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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 6 K 40/07
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 34
AO § 69
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

6 K 40/07

Haftung für Lohnsteuer 2005

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 6. Senat

durch

den Berichterstatter ...

gem. § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Finanzgerichtsordnung

ohne mündliche Verhandlung

am 29. Mai 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Das Verfahren wird fortgeführt.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand:

Der Kläger war Director einer Limited Company mit Sitz im Zuständigkeitsbereich des Beklagten.

Die Gesellschaft schuldete u.a. die rückständige Lohnsteuer Mai 2005 (für die Löhne des April 2005) in Höhe von 1.199,49 Euro, den Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer Mai 2005 in Höhe von 54,94 Euro sowie die Verspätungszuschläge und Säumniszuschläge in Höhe von 162,50 Euro. Mit Schreiben vom 31. Mai 2005 stellte ein Gläubiger der Limited Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Wegen der oben genannten Rückstände wurde der Kläger mit Bescheid vom 3. November 2005 in Haftung genommen. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2006).

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, dass sich die Haftung des Directors einer Limited nach englischem Recht richten würde, da es sich um eine gesellschaftsrechtlich begründete Haftung handeln würde, denn auch eine Directorhaftung nach §§ 34, 69 AO sei als gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. Selbst wenn §§ 34, 69 AO einschlägig wären, würde der Kläger nicht haften, da er als Director nicht zu dem relevanten Personenkreis zählen würde. Zudem habe sich der Kläger nicht pflichtwidrig verhalten. Schließlich fehle es an der Kausalität, da die Anfechtungsvoraussetzungen nach § 129 ff InsO gegeben seien. Die Haftungssumme sei überhöht.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 3. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die steuerlichen Haftungsvorschriften keine Anwendung des englischen Rechts herbeiführen würden. Der Director sei gesetzlicher Vertreter der Limited, deren steuerliche Pflichten er erfüllen müsse. Er habe pflichtwidrig die Lohnsteuer, die zum 10. Mai 2005 fällig war, nicht abgeführt.

Im Verfahren ist das Ruhen angeordnet worden, um eine Entscheidung des BFH zur Haftung bei Insolvenzanfechtung abzuwarten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Verfahren war fortzuführen, nachdem der Beklagte dies beantragt hat. Das Gericht konnte durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Kläger hat die ihm als Director der Limited mit Sitz in Deutschland obliegenden steuerlichen Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt. Denn als Director und damit als gesetzlicher Vertreter der Limited im Sinne von § 34 Abs. 1 AO war er damit betraut, die steuerlichen Interessen der Limited wahrzunehmen und die daraus resultierenden Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. In dieser Konstellation liegt keine gesellschaftsrechtlich verursachte Haftung, so dass die einschlägigen Vorschriften des deutschen Steuerrecht maßgeblich sind. Die Nichtabführung der Lohnsteuer stellt regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten eines Directors einer Limited mit Sitz in Deutschland im Sinn der §§ 34, 69 AO dar. Die Lohnsteuer entsteht nach § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Eine Entrichtung der Lohnsteuer bis zum 10. Mai 2005 für die im April 2005 ausgezahlten Löhne ist indes nicht erfolgt. Die in der Nichtentrichtung liegende objektive Pflichtwidrigkeit indiziert den gegenüber dem Kläger zu erhebenden Schuldvorwurf.

Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass möglicherweise die Limited am Fälligkeitstag - 10. Mai 2005 - nicht mehr über die Mittel zur Erfüllung der Steueransprüche verfügte. Der Director darf vielmehr, wenn infolge eines Liquiditätsengpasses die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen vereinbarten Löhne (einschließlich Lohnsteueranteil) nicht ausreichen, die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, so dass er aus den dann übrig bleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen kann.

Eine Haftung des Klägers nach den vorstehenden Grundsätzen - Verpflichtung zur Kürzung der Löhne und Absonderung und Bereithaltung der darauf entfallenden Steuerabzugsbeträge ab dem Zeitpunkt der Lohnzahlung - scheidet nicht bereits aus der Erwägung aus, er habe als Director die Steuern in der kritischen Zeit vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr entrichteten dürfen. Denn die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Steuerzahlung entfällt nicht dadurch, weil die Abführung der betreffenden Abgaben an das Finanzamt eine nach §§ 129 ff InsO anfechtbare Rechtshandlung dargestellt hätte, der Insolvenzverwalter also die betreffenden Steuerzahlungen hätte zurückverlangen können. Entgegen der Auffassung des Klägers stehen die Vorschriften der InsO der Haftungsinanspruchnahme nicht entgegen. Denn die Pflichtverletzung des Klägers war für den Steuerausfall kausal, weil der Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. Pflichtverletzungen sind für den Erfolg ursächlich, wenn sie allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen. Besteht - wie im Streitfall - die Pflichtverletzung in einem Unterlassen, muss, um die Ursächlichkeit bejahen zu können, die unterbliebene Handlung hinzugedacht werden und dies zu dem Ergebnis führen, dass der Schaden ohne das Unterlassen nicht eingetreten wäre.

Im Streitfall liegt auf der Hand, dass bei einem Hinzudenken der unterbliebenen Handlungen (Entrichtung der Lohnsteuer spätestens am 10. Mai 2005) der Steuerausfall zu diesen Zeitpunkten nicht eingetreten wäre. Das Unterlassen des Klägers hat den Steuerausfall verursacht, weil eine Pflicht zum Handeln bestand und die Vornahme der gebotenen Handlungen den Schaden, nämlich den Steuerausfall verhindert hätte. An der Kausalität ändert nichts, dass der Steuerausfall möglicherweise (später) auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Klägers eingetreten wäre, weil der Insolvenzverwalter (möglicherweise) die Zahlungen der Lohnsteuer angefochten hätte. Real ursächlich für den Haftungsschaden war allein das Unterlassen des Klägers, also die verspätete Anmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer. Der vom Gesetzgeber § 69 AO beigemessene Schutzzweck lässt es nicht geboten erscheinen, einen hypothetischen Kausalverlauf im Falle einer gedachten Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO im Rahmen der Schadenszurechnung zu berücksichtigen und infolgedessen die Haftung des von § 69 AO erfassten Personenkreises (vgl. § 34 und § 35 AO) entfallen zu lassen (vgl. BFH, BFH/NV 521/2008).

Die Haftungssumme ist nicht substantiiert angegriffen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.



Ende der Entscheidung

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