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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 12.03.2008
Aktenzeichen: 8 K 560/05
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 2 Abs. 2
UStG § 14 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 8. Senat

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...,

des Richters am Finanzgericht ... und

der Richterin am Landgericht ... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und

auf Grund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 12.03.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin die in zwei Rechnungen vom 15. und 16.04.1996 ausgewiesene Umsatzsteuer schuldet.

Mit Notarvertrag vom 15.03.1995 erwarb die Klägerin, die bis zum 26.06.2000 unter der Firma F.H. GmbH firmierte, ein Gewerbegrundstück von der D. M. GmbH i. L. unter Beteiligung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben - BvS - als gesetzlicher Vertreter nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Investitionsvorranggesetz - InVorG - für 1 DM. Im Gegenzug verpflichtete sich die Klägerin, auf dem Grundstück mindestens 100.000 DM zu investieren und sukzessive 10 Vollzeitarbeitsplätze zu schaffen. Nach § 10 des Vertrages hatten der Verkäufer und die BvS der Klägerin für Abbrucharbeiten auf dem Grundstück jeweils einen Zuschuss von bis zu 1.000.000 DM, zusammen also bis zu 2.000.000 DM zu gewähren. Der Zuschuss sollte in acht Tranchen im Umfang von bis zu 250.000 DM entsprechend dem Fortschritt der Abbrucharbeiten für bereits erbrachte Fremd- und Eigenleistungen gewährt werden. Fremdleistungen sollten durch geeignete Unterlagen, insbesondere Verträge und Rechnungen, und Eigenleistungen auf Verlangen durch das Testat eines Steuerberaters nachgewiesen werden. Ferner hatte die Verkäuferin diesbezüglich ein Einsichtnahmerecht in die Geschäftsbücher.

Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin im Streitjahr war H., der auch alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter der H. Verwaltungsgesellschaft mbH D. war. Die Klägerin und die H. Verwaltungsgesellschaft mbH schlossen unter dem 15.12.1995 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, wonach die Klägerin die Leitung ihres Unternehmens der H. Verwaltungsgesellschaft mbH unterstellte und diese berechtigt war, den Geschäftsführern der Klägerin alle zweckdienlichen Weisungen zu erteilen. Die Klägerin war ferner verpflichtet, den gesamten nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn abzüglich eines evt. Verlustvortrages aus dem Vorjahr an die H. Verwaltungsgesellschaft mbH abzuführen.

Unter dem 29.03.1996 bestätigte Steuerberater M. Eigenleistungen der Klägerin in Form des Einsatzes eigener Arbeitnehmer zu 81.752,23 DM sowie Leistungen der B. H. GmbH, bei der ebenfalls H. alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war und die deshalb gleichermaßen als Eigenleistungen zu bewerten seien, in Form von Personalgestellung zu 72.908,52 DM, in Form von Ingenieur-Leistungen zu 23.413,00 DM, in Form von Maschinengestellung zu 14.025,00 DM und in Form von Maschinenanmietung zu 7.886,44 DM, mithin einem Gesamtaufwand für Eigenleistungen in Höhe von 199.533,52 DM. Am 15.04.1996 erteilte die Klägerin der B. H. GmbH eine Rechnung über die Gestellung von Personal "für Vorbereitungsarbeiten im Zusammenhang mit den Abriss D. M. GmbH i.L." über netto 81.300,56 DM zzgl. 15% MwSt 12.195,08 DM. Unter dem gleichen Datum erteilte die B. H. GmbH der Klägerin eine identische Rechnung mit identischer Rechnungsnummer. Am 16.04.1996 erteilte die B. H. GmbH der Klägerin eine Rechnung mit der Rechnungsnummer S 000-003 für getätigte Vorbereitungsarbeiten für den Abriss D. M. GmbH i.L., die die Positionen Lohnkosten für Hilfskräfte 81.300,56 DM, Lohnkosten für Fachkräfte einschließlich Arbeitgeberanteil Sozialversicherung 72.908,52 DM, Maschinengestellung 14.025 DM, Anmietung von Baugeräten 7.886,44 DM und Vorbereitungsarbeiten Zufahrt 23.413 DM enthielt und einen Gesamtrechnungsbetrag in Höhe von netto 199.533,52 DM auswies. Ebenfalls unter dem 16.04.1996 stellte die Klägerin der D. M. GmbH i.L. eine Rechnung über "Abriss D. M. GmbH i.L.", die die Positionen "Anlage 1 Rechnungs-Nr. S 000-003 DM 199.533,52", "Anlage 2 Rechnungs-Nr. 04031 DM 217.391,30" und "Anlage 2 Rechnungs-Nr. 04032 DM 434.782,61" enthielt und den Gesamtrechnungsbetrag von 851.707,43 DM zzgl. 15% MwSt. 127.756,11 DM auswies. Die Rechnungsnummern 04031 und 04032 finden sich auf zwei Abschlagsrechnungen der O. GmbH über das Vorhaben "Abriss M. Sch." vom 09.04.1996 und vom 19.04.1996 über 217.391,30 DM und 434.782,61 DM. Die an die D. M. GmbH i.L. adressierte Rechnung vom 16.04.1996 reichte die Klägerin unter Beifügung der beiden Abschlagsrechnungen der O. GmbH und der Rechnung der B. H. GmbH vom 16.04.1996 sowie des Testats des Steuerberaters M. bei der BvS zur Abforderung des vertraglich vereinbarten Investitionszuschusses ein. Die BvS bat den Liquidator der D. M. GmbH i.L. unter dem 15.06.1996 um Überweisung der von der Firma O. in Rechnung gestellten Abschlagsbeträge in Höhe von insgesamt brutto 750.000 DM an die Klägerin. Wegen der von der B. H. GmbH in Rechnung gestellten Leistungen, die dieser zum Teil zuvor von der Klägerin selbst berechnet worden waren, kam es trotz des Testates des Steuerberaters M. in der Folgezeit zu Unstimmigkeiten zwischen der BvS und der Klägerin. Zu deren Beilegung vereinbarten die BvS, die D. M. GmbH i.L. und die Klägerin unter dem 05.11.1996, dass der Investitionszuschuss gem. § 10 des Kaufvertrages vom 15.03.1995 fest mit 1,5 Mio. DM vereinbart wird. Zahlungsvoraussetzung sollte nur noch der Nachweis der Durchführung des Abrissvorhabens und nicht mehr der Kosten sein. Die bereits von der D. M. GmbH i.L. gezahlten 750.000 DM sollten zurück gefordert werden können, wenn der Nachweis der Verwirklichung der Abrissmaßnahme nicht spätesten bis zum 30.06.1998 erfolgt.

Weil die Klägerin für 1996 keine Umsatzsteuererklärung abgab , erging am 16.02.1998 ein Schätzungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Mit Bescheid vom 25.08.1999 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Aufgrund einer Fahndungsprüfung in den Jahren 2001 bis 2003 änderte der Beklagte die Umsatzsteuerfestsetzung 1996 gegen die Klägerin mit Bescheid vom 16.03.2004 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung - AO -. Dagegen legte die Klägerin am 13.04.2004 Einspruch ein und wandte sich gegen die Berücksichtigung der Rechnungen an die B. H. GmbH vom 15.04.1996 und an die D. M. GmbH i.L. vom 16.04.1996 bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Mit Einspruchsentscheidung vom 01.03.2005 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Am 31.03.2005 hat die Klägerin Klage erhoben.

Am 20.06.2005 hat die Klägerin die Rechnung vom 16.04.1996 gegenüber der D. M. GmbH i.L. storniert. Am gleichen Tag hat die in M.-B. GmbH umfirmierte B. H. GmbH die Rechnung vom 15.04.1996 an die Klägerin storniert.

Die Klägerin ist der Auffassung, Umsatzsteuer nicht zu schulden, da sie im Streitjahr Organgesellschaft der H. Verwaltungsgesellschaft mbH gewesen sei. Insbesondere liege das Merkmal der finanziellen Eingliederung vor, weil die Mehrheit der Stimmrechte an ihr als Organgesellschaft von dem Gesellschafter der Organträgergesellschaft gehalten werde. Das erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis ergebe sich aus dem Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15.12.1995. Aufgrund der Überlassung des Betriebsgrundstückes der Klägerin durch die Organträgergesellschaft sei auch eine wirtschaftliche Eingliederung gegeben. Aber selbst wenn die Klägerin Steuerschuldnerin wäre, sei kein Leistungsaustauschverhältnis gegeben. Die Abbruchleistungen seien nicht gegenüber der D. M. GmbH i.L. erbracht worden. Die Rechnung an die D. M. GmbH i.L. sei in der irrigen Annahme erteilt worden, für die Abforderung des vertraglich vereinbarten Investitionszuschusses eine Rechnung stellen zu müssen. Die Rechnung sei deshalb auch nicht an die D. M. GmbH i.L. gesandt worden, sondern an die BvS. Bei dem Investitionszuschuss handle es sich um einen sog. echten Zuschuss, der nicht steuerpflichtig sei. Eine Steuerpflicht ergäbe sich auch nicht nach § 14 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz 1996 - UStG -, weil die Rechnung nicht erst am 20.06.2005 storniert worden sei, sondern bereits mit der Vereinbarung vom 05.11.1996 aufgehoben worden sei. Der Rechnung an die B. H. GmbH vom 15.04.1996 liege ein innerorganschaftlicher Umsatz zugrunde. Eine Steuerschuld käme auch nach § 14 Abs. 3 UStG nicht in Betracht, weil der abgerechnete Betrag noch einmal in der Rechnung der B. H. GmbH an die Klägerin vom 16.04.1996 über insgesamt netto 199.533,52 DM und ein weiteres Mal in der Rechnung der Klägerin an die D. M. GmbH i.L. vom 16.04.1996 enthalten sei. Durch die erneute Aufnahme in die jüngere Rechnung sei die ältere Rechnung storniert worden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 13.04.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.03.2005 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um insgesamt 139.951 DM herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin und der H. Verwaltungsgesellschaft mbH für nicht gegeben. Eine finanzielle Eingliederung liege nicht vor, wenn sämtliche Anteile der beteiligten Kapitalgesellschaften in den Händen einer natürlichen Person im Privatvermögen gehalten würden und daher kein Über-/Unterordnungsverhältnis der Gesellschaften vorliege. Auch fehle es an einer wirtschaftlichen Eingliederung, da die Klägerin im Streitjahr für eine Vielzahl von Einzelkunden Fenster produziert habe. Die von der Klägerin als Bauherrin durchgeführten Abrissarbeiten auf dem Grundstück der Mälzerei stellten eine Leistung an die D. M. GmbH i.L. dar. Der sog. Investitionszuschuss werde im Grundstückskaufvertrag von einer konkreten Gegenleistung abhängig gemacht. Neben der vertraglichen Ausgestaltung zeige dies auch der spätere Streit über die Abrechnungsmodalitäten. Auch die Klägerin sei offensichtlich von steuerpflichtigen Leistungen ausgegangen, weil sie entsprechend abgerechnet habe. Der auf die Rechnung vom 16.04.1996 gezahlte Betrag in Höhe von brutto 750.000 DM sei auch nicht von der BvS, sondern von der D. M. GmbH i.L. entrichtet worden. Ferner schulde die Klägerin die Umsatzsteuer aus der Rechnung vom 16.04.1996 gem. § 14 Abs. 3 UStG, weil die D. M. GmH i.L. ein vorsteuerabzugsberechtigtes Unternehmen sei. Die Stornierung der Rechnung im Besteuerungszeitraum 2005 gehe ins Leere, weil in diesem Zeitpunkt die Liquidation der D. M. GmbH i.L. bereits abgeschlossen gewesen sei. Im Übrigen wirke sich die Stornierung 2005 ohnehin nicht auf das Streitjahr aus.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Der angefochtene Änderungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 44 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Abs. 2 Satz 1 Fall 1 FGO). Die Klägerin schuldet die streitige Umsatzsteuer aus der an die D. M. GmbH i.L. adressierten Rechnung vom 16.04.1996 jedenfalls nach § 14 Abs. 3 Satz 1 und Satz 1 Fall 2 UStG a.F. Die streitige unter dem 15.04.1996 von der Klägerin gegenüber der B. H. abgerechnete Personalgestellung "für Vorbereitungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Abriss D. M. GmbH i.L." unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer.

I. Den in der Rechnung an die D. M. GmbH i.L. vom 16.04.1996 offen ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 127.756,11 DM schuldet die Klägerin jedenfalls nach § 14 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Fall 2 UStG a.F.

Es bedarf keiner Entscheidung der Streitfrage, ob die der Rechnung vom 16.04.1996 zugrunde liegenden Abbrucharbeiten, die die Klägerin auf dem von der D. M. GmbH i.L. erworbenen Grundstück ausgeführt hat, eine Leistung gegen Entgelt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG darstellen. Selbst wenn man der Rechtsauffassung der Klägerin folgt und davon ausgeht, dass sie die Abrissarbeiten auf dem von der D. M. GmbH i.L. erworbenen Grundstück ausschließlich im eigenen Interesse durchgeführt hat und die im Kaufvertrag vom 15.03.1995 bzw. in der Vereinbarung vom 05.11.1996 im Zusammenhang damit vereinbarten Zahlungen der Verkäuferin und der BvS sog. echte Zuschüsse sind, die nicht um einer Gegenleistung willen erbracht werden, schuldet die Klägerin den in der Rechnung vom 16.04.1996 ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag.

Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG a.F. schuldet den ausgewiesenen Betrag, wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist. Nach § 14 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 UStG a.F. gilt das gleiche, wenn jemand einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt.

Verneint man mit der Klägerin hinsichtlich der Abbrucharbeiten eine steuerpflichtige Leistung gegen Entgelt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, liegen diese Voraussetzungen vor.

1. Die Klägerin war im Streitjahr nicht Organgesellschaft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG.

Es kann daher dahinstehen, ob Steuerschuldner im Falle des § 14 Abs. 3 UStG a.F., der die Unternehmereigenschaft gerade nicht voraussetzt, nach § 13 Abs. 2 Nr. 4 UStG a.F. beim Bestehen einer Organschaft die rechnungsausstellende Organgesellschaft oder der Organträger ist, dem die Rechnungsausstellung durch die Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Sätze 1 und 3 UStG zuzurechnen ist (so FG Münster, Beschluss vom 25. März 1994 15 V 896/94 U, EFG 1994, 590 und Urteil vom 24. Januar 1995 15 K 485/94 U, EFG 1996, 294).

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur dann nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

a. Die Klägerin war nicht finanziell in das Unternehmen der H. Verwaltungsgesellschaft mbH eingegliedert.

Eine finanzielle Eingliederung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG verlangt, dass der Organträger über eine entscheidende kapitalmäßige Beteiligung in der Lage ist, seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. Ist die Ausübung des Stimmrechts - wie im Regelfall - in der zu beherrschenden Gesellschaft an die Höhe der kapitalmäßigen Beteiligung gekoppelt, ist eine über 50 v.H. liegende finanzielle Beteiligung erforderlich. Entscheidend ist letztlich, dass die finanzielle Beteiligung die entscheidungserhebliche Stimmenmehrheit bei der zu beherrschenden Organgesellschaft vermittelt. Die finanzielle Beherrschung ist nicht durch eine organisatorische Beherrschung aufgrund eines Beherrschungsvertrages oder einer Personalunion in der Geschäftsführung ersetzbar (vgl. Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 111, m.w.N.; BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BStBl II 1997, 441).

Im Streitfall war die H. Verwaltungsgesellschaft mbH finanziell nicht an der Klägerin beteiligt. Entgegen der Auffassung der Klägerin lag auch keine die finanzielle Eingliederung begründende mittelbare Beteiligung dergestalt vor, dass der Alleingesellschafter der H. Verwaltungsgesellschaft mbH alle Geschäftsanteile an der Klägerin hielt. Namentlich die finanzielle Eingliederung setzt ein Über-/Unterordnungsverhältnis der beteiligten Gesellschaften voraus. Die Organgesellschaft muss als Unternehmensteil dem Unternehmen des Organträgers zuzuordnen sein. Soll eine juristische Person (Kapitalgesellschaft) Organträgerin sein, setzt dies daher regelmäßig deren unmittelbare Beteiligung an der Organgesellschaft voraus. Mittelbare Beteiligungen kommen bei Kapitalgesellschaften als Organträger nur im Falle von Enkelgesellschaften in Betracht. An einer ein Über-/Unterordnungsverhältnis begründenden finanziellen Eingliederung fehlt es hingegen, wenn die Anteile mehrerer Kapitalgesellschaften - wie im Streitfall - von einer natürlichen Person im Privatvermögen gehalten werden. In diesem Fall ist keine der beteiligten Gesellschaften finanziell in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet (vgl. BFH in BStBl II 1997, 441). Der Bundesfinanzhof nimmt eine finanzielle Eingliederung bei einer mittelbaren Beteiligung in der Weise, dass die/der Gesellschafter der Organträgergesellschaft die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte in der Organgesellschaft halten/hält, nur in den Fällen an, in denen Organträgergesellschaft eine Personengesellschaft ist (grundlegend BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136 in Abgrenzung zu BFH in BStBl II 1997, 441; auch in den BFH-Urteilen vom 22. November 2001 V R 50/00, BStBl II 2002, 167 und vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BStBl II 2005, 671, ging es jeweils um Personengesellschaften als Organträger). Diese Differenzierung lässt sich zwar kaum mit der ertragsteuerlichen Sichtweise begründen, dass die Beteiligung des Gesellschafters an der Organkapitalgesellschaft einer Organträgerpersonengesellschaft als Sonderbetriebsvermögen zuzurechnen ist (so auch Reis, a.a.O., m.w.N.). Gleichwohl ist das Umsatzsteuerrecht, was die Organschaft betrifft, nicht rechtsformneutral: Eine Personengesellschaft kann z.B. nicht Organgesellschaft sein (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG und BFH in BStBl II 2005, 671). Es kann durchaus berücksichtigt werden, dass die Willensausübung bei einer Personengesellschaft unmittelbar von den Gesellschaftern abhängt und deshalb auch bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ein in der Gesellschaftermehrheit liegender Umstand, nämlich die Möglichkeit, in der Organgesellschaft den Willen durchzusetzen, der Gesellschaft zuzurechnen ist. Darin unterscheidet sich die Organträger personen - von der Organträgerkapitalgesellschaft.

b. Die Klägerin war auch nicht Organgesellschaft ihres Alleingesellschafters H..

Da die umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG eine Eingliederung der Organgesellschaft "in das Unternehmen" des Organträgers erfordert, muss der Organträger unabhängig von der Tätigkeit der Organgesellschaft Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG sein. Dass der Organträger ein Unternehmen hat, ist Tatbestandsvoraussetzung und nicht Tatbestandsfolge (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 97; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rd. 109 mit ergänzender europarechtlicher Begründung; a.A. Stadie in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 670, 204 f.; vom BFH wurde diese Frage zuletzt offengelassen, vgl. Urteil vom 7. Juli 2005 V R 78/03, BStBl II 2005, 849, m.w.N.).

H. war im Streitjahr selbst nicht unternehmerisch tätig.

2. Auch die weiteren Voraussetzungen dafür, dass die Klägerin die offen ausgewiesene Umsatzsteuer in der Rechnung vom 16.04.1996 nach § 14 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Fall 2 UStG a.F. schuldet, sind gegeben, wenn man die streitbefangenen Abbruchleistungen nicht als Leistungen gegen Entgelt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ansieht.

a. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie die Rechnung vom 16.04.1996 in einer Weise in den Verkehr gebracht, die den Gefährdungstatbestand des § 14 Abs. 3 UStG a.F. verwirklicht.

Erforderlich ist die körperliche Übergabe des Abrechnungspapiers zu Händen des Adressaten oder seines beauftragten Dritten. Damit betätigt der Aussteller seinen Willen, die in dem (falschen) Abrechnungspapier vermerkte Steuer zugunsten des Adressaten "auszuweisen". Bei dieser Willensbetätigung genügt es, wenn der Aussteller in Kauf nimmt, dass der Adressat von dem Abrechnungspapier als Rechnung Gebrauch macht.

Die Klägerin hat die Rechnung vom 16.04.1996 willentlich der BvS zugeleistet, die nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Investitionsvorranggesetz - InvVorG - unbeschadet der Rechte des Geschäftsführers bzw. Liquidators der D. M. GmbH i.L. als deren gesetzlicher Vertreter handelte.

b. Entgegen der Auffassung der Klägerin entfällt ihre Steuerschuld nach § 14 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Fall 2 UStG a.F. auch nicht auf Grund einer Berichtigung der Rechnung vom 16.04.1996.

Abgesehen davon, dass sich vor der Einführung eines Berichtigungsanspruchs im deutschen Umsatzsteuerrecht mit § 14 c Abs. 2 Sätze 3 bis 5 Umsatzsteuergesetz 2004 - UStG n.F. - die nach dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Neutralität gebotene Berichtigungsmöglichkeit wohl nur durch Billigkeitsregelung nach § 163, § 227 Abgabenordnung - AO - umsetzen lässt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 17.05.2001 V R 77/99, BStBl II 2004, 370, m.w.N.; a.A. offenbar BMF, Schreiben vom 29. Januar 2004, Rz. 86, BStBl I 2004, 258), die einem gesonderten Verfahren vorbehalten ist, ist eine Berichtigung der Rechnung vom 16.04.1996 bislang nicht erfolgt.

Die Vereinbarung zwischen der BvS, der D. M. GmbH i.L. und der Klägerin vom 05.11.1996 zur Beilegung der Unstimmigkeiten wegen des Nachweises der Eigenleistungen bei den Abrissarbeiten hat die Gefährdung des Steueraufkommens durch die Rechnung an die D. M. GmbH i.L. mit offenem Vorsteuerausweis nicht beseitigt. Die Vereinbarung lässt die Rechnung vom 16.04.1996 vollkommen unerwähnt. Sie erklärt den unberechtigten Steuerausweis gegenüber dem Rechnungsempfänger, der D. M. GmbH i.L. nicht für ungültig (vgl. dazu BMF, a.a.O., Rdz. 83).

Die Stornierung der Rechnung vom 16.04.1996 am 20.06.2005 stellt ebenfalls keine genügende Rechnungsberichtigung dar, weil sie nach Abschluss der Liquidation der D. M. GmbH i.L. gegenüber dem vormaligen Liquidator erfolgt ist und daher ins Leere geht. Im Übrigen spricht vieles dafür, auch vor der Anwendbarkeit des § 14 c Abs. 2 Sätze 3 bis 5 UStG n.F., der auf § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG verweist, die Berichtigung im Billigkeitswege entsprechend dieser Vorschrift in dem Besteuerungszeitraum zu berücksichtigen, in dem sie erfolgt ist.

II. Geht man demgegenüber mit dem Beklagten davon aus, dass die Abbrucharbeiten auf dem Grundstück der D. M. GmbH i.L. eine Leistung gegen Entgelt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG waren, unterliegen sie nach dieser Vorschrift der Umsatzsteuer.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen Lieferungen und sonstige Leistungen der Umsatzsteuer, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Wie bereits dargelegt, ist die Klägerin Unternehmerin im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG; insbesondere ist sie selbständig tätig und nicht Organgesellschaft im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG. Nimmt man entgeltliche Leistungen gegenüber der D. M. GmbH i.L. an, wurden diese auch im Rahmen des Unternehmens der Klägerin im Inland ausgeführt.

III. Die in der Rechnung an die B. H. GmbH vom 15.04.1996 ausgewiesene Steuer in Höhe von 12.195,08 DM für die Gestellung von Personal im Rahmen der Abrissarbeiten auf dem Grundstück der D. M. GmbH i.L. schuldet die Klägerin auf jeden Fall nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG.

Dass der B. H. GmbH gegen das abgerechnete Entgelt Personal überlassen worden ist, ist von der Klägerin nie in Abrede gestellt worden. Die Klägerin wendet gegen die Nachfestsetzung der Steuer mit dem angefochtenen Änderungsbescheid lediglich ein, dass ein innerorganschaftlicher Umsatz vorliege, weil die B. H. GmbH nach ihrem Dafürhalten Organgesellschaft der H. Verwaltungsgesellschaft mbH sei. Dieser Einwand verfängt nicht, da jedenfalls die Klägerin - wie dargelegt - entgegen ihrer Auffassung nicht Organgesellschaft der H. Verwaltungsgesellschaft mbH ist.

IV. Nachdem die den streitbefangenen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis begründenden Sachverhalte erst im Zuge der Fahndungsprüfung in den Jahren 2001 bis 2003 aufgedeckt wurden, liegen die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vor. Festsetzungsverjährung war noch nicht eingetreten, weil die nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 1999 begonnene Festsetzungsfrist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) mit dem Beginn der Fahndungsprüfung bis zur Bestandskraft der auf Grund dieser Prüfung zu erlassenden Bescheide gehemmt war (§ 171 Abs. 5 Satz 1 AO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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