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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 24.11.2004
Aktenzeichen: 6 K 1698/98
Rechtsgebiete: BewG 1991


Vorschriften:

BewG 1991 § 19 Abs. 3
BewG 1991 § 22 Abs. 1
BewG 1991 § 22 Abs. 2
BewG 1991 § 24 Abs. 1 Nr. 1
BewG 1991 § 24 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

URTEIL

In dem Finanzrechtsstreit

wegen Auskunft, Aufhebungsbescheid vom 20. April 1998 und Einheitswertbescheid vom 20. Mai 1998

hat der 6. Senat unter Mitwirkung des Richters am Finanzgericht ... als Vorsitzender des Richters am Finanzgericht ..., der Richterin am Finanzgericht ..., des ehrenamtlichen Richters ..., der ehrenamtlichen Richterin ... auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 24. November 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Streitig ist die Einheitsbewertung eines Grundstücks, bei dem nach Zuerwerb des Grund und Bodens Eigentum an Gebäude und Grund zusammengefallen sind.

Die Kläger erwarben vor dem 3. Oktober 1990 ein Einfamilienhaus; an dem zugehörigen Grund und Boden hielten sie seit 19. Mai 1987 ein Nutzungsrecht. Der Einheitswert 1935 für das Grundstück war auf 4.950 RM festgestellt. Mit Notarvertrag vom 3. September 1997 erwarben die Kläger den Grund und Boden hinzu. Am 20. April 1998 stellte der Beklagte im Wege der Nachfeststellung auf den 1. Januar 1991 gegenüber dem bisherigen Eigentümer des Grund und Bodens einen Einheitswert von 1.700 DM fest. Gleichzeitig hob er gegenüber den Klägern die Feststellung auf den 1. Januar 1998 auf. Mit Bescheid vom 20. Mai 1998 erließ der Beklagte im Wege der Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung einen Einheitswertbescheid für das Grundstück - Gebäude einschließlich Grund und Boden - über 8.600 DM. Einsprüche gegen den Aufhebungsbescheid vom 20. April 1998 und den Einheitswertbescheid vom 20. Mai 1998 wies der Beklagte mit Entscheidung vom 1. September 1998 zurück. Daraufhin erhoben die Kläger am 29. September 1998 Klage.

Die Kläger sind der Auffassung, der bisherige Gebäudewert von 4.950 DM und nicht der Wert des Grund und Bodens sei weiter maßgebend, weil das Gebäudeeigentum als vollwertiges Eigentum nicht durch Zusammenführung mit dem Grund und Boden untergegangen sei. Es gebe keinen Vorrang des Grund und Bodens bei der Fortschreibung. Im Gegenteil gehe das Gebäude vor: Nach § 289 Abs. 2 des Zivilgesetzbuches sei das Grundnutzungsrecht mit dem Erwerb des Gebäudeeigentums übergegangen; der überwiegende Teil der Berechtigten habe für eine Grundstücksnutzung kein Entgelt entrichtet; nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz werde dem Gebäude-, nicht dem Grundstückseigentümer ein Ankaufsrecht eingeräumt. Ein bisheriger Einheitswert von 1.700 DM, den der Beklagte ausweislich des Bescheids vom 20. Mai 1998 annehme und der Ausgangspunkt für die Berechnung der Wertfortschreibungsgrenze bilde, sei nicht festgestellt. Sie vermuteten, es gebe keine gesonderte Einheitswertfeststellung für den Grund und Boden. Welche wirtschaftliche Einheit bei einer Vereinigung wegfalle könne weder § 24 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) noch § 50 Abs. 3 DDR-BewG entnommen werden. Mithin sei durch Zuerwerb des Grund und Bodens zwar die Zurechnung und die Art, wegen Verfehlens der Fortschreibungsgrenze nicht jedoch der Wert fortzuschreiben. Schließlich seien für die Wertfortschreibung die Verhältnisse vom 1. Januar 1935 als Hauptfeststellungszeitpunkt zum Fortschreibungszeitpunkt maßgebend. Der zum 1. Januar 1935 ermittelte Wert umfasse Gebäude sowie Grund und Boden. Vor dem 3. Oktober 1990 hätten die Kläger als Gebäudeeigentümer und Grundstücksnutzer die Grundsteuer für beide wirtschaftlichen Einheiten entrichtet. Schließlich rügen die Kläger einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber der Bewertung von Grundstücken, bei denen kein eigenständiges Gebäudeeigentum begründet war.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 1. September 1998 den Aufhebungsbescheid vom 20. April 1998 aufzuheben sowie den Fortschreibungsbescheid vom 20. Mai 1998 dahingehend zu ändern, daß der Einheitswert auf 4.950 DM festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt Abweisung.

Er trägt vor, bis zum Zukauf des Grund und Bodens durch die Kläger habe es mit dem Grund und Boden, der der Stadt zuzurechnen sei, sowie mit dem Gebäude, das den Klägern zuzurechnen sei, bewertungsrechtlich zwei wirtschaftliche Einheiten gegeben. Mit dem Zuerwerb von Grund und Boden sei eine neue wirtschaftliche Einheit entstanden und die wirtschaftliche Einheit Gebäude auf fremdem Grund weggefallen, so daß der Einheitswert für den Überbau aufzuheben gewesen sei (vgl. Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen vom 8. August 1996 34-G 1120-3/13-22466, Tz. 2.1 Satz 2). Der Grund und Boden gehe dem Gebäude auf fremdem Grund vor. So sei die Nutzung "volkseigenen" Grund und Bodens vor dem 3. Oktober 1990 grundsätzlich entgeltlich gewesen, soweit nicht vor dem 1. Januar 1971 eine unentgeltliche Nutzung begründet war, § 3 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über die Verleihung von Nutzungsrechten (NuRVG); das Nutzungsrecht des Bodens sei nur beschränkt vererbbar gewesen, § 5 Abs. 2 NuRVG; der Entzug des Nutzungsrechts führte nur zu einer Entschädigung, § 6 Abs. 2 NuRVG. In der Folge habe es der Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung bedurft (a.a.O., Satz 1).

Am 29. Oktober 2003 hat der Beklagte einen dem Nachfeststellungsbescheid vom 20. April 1998 gleichlautenden Bescheid gegenüber den Klägern erlassen.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 28. September und 25. November 1998, 29. April, 31. Juli, 29. September, 10. Dezember, 22. Dezember 2003 sowie 12. November 2004 einerseits, vom 20. Oktober 1998, 26. Mai, 5. September, 23. Oktober und 10. November 2003 andererseits sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24. November 2004 Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage ist nicht begründet.

a) Der Aufhebungsbescheid vom 20. April 1998 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Einheitswert von 4.950 DM war auf den 1. Januar 1998 aufzuheben, weil die wirtschaftliche Einheit "Gebäude", für die er Anwendung fand, mit dem Zuerwerb des Grund und Bodens 1997 wegfiel. Ein Einheitswert ist unter anderem dann zwingend aufzuheben, wenn dem Finanzamt bekannt wird, daß die wirtschaftliche Einheit wegfällt, § 24 Abs. 1 Nr. 1 BewG. Aufhebungszeitpunkt ist mit dem 1. Januar 1998 der Beginn des Kalenderjahrs, das auf den Wegfall der wirtschaftlichen Einheit im Jahr 1997 folgte, § 24 Abs. 2 BewG.

Der Aufhebungsbescheid bezieht sich auf die in dem Einheitswertbogen III dargestellte Feststellung des Einheitswerts 1935 von 4.950 RM. Zwar umfaßt der Betrag Grund und Boden einschließlich Gebäude, weil die Aufspaltung in zwei wirtschaftliche Einheiten erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte. Die Nachfeststellung auf den 1. Januar 1991 erstreckte sich jedoch nur auf Grund und Boden als "unbebautes Grundstück". Damit wurde die Trennung der wirtschaftlichen Einheiten erstmals für die Einheitsbewertung nachvollzogen, so daß es hinsichtlich der ursprünglichen Feststellung unter anderem einer Artfortschreibung in "Gebäude auf fremdem Grund" bedurft hätte. Dies ist jedoch im Hinblick auf § 132 Abs. 2 Satz 1 BewG in Verbindung mit § 42 des Grundsteuergesetzes unterblieben, weil eine wirksame Feststellung des Einheitswerts für das Einfamilienhaus als Gebäude selbst nicht vorlag und der Einheitswert nur für die Festsetzung der Grundsteuer erforderlich gewesen wäre.

Das Gebäude auf fremdem Grund und Boden als wirtschaftliche Einheit "Grundstück" im Sinne des Bewertungsrechts fiel mit Zuerwerb des Grund und Bodens weg. Denn fortan bestand das ausnahmsweise zu bildende wirtschaftliche Einheit "Gebäude auf fremdem Grund und Boden", das nur unter besonderen Voraussetzungen als Grundstück gilt (§ 129 Abs. 2 Nr. 1 BewG in Verbindung mit § 50 Abs. 3 BewG-DDR), nicht mehr; die Kläger waren zugleich Eigentümer von Gebäude und Grund und Boden. Die wirtschaftliche Einheit Gebäude auf fremdem Grund und Boden als "Grundstück" geht der wirtschaftlichen Einheit Grund und Boden als unbebautes "Grundstück" nicht mit der Folge vor, daß der Einheitswert für letztere aufzuheben und der Einheitswert für erstere ggf. fortzuschreiben wäre. Denn durch das zuammenfallende Eigentum an Grund und Boden sowie am Gebäude ist allein die ausnahmsweise zu bewertende wirtschaftliche Einheit "Gebäude auf fremdem Grund und Boden" nicht mehr existent und fällt im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 1 BewG weg. Demgegenüber besteht die wirtschaftliche Einheit "Grund und Boden" als Grundstück weiter, nur ergänzt um das Gebäude.

Soweit Vorschriften außerhalb des Bewertungsrechts wie Regelungen des vor dem 3. Oktober 1990 geltenden Zivilrechts oder des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes die Rechtsstellung des Gebäudeeigentümers zu Lasten derjenigen des Grundeigentümers erweitern, führt dies nicht zu einer anderen bewertungsrechtlichen Beurteilung. Denn maßgebend für die Aufhebung einer Einheitsbewertung ist - wie dargestellt - stets und allein der Wegfall einer wirtschaftlichen Einheit, hier des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden. Im übrigen geht das Bewertungsrecht grundsätzlich vom Grundstück als wirtschaftlicher Einheit aus. Denn die wirtschaftliche Einheit beim Grundvermögen besteht aus dem Grund und Boden einschließlich der Bestandteile (insbesondere Gebäude), § 129 Abs. 2 Nr. 1 BewG in Verbindung mit § 50 Abs. 1 Satz 1 BewG-DDR. Ein Gebäude gilt nur dann, wenn es ausnahmsweise auf fremdem Grund und Boden errichtet ist, als Grundstück, § 50 Abs. 3 BewG-DDR. Fällt die Voraussetzung der Errichtung auf fremdem Grund und Boden weg, kann ein Gebäude keine wirtschaftliche Einheit mehr bilden. Das Gebäude ist dann mithin dem Grundsatz entsprechend als Bestandteil des Grund und Bodens zu bewerten.

b) Der Einheitswertbescheid vom 20. Mai 1998 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Mit dem Bescheid wird die auf den 1. Januar 1991 durchgeführte Nachfeststellung fortgeschrieben. Gegenstand der Nachfeststellung war das unbebaute Grundstück, so daß der Einheitswert von 1.700 DM dem abgerundeten Bodenwert entsprach.

Der Erwerb der wirtschaftlichen Einheit machte neben einer Fortschreibung der Zurechnung nach § 22 Abs. 2 BewG in Verbindung mit § 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG und der Art nach § 22 Abs. 2 BewG in Verbindung mit § 19 Abs. 3 Nr. 1 BewG auch die Fortschreibung des Wertes nach § 22 Abs. 1 BewG erforderlich. Der Bewertungsgegenstand änderte sich, indem das Gebäude Teil der bewerteten wirtschaftlichen Einheit wurde. Zudem sind die Wertfortschreibungsgrenzen im Vergleich zu der Nachfeststellung überschritten. Der auf volle hundert Deutsche Mark abgerundete Wert, der sich für den Beginn des Jahrs 1998 ergibt, beläuft sich auf 8.600 DM. Anhaltspunkte für Zweifel an der Wertberechnung nach § 129 Abs. 2 Nr. 2 BewG in Verbindung mit § 33 Abs. 2 Satz 1 der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz vom 2. Februar 1935 sind nicht ersichtlich. Der ermittelte Wert weicht von dem entsprechenden Wert des letzten Feststellungszeitpunkts auf den 1. Januar 1991 von 1.700 DM nach oben um 6.900 DM und damit um mehr als 5.000 DM ab.

c) Im übrigen ist ein von den Klägern gerügter Verstoß gegen den auch im Steuerrecht maßgebenden Grundsatz der Gleichbehandlung nicht zu erkennen. Denn eine etwaige Ungleichbehandlung ist nicht willkürlich, sondern beruht allein auf dem sachlichen Grund, daß eine Wertfortschreibung ggf. dann unterbleibt, wenn - anders als im Streitfall - kein selbständiges Gebäudeeigentum begründet war und damit keine zwei wirtschaftlichen Einheiten wertgrenzenüberschreitend zusammenzuführen waren.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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