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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Beschluss verkündet am 01.09.2009
Aktenzeichen: 8 V 2039/07
Rechtsgebiete: UStG, UStDV, AO


Vorschriften:

UStG § 13b Abs. 4
UStG § 18 Abs. 3
UStG § 18 Abs. 9
UStDV § 59 Abs. 1
AO § 150 Abs. 1
AO § 157 Abs. 1
AO § 164 Abs. 2
AO § 164 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 8. Senat

am 01. September 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Vollziehung der Bescheide über Umsatzsteuer 2000 und über Zinsen zur Umsatzsteuer 2000 jeweils vom 17.10.2006 werden bis spätestens einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ausgesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob nach § 18 Abs. 9 Umsatzsteuergesetz 2000 -UStG- i.V.m. § 59 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 2000 -UStDV- auf die von der Antragstellerin im Streitjahr abziehbaren Vorsteuerbeträge das besondere Vorsteuervergütungsverfahren nach § 60, § 61 UStDV anwendbar ist und ggf. ob eine Vorsteuervergütung in diesem Verfahren wegen Fristablauf ausgeschlossen ist oder ob zumindest aus Gründen von Treu und Glauben eine Vorsteuererstattung im Wege der Veranlagung zur Umsatzsteuer 2000 erfolgen muss.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft ausländischen Rechts, die vor allem Stahlbauarbeiten ausführt. Am 08.07.2002 reichte sie eine nicht unterschriebene Umsatzsteuerjahreserklärung 2000 beim Finanzamt K. ein, mit der sie Vorsteuerbeträge aus Rechnungen anderer Unternehmer in Höhe von 38.392,59 DM und entrichtete Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 5.478,26 DM, insgesamt abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 43.870,85 DM und einen verbleibenden Vorsteuerüberschuss in dieser Höhe erklärte. Am 05.08.2002 wurde die Unterschrift des Geschäftsführers nachgereicht. Am 19.08.2002 reichte die Antragstellerin die Anlage UN zur Umsatzsteuerjahreserklärung 2000 nach, in der sie Umsätze, für die die Umsatzsteuer im Abzugsverfahren vom Leistungsempfänger einbehalten worden ist, in Höhe von 2.131.729 DM und darauf entfallende Steuern in Höhe von 341.076,64 DM erklärte und angab, keine Vergütung von Vorsteuern beantragt zu haben. Mit Mitteilung vom 01.10.2002 stimmte das Finanzamt K. der Umsatzsteuerjahreserklärung 2000 zu und setzte zu Gunsten der Antragstellerin Zinsen zur Umsatzsteuer in Höhe von 672 EUR fest.

Am 24.09.2002 wandte sich der Antragsgegner an die Antragstellerin zur Prüfung ihrer Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland. Daraufhin wurde sie von der Antragstellerin mit Schreiben vom 09.10.2002 an das Finanzamt K. verwiesen, wo die Antragstellerin schon seit Jahren geführt werde. Am 17.10.2002 forderte der Antragsgegner vom Finanzamt K. die Akten der Antragstellerin wegen einer Änderung der örtlichen Zuständigkeit im Besteuerungsverfahren an, weil die Antragstellerin ein ausländisches Werkvertragsunternehmen sei. Mit Abgabeverfügung vom 25.10.2002 wurde der Anforderung durch das Finanzamt K. nachgekommen. Am 18.11.2002 lehnte der Antragsgegner dann aber die Aktenübernahme ab, weil die Antragstellerin lediglich Montagearbeiten (z.B. Schlosserei- und Schweißarbeiten) ausführe. Mit Schreiben vom 05.08.2003 teilte das Finanzamt K. der Antragstellerin im Zuge der Bearbeitung ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 mit, dass sich erneut die Frage stelle, welches Finanzamt zuständig sei. Es werde deshalb um Mitteilung gebeten, ob und ggf. wo eine inländische Betriebsstätte unterhalten und ob und ggf. wo ein ständiger inländischer Vertreter vorhanden sei. Daraufhin teilte die Antragstellerin dem Finanzamt K. unter dem 17.09.2003 mit, dass sie Werkleistungs- und Werklieferungsverträge in Deutschland ausführe. Es gebe unterschiedliche Auftraggeber in unterschiedlichen Regionen. Alles in allem sei das Unternehmen durchgängig in Deutschland tätig. Bei den einzelnen Aufträgen würden Baustellenbüros eingerichtet, durch die die Aufträge koordiniert und überwacht würden. Ein festes Zentralbüro in Deutschland gebe es nicht. Für die gesamten Aktivitäten in Deutschland sei B. verantwortlich, der in begrenztem Rahmen auch Vertragsvollmachten besitze. Seit Beendigung der Großbaustelle "H.-Brücke" gehe man davon aus, dass das Schwerpunktfinanzamt für Ausland, der Antragsgegner, zuständig sei. Es werde um Prüfung und ggf. Abgabe gebeten. Mit Schreiben vom 24.09.2003 bat das Finanzamt K. den Antragsgegner daraufhin erneut um Übernahme des Falles. In diesem Zusammenhang wies es darauf hin, dass sowohl hinsichtlich der Zuständigkeit als auch in umsatzsteuerlicher Hinsicht die Antragstellerin bislang fehlerhaft behandelt worden sei. So seien die Umsätze im Abzugsverfahren nach §§ 51 ff. UStDV besteuert und die Vorsteuern im Veranlagungswege erstattet worden. Sei die Antragstellerin nicht im Inland ansässig, käme nur das Vergütungsverfahren für die Vorsteuererstattung in Betracht. Wenn hingegen eine inländische Ansässigkeit gegeben wäre, müsse sie ihre im Inland getätigten Umsätze erklären und die ermittelte Umsatzsteuer abführen. Die bisherige fehlerhafte Behandlung dürfe sich aber nicht nachteilig für die Antragstellerin auswirken. Da die Fristen für das Vergütungsverfahren teilweise abgelaufen seien und das Finanzamt K. eine Mitschuld treffe, müsse im Verhandlungswege eine Lösung gefunden werden. Es werde daher beabsichtigt, bis 2001 die bisherige Handhabung fortzuführen und anschließend die Sache an den Antragsgegner abzugeben. In einem Telefonat am 09.10.2003 erklärte der Antragsgegner seine Bereitschaft zur Übernahme des Steuerfalles.

Unter dem 06.11.2003 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin die Übernahme ihrer Besteuerung mit. Mit Schreiben vom 12.12.2003 erklärte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin, er beabsichtige, die Umsatzsteuerfestsetzungen bis einschließlich 2000 aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht aufzuheben, da insoweit die Antragsfristen für das eigentlich einschlägige Vorsteuervergütungsverfahren bereits abgelaufen seien. Unter dem 02.01.2004 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er ihre Erfassung im allgemeinen Besteuerungsverfahren zum 01.01.2001 gelöscht habe. Er betrachte damit den Gesamtfall Umsatzbesteuerung beim Finanzamt als abgeschlossen. Von einer Änderung der durch das Finanzamt K. durchgeführten Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre bis einschließlich 2000 werde zum gegenwärtigen Zeitpunkt abgesehen, sofern die Antragstellerin damit einverstanden sei.

Auf Grund Prüfungsanordnung vom 24.03.2005 führte der Antragsgegner bei der Antragstellerin vom 14.04.2005 bis zum 20.07.2006 eine Außenprüfung für die Steuerjahre 2000 bis 2002 u.a. wegen Umsatzsteuer durch. Die Außenprüfung kam im Prüfungsbericht vom 02.08.2006 zu dem Ergebnis, dass die Umsatzsteuerfestsetzung 2000 gemäß der Zustimmung des Finanzamts K. vom 01.10.2002 aufzuheben sei, da das Vorsteuervergütungsverfahren und nicht das Veranlagungsverfahren anzuwenden sei. Insbesondere da die Steuererklärung mehr als 1 1/2 Jahre nach Entstehung der Steuer beim Finanzamt K. eingereicht worden sei, bestehe kein Vertrauensschutz. In der Vergangenheit getroffene anders lautende Äußerungen seien als unverbindliche Absichtserklärungen zu verstehen.

Mit Bescheid für 2000 über Umsatzsteuer vom 17.10.2006 hob der Antragsgegner "den Bescheid vom 02.01.2004 in Höhe von - 43.870,85 DM Umsatzsteuer nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung -AO- auf". Begründend verwies er auf einen Prüfungsbericht "vom 29.08.2006". Zugleich setzte der Antragsgegner Zinsen auf die bereits ausgezahlte Umsatzsteuer von 22.430,81 EUR (= 43.870,85 DM) in Höhe von 5.376 EUR fest. Zugleich forderte er die Antragstellerin zur Zahlung dieser Beträge zuzüglich der an sie ausgezahlten Zinsen von 672 EUR an die Finanzkasse auf, ohne zuvor den Zinsfestsetzungsbescheid vom 01.10.2002 aufzuheben. Dagegen legte die Antragstellerin am 20.10.2006 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit Bescheid vom 01.11.2006 lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung ab. Dagegen legte die Antragstellerin am 22.11.2006 Einspruch ein. Mit am 25.05.2007 beim Antragsgegner eingegangener berichtigter Umsatzsteuererklärung 2000 erklärte die Antragstellerin neben den bereits erklärten Vorsteuerbeträgen sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9a UStG in Höhe von 2.400 DM und eine Steuer hieraus in Höhe von 384 DM, so dass sich der verbleibende Vorsteuerüberschuss auf 43.486,85 DM reduzierte. Hierzu teilte die Antragstellerin auf Nachfrage unter dem 21.06.2007 mit, dass bereits auf eine entsprechende Anfrage des Finanzamtes K. eingeräumt worden sei, unentgeltliche Leistungen für Arbeitnehmer (z.B. unentgeltliche Telefonnutzung o.ä.) in Höhe von 2.400 DM erbracht zu haben. Am 09.08.2007 ging beim Antragsgegner eine Erklärung der Antragstellerin ein, mit der die Bauleiter der Projekte "Halle P.", "Tore P.", "A.F." und "J. F." bestätigen, dass die Firmenwagen bei diesen Projekten praktisch in vollem Einsatzumfang für betriebliche Zwecke genutzt und über die Firmentelefone überwiegend Dienstgespräche geführt worden seien. Private Gespräche seien nur selten und in begründeten Fällen genehmigt worden. Mit Einspruchsentscheidung vom 13.08.2007 wies der Antragsgegner den Einspruch gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurück. Die nacherklärten Umsätze gemäß § 3 Abs. 9a UStG in Höhe von 2.400 DM seien nicht belegt. Die Erklärung der Bauleiter vom 09.08.2007 lasse eher den Schluss zu, dass es unentgeltliche Leistungen an die Arbeitnehmer nicht gegeben habe. Insbesondere gehe daraus nicht hervor, dass die Arbeitnehmer unentgeltlich privat telefoniert hätten. Die Höhe der Telefonkosten sei ebenfalls nicht belegt. Auch habe die Betriebsprüfung in den Buchführungsunterlagen hierauf keine Hinweise gefunden.

Am 16.10.2007 hat die Antragstellerin beim Sächsischen Finanzgericht die Aussetzung der Vollziehung beantragt.

Zur Begründung verweist sie auf das wegen Umsatzsteuer 2001 geführte Klageverfahren mit dem Aktenzeichen 8 K 331/06. In diesem Verfahren hatte die Antragstellerin vorgetragen, das Finanzamt sei auf zwei Umstände nicht eingegangen. Bereits am 17.09.2003 sei hinsichtlich der Umsatzsteuer 2001 gegenüber dem Finanzamt K. beantragt worden, nicht näher bezeichnete unentgeltliche Leistungen an Arbeitnehmern in Höhe von 2.400 DM zu berücksichtigten. Zudem sei zuletzt auf § 227 AO Bezug genommen worden, wonach eine Lösung der misslichen Lage möglich erscheine. Zu klären seien die Fragen, ob das Verhalten des Finanzamtes gegen Treu und Glauben und einen notwendigen Vertrauensschutz verstoße, ob die Angelegenheit im Rahmen eines Erlassantrages geregelt werden könne und ob nicht doch das Vergütungsverfahren auf Grund eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durchgeführt werden könne. Die Antragstellerin halte es für einen massiven Verstoß gegen den Vertrauensschutz eines Steuerpflichtigen, wenn eine jahrelange Handhabung rückwirkend auf Grund Amtswechsels nicht mehr durchgeführt werde. Im Rahmen der Umsatzbesteuerung sei in den vergangenen Jahren auf die besonderen Verfahrensvorschriften des Vergütungsverfahrens nie Wert gelegt worden. Vielmehr seien regelmäßig Umsatzsteuererklärungen abgegeben und mit den entsprechenden Erstattungen bedacht worden. Fristen seien hierbei nie ins Feld geführt worden. Im Rahmen eines Erlasses bzw. aus Gründen von Treu und Glauben sei zu prüfen, ob nicht auf Grund eines alleinigen oder überwiegenden Verschuldens der Finanzbehörde, namentlich auf Grund des Fehlverhaltens des Finanzamtes K. und der im Zuge dessen versäumten Aufklärung eine Lösung möglich sei. Zur weiteren Begründung verweist die Antragstellerin auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 11.07.2002 in der Sache Marks & Spencer plc (C-62/00).

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Bescheides über die Aufhebung der Umsatzsteuerfestsetzung 2000 vom 17.10.2006 und des Bescheides über die Festsetzung von Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Rückzahlungsbetrag ebenfalls vom 17.10.2006 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist er auf die Entscheidung über den Einspruch gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung vom 13.08.2007. Das EuGH-Urteil vom 11.07.2002 begründe ebenfalls keine Rechtmäßigkeitszweifel. Im dort streitigen Fall sei durch nationale Regelungen rückwirkend die Verjährungsfrist für die Erstattung ohne Rechtsgrund gezahlter Vorsteuerbeträge verkürzt worden. Nur in diesem Falle habe der EuGH die Grundsätze und des Vertrauensschutzes über die nationalen Umsatzsteuerregelungen gestellt. Im vorliegenden Fall gehe es jedoch um die Frage, welches Verfahren für die Erstattung der Vorsteuern anzuwenden sei. Die Umsatzsteuerjahreserklärung 2000 der Antragstellerin stelle nach Zustimmung des Finanzamts K. eine Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung dar. Der Antragsgegner könne daher innerhalb der Festsetzungsfrist die Steuerfestsetzung jederzeit nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO aufheben.

II.

Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.

1. Die Vollziehung des angefochtenen Bescheides über die Aufhebung der Umsatzsteuerfestsetzung 2000 vom 17.10.2006 ist auszusetzen.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - soll das Finanzgericht auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung anordnen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder soweit die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen dann, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Gräber/Koch, FGO, 6. Aufl. 2006, § 69 Rz. 86 m.w.N.). Auch die Aussetzung der Vollziehung wegen einer unbilligen, nicht durch überwiegende Interessen gebotenen Härte für den Betroffenen erfordert zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes. Sind nicht nur ernstliche, sondern überhaupt Rechtmäßigkeitszweifel fast ausgeschlossen, ist die Aussetzung der Vollziehung selbst dann zu versagen, wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte (vgl. Gräber/Koch, FGO, 6. Aufl. 2006, § 69 Rz. 107 m.w.N.).

Im Streitfall bestehen Rechtmäßigkeitszweifel hinsichtlich des Bescheides über die Aufhebung der Umsatzsteuerfestsetzung 2000 vom 17.10.2006. Der Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten.

Die Festsetzung der Umsatzsteuer 2000 auf -43.870,85 EUR konnte nicht mehr aufgehoben bzw. geändert werden, weil der Antragsgegner mit Bescheid vom 02.01.2004 den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben hat und eine andere Korrekturvorschrift nicht in Betracht kommt.

Nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO kann die Steuerfestsetzung aufgehoben werden, solange ein Vorbehalt der Nachprüfung wirksam ist. Die Vorschrift eröffnet kein Ermessen. Vielmehr gibt sie der Finanzverwaltung die Befugnis, rechtswidrige Steuerbescheide, die auf Grund eines Vorbehaltes der Nachprüfung noch nach allen Seiten offen sind, aufzuheben oder zu ändern. Von dieser Möglichkeit hat die Finanzbehörde nach dem Legalitätsprinzip (§ 85 AO; Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG-) im Falle der Rechtswidrigkeit eine unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzung Gebrauch zu machen und muss sie aufheben oder ändern (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2008 IX R 53/07, BFH/NV 2009, 364, m.w.N.).

a. Im Streitfall stand die Umsatzsteuerfestsetzung 2000 auf -43.870,85 DM zwar zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nach § 168 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO steht eine Steueranmeldung, die zu einer Steuervergütung führt, einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich, wenn die Finanzbehörde zustimmt.

Bei der bis 19.08.2002 vollständig beim Finanzamt K. abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2000 der Antragstellerin handelt es sich gemäß § 150 Abs. 1 Satz 2 AO, § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG um eine Steueranmeldung. Da sie im Ergebnis einen Vorsteuerüberschuss von 43.870,85 DM ausweist, stand sie mit der Zustimmung des Finanzamts K. vom 01.10.2002 einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Dass diese Zustimmung nicht durch den nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 1 Abs. 1 Nr. 29 der Verordnung über die örtliche Zuständigkeit für die Umsatzsteuer im Ausland ansässiger Unternehmen vom 20. Dezember 2001 (Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung -UStZustV- ) zuständig gewordenen Antragsgegner sondern von dem Finanzamt K. erteilt wurde, ändert am Vorliegen einer Umsatzsteuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nichts, sondern führt lediglich zu deren (formeller) Rechtswidrigkeit.

b. Allerdings konnte die Umsatzsteuerveranlagung 2000 der Antragstellerin vom 01.10.2002 nicht mehr nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO aufgehoben werden, nachdem der Vorbehalt der Nachprüfung vom Antragsgegner mit Bescheid vom 02.01.2004 aufgehoben worden ist.

Nach § 164 Abs. 3 Satz 1 AO ist die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung jederzeit zulässig. Sie bedarf keiner besonderen Begründung, muss aber ausdrücklich erfolgen. Ansonsten besteht der Vorbehalt der Nachprüfung selbst bei Erlass eines Änderungsbescheides, mit dem er nicht ausdrücklich wiederholt wird, fort (vgl. Klein/Rüsken, AO, 8. Aufl. 2003, § 164 Rz. 36 m.w.N.). Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung steht nach § 164 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 AO einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. D.h., sie tritt als Steuerbescheid ohne Vorbehalt der Nachprüfung anstelle des ursprünglichen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheides. Ebenso wie der Vorbehalt der Nachprüfung kann auch seine Aufhebung nicht isoliert angefochten werden. Wird gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung Einspruch eingelegt, steht der gesamte Steuerbescheid zur Disposition (§ 367 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AO). Das gilt auch hinsichtlich solcher Streitfragen, die aufgrund eines Rechtsbehelfes gegen den ursprünglichen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheid bereits bestands- bzw. rechtskräftig entschieden worden sind. Nach § 164 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 AO gilt für die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung auch § 157 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 AO sinngemäß, d.h., die Aufhebung muss schriftlich erfolgen und eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Fehlt letztere, führt das indessen nicht zur Rechtswidrigkeit der Aufhebung des Vorbehaltes der Nachprüfung, sondern zu den in § 356 Abs. 2 AO geregelten Rechtsfolgen.

Der Antragsgegner hat gegenüber der Antragstellerin unter dem 02.01.2004 schriftlich erklärt, dass er ihre Erfassung im allgemeinen Besteuerungsverfahren zum 01.01.2001 gelöscht habe und die Umsatzbesteuerung der Antragstellerin als abgeschlossen betrachtet werde. Dies kann bei der gebotenen Auslegung entsprechend § 133, § 157 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- aus Sicht eines objektiven Regelungsempfängers unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht anders verstanden werden, als dass der Antragsgegner die Umsatzsteuerfestsetzungen für Zeiträume vor dem 01.01.2001 für endgültig erklärt. Sofern der Antragsgegner mit dem Schreiben vom 02.01.2004 weiter ausgeführt hat, dass er beabsichtige, von einer Änderung der durch das Finanzamt K. durchgeführten Umsatzsteuerfestsetzung für Jahre bis einschließlich 2000 "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" abzusehen, sofern die Antragstellerin einverstanden sei, ändert das hieran nichts. Der Antragsgegner verweist damit aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers lediglich auf ggf. weiterhin bestehende Änderungsmöglichkeiten nach § 129 und §§ 172 f. AO für den Fall, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer dieser Korrekturvorschriften noch festgestellt bzw. vorgebracht werden sollten.

Diese Auslegung der unter dem 02.01.2004 hinsichtlich der streitigen Umsatzsatzsteuer 2000 getroffenen Regelung wird auch dadurch bestätigt, dass der Antragsgegner mit dem angefochtenen Aufhebungsbescheid vom 17.10.2006 wohl selbst davon ausgegangen ist, dass damals eine Aufhebung des Vorbehaltes der Nachprüfung erfolgt ist. Weil die Aufhebung des Vorbehaltes der Nachprüfung - wie dargelegt - nach § 164 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 AO einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich steht und daher die ursprüngliche Festsetzung mit Ausnahme des Nachprüfungsvorbehalts insgesamt in sich aufnimmt, hat der Antragsgegner konsequent nicht die Umsatzsteuerfestsetzung vom 01.10.2002, sondern den Bescheid vom 02.01.2004 aufgehoben. Dass er die Aufhebung gleichwohl auf § 164 Abs. 2 Satz 1 AO stützen will, beruht auf einem Rechtsirrtum, vermag am Wegfall des Vorbehaltes der Nachprüfung aufgrund des Bescheides vom 02.01.2004 indessen nichts zu ändern.

c. Hinzu kommen erhebliche Zweifel, ob eine vollständige Aufhebung der Veranlagung der Antragstellerin zur Umsatzsteuer 2000 rechtlich zutreffend wäre.

aa. Wie dargelegt, war das der bis 19.08.2002 vollständig eingegangenen ursprünglichen Umsatzsteuerjahreserklärung 2000 der Antragstellerin unter dem 01.10.2002 zustimmende Finanzamt K. zwar örtlich unzuständig. Dieser Fehler ist aber nach § 127 AO unbeachtlich. Zudem hat der örtlich zuständige Antragsgegner durch die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehaltes gemäß § 164 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 AO - wie ebenfalls bereits dargelegt - die Umsatzsteuer erneut auf -43.870,85 DM festgesetzt.

bb. Ob, wie der Antragsgegner annimmt, aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Veranlagung der Antragstellerin zur Umsatzsteuer 2000 nicht hätte erfolgen dürfen, ist zumindest zweifelhaft.

Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG i.V.m. § 59 Abs. 1 UStDV ist die Vergütung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an im Ausland ansässige Unternehmer abweichend von dem in § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG geregelten Veranlagungsverfahren nach dem in § 60 und § 61 UStDV geregelten Vergütungsverfahren durchzuführen, wenn der Unternehmer im Vergütungszeitraum im Inland keine Umsätze im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 UStG oder nur steuerfreie Umsätze i.S.v. § 4 Nr. 3 UStG ausgeführt hat.

(1) Zwar handelt es sich bei der Antragstellerin unstreitig um ein im Ausland ansässiges Unternehmen im Sinne von § 13 b Abs. 4 UStG. Sie hatte im Streitjahr weder im Inland noch in den sonstigen in dieser Vorschrift bezeichneten Gebieten einen Wohnsitz, ihren Sitz, ihre Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung. Bauausführungen oder Montagen über mehr als sechs Monate im Inland als Betriebsstätte im Sinne von § 12 Nr. 8 AO begründen keine Zweigniederlassung (§ 12 Nr. 2 AO) (vgl. Mößlang in Sölch/Ringlepp, UStG, Stand: April 2006, § 18 Rz. 156, m.w.N.).

(2) Unsicher und im summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend feststellbar ist indessen, ob die Antragstellerin neben den Umsätzen, für die die Steuer im Abzugsverfahren vom Leistungsempfänger einbehalten worden ist (§ 51 ff. UStDV), im Inland keine Umsätze im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 UStG hatte.

Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt im Sinne dieser Vorschrift wird gleichgestellt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch den Unternehmer für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen (§ 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG).

Die Antragstellerin hat mit ihrer am 25.05.2007 eingereichten geänderten Umsatzsteuerjahreserklärung 2000 derartige Umsätze in Höhe von 2.400 DM nachgemeldet. Aus der dem Antragsgegner von der Antragstellerin mit Schreiben vom 09.08.2007 vorgelegten Erklärung der eingesetzten Bauleiter ergibt sich, dass im Streitjahr - wenn auch in seltenen und begründeten Ausnahmefällen - private Gespräche von Arbeitnehmern über die Firmentelefone genehmigt wurden. Diese Erklärung erscheint gerade aufgrund der zurückhaltenden Darstellung der für die Antragstellerin vorliegend günstigen unentgeltlichen Wertabgaben i.S.v. § 3 Abs. 9a UStG glaubwürdig. Sie begründet zumindest Zweifel an dem vom Antragsgegner zugrunde gelegten Sachverhalt, dass überhaupt keine Umsätze i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG ausgeführt wurden.

Zwar verkennt der Senat nicht, dass sich etwa aufgrund einer Zeugenvernehmung der Bauleiter in einem Hauptsacheverfahren ergeben kann, dass wegen des geringen Umfanges und der Gestattung der Arbeitnehmertelefonate nur in Ausnahmefällen Aufmerksamkeiten aus besonderen Anlässen vorliegen, die nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG unbeachtliche sind (vgl. zum Begriff Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 3 Rz. 364 ff., m.w.N.). Bis zu einer solchen Klärung bleibt indessen rechtlich zweifelhaft, ob von einer Veranlagung der Antragstellerin zur Umsatzsteuer 2000 insgesamt abzusehen gewesen wäre oder ob lediglich neben den erklärten Vorsteuern auch steuerpflichtige Umsätze hätten berücksichtigt werden müssen.

2. Die von der Antragstellerin ebenfalls beantragte Aussetzung der Vollziehung der in Höhe von 5.376 EUR festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer 2000 erfolgt nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 und Abs. 2 Satz 4 FGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 128 Abs. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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