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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 17.04.2009
Aktenzeichen: 6 K 1713/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 6. Senat

durch

den Berichterstatter gemäß § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Finanzgerichtsordnung

auf Grund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 17. April 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Einkommensteuerbescheid 1999, der Einkommensteuerbescheid 2000 und der Einkommensteuerbescheid 2001, alle zuletzt geändert mit Bescheiden vom 21. Mai 2004, und die Einspruchsentscheidung vom 1. September 2005 werden dahingehend geändert, dass bei der Klägerin weitere Betriebsausgaben, und zwar für das Jahr 1999 in Höhe von 9.314,79 DM, für das Jahr 2000 in Höhe von 10.500,96 DM und für das Jahr 2001 in Höhe von 1.758,90 DM berücksichtigt werden. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten aufgegeben.

2. Die Kosten des Verfahrens fallen den Klägern zu 43% und dem Beklagten zu 57% zu Last.

3. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Sohn steuerlich anzuerkennen ist, mit der Folge, dass der Arbeitslohn bei der Klägerin zu Betriebsausgaben führt.

Die Kläger wurden in den Streitjahren zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Zahnärztin. Die Einkommensteuer wurde für die Streitjahre zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt.

Mit Bescheiden vom 21. Mai 2004 wurde die streitigen Einkommensteuerbescheide geändert. Den Änderungsbescheiden lagen die Ergebnisse einer Betriebsprüfung zugrunde. Aufgrund der Prüfungsfeststellungen (Betriebsprüfungsbericht vom 29. Januar 2004) wurden die von der Klägerin an ihren 1976 geborenen Sohn gezahlte Aushilfslöhne (9.314,79 DM im Jahr 1999, 10.500,96 DM im Jahr 2000 und 1.758,90 DM im Jahr 2001 nicht als Betriebsausgaben anerkannt.

Mit ihren Einsprüchen gegen die Änderungsbescheide vom 29.10.2004 begehrten die Kläger die Anerkennung des mit dem Sohn vereinbarten Arbeitsverhältnisses, da die getroffene Vereinbarung tatsächlich eingehalten und der Lohn ausbezahlt worden sei.

Die Einsprüche blieben wegen der hier streitigen Positionen erfolglos. In der Einspruchsentscheidung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, die Kläger hätten nicht nachweisen können, dass der Sohn die behauptete Arbeitsleistung tatsächlich erbracht habe. Weder hätten sie einen auf die Praxis der Klägerin bezogenen Arbeitsvertrag vorgelegt, in dem vereinbart sei, welche Arbeit wann zu erledigen sei, noch hätten sie Unterlagen vorgelegt, aus denen ersichtlich gewesen wäre, ob und wann die Arbeitsleitung erbracht worden sei. Die zunächst im Einspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen hätten sich vielmehr auf Hausmeisterdienste bezogen. Da der Sohn neben der Praxis der Klägerin wohne, handele es sich um Familienhilfe, wenn der Sohn der Klägerin für diese tätig geworden sein sollte. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Einkünfte des Sohnes in seiner Ausbildung als Kälteanlagenbauer nicht ausgereicht hätten, um seinen Lebensunterhalt zu decken. Er sei auf Unterhaltsleistungen angewiesen gewesen.

Im Klageverfahren, das die Kläger zunächst auch wegen der Festsetzungen des Solidaritätszuschlages in den Streitjahren erhoben, führen die Kläger ergänzend im Wesentlichen aus, der Sohn habe die vorher von dem Kläger in der Praxis der Klägerin übernommenen Arbeiten für eine Übergangszeit weitergeführt. Dann habe der Kläger diese Tätigkeiten wieder übernommen. Das vorangegangene und das nachfolgende Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Kläger habe der Beklagte steuerlich anerkannt. Der Sohn besitze eine abgeschlossene Ausbildung zum Elektriker. In der streitigen Zeit habe er sich in einer zweiten Ausbildung zum Kälteanlagenbauer befunden. Ausweislich des im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgelegten Arbeitsvertrages (Blatt 43 der Rechtsbehelfsakte) und der dazugehörigen Aufgabenbeschreibung (Blatt 56 der Rechtsbehelfsakte) ergebe sich das Tätigkeitsfeld für eine wöchentliche Arbeitszeit von 7 Stunden in der Praxis der Klägerin. Zusätzlich zur Computerbetreuung sollten folgende Tätigkeiten ausgeübt werden: Botengänge, Kurierdienste, Patiententransporte, Fahrten zur Einreichung und Abholung von Abrechnungsunterlagen bei der KZV, Unterstützung bei Arbeiten mit Computern, Unterstützung bei der Vorbereitung der Buchhaltungsunterlagen zur Aufarbeitung durch das Steuerbüro, Unterstützung bei der Überwachung und Vorbereitung von Kontrollen durch Sicherheitsbeauftragte der Berufsgenossenschaft. Der ursprünglich im Rahmen der Betriebsprüfung vorgelegte Vertrag über Hausmeisterdienste beziehe sich auf einen anderen Zeitraum. Auch standen dem Sohn der Kläger aus der vorhergehenden Elektrikerausbildung ausreichende Mittel zur Verfügung, um trotz der Mietzahlungen an die Klägerin nicht auf Unterhaltsleistungen durch die Zahlungen auf Grund des Arbeitsvertrages angewiesen zu sein.

Nachdem die Klage wegen der Solidaritätszuschläge mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2005 zurück genommen wurde, hat das Gericht das Verfahren insoweit eingestellt und die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 1999, den Einkommensteuerbescheid 2000 und den Einkommensteuerbescheid 2001, alle zuletzt geändert mit Bescheiden vom 21. Mai 2004, und die Einspruchsentscheidung vom 1. September 2005 dahingehend zu ändern, dass bei der Klägerin weitere Betriebsausgaben, und zwar für das Jahr 1999 in Höhe von 9.314,79 DM, für das Jahr 2000 in Höhe von 10.500,96 DM und für das Jahr 2001 in Höhe von 1.758,90 DM berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Vereinbarung sei tatsächlich nicht durchgeführt. Eine entsprechende Qualifizierung des Sohnes sei nicht erkennbar. An den Beweis des Abschlusses und den Nachweis der Durchführung von Vertragsgestaltungen strenge Anforderungen zu stellen. Das Arbeitsverhältnis mit dem Sohn werde nicht anerkannt. Es handele sich vielmehr um Arbeiten im Rahmen der Familienhilfe. Dem Sohn werde lediglich Unterhalt zugewandt.

Das Gericht hat zwei Zahnarzthelferinnen als Zeugen für die von dem Sohn der Kläger erbrachten Leistungen dem Inhalt und dem Umfang nach vernommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die an den Sohn gezahlten Vergütungen sind in den Streitjahren als Betriebsausgaben in der Arztpraxis der Klägerin anzuerkennen.

Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Bei Lohnzahlungen an einen im Betrieb des Steuerpflichtigen mitarbeitenden Angehörigen ist dies der Fall, wenn er aufgrund eines Arbeitsvertrags beschäftigt wird, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt und der Steuerpflichtige seinerseits alle Arbeitgeberpflichten, insbesondere die der Lohnzahlung erfüllt. Angesichts des bei Angehörigen vielfach fehlenden Interessengegensatzes und der daraus resultierenden Gefahr des steuerlichen Missbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, muss jedoch sichergestellt sein, dass die Vertragsbeziehung und die auf ihr beruhenden Leistungen tatsächlich dem betrieblichen und nicht - z.B. als Unterhaltsleistungen - dem privaten Bereich ( § 12 Nr. 1 und 2 EStG) zuzurechnen sind. Dazu bedarf es einer Gesamtwürdigung aller Umstände (vgl. BFH, BFH/NV 1999, 919 m.w. Rechtsprechungsnachweisen). Indizmerkmal für die Zuordnung der Vertragsbeziehungen zum betrieblichen Bereich ist insbesondere, ob der Vertrag sowohl nach seinem Inhalt als auch nach seiner tatsächlichen Durchführung dem entspricht, was zwischen Fremden üblich ist (vgl. BFH, BStBl. II 1987, 121 und BFH, BFH/NV 1989, 219). Dabei ist allerdings zu beachten, dass geringfügige Abweichungen einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen sowohl bezüglich des Vertragsinhalts als auch bezüglich der Vertragsdurchführung für sich allein nicht stets zur steuerlichen Nichtanerkennung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. BFH, BFH/NV 1998, 164).

Ein Arbeitsvertrag liegt vor, wenn sich die Vertragsbeteiligten über die für diesen Vertragstyp wesentlichen Rechte und Pflichten einig sind. Das sind die Arbeitsbedingungen, d.h. die zeitliche Dauer der Arbeitsleistung (tägliche, wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit) und das für diese Arbeitsleistung geschuldete Entgelt (vgl. BFH, BStBl. II 1988, 877). Ist die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung im Vertrag nicht im Einzelnen festgelegt, so steht dies der steuerlichen Anerkennung des Vertrags dann nicht entgegen, wenn die Leistung bestimmbar ist, insbesondere wenn der Steuerpflichtige sie gegenüber der Finanzbehörde näher erläutert (vgl. BFH, BStBl. II 1989, 453). Gerade bei einem Arbeitsverhältnis, das nur eine Teilzeitbeschäftigung zum Gegenstand hat, werden das Aufgabengebiet und der zeitliche Einsatz des Arbeitnehmers auch in Arbeitsverträgen unter fremden Dritten nicht stets in allen Einzelheiten festgelegt, sondern der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers überlassen.

Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass zwischen der Klägerin und ihrem Sohn eine schriftliche Vereinbarung geschlossen wurde, wonach der Sohn in seiner Freizeit verschiedene Arbeiten in der Praxis erledigen sollte, dass der Arbeitslohn in der geltend gemachten Höhe gezahlt wurde und dass der Sohn aufgrund dieser Vereinbarung tatsächlich Leistungen erbracht hat. Dies ergibt sich hinreichend aus den Aussagen der Zahnarzthelferinnen.

Auch wurde der Nachweis über die vom Sohn tatsächlich geleistete Arbeit und deren Zeitaufwand darüber geführt, dass der Sohn der Kläger in der Arztpraxis der Klägerin nicht auf einer familiären Grundlage, sondern auf einer steuerlich anzuerkennenden Leistungsaustauschbeziehung tätig geworden ist. Die beiden Zeuginnen haben übereinstimmend bekundet, dass der Sohn der Kläger die in der Aufgabenbeschreibung enthaltenen Tätigkeiten verrichtet hat und die Arbeitsleistung in etwa 7 Stunden betragen hat. Der zeitliche Umfang der vom Sohn monatlich geleisteten Arbeit stimmt mit der vertraglichen Vereinbarung in etwa überein. Bei den Tätigkeiten, die der Sohn der Kläger in der Praxis erledigt hat, haben die Zeuginnen das Zeitmoment selbst unmittelbar feststellen können. Selbst wenn die Zeuginnen den konkreten Arbeitsaufwand im übrigen nicht unmittelbar im Blick hatten (Botenfahrten und andere Tätigkeiten außerhalb der Praxis), so erlaubte ihnen doch die Kenntnis vom Zeitpunkt des Beginns und Endes diese Tätigkeiten eine Einschätzung über die Dauer der Tätigkeit. Damit sind ausreichend Anhaltspunkte für eine sachgerechte Einschätzung vorhanden.

Der Arbeitsvertrag und die durchgeführten Tätigkeiten können auch nicht im Rahmen der Familienhilfe als steuerlich unbeachtlich angesehen werden. Hilfeleistungen, die üblicherweise auf familienrechtlicher Grundlage erbracht werden, eignen sich nicht als Inhalt eines mit einem Dritten zu begründenden Arbeitsverhältnisses; hierüber geschlossene Verträge können deshalb steuerlich keine Anerkennung beanspruchen (BFH, BStBl. II 1994, 298 m.w.N.). Allerdings sind Zahlungen der Eltern für die Mitarbeit der Kinder im Betrieb nicht schon deshalb vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, weil die Tätigkeiten der Kinder nach Art und Umfang noch in den Bereich der familienrechtlich geschuldeten Dienstleistungspflichten fallen. Zwar sieht § 1619 des BGB vor, dass Kinder, die dem elterlichen Hausstand angehören und von den Eltern erzogen und unterhalten werden, in einer ihren Kräften und ihrer Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten haben. Jedoch können diese gesetzlichen Mitwirkungspflichten haushaltsangehöriger Kinder je nach Art und Umfang auch auf arbeitsvertraglicher Grundlage erbracht werden (BFH, BStBl. II 1994, 298 m.w.N.). Die steuerrechtliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses setzt in diesem Fall aber voraus, dass das Arbeitsverhältnis so gestaltet und abgewickelt worden ist, wie dies sonst zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer üblich ist. Nicht anzuerkennen sind danach etwa Arbeitsverpflichtungen, die wegen ihrer Geringfügigkeit oder Eigenart üblicherweise nicht auf arbeitsvertraglicher Grundlage eingegangen werden oder deren Inhalt in sachlicher und zeitlicher Hinsicht nicht näher festgelegt ist.

Die Voraussetzungen für eine Annahme von Familienhilfe sind hier nicht erfüllt. Denn der Sohn der Kläger gehört schon nicht dem elterlichen Hausstand an. Der Beklagte selbst führt in seiner Einspruchsentscheidung an, dass der Sohn der Kläger in einer Wohnung in der X-Str. in Y wohnte, während die Kläger schon in den Streitjahren unter ihrer derzeitigen Adresse gewohnt haben. Zudem stellen sich die vom Sohn der Kläger ausgeführten Arbeiten nicht als gelegentliche Hilfeleistungen bei untergeordneten Tätigkeiten dar, die üblicherweise auf familienrechtlicher Grundlage erbracht werden (vgl. BFH, BStBl. II 1989, 453). Denn Teile der wahrgenommenen Aufgaben sind speziell auf die Kenntnisse des Sohnes als ausgebildeter Elektriker bezogen, insbesondere was die von den Zeugen bestätigte Betreuung der elektrischen Geräte der Praxis in Bezug auf die Überwachung der Betriebs- und Unfallsicherheit angeht. Auch die von den Zeugen geschilderte Umstellung von Software gehört nicht zu den Tätigkeiten, die im Rahmen einer Familienhilfe erledigt werden.

Auch die Höhe des dem Sohn im Übrigen zur Verfügung stehenden Geldmittel lässt nicht zwingend darauf schließen, dass verdeckte Unterhaltsleistungen vorliegen. Die Überschüsse des Sohnes über seine z.T. pauschalierte Werbungskosten reichten noch aus, um den Lebensunterhalt zu decken.

Nach alledem kann die steuerliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses nicht versagt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Dabei ist die Rücknahme der Klage wegen des Solidaritätszuschlages zu berücksichtigen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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