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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 14.05.2009
Aktenzeichen: 6 K 1764/08
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 2
EStG § 18
FGO § 79b Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 6. Senat

durch

RiFG H.-G. Patt

gemäß §§ 5 Abs. 3 Satz 1, 6 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung als Einzelrichter

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 14. Mai 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen

2. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob die Tätigkeit des Klägers als freiberuflich oder gewerblich anzusehen ist.

Der Kläger ist Estrichlegermeister. In den Kalenderjahren 2003 und 2004 übte er eine "Beratertätigkeit" aus, bei der es sich nach Auffassung des Klägers um eine freiberufliche Tätigkeit handeln soll.

Der Beklagte folgte dem nicht und setzte die streitigen Gewerbesteuermessbeträge mit Bescheiden vom 10. April 2007 fest. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 4. September 2008). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sachverhaltsdarstellung in der Einspruchsentscheidung verwiesen.

Mit der dagegen am 7. Oktober 2008 erhobenen Klage begehrte der Prozessbevollmächtigte des Klägers zunächst Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2008 lehnte das Gericht die begehrte Akteneinsicht ab, da der Prozessbevollmächtigte ohne Vollmacht aufgetreten sei. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2008 wies das Gericht den Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hin, dass nach Durchsicht der Akte der Nachweis einer selbstständigen Tätigkeit bisher nicht geführt worden sein dürfte. Die im Einspruchsverfahren vorgelegten Arbeits- / Anstellungsverträge reichten für einen Nachweis nicht aus. Der Kläger werde gebeten, eventuelle Nachweise binnen eines Monats vorzulegen. Nachdem diese Frist verstrichen war, setzte das Gericht eine einmonatige Frist nach § 79b Abs. 2 FGO, innerhalb derer der Kläger darlegen sollte, welches Berufsbild des § 18 EStG er ausgeübt haben und welche Firmen er wie und mit welchem Inhalt beraten haben will. Zudem solle er angeben, wie er sich autodidaktisch welche Kenntnisse angeeignet habe. Nach Ablauf der Frist wies das Gericht die Klage durch Gerichtsbescheid ab. Mit dem Antrag auf mündliche Verhandlung legte der Prozessbevollmächtigte eine Vollmacht vor und führte aus, dass der Kläger seiner Nachweispflicht nachgekommen sei. Der Kläger verfüge auf dem Gebiet der Beratung von Estrich- und Bodenlegefirmen eine mehr als ausreichende Ausbildung und Erfahrung. Er habe nachgewiesen, dass er mehr als 20 Jahre selber Estriche und Böden verlegt und erfolgreich eine Unternehmensgruppe mit mehr als 150 Mitarbeitern geführt habe. Er habe Subunternehmen beschäftigt und den Materialeinkauf geleitet. Als Geschäftsführer habe der Kläger täglich mit umfangreichen kaufmännischen und unternehmensspezifischen Geschäften zu tun. Er habe sich eine ungeheure spezielle Beratungserfahrung im Bereich der Führung und Leitung von Estrich- und Bodenlegefirmen erworben. Dies würden auch die umfangreichen Beratungshonorare von verschiedenen Unternehmen in diesem Bereich bezeugen. Zudem sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger durch seinen Meistertitel im Estrichhandwerk sowohl kaufmännisch als auch beruflich entsprechend qualifiziert sei, im entsprechenden Rahmen und in diesem (einen) Bereich auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit eine beratende Tätigkeit auszuführen (Seite 6 der Einspruchsentscheidung). Die Fristsetzung nach § 79b FGO verhindere nicht, dass Nachweise noch eingereicht werden könnten. Erst die Akteneinsicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung habe ergeben, dass in den Verwaltungsakten keine Nachweise über die beratende Tätigkeit enthalten seien. Beraterverträge könnten nachgereicht werden.

Der Kläger beantragt,

die Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2003 und 2004, beide vom 10. April 2007, und die Einspruchsentscheidung vom 4. September 2008 aufzuheben, hilfsweise Schriftsatznachlass zur Einreichung der Befähigungsnachweise (insbesondere Beraterverträge) des Klägers innerhalb von zwei Wochen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, eine freiberufliche Tätigkeit in den Streitjahren ausgeübt zu haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Der Kläger ist seiner Nachweispflicht, welchen Beruf des § 18 EStG er ausgeübt haben will, nicht nachgekommen. Der Kläger hat nicht dargelegt, wie er sich welche Kenntnisse und Fähigkeiten autodidaktisch angeeignet und wie er einen Beruf des § 18 EStG ausgeübt haben will.

Die Tätigkeit des Kläger ist vielmehr als gewerblich zu beurteilen. Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger ist selbständig nachhaltig und in der Absicht der Gewinnerzielung am Markt tätig geworden. Entgegen seiner Auffassung ist seine Betätigung nicht als Ausübung eines freien Berufs oder als eine andere selbständige Arbeit anzusehen. Ob die Voraussetzungen eines freien Berufs oder einer anderen selbständigen Arbeit vorliegen, richtet sich danach, ob die Tätigkeit die Voraussetzungen des § 18 EStG (selbständige Arbeit) erfüllt. Hierfür trägt der Steuerpflichtige die objektive Beweislast (Feststellungslast).

Nach den Regeln zur Feststellungslast hat derjenige Beteiligte die Nachteile einer Nichterweislichkeit zu tragen, der sich auf eine für ihn günstige Norm beruft. Grundsätzlich trägt damit der Beklagte die Feststellungslast für die steuerbegründenden und der Steuerpflichtige die Feststellungslast für die steuerbefreienden oder -mindernden Tatsachen. Da auch der freie Beruf grundsätzlich die Merkmale eines Gewerbebetriebs (Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) erfüllt und er der Gewerbesteuerpflicht nur dann nicht unterliegt, wenn er die Merkmale des § 18 EStG aufweist, trägt die Feststellungslast für das Vorliegen eines freien Berufs der Steuerpflichtige (vgl. BFH, BStBl. II 2005, 362).

2. Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gehört hierzu u.a. die selbständige Berufstätigkeit der beratenden Betriebswirte und ähnlicher Berufe.

a) Der Kläger ist kein Betriebswirt. Er verfügt nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule (Diplom), Fachhochschule (Diplom/graduierter Betriebswirt) oder Fachschule (staatlich geprüfter Betriebswirt).

b) Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit ist der eines beratenden Betriebswirts auch nicht ähnlich. Den Beruf des beratenden Betriebswirts im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG übt nach der Rechtsprechung des BFH derjenige aus, der nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft (Unternehmensführung, Leistungserstellung - Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen -, Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen) und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten vertraut ist und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeiten einsetzen kann und tatsächlich einsetzt. Diesem Berufsbild eines beratenden Betriebswirt entsprechend liegt ein "ähnlicher Beruf" nur dann vor, wenn er auf einer vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung beruht und sich die Beratungstätigkeit auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstreckt (vgl. BFH, BStBl. II 2003, 27). Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit (vgl. BFH, BFH/NV 2006, 505; BFH, BStBl. II 2004, 989). Lediglich bei der Beurteilung der ausgeübten Beratungstätigkeit ist eine Spezialisierung unschädlich, sofern sie mindestens einen betrieblichen Hauptbereich umfasst (vgl. BFH, BStBl. II 2003, 27).

Soweit - wie im Streitfall - es aber um die Beurteilung der Ausbildung eines Autodidakten geht, ist nachzuweisen, dass das erforderliche breite Wissen vorhanden ist. Verfügt nämlich ein Steuerpflichtiger nicht über einen Abschluss einer Hochschule (Diplom), Fachhochschule (Diplom/graduierter Betriebswirt) oder Fachschule (staatlich geprüfter Betriebswirt), muss er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen (vgl. BFH, BFH/NV 2002, 1522). Nur derjenige, der solche umfangreichen Kenntnisse nachgewiesen hat, kann sich dann in seiner Tätigkeit spezialisieren (vgl. BFH, BFH/NV 2006, 2288). Soweit es um den Umfang der Kenntnisse geht, ist ausreichend, dass diese mindestens mit Fachschulniveau nachgewiesen werden. Den Nachweis seiner Kenntnisse kann der Autodidakt durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen (vgl. BFH, BStBl. II 2003, 27). Letztere kann im Wege eines Sachverständigengutachtens vorgenommen werden, indem der Gutachter den Steuerpflichtigen gewissermaßen examiniert (vgl. BFH, BStBl. II 2003, 27). Die Wissensprüfung kann allerdings nur als ergänzendes Beweismittel in Betracht kommen, nämlich nur dann, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen zum Erwerb und Einsatz der Kenntnisse bereits erkennen lässt, dass der Kläger über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte. Im Hinblick darauf, dass ein Misserfolg bei der Wissensprüfung weitreichende Folgen über den Prozessverlust hinaus haben kann, ist das Gericht nicht verpflichtet, diesen Beweis ohne entsprechenden Antrag des Klägers zu erheben.

c) Im Streitfall hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass er über eine Ausbildung verfügt, die einem beratenden Betriebswirt zumindest mit Fachschulniveau vergleichbar ist. Er hat zwar behauptet, dass er auf Grund seiner langjährigen Berufserfahrung in den Bereichen der Unternehmensführung, Finanzierung, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen die erforderlichen Kenntnisse erworben habe. Entsprechende Nachweise fehlen jedoch. Weder liegen dem Senat Nachweise über Fortbildungsseminare, Beraterverträge oder andere Dokumente vor, die eine Rückschluss auf die Kenntnisse des Klägers erlauben würden. Allein die Anstellungsverträge bei Unternehmen seiner Unternehmensgruppe sind für sich genommen nicht aussagekräftig, um einen Nachweis über die Kenntnisse des Klägers zu führen. Ohne Nachweis über die praktische Tätigkeit des Klägers kann kein Schluss darauf gezogen werden, dass bei ihm Kenntnisse in allen Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre vorhanden sind.

d) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass der Beklagte es unstreitig gestellt habe, dass der Kläger durch seinen Meistertitel im Estrichhandwerk sowohl kaufmännisch als auch beruflich entsprechend qualifiziert sei, im entsprechenden Rahmen und in diesem (einen) Bereich auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit eine beratende Tätigkeit auszuführen (Seite 6 der Einspruchsentscheidung). Unabhängig davon, dass im Finanzgerichtsprozess ein "Unstreitigstellen" im Sinne der Zivilprozessordnung wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes ausgeschlossen ist, hat der Beklagte damit nicht die erforderlichen Kenntnisse in einem freiberuflichen beratenden Beruf "unstreitig" gestellt. Der Beklagte hat den Kläger damit nur Kenntnisse auf Grund seines Meistertitels für eine gewerbliche beratende Tätigkeit attestiert.

e) Der Kläger kann auch damit nicht gehört werden, entsprechende Nachweise nachreichen zu können. Durch die Fristsetzung nach § 79b Abs. 2 FGO ist der Kläger mit den Vorbringen weiterer Nachweise präkludiert. Der Sachverhalt kann nicht ohne Mitwirkung des Klägers weiter aufgeklärt werden ( § 79b Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Zulassung der Beweismittel würde den Rechtsstreit verzögern, da der Rechtsstreit bei einer Zulassung länger dauert als bei der Zurückweisung des weiteren tatsächlichen Vorbringens. Schließlich hat der Kläger die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, in Unkenntnis über den Inhalt der Akten geblieben zu sein. Nachdem das Gericht das Akteneinsichtsgesuch des Klägervertreters mangels Vollmachtsvorlage abgelehnt hat, ist nach Vorlage der Vollmacht kein erneutes Akteneinsichtsgesuch gestellt worden. Dem Kläger hätte zudem aus der Einspruchsentscheidung, den gerichtlichen Hinweisen und der Fristsetzung nach § 79b Abs. 2 FGO klar sein müssen, dass in den Behördenakten keine hinreichenden Unterlagen zur Bejahung der freiberuflichen Tätigkeit enthalten sind. Das Gericht hat nämlich bei der Übermittlung des Schriftsatzes des Beklagten, mit dem die Behördenakten übersandt worden sind, an den Klägervertreter darauf hingewiesen, dass nach Durchsicht der Akte der Nachweis einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers nicht geführt worden ist. Gleiches ergibt sich aus dem Inhalt der Fristsetzung nach § 79b Abs. 2 FGO. Eine Vertagung zum Zwecke des "Schriftsatznachlasses" kommt aus diesem Grund nicht in Betracht.

Der Kläger ist zudem nicht gehindert, entsprechende Nachweise im Rahmen eines Änderungsantrages nach § 164 Abs. 2 FGO beim Beklagten einzureichen, da der Vorbehalt der Nachprüfung in der Einspruchsentscheidung nicht aufgehoben worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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