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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 13.08.2009
Aktenzeichen: 4 K 2106/04
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 110 Abs. 3
AO § 122 Abs. 2
AO § 351 Abs. 1
AO § 362 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 4. Senat

durch

Richter am Finanzgericht G als Berichterstatter

gemäß § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Finanzgerichtsordnung

ohne mündliche Verhandlung

am 13.08.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger macht die Unwirksamkeit einer Einspruchsrücknahme geltend und wendet sich in der Sache gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 12.05.2000, in dem sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (Veräußerung von Wertpapieren) gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG i.H. von 128.788 DM der Besteuerung unterworfen worden waren.

Am 10.04.2000 erließ das damals zuständige Finanzamt L den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1998 (festgesetzte Einkommensteuer: 34.892 DM). Der Klägervertreter beantragte mit Schreiben vom 20.04.2000 eine schlichte Änderung dieses Bescheides und begehrte den Abzug bislang unberücksichtigter Spenden und Steuerberatungskosten als Sonderausgaben (vgl. Rechtsbehelfsakte Bl. 8). Das Finanzamt entsprach diesem Antrag und erließ am 12.05.2000 einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid (festgesetzte Einkommensteuer: 33.408 DM). Gegen den Änderungsbescheid hatte der Klägervertreter Einspruch eingelegt. Er wandte sich aus verfassungsrechtlichen Gründen gegen die Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften und beantragte das Ruhen des Einspruchsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem seinerzeit beim BFH anhängigen Revisionsverfahren IX R 62/99 (vgl. Einspruchsschreiben vom 31.05.2000, Rechtsbehelfsakte Bl. 28). Mit Schreiben vom 13.06.2000 (vgl. Rechtsbehelfsakte Bl. 29) teilte das FA L dem Klägervertreter mit, der ursprüngliche Bescheid vom 10.04.2000 habe nur punktuell, im Rahmen des gestellten Antrages auf schlichte Änderung, überprüft und ggf. geändert werden dürfen. Hinsichtlich der nicht vom Änderungsantrag betroffenen Positionen, insbesondere hinsichtlich der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften, sei der Einkommensteuerbescheid unanfechtbar geworden. Gemäß § 351 Abs. 1 AO könne der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 12.05.2000, der den unanfechtbaren Bescheid vom 10.04.2000 ändere, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reiche, eine Änderung sei nur noch hinsichtlich der Steuerberatungskosten möglich. Der restliche Bescheidinhalt könne nicht mehr angegriffen werden und der Einspruch müsse als unzulässig verworfen werden. Der Klägervertreter wurde gebeten, die Erfolgsaussichten des Einspruches unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zu überprüfen und ggf. auch eine Rücknahme in Betracht zu ziehen. Zum 01.07.2000 ging infolge der Auflösung des Finanzamtes L die Zuständigkeit auf den Beklagten über. Mit am gleichen Tag beim Beklagten eingegangenen Schreiben vom 25.07.2000 hat der Klägervertreter den Einspruch zurückgenommen (Rechtsbehelfsakte Bl. 31). Am 28.12.2001 erging ein gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderter Bescheid für das Streitjahr (Rechtsbehelfsakte Bl. 34, festgesetzte Einkommensteuer: 33.303 DM). Mit am 24.03.2004 beim Beklagten eingegangenem Schreiben vom 22.03.2004 (vgl. Rechtsbehelfsakte Bl. 38f.) machten die Prozessbevollmächtigten die Unwirksamkeit der am 25.07.2000 erklärten Einspruchsrücknahme geltend mit der Begründung, die Rücknahme sei durch eine unrichtige Belehrung des FA L über die Zulässigkeit des Einspruches im Schreiben vom 13.06.2000 bewirkt worden. Sie begehrten die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens und eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung nach Maßgabe des BVerfG-Urteils vom 09.03.2004 2 BvL 17/02, mit dem § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für 1997 und 1998 geltenden Fassung als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und damit nichtig erklärt wurde, soweit er die Veräußerung von Wertpapieren betraf. Im Anschluss an eine Unterredung beim Beklagten am 23.06.2004, an der neben der zuständigen Sachbearbeiterin des Veranlagungsteilbezirkes der Kläger und die Prozessbevollmächtigte teilgenommen hatten, legte die Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 26.06.2004 ihre Auffassung zur Sach- und Rechtslage dar und teilte mit, für Rückfragen sowie Gespräche zur Klärung der Rechtslage zur Verfügung zu stehen (vgl. Rechtbehelfsakte Bl. 48f.). Mit Entscheidung vom 17.08.2004 hat der Beklagte den Einspruch als unzulässig verworfen. Auf die Gründe der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen (Rechtsbehelfsakte Bl. 50 ff.).

Im Klageverfahren begehrt der Kläger Aufhebung der Einspruchsentscheidung sowie Herabsetzung der festgesetzten Einkommensteuer für das Streitjahr auf 0 EUR - ohne Berücksichtigung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H. von 128.788 DM, deren steuerliche Erfassung im Hinblick auf das BVerfG-Urteil vom 09.03.2004 nicht statthaft sei. Die Einspruchsentscheidung sei aufzuheben, weil vor deren Erlass in verfahrensfehlerhafter Weise die beantragte Erörterung des Sach- und Rechtstandes nach § 364a AO nicht stattgefunden habe. Der Beklagte habe zu Unrecht den Einspruch als unzulässig verworfen: Die Einspruchsrücknahme sei unwirksam, weil sie durch eine unzutreffende Auskunft des Finanzamtes hinsichtlich der Anwendung von § 351 Abs. 1 AO und folglich über die Erfolgsaussichten des Einspruches verursacht worden sei. Die Unwirksamkeit der Rücknahme habe hier noch im März 2004 geltend gemacht werden können. Zu diesem Zeitpunkt sei die in entsprechender Anwendung von § 110 Abs. 3 AO maßgebliche Jahresfrist (§ 362 Abs. 2 Satz 2 AO) noch nicht abgelaufen gewesen, diese Frist habe erst mit Erlass des BVerfG-Urteils vom 09.03.2004 zu laufen begonnen. Der Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme stehe nicht entgegen, dass die Finanzbehörde ihre unrichtige Auskunft gegenüber dem steuerlichen Berater des Klägers erteilt habe. Denn im hier einschlägigen Fall der unzutreffend dargestellten Anwendung von § 351 Abs. 1 AO seien die Gesetzeslage und deren Anwendung unübersichtlich. Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten vom 28.10.2004 und 20.01.2005.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2004 den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 12.05.2000 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 28.12.2001 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer i.H. von 0 EUR festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Verzicht auf ein Erörterungsgespräch gemäß § 364a AO vor Erlass der Einspruchsentscheidung sei nicht verfahrensfehlerhaft; doch sei ein derartiger Verfahrensfehler, selbst wenn er vorläge, wegen § 127 AO unerheblich. Der Einspruch sei zu Recht als unzulässig verworfen worden, weil der Einspruch wirksam zurückgenommen worden sei. Die im Schreiben des Finanzamts vom 13.06.2000 vertretene Rechtsauffassung sei zwar verfahrensrechtlich fehlerhaft, was aber nicht zur Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme führe. Denn der Kläger sei während des gesamten Verfahrens durch einen Steuerberater vertreten gewesen, der auch den Einspruch zurückgenommen habe. Der Steuerberater habe ungeachtet der vom FA geäußerten Rechtsauffassung selbständig die Sach- und Rechtslage zu überprüfen und nicht allein auf die vom Finanzamt geäußerte Rechtsansicht vertrauen dürfen. Ein berufsmäßiger Vertreter müsse das (Verfahrens-) Recht kennen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die hier relevante verfahrensrechtliche Frage bereits vom BFH entschieden worden sei (z.B. BStBl II 1981, 5). Schließlich sei die Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme erst nach Ablauf der Jahresfrist gemäß § 362 Abs. 2 Satz 2, § 110 Abs. 3 AO geltend gemacht worden, die bereits mit der Rücknahmeerklärung zu laufen begonnen habe. Wegen der Einzelheiten des Beklagtenvorbringens wird auf die Schriftsätze vom 06.12.2004 und 23.02.2005 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsätze der Klägervertreter und des Beklagten vom 23.11.2004 und 06.12.2004, Bl. 32, 35 dA).

Entscheidungsgründe:

Die Klage, die sich im Ergebnis einer sachdienlichen Auslegung lediglich gegen die Einkommensteuerfestsetzung, nicht jedoch gegen die nicht gesondert anfechtbaren Annexforderungen (Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) richtet, ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 12.05.2000 als unzulässig verworfen. Folglich steht die eingetretene Bestandskraft der Steuerfestsetzung der vom Kläger begehrten Herabsetzung der Einkommensteuer entgegen.

Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 12.05.2000 ist unzulässig, weil der Klägervertreter den Einspruch am 25.07.2000 zurückgenommen hat. Die Rücknahme hatte den Einspruchsverlust zur Folge, § 362 Abs. 2 Satz 1 AO, weshalb die klägerseitig begehrte Fortführung des Rechtsbehelfsverfahrens nicht in Betracht kam. Die Einspruchsrücknahme war auch wirksam. Entgegen klägerischer Auffassung führte die im Schreiben des Finanzamts L vom 13.06.2000 vertretene Rechtsauffassung nicht zu einer Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung. Zwar kann die Rücknahme eines Einspruchs unwirksam sein, wenn sie durch bewusste Täuschung, Drohung, bewusst falsche Auskunft oder mittels rechtlich unzutreffender Erwägungen, insbesondere gegenüber rechtsunkundigen Steuerpflichtigen, veranlasst worden ist (BFH-Urteil vom 29.06.2005 II R 21/04, BFH/NV 2005, 1964). Hiervon kann im Streitfall jedoch keine Rede sein:

Vor dem Hintergrund, dass die Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme nur in krassen Fällen unzulässiger Einwirkung auf die Willensbildung des Steuerpflichtigen in Betracht kommt (BFH-Urteil vom 29.06.2005 II R 21/04, BFH/NV 2005, 1964), lässt sich bereits nicht feststellen, dass die im behördlichen Schreiben vom 13.06.2000 vertretene Rechtsauffassung offensichtlich unzutreffend im vorgenannten Sinne war. Allerdings war die dort geäußerte Auffassung, der Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 12.05.2000 sei unzulässig, weil hinsichtlich der vom Antrag auf schlichte Änderung des ursprünglichen Bescheids vom 10.04.2000 nicht betroffenen Einkünfte aus Wertpapierveräußerungen die Einkommensteuerfestsetzung unanfechtbar geworden sei und der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 12.05.2000 insoweit wegen § 351 Abs. 1 AO nicht mehr angegriffen werden könne, im vorliegenden Kontext jedenfalls unvollständig: Wird ein noch nicht bestandskräftiger Bescheid geändert, so können unabhängig von § 351 Abs. 1 AO alle gegen den vorhergehenden Bescheid möglichen Einwendungen im Verfahren gegen den Änderungsbescheid vorgebracht werden (vgl. BFH-Urteil vom 10.07.1980 IV R 11/78, BStBl II 1981, 5). Eine solches uneingeschränktes Einwendungsrecht kam hier hinsichtlich des Änderungsbescheides vom 12.05.2000 in Betracht, da dieser gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am 15.05.2000 als bekannt gegeben gilt und am gleichen Tag die einmonatige Einspruchsfrist gegen den ursprünglichen Bescheid vom 10.04.2000 abgelaufen war - die Einspruchsfrist gegen den am 13.04.2000 als bekannt gegeben geltenden Ursprungsbescheid vom 10.04.2000 endete mit Ablauf des 15.05.2000 (einem Montag, da das reguläre Fristende auf den 13.05.2000, einen Samstag, gefallen war, § 108 Abs. 3 AO). Ob man angesichts des hier vorliegenden besonderen Umstandes, dass am gleichen Tag , am 15.05.2000, die Bekanntgabefiktion eingetreten und die Einspruchsfrist abgelaufen sind, noch zweifelsfrei davon ausgehen kann, die Einspruchsfrist gegen den ursprünglichen Bescheid sei bei Bekanntgabe des Änderungsbescheides noch nicht abgelaufen gewesen, sei dahingestellt. Jedenfalls aber kann unter diesen besonderen Umständen die Rechtsauffassung des Finanzamtes, der ursprüngliche Bescheid sei bei Bekanntgabe des Änderungsbescheides unanfechtbar geworden, nicht als offensichtlich unzutreffend in einem derartigen Maße angesehen werden, dass sich die Annahme einer Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme darauf stützen ließe.

Der geltend gemachten Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme steht außerdem entgegen, dass die Rücknahmeerklärung nicht durch die Finanzbehörde veranlasst war. Denn vorliegend wurde die Rücknahme durch den Prozessbevollmächtigten erklärt, einen Steuerberater, mithin eine rechts- bzw. sachkundige Person. In einem derartigen Fall hat eine vorausgegangene objektiv unrichtige Auskunft oder Beurteilung der Rechtslage durch das Finanzamt auf die Wirksamkeit der Rücknahme keinen Einfluss. Eine unzulässige Einwirkung des Finanzamts auf die Entschließungsfreiheit des Einspruchsführers scheidet in diesem Fall aufgrund der Sachkunde des steuerlichen Beraters aus (vgl. BFH-Urteil vom 29.06.2005 II R 21/04, BFH/NV 2005, 1964).

Zudem ging die Rücknahme des Einspruchs auch deshalb nicht auf das Finanzamt zurück, weil der Klägervertreter im Schreiben des Finanzamts vom 13.06.2000 ausdrücklich gebeten worden war, die Erfolgsaussichten des Einspruches unter Berücksichtigung der Ausführungen des Amtes "noch einmal zu überprüfen und ggf. auch eine Rücknahme in Betracht zu ziehen". Daher war der Klägervertreter gehalten, die Erfolgsaussichten des Einspruchs in eigener Verantwortung zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 29.06.2005 II R 21/04, BFH/NV 2005, 1964), was die Prozessbevollmächtigten später, im Vorfeld ihres Begehrens auf Fortsetzung des Einspruchsverfahrens gemäß Schreiben vom 22.03.2004, auch offenkundig getan haben.

Des Weiteren wurde die Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme erst im März 2004 und damit nicht rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist von § 362 Abs. 2 Satz 2, § 110 Abs. 3 AO geltend gemacht. Die Unwirksamkeit der Rechtsbehelfsrücknahme kann entgegen klägerischer Auffassung in sinngemäßer Anwendung von § 110 Abs. 3 AO nur innerhalb eines Jahres - gerechnet vom Eingang der Rücknahmeerklärung bei der Behörde - geltend gemacht werden (vgl. Sächsisches FG, Urteil vom 27.01.2003 3 K 2069/99, [...], mit weiteren Nachweisen zur insoweit herrschenden Meinung; Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 362 Rn. 5; Tipke/Kruse, AO, § 362 Rn. 20). Zum Verständnis der in § 362 Abs. 2 Satz 2 AO vorgenommenen Verweisung auf § 110 Abs. 3 AO maßgeblich ist, wie vom Beklagten mit Schriftsatz vom 06.12.2004 zutreffend dargelegt, der Zweck von § 110 AO, eine Durchbrechung der formellen Bestandskraft für den Fall einer vom Steuerpflichtigen unverschuldeten Fristversäumnis zu ermöglichen. Deshalb ist an den für den Eintritt der Bestandskraft maßgeblichen Zeitpunkt anzuknüpfen, das ist beim Versäumen der Einspruchsfrist im Falle von § 110 AO der Ablauf der Einspruchsfrist, und im Falle von § 362 AO eben die (vom Finanzamt in fehlerhafter Weise verursachte) Rücknahme des Einspruches. Weshalb nach klägerischer Auffassung die Jahresfrist erst mit Erlass des BVerfG-Urteils vom 09.03.2004 zu laufen begonnen haben sollte, erschließt sich dem Gericht nicht. Folglich wurde die Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme im März 2004 verspätet geltend gemacht, da der Einspruch am 25.07.2000 zurückgenommen worden ist.

Schließlich kann dahingestellt bleiben, ob der Verzicht auf einen Erörterungstermin gemäß § 364a AO vor Erlass der Einspruchsentscheidung verfahrensfehlerhaft war. Dagegen spricht, dass dessen Abhaltung von den Klägervertretern gar nicht beantragt worden war (im Schriftsatz vom 26.06.2004 teilte die Klägervertreterin lediglich mit, sie stehe für Rückfragen sowie für Gespräche zur Klärung der Rechtslage "gerne zur Verfügung"). Letztlich kommt es darauf aber nicht an. Denn der Kläger könnte wegen eines derartigen Verfahrensfehlers, selbst wenn er vorläge, eine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung nur erreichen, wenn er ein berechtigtes Interesse an einer nochmaligen Erörterung der Sache im Einspruchsstadium geltend macht (vgl. BFH-Beschluss vom 06.09.2005 IV B 14/04, BFH/NV 2005, 2166). Das ist hier nicht geschehen. Die klägerseitig angeführte Möglichkeit, eine einvernehmliche Erledigung des Verfahrens zu erreichen, begründet kein berechtigtes Interesse im vorgenannten Sinne, insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass im vorliegenden Fall die Tatsachenlage unstreitig ist und lediglich über die Rechtsfrage zu entscheiden war, ob der Einspruch wirksam zurückgenommen wurde oder nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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