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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 19.03.2008
Aktenzeichen: 7 K 422/04
Rechtsgebiete: ZK, TabStG, UStG, ZollbefreiungsVO
Vorschriften:
ZK Art. 202 Abs. 1 S. 1 Buchst. a | |
ZK Art. 202 Abs. 3 Anstrich 3 | |
TabStG § 12 | |
TabStG § 21 S. 1 | |
UStG § 21 Abs. 2 | |
ZollbefreiungsVO Art. 45 Abs. 1 | |
ZollbefreiungsVO Art. 45 Abs. 2 Buchst. b | |
EF-VO § 2 Abs. 1 S. 1 |
Finanzgericht Sachsen
Einfuhrabgaben (Zoll-Euro, Tabaksteuer, Einfuhrumsatzsteuer)
In dem Finanzrechtsstreit
...
hat der 7. Senat
unter Mitwirkung
der Vorsitzenden Richterin am Finanzgericht K , des Richters am Finanzgericht G , des Richters am Finanzgericht S sowie der ehrenamtlichen Richter K und M
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 19.03.2008
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob der Kläger zu Recht als Einfuhrabgabenschuldner gemäß Art. 202 Abs. 3 Anstrich 3 Zollkodex wegen des Erwerbs von Zigaretten im Rahmen einer "Ebay"-Auktion im Internet in Anspruch genommen worden ist.
Der Kläger wendet sich gegen den Steuerbescheid vom 16.10.2002 (Behördenakte Bl. 13 ff.) in Form des Steueränderungsbescheides vom 20.02.2003 (Behördenakte Bl. 23; bei dem dort aufgedruckten Bescheiddatum 20.02.2002 handelt es sich um einen Schreibfehler), bestätigt mit Einspruchsentscheidung vom 19.01.2004 (Behördenakte Bl. 39 ff.). Der Beklagte hatte gegen den Kläger Einfuhrabgaben (Zoll-Euro, Tabaksteuer, Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von insgesamt 114,80 EUR festgesetzt. Er sieht den Kläger als Abgabenschuldner gemäß Art. 202 Abs. 3 Anstrich 3 Zollkodex an mit der Begründung, der Kläger habe die Zigaretten erworben bzw. in Besitz gehabt und bei Erhalt gewusst oder vernünftigerweise wissen müssen, dass die Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden seien. Der Abgabenfestsetzung zugrunde liegen 4 Stangen (800 Stück) Zigaretten der Marke "W ", die der Kläger im Rahmen einer über die Firma eBay GmbH bis zum 16.06.2002 im Internet durchgeführten Auktion des unter dem Namen "f 1234" aufgetretenen Anbieters S zum Preis von 94,08 EUR ersteigert hatte. Der Kläger wurde gesamtschuldnerisch neben Herrn S in Anspruch genommen.
Herr S hatte u.a. angegeben, er habe etwa 100 Stangen Zigaretten über das Internetauktionshaus eBay abgesetzt, die er in der Tschechischen Republik zu einem Stangenpreis von etwa 24 DM/12 EUR erworben und zu etwa 18-20 EUR je Stange zuzüglich einer Versandpauschale von 4 EUR veräußert habe. Auf das Vernehmungsprotokoll des Zollfahndungsamtes Dresden vom 29.08.2002 und das Schreiben des Herrn S vom 02.09.2002 wird Bezug genommen (Behördenakte Bl. 1 ff., 7f.).
Die Einfuhrabgaben wurden zwischenzeitlich von Herrn S entrichtet, die Abgabenschuld ist erloschen.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage erstrebt der Kläger die Aufhebung der gegen ihn gerichteten Abgabenfestsetzung, um das Risiko seiner Inanspruchnahme im Innenverhältnis durch den weiteren Gesamtschuldner S auszuschließen. Der Kläger hält seine Inanspruchnahme für rechtswidrig und macht unter Bezugnahme auf die Einspruchsbegründung vom 30.12.2002 (Behördenakte Bl. 19 ff.) geltend: Infolge des zwischenzeitlichen Verbrauchs der erworbenen Zigaretten sei nicht nachweisbar festzustellen, ob es sich um die angeblich unversteuert eingeführten Zigaretten des Herrn S gehandelt habe. Als einziges Beweismittel stehe die Aussage des wegen einer Steuerhinterziehung beschuldigten S zur Verfügung, der das ihm drohende Strafmaß durch Beschuldigung gutgläubiger Bieter des Auktionshauses eBay zu senken versuche und an dessen Glaubwürdigkeit erhebliche Bedenken bestünden. Auch in subjektiver Hinsicht sei dem Kläger kein Vorwurf fahrlässigen Handelns zu machen. Hierfür spreche die Versteigerung über das renommierte Auktionshaus eBay. Entgegen der Auffassung des Beklagten habe der Kläger auch nicht anhand des Preises erkennen müssen, dass es sich um nicht ordnungsgemäß versteuerte Ware gehandelt habe. Der Preis (94,08 EUR einschließlich 4 EUR Portokosten) habe nur unwesentlich unter dem Automatenpreis gelegen. Wenn man bedenke, dass bei eBay andere Waren geradezu "verschleudert" würden, vermöge der marginale Preisunterschied keinesfalls ein potentielles Unrechtsbewusstsein zu begründen. Zum selben Preis hätten auch Zigaretten von jemanden ersteigert werden können, der das Rauchen aufgeben wolle. An fehlende Steuerzeichen auf den Zigarettenschachteln vermöge sich der Kläger nicht zu erinnern und gehe vielmehr davon aus, dass ordnungsgemäße Steuerzeichen vorhanden gewesen seien.
Der Kläger beantragt,
den mit Einspruchsentscheidung vom 19.01.2004 bestätigten Steuerbescheid vom 16.10.2002 in Gestalt des Bescheides vom 20.02.2003 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger sei zutreffend als Schuldner der Einfuhrabgaben in Anspruch genommen worden. Die von ihm erworbenen Zigaretten seien in Deutschland nicht ordnungsgemäß versteuert gewesen. Dies habe der Kläger ohne weiteres bei Inbesitznahme der Zigaretten erkennen können. Wegen der Einzelheiten des Beklagtenvorbringens wird auf die Klageerwiderung vom 17.03.2004 Bezug genommen (Bl. 20 ff. dA).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsätze des Klägervertreters und des Beklagten vom 30.03.2004 und vom 11.08.2005, Bl. 26, 31 dA).
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet. Die Abgabenfestsetzung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Kläger wurde zu Recht als Einfuhrabgabenschuldner für die im Rahmen einer eBay-Auktion ersteigerten Zigaretten in Anspruch genommen.
Die Zollschuld ist entstanden gemäß Art. 202 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a) Zollkodex, entsprechendes gilt für die Tabaksteuer und die Einfuhrumsatzsteuer, § 21 Satz 1 Tabaksteuergesetz, § 21 Abs. 2 UStG: Die unversteuerten und unverzollten Zigaretten waren einfuhrabgabenpflichtige Waren, die bei Einfuhr entgegen Art. 40 Zollkodex nicht gestellt und deshalb vorschriftswidrig in das Gemeinschaftsgebiet verbracht worden sind:
Dass es sich bei den erworbenen Zigaretten um einfuhrabgabenpflichtige, nicht versteuerte und verzollte Nichtgemeinschaftswaren handelte, steht fest aufgrund der Aussage des Verkäufers S , an deren Richtigkeit zu zweifeln der Senat keinen Anlass sieht. Herr S hat angegeben, er habe die über eBay versteigerten, somit auch die an den Kläger versandten Zigaretten in der Tschechischen Republik erworben. Diese können somit jedenfalls keine deutschen Steuerzeichen getragen haben, § 12 Abs. 1 TabStG.
Die eingeführten Zigaretten waren auch nicht als Waren im persönlichen Gepäck des Herrn S im Rahmen der Reisefreimengenregelung von den Einfuhrabgaben befreit. Die von Herrn S in seiner Beschuldigtenvernehmung geäußerte Auffassung, er habe die Zigaretten "im Rahmen meiner Einreisefreimenge mitgebracht", ist unzutreffend. Die Voraussetzungen von Art. 45 Abs. 1, Art. 46 Abs. 1 Buchst. a) der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 vom 28. März 1983 (ZollbefreiungsVO), § 2 Abs. 1 Einreise-Freimengen-Verordnung vom 3. Dezember 1974 (EF-VO) waren nicht erfüllt. Es handelte sich nicht um Einfuhren ohne kommerziellen Charakter (Art. 45 Abs. 1 ZollbefreiungsVO), nämlich solche, die gelegentlich erfolgen und sich ausschließlich aus Waren zusammensetzen, die zu Herrn S s persönlichen Ge- oder Verbrauch oder den Angehörigen seines Haushaltes oder als Geschenk bestimmt waren, Art. 45 Abs. 2 Buchst. b) ZollbefreiungsVO, § 2 Abs. 1 Satz 1 EF-VO. Vielmehr hat Herr S die Zigaretten gegen Entgelt weiterveräußert. Einer Steuerbefreiung steht überdies die regelmäßige und nicht nur gelegentliche Einfuhr entgegen: Herr S ist nach seinen Angaben mehrmals wöchentlich nach Tschechien gefahren und hat von dort jeweils eine Stange Zigaretten mitgebracht.
Zu Recht wurde auch der Kläger -neben Herrn S als Verbringer- als Schuldner der Einfuhrabgaben in Anspruch genommen, weil er die Zigaretten in Besitz genommen hat, obwohl er bei Erhalt jedenfalls vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass sie vorschriftwidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden waren, Art. 202 Abs. 3 Anstrich 3 Zollkodex, § 21 Satz 1 TabStG, § 21 Abs. 2 UStG: Aus der hier maßgeblichen Sicht eines vernünftigen Beteiligten, dem die Unkenntnis vom vorschriftswidrigen Verbringen nach den objektiven, nicht fern liegenden Umständen des Einzelfalles zur Last gelegt werden können muss (vgl. Witte, Zollkodex, 4. Aufl. 2006, Art. 202 Rn. 20), musste dem Kläger bei Empfang der Ware auffallen, dass die ersteigerten Zigaretten erkennbar jedenfalls keine deutsche Steuerzeichen (Banderolen) im Sinne von § 12 TabStG getragen haben. Das Fehlen der Steuerzeichen gab Anlass, am ordnungsgemäßen Verbringen zu zweifeln. Grund hierfür ist die Publizitätswirkung der Steuerzeichen: Deren entscheidende Bedeutung liegt darin, dass für jeden sofort erkennbar ist, ob Tabakwaren ordnungsgemäß versteuert worden sind oder nicht (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 23.06.2004 4 K 1162/04 VTa, Z, EU, ZfZ 2005, 25).
Überdies hätte der Kläger aufgrund des geringen Kaufpreises vernünftigerweise wissen müssen, dass die Ware vorschriftswidrig in das Gemeinschaftsgebiet verbracht worden ist: Entgegen seiner Auffassung lag der Kaufpreis (94,08 EUR für 800 Stück einschließlich 4 EUR Versandkosten, dies entspricht einem Preis von etwa 2,35 EUR für eine Packung mit 20 Stück) keineswegs "nur unwesentlich unter dem Automatenpreis": Vielmehr betrug auf der Grundlage eines Kleinverkaufspreises/KVP von damals 0,15 EUR pro Stück (vgl. Anlage zum Steuerbescheid vom 16.10.2002, Behördenakte Bl. 15) der übliche Verkaufspreis für eine Packung im Jahr 2002 etwa 3 EUR, er lag somit deutlich über dem vom Kläger aufzuwendenden Preis (vgl. hierzu auch das eine eBay -Ersteigerung von Zigaretten betreffende o.a. Urteil des FG Düsseldorf vom 23.06.2004 4 K 1162/04 VTa, Z, EU, ZfZ 2005, 25). Da der durch den Hersteller oder Einführer gemäß § 5 TabStG als Einzelhandelspreis zu bestimmende Kleinverkaufspreis vom Händler bei Abgabe an Verbraucher grundsätzlich nicht unterschritten werden darf (§ 24 Abs. 1 TabStG), stellt der vorliegend reduzierte Kaufpreis ein gewichtiges Indiz gegen die ordnungsgemäße Einfuhr dar. Angesichts der gesetzlich vorgesehenen grundsätzlichen Preisbindung für ordnungsgemäß veräußerte Tabakwaren geht das weitere Argument des Klägers fehl, der (seiner Auffassung nach) "marginale Preisunterschied" vermöge ein Unrechtsbewusstsein nicht zu begründen, wenn man bedenke, dass bei eBay andere Waren geradezu "verschleudert" würden. Ebenso wenig konnte der Kläger ernsthaft darauf vertrauen, der geringe Kaufpreis beruhe darauf, dass der Versteigerer das Rauchen aufgeben wollte.
Schließlich kann der Kläger sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe auf das renommierte Auktionshaus eBay vertraut. Denn das Auktionshaus tritt nur als Vermittler auf, der für die Ware keine Gewähr übernimmt (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 23.06.2004 4 K 1162/04 VTa, Z, EU, ZfZ 2005, 25).
Einwendungen gegen die Höhe der festgesetzten Einfuhrabgaben sind nicht erhoben und auch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.
Ende der Entscheidung
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