinkunftsarten bei der Nutzung der betrieblichen Telefonanlage zu privaten Zwecken nicht um die Steuerfreistellung von Betriebseinnahmen, die dem Unternehmer von dritter Seite zufließen, sondern um die Frage, in welchem Umfang die für die betriebliche Telefonanlage angefallenen Kosten als Betriebsausgaben den Gewinn mindern dürfen bzw. als gewinneutrale Entnahmen zu behandeln sind, § 4 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG.
Doch auch wenn man die Regelung in § 3 Nr. 45 EStG als eine Ungleichbehandlung von Unternehmern gegenüber Arbeitnehmern ansieht (wegen der unterschiedlichen Auswirkungen eines vergleichbaren Lebenssachverhaltes auf die Höhe des zu versteuernden Einkommens), ist eine solche unterschiedliche steuerliche Behandlung von Arbeitnehmern und Unternehmern aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage bei beiden Personengruppen sachlich gerechtfertigt: Der Arbeitgeber hat gegenüber dem Arbeitnehmer regelmäßig ein Interesse daran, die private Mitbenutzung betrieblicher Telekommunikationseinrichtungen einzuschränken. Dieser natürliche Interessengegensatz fehlt jedoch beim Unternehmer selbst. Folglich würde eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 3 Nr. 45 EStG auf Steuerpflichtige mit Gewinneinkunftsarten die Möglichkeit eröffnen, gezielt private Aufwendungen in den steuerlich relevanten betrieblichen Bereich zu verlagern und auf diese Weise ungerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen. Der Arbeitnehmer hat diese Möglichkeit nicht, zumal er zunächst auf die Erlaubnis seines Arbeitgebers zur unentgeltlichen privaten Mitbenutzung der Telekommunikationsanlagen angewiesen ist (ebenso: FG Münster, Urteil vom 17. August 2005 12 K 3383/03 E,EFG 2006, 21f.; BMF-Schreiben vom 6. Mai 2002 IV A 6 - S 2144 - 19/02, DStR 2002, 999; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, 4. Aufl. 2004, § 3 Rn. 153; Bergkemper, in: Hermann/Heuer/Raupach, § 3 Rn. 45 Rn. 2; an der Verfassungsmäßigkeit von § 3 Nr. 45 EStG zweifelnd: Schmidt/Heinicke, EStG, 24. Aufl. 2005, § 3 "Arbeitsmittelgestellung"; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 45 Rn. B 45/15).
Überdies ist das Klagebegehren übersetzt und die Klage insoweit bereits aus diesem Grunde unbegründet, soweit der Kläger beantragt hat, den verbleibenden Verlustabzug um 120,00 DM höher als bislang festzustellen (auf 3.615,00 DM gegenüber 3.495,00 DM in dem angefochtenen Feststellungsbescheid): Der Beklagte hat die vom Kläger erklärten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft um lediglich 61,00 DM erhöht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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