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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 15.11.2007
Aktenzeichen: 4 K 17/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 31
EStG § 32 Abs. 6 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

4 K 17/05

Einkommensteuer 2003

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 4. Senat

unter Mitwirkung

der Vorsitzenden Richterin am Finanzgericht K

des Richters am Finanzgericht H

des Richters am Finanzgericht G

der ehrenamtlichen Richter B und B

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 15.11.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreites.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I. Streitig ist, ob der Mehrbedarf der auswärtig untergebrachten Tochter J bei der Einkommensteuerfestsetzung 2003 gegenüber den zusammenveranlagten Klägern angemessen berücksichtigt wurde. Streitig ist hierbei, ob die Günstigerprüfung nach § 31 EStG zu zutreffenden Ergebnissen führt und ob der Sonderbedarf nach § 33 a Abs. 2 EStG vom Gesetzgeber ausreichend bemessen wurde.

Die Kläger (Kl.) sind die Eltern der am 06.01.1981 und am 10.06.1990 geborenen Kinder J und D . Das Kind J absolvierte im Streitjahr ein Studium an der Universität J und ist auswärtig untergebracht. Das Kind D wohnte im Streitjahr zuhause.

Mit dem teilweise vorläufigen Bescheid vom 17.05.2004 setzte der Beklagte (Bekl.) die Einkommensteuer für 2003 in Höhe von 10.015 EUR fest. Die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes J wurde im Streitjahr durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt. Außerdem berücksichtigte das Finanzamt Ausbildungskosten nach § 33 a Abs. 2 EStG in Höhe von 924 EUR. Eine Kürzung unterblieb insoweit, da keine Leistungen aus öffentlichen Mitteln (z.B. nach dem BAföG) bezogen wurden. Die Tochter J hatte im Streitjahr keine Einkünfte und Bezüge. Ein Kinderfreibetrag und ein Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf nach § 32 Abs. 6 EStG wurden aufgrund der sog. Günstigerprüfung nach § 31 EStG nicht berücksichtigt. Die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes D wurde im Streitjahr ebenfalls durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 17.05.2004 legten die Kl. Einspruch ein. Durch den Wegfall des Ausbildungsfreibetrages nach § 33 a Abs. 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2002 seien sie - auch unter Berücksichtigung des höheren Kindergeldes / Kinderfreibetrages - gegenüber dem Vorjahr benachteiligt. Mit der Entscheidung vom 07.12.2004 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kl. sind im Hinblick auf die frühere Regelung in § 33 a Abs. 2 Nr. 2 EStG a.F. der Auffassung, dass die Einkommensteuerfestsetzung 2003 rechtswidrig sei, soweit der ausbildungsbedingte Aufwand der Kl. nicht durch Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages für die Tochter J in Höhe von 2.148 EUR ausgeglichen worden sei. Die §§ 31, 32 Abs. 6, 33 a Abs. 2 EStG i.d.F. des 2. Gesetzes zur Familienförderung vom 16.08.2001 verletzten die Grundrechte der Kl. aus Art. 1 i.V.m. Art. 20, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Sie seien damit verfassungswidrig. In ihrer für das Streitjahr geltenden Fassung führten sie bei den Kl. zu einer durch den Beschluss des 2. Senates des Bundesverfassungsgerichtes vom 10.11.1998 (BVerfGE 99, 216 ff.) nicht gebotenen steuerlichen Benachteiligung. Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2001 sei in § 33 a Abs. 2 EStG a.F. ein Ausbildungsfreibetrag für den Ausbildungsbedarf von Kindern geregelt gewesen. Danach hätten die Kl. für ihr auswärtig untergebrachtes studierendes Kind J auf Antrag einen Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 2.148 EUR vom Gesamtbetrag ihrer Einkünfte abziehen können. Im Vergleich zu der vom Bekl. festgesetzten Einkommensteuer 2003 wäre die Einkommensteuer bei Berücksichtigung des früheren Ausbildungsfreibetrages um 390 EUR niedriger gewesen. Aufgrund der Erhöhung des Kindergeldes für die Tochter um mtl. 15,95 EUR sei von diesem Differenzbetrag noch ein Jahresbetrag von 191,40 EUR in Abzug zu bringen. Daraus folge eine steuerliche Schlechterstellung der Kläger in Höhe von 198,60 EUR.

Mit Beschluss vom 10.11.1998 habe das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert, die ausreichende Bedarfssicherung eines Kindes durch steuerliche Freistellung des Betreuungs- und Erziehungsbedarfes herbeizuführen. Der Gesetzgeber habe daraufhin in § 32 Abs. 6 EStG mit dem 2. Gesetz zur Familienförderung erstmals einen einheitlichen Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Höhe des bisher höchstmöglichen Ausbildungsfreibetrages eingeführt. Die ab dem Veranlagungszeitraum 2002 bestehende Neuregelung des § 33 a Abs. 2 EStG erkenne demgegenüber zugunsten der Kl. als außergewöhnliche Belastung nur noch einen Sonderbedarf für die Ausbildung bei volljährigen Kindern, die sich in der Berufsausbildung befänden und auswärtig untergebracht seien. Der Ausbildungsbedarf eines Kindes werde damit nur noch in einem einheitlichen Freibetrag gemäß § 32 Abs. 6 EStG berücksichtigt. Dieser erfasse sowohl den Aufwand für die Betreuung, als auch für Erziehung oder Ausbildung. Damit habe der Gesetzgeber in unzulässiger Weise den Ausbildungsbedarf und den Existenz- und Betreuungsbedarf gleichgesetzt. Eine Notwendigkeit zur Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung des Ausbildungsbedarfes, insbesondere zur Streichung des Ausbildungsfreibetrages und einheitlichen Regelung mit dem Betreuungs- und Erziehungsbedarf in einem vereinheitlichten Gesamtfreibetrag habe nicht bestanden. Die Verknüpfung in einem einheitlichen Tatbestand habe zu einer Verschlechterung der steuerlichen Situation geführt, für die die Gesetzesbegründung keine sachlichen Argumente enthalte. Der Ausbildungsbedarf der Tochter J sei damit vom Bekl. im Streitjahr 2003 in die Vergleichsrechnung gemäß § 31 EStG einbezogen worden.

Da Eltern ab dem Veranlagungszeitraum 2002 erst ab einem Steuersatz von ca. 31% mit einer steuerlich günstigen Auswirkung des Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf rechnen können, werde es folglich vielfach - wie vorliegend bei den Kl. - dabei bleiben, dass die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Ausbildungsbedarfes eines Kindes durch das im laufenden Jahr bereits gezahlte Kindergeld bewirkt werde. Nachteilig sei dies für Eltern - wie die Kl. - dann, wenn der Ausbildungsbedarf des Kindes in die Vergleichsrechnung einbezogen werde. Zwar bestehe seit dem Veranlagungszeitraum 2002 außerhalb der Vergleichsrechnung nach § 31 Satz 4 EStG Anspruch auf einen ausbildungsbedingten Sonderbedarf gemäß § 33 a Abs. 2 EStG in Höhe von 924 EUR, der den Kl. vorliegend auch gewährt worden sei. Bis zum Veranlagungszeitraum 2001 sei hingegen außerhalb des Familienleistungsausgleiches ein Ausbildungsfreibetrag von umgerechnet 2.148 EUR als außergewöhnliche Belastung normiert gewesen. Die Höhe des gemäß § 33 a Abs. 2 EStG zu berücksichtigenden Sonderbedarfes sei zu gering bemessen. Der tatsächliche Sonderbedarf für die auswärtige Unterbringung eines volljährigen Kindes in der Berufsausbildung werde mit einem Monatsbetrag von 77 EUR nicht realitätsgerecht berücksichtigt. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG betrage der monatliche Bedarf von Studierenden 333 EUR mtl.. Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG erhöhe sich dieser Betrag im Falle auswärtiger Unterbringung um einen monatlichen Mehrbedarf von 133 EUR. Unter Berücksichtigung des für die Tochter J ausgezahlten Kindergeldes (1.848 EUR) käme man zusammen mit dem Freibetrag nach § 33 a Abs. 2 EStG (924 EUR) insgesamt auf eine steuerliche Entlastung von 2.772 EUR, was einem monatlichen Betrag von 231 EUR entspreche. Dieser Betrag liege weit unterhalb des tatsächlichen Ausbildungsbedarfes der Tochter J . Bereits der monatliche BAföG - Satz mit 466 EUR ergebe einen rechnerischen Jahresbedarf von 5.592 EUR.

Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG folge das verfassungsrechtliche Gebot, dem Steuerpflichtigen das Einkommen zu belassen, das er zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötige. Bei der Besteuerung der Familie gelte dies unter zusätzlicher Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG für das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder. Bei der Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit müsse der Staat daher den Unterhaltsaufwand für Kinder des Steuerpflichtigen in dem Umfange als besteuerbares Einkommen außer Betracht lassen, in dem dieses zur Gewährleistung des Existenzminimums des Kindes erforderlich sei. Das Existenzminimum bemesse sich an dem Bedarf, nicht am tatsächlichen Aufwand. Der Gesetzgeber dürfe bei der steuerlichen Berücksichtigung zwangsläufiger Unterhaltsaufwendungen nicht realitätsfremde Grenzen ziehen.

Die Besteuerung sei an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Soweit diese durch Unterhaltsaufwendungen gemindert sei, dürfe eine Besteuerung nicht ohne Berücksichtigung dieser unvermeidbaren Belastung erfolgen. Lediglich das disponible Einkommen unterliege der Besteuerung. Dem werde die Regelungskonzeption der §§ 31, 32 Abs. 6, 33 a Abs. 2 EStG nicht gerecht. Im Schriftsatz vom 12.11.2007 führte der Klägervertreter hierzu ergänzend aus: Hätten Leistungen nach dem BaföG zugestanden, wären im Ergebnis 2.796 EUR / Jahr zugeflossen (monatlich 466 EUR gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 BaföG ./. 233 EUR Darlehensanteil nach § 17 Abs. 2 BaföG). Dies zeige, dass die in den §§ 31, 32 Abs. 6, 33 a Abs. 2 EStG normierte steuerliche Entlastung unzureichend sei.

Aus den Entscheidungen des BFH vom 11.03.2003 VIII R 76/02, vom 19.05 2004 III R 55/03. undvom 17.08.2004 III B 121/03 sowie aus dem Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 06.05.2004 2 BvR 1375/03 ergebe sich für den Streitfall entgegen der Auffassung des Bekl. nichts anderes: Gegenstand dieser Entscheidungen war lediglich die Frage, ob § 32 Abs. 6 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Familienförderung vom 22.12.1999 , mit dem neben dem Kinderfreibetrag für den Veranlagungszeitraum 2000 und 2001 ein weiterer Betreuungsfreibetrag eingeführt wurde, verfassungsgemäß ist, obwohl das Kindergeld nicht entsprechend erhöht worden war. Die Einwände der dortigen Kläger beschränkten sich im Ergebnis auf eine zu geringe Anhebung des Kindergeldes. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens seien demgegenüber die Fragen, ob die Zusammenfassung des Ausbildungsfreibetrages in einen einheitlichen Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in § 32 Abs. 6 EStG und die Höhe des Sonderbedarfes in § 33 a Abs. 2 EStG mit dem Grundgesetz in Einklang stehe. Es werde als verfassungswidrig angesehen, dass ohne zwingende Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes und ohne sachlichen Grund vom Gesetzgeber durch das 2. Gesetz zur Familienförderung vom 16.08.2001 der Ausbildungsfreibetrag für auswärtig untergebrachte Kinder in die sog. Günstigerprüfung einbezogen worden sei und daneben nur noch ein (zu geringer) Sonderbedarf berücksichtigt werde.

Der Kl.vertreter beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 17.05.2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.12.2004 dahingehend abzuändern, dass bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2003 ein weiterer Ausbildungsbedarf in Höhe von 2.148 EUR berücksichtigt wird;

hilfsweise das Verfahren auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über die Verfassungsmäßigkeit der §§ 31, 32 Abs. 6, 33 a Abs. 2 EStG einzuholen;

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt

Klageabweisung.

Der Bekl. ist der Auffassung, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, dass ab dem Jahr 2000 bei der sog. Günstigerprüfung gemäß § 31 EStG dem gezahlten Kindergeld der Kinderfreibetrag und der neu eingeführte Betreuungsfreibetrag gegenübergestellt werde. Dies folge aus der Entscheidung des BFH vom 11.03.2003 VIII R 76/02. Die gegen die BFH-Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1375/03 sei vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 06.05.2004 nicht zur Entscheidung angenommen worden. Das Bundesverfassungsgericht stelle in seiner Entscheidung klar, dass das mit Wirkung zum 01.01.2000 in Kraft getretene Gesetz zur Familienförderung vom 22.12.1999, mit dem der sogenannte Betreuungsfreibetrag eingeführt worden sei, dem verfassungsrechtlichen Gebot der steuerlichen Verschonung des Familienexistenzminimums genüge. Der Bundesfinanzhof habe diese Rechtsauffassungmit Urteil vom 19.05.2004 III R 55/03 sowiemit Beschluss vom 17.08.2004 III B 121/03 bestätigt. Der Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über die Verfassungsmäßigkeit der §§ 31, 32 Abs. 6, 33 a Abs. 2 EStG bedürfe es daher nicht.

Im übrigen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II. 1. Die Klage ist nicht begründet. Die Einkommensteuerfestsetzung 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Kl. nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Für das volljährige Kind J , das sich im Streitjahr in Berufsausbildung befand und auswärtig untergebracht war, hat der Bekl. den Freibetrag gemäß § 33 a Abs. 2 Satz 1 EStG zutreffend in Höhe von 924 EUR berücksichtigt. Der Freibetrag gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Höhe von 2.160 EUR konnte im Streitfall nicht gewährt werden, weil die Entlastung durch das Kindergeld nach der Günstigerrechnung des § 31 EStG für die Kl. vorteilhafter war.

Dem einheitlichen Freibetrag des § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes liegt ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14 / 6160, Seite 11) die Überlegung zugrunde, dass die einzelnen Bedarfe im Laufe des Berücksichtigungszeitraumes eines Kindes jeweils unterschiedlichen Raum einnehmen: Während am Anfang typischerweise der Betreuungsbedarf überwiegt, wird dieser mit zunehmenden Alter immer mehr durch den Erziehungsbedarf und später durch den Ausbildungsbedarf verdrängt. Dabei typisiert der Gesetzgeber im Rahmen des Familienleistungsausgleiches den Bedarf, der unabhängig von tatsächlich entstandenen Aufwendungen steuerlich berücksichtigt wird (vgl. dazu Heuermann in Blümich, Kommentar zum EStG, § 32 Rn. 180 m.w.N.). Mit dem in § 32 Abs. 6 EStG in Höhe von 3.648 EUR für das sächliche Existenzminimum vorgesehenen Kinderfreibetrag und dem dort in Höhe von weiteren 2.160 EUR vorgesehenen Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf hat der Gesetzgeber keine unzulässige Typisierung vorgenommen (ebenso Jachmann in Kirchhof / Söhn, Kommentar zum EStG, § 32 Rn. A 91). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass im Zusammenhang mit den vorgenannten Freibeträgen nach der sog. "Günstigerprüfung" im Rahmen des § 31 EStG die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfs entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld bewirkt wird (vgl. dazu BFH, Urteil vom 11.03.2003 VIII R 76/02, BFH/NV 2003, 1303 und Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 06.05.2004 2 BvR 1375/03 für den Veranlagungszeitraum 2000).

Auch der Freibetrag nach § 33 a Abs. 2 EStG in Höhe von 924 EUR zur Abgeltung des Sonderbedarfes eines sich in Ausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Zwar bilden 924 EUR / Jahr (= 77 EUR / Monat) den tatsächlichen Sonderbedarf, der aus der auswärtigen Unterbringung eines in Berufsausbildung befindlichen Kindes erwächst, für sich genommen nicht realitätsgerecht ab. Eine isolierte Prüfung der Verfassungsmäßigkeit scheidet indes diesbezüglich von vornherein aus: § 33 a Abs. 2 EStG lässt sich nur als Komponente im Familienleistungsausgleich würdigen. Zudem entscheidet der Gesetzgeber über die Verschonung der privaten Einkommensverwendung für Ausbildungskosten in erweiterter Gestaltungsfreiheit. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass Unterhaltsleistungen, die einem Kind eine berufliche Ausbildung mit einer auswärtigen Unterbringung ermöglichen sollen, nicht zum (Familien-) Existenzminimum gehören, weil sie nicht der Existenzsicherung im engeren Sinn, d.h. der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins, dienen (ebenso BFH, Urteil vom 15.05.1997 III R 4/96, BStBl II 1997, 720, mit weiteren Nachweisen). Zum anderen sind bei der Ermittlung der Grenze, die dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der steuerlichen Behandlung von Unterhaltszahlungen zum Zwecke der Ausbildung insbesondere durch das Sozialstaatsgebot und die Grundsätze der Steuergerechtigkeit gezogen wird und bei deren Überschreitung die einkommensteuerliche Behandlung von Ausbildungsaufwendungen zu beanstanden wäre, die hohen Aufwendungen der öffentlichen Haushalte für den Bildungsbereich zu berücksichtigen, aufgrund derer den Eltern ihre finanzielle Verantwortung für die Ausbildung ihrer Kinder bereits zu einem Teil zu Lasten der Allgemeinheit abgenommen ist: Je mehr der Staat die Kosten einer qualifizierten Ausbildung der nachfolgenden Generation unmittelbar selbst übernimmt und z.B. Schulen und Hochschulen einrichtet und deren - weitgehend - kostenlose Benutzung gestattet und je mehr der Staat dadurch seiner sozialstaatlichen Verantwortung nachkommt, um so eher ist er deshalb von Verfassungs wegen berechtigt, nicht zusätzlich Steuerverzicht mit Rücksicht auf private Ausbildungsinvestitionen zu üben, und umgekehrt (vgl. Hufeld in Kirchhof / Söhn, Kommentar zum EStG, § 33 a Rn. C 2 unter Hinweis auf BFH, Urteil vom 15.05.1997 III R 4/96, a.a.O.). Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung bewegt sich der Freibetrag des § 33 a Abs. 2 EStG der Höhe nach noch innerhalb der zulässigen Typisierung (a. A. wohl Kanzler, FR 2001, 921, 938). Die Voraussetzungen nach Art. 100 Abs. 1 GG für eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht sind daher nicht erfüllt. Der Klage war mithin der Erfolg zu versagen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da bisher - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung dazu vorliegt, ob durch § 33 a Abs. 2 EStG in der ab dem Veranlagungszeitraum 2002 geltenden Fassung die horizontale Steuergerechtigkeit verletzt wird (vgl. dazu auch Kanzler, a.a.O.).

Ende der Entscheidung

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