Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: 1 K 147/04
Rechtsgebiete: KStG, EStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
KStG § 8 Abs. 1
EStG § 4 Abs. 2
EStG § 4 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Schleswig-Holstein

1 K 147/04

Körperschaftsteuer 1998, gesonderter Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 KStG a.d. 31.12.1998 und Gewerbesteuermessbetrag 1998

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 6. Dezember 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beklagte wird unter Änderung des Ablehnungsbescheides vom 20. Juni 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2004 verpflichtet, den geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1998, den geänderten Feststellungsbescheid nach § 47 KStG auf den 31.12.1998 und den geänderten Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 1998 - jeweils vom 18. März 2003 - mit der Maßgabe zu ändern, dass die Gewinnerhöhung aus der Auflösung der ausgewiesenen Verbindlichkeiten gegenüber der X aus Beratervertrag rückgängig zu machen ist.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch den Gläubiger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Anerkennung einer im Jahresabschluss 1998 der Klägerin ausgewiesenen Verbindlichkeit, welche auf in den Jahren 1992 bis 1994 erbrachten Beratungsleistungen einer Gesellschafterin beruhen soll.

Die 1982 gegründete Klägerin betreibt einen Einzelhandel mit ... Gründungsgesellschafter waren Herr A mit einer Stammeinlage von 22.500 DM, Frau B mit einer Stammeinlage von 2.500 DM und Herr C mit einer Stammeinlage von 25.000 DM. Mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 13. Februar 1984 trat Herr C seinen Anteil an der Klägerin an die ... S.A., ..., Schweiz (nachfolgend O) ab. Die Übertragung erfolgte unentgeltlich, "da es sich um die Auflösung eines Treuhandverhältnisses" handeln sollte. Alleiniger Gesellschafter und organschaftlicher Vertreter der X ist Herr C. Dieser hat den Anteil der X an der Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 2002 wieder selbst übernommen.

Bereits am 26. November 1982 schloss die Klägerin mit der X einen Vertrag über die Beratung "in allen finanziellen und betriebswirtschaftlichen Belangen". Sie sollte "bei den Wareneinkäufen das anstehende Engagement bezüglich der Höhe, Planung der durchzuführenden Ausgaben, auch speziell in Bezug auf die Liquiditätslage und den Warenbestand der Gesellschaft die Beratung durchzuführen". Als Vergütung war eine Provision auf den Nettoeinkaufswert der bezogenen Waren, und zwar bis 50.000 DM 5%, von 50.001 - 100.000 DM 3% und über 100.000 DM 1,5% vorgesehen. Auf den näheren Inhalt des Vertrages wird verwiesen. Die Beratungsleistungen sollen nach den Angaben der Klägerin von Herrn C für die X erbracht worden sein. Die Klägerin rechnete die Provisionsschuld wie folgt ab: 1992 40.314,06 DM, 1993 46.278,76 DM und 1994 35.438,79 DM, Summe 122.031,61 DM. Eine Zahlung ist unterblieben. Die Klägerin wies deshalb in ihrer Rechnungslegung entsprechende Verbindlichkeiten aus.

Mit Wirkung zum 31. Dezember 1994 kündigte die Klägerin den Beratungsvertrag mit der O, "weil die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft Kosten dieser Größenordnung nicht mehr zulassen und die Notwendigkeit der Tätigkeit nicht mehr erforderlich erscheint". In der Gesellschafterversammlung vom 23. Juni 1994 wurde mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der Klägerin zudem vereinbart, dass die Provisionen der X "erst nachrangig ausgeglichen werden".

Im Anschluss an eine Außenprüfung der Klägerin betreffend die Veranlagungszeiträume 1998 - 2000 gelangte der Beklagte - das Finanzamt (FA) - u.a. zu der Überzeugung, dass die gegenüber der X ausgewiesene Verbindlichkeit erfolgswirksam aufzulösen sei. Eine von ihr erbrachte Leistung sei nicht festzustellen. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um Scheinleistungen handele. Es fehlten zudem ordnungsgemäße Rechnungen. Am 3. Februar 2003 erließ das FA gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Körperschaftsteuer (KSt-)Bescheide, geänderte Feststellungsbescheide gemäß § 47 KStG sowie geänderte Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag (GewStMB) betreffend den Zeitraum 1997 bis 2000, mit welchen es die Prüfungsfeststellungen umsetzte. Die streitige Verbindlichkeit löste es in 1997 gewinnerhöhend auf, weil es zunächst davon ausging, dass dies der erste noch nicht in Bestandskraft gewachsene Veranlagungszeitraum sei. Hiergegen erhob die Klägerin am 11. Februar 2003 Einspruch, mit welchem sie mangels Prüfungserweiterung Festsetzungsverjährung für den Veranlagungszeitraum 1997 geltend machte. Das FA folgte dieser Auffassung und löste die Verbindlichkeit erstmals in 1998 auf. Der geänderte KSt-Bescheid 1998, der geänderte Feststellungsbescheid gemäß § 47 KStG zum 31.12.1998 und der geänderte GewStMB 1998 ergingen am 18. März 2003. Die Änderung erfolgte jeweils gemäß § 174 Abs. 4 AO.

Am 4. April 2003 beantragte die Klägerin, die Einkommenserhöhung in den vorgenannten Änderungsbescheiden 1998 ersatzlos aufzuheben und daraus folgend die Steuerbescheide für 1999 und 2000 zu ändern. Das FA lehnte das Änderungsbegehren mit Verfügung vom 20. Juni 2003 ab. Den hiergegen am 1. Juli 2003 erhobenen Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2004 zurück: Eine betriebliche Veranlassung der Vergütung und eine tatsächliche Leistungserbringung durch den angeblichen Berater sei nach wie vor nicht nachgewiesen. Die Verbindlichkeit sei deshalb im ersten noch offenen Veranlagungszeitraum zu ändern. Dies sei richtigerweise das Jahr 1998. Wegen des Irrtums über den ersten noch offenen Veranlagungszeitraum sei das FA gemäß § 174 Abs. 4 AO verfahrensrechtlich zur Änderung der betreffenden Bescheide befugt gewesen.

Mit der 19. Juli 2004 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:

Die vereinbarten Beratungsleistungen seien entsprechend der geschlossenen Vereinbarung tatsächlich erbracht und ordnungsgemäß abgerechnet worden. Der Gründungsgesellschafter A habe zuvor lediglich als Verkäufer in einem ...geschäft gearbeitet, so dass er auf eine beratende Unterstützung angewiesen gewesen sei. Bei der X handele es sich auch nicht um eine sog. Domizilgesellschaft. Dies werde durch die Bescheinigung ihrer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 17. Juli 2002 bestätigt. Diese sei vielmehr aktiv tätig gewesen und habe die Provisionsansprüche auch in ihren Geschäftsbüchern verbucht. Das FA verkenne zudem, dass eine GmbH keine Privatsphäre habe.

Die Klägerin beantragt,

das FA unter Änderung des Ablehnungsbescheides vom 20. Juni 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2004 zu verpflichten, den geänderten KSt-Bescheid 1998 sowie den geänderten Feststellungsbescheid nach § 47 KStG zum 31.12.1998 und den geänderten GewStMB 1998 - jeweils vom 18. März 2003 - mit der Maßgabe zu ändern, dass die Gewinnerhöhung aus der Auflösung der ausgewiesenen Verbindlichkeiten gegenüber der X aus Beratervertrag rückgängig zu machen ist.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Verbindlichkeit sei zu Recht in 1998 aufgelöst worden. Eine Leistung der X für die Klägerin sei nicht nachgewiesen. Die im Gesellschafterprotokoll vom 23. Juni 1994 niedergelegte Stundung von Ansprüchen der X halte zudem einem Fremdvergleich nicht stand. Es sei kein Zahlungstermin vereinbart worden. Eine Regelung über Sicherheiten und Zinsen fehle ebenfalls. Die vorgelegten Rechnungen betreffend die Leistungen der X seien auch in formeller Hinsicht nicht ordnungsgemäß. Es fehlten Datum und Zahlungshinweise. Das Vorliegen von Scheinrechnungen könne nicht ausgeschlossen werden. Die Voraussetzungen einer Betriebsausgabe gemäß § 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) seien deshalb nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2007 verwiesen. Die steuerlichen Vorgänge sind beigezogen worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Ablehnung der begehrten Bescheidänderung verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 101 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Bilanzberichtigung ist rückgängig zu machen, weil die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Die beanstandeten Einkommensminderungen stellen sich nämlich als (passivierte) verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) dar, welche in den Jahren ihrer Entstehung 1992 bis 1994, nicht aber im Streitjahr 1998 aufzudecken gewesen wären. Sofern sich das FA hieran möglicherweise unter dem Gesichtspunkt der Festsetzungsverjährung gehindert sieht, kann eine Korrektur nicht ersatzweise nach den Grundsätzen des Bilanzzusammenhangs im ersten noch offenen Veranlagungsjahr erfolgen.

Nach § 8 Abs. 1 KStG bestimmt sich das, was als Einkommen einer Körperschaft gilt und wie es zu ermitteln ist, nach den Vorschriften des EStG und des KStG. Die Einkommensermittlungsvorschriften des EStG sind auf Körperschaften jedoch nur insoweit anwendbar, als ihnen nicht spezielle Regelungen des KStG vorgehen. Ein solches Vorrangverhältnis ist hier gegeben. Das körperschaftsteuerliche Institut der vGA geht für seinen Anwendungsbereich der Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 EStG und sonstigen Bilanzkorrekturen als speziellere Regelung vor. Die Gewinnerhöhung kann hier auch nicht auf § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG gestützt werden. Die Rechtsfolge dieser Vorschrift besteht weder in der Versagung des Betriebsausgabenabzugs noch in der Korrektur der Steuerbilanz, sondern in einer außerbilanziellen Gewinnkorrektur. Die gewinnerhöhende Wirkung hat zudem ausschließlich im Entstehungsjahr der vGA anzusetzen. Einer vGA, die in einem früheren Veranlagungszeitraum stattgefunden hat, kann nicht durch eine spätere Bilanzkorrektur der Boden entzogen werden (vgl. nur Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 5. Februar 2003 1 K 49/99, EFG 2003, 566; Wassermeyer, Stbg 1997, 529, 534). Dementsprechend bleibt eine in der Steuerbilanz ausgewiesene Verbindlichkeit vom Vorliegen einer vGA unberührt, wenn und soweit diese - wie hier - zivilrechtlich wirksam besteht (BFH, Urteil vom 21. August 2007 I R 74/06 - [...]).

Der Tatbestand einer vGA ist erfüllt, weil die vorgesehene Vergütung unter den hier vorliegenden Umständen als nicht fremdüblich zu qualifizieren ist. Die gemäß dem Beratervertrag von der X geschuldete Leistung war schon inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Sie fällt zudem weitgehend in den Kernbereich der vom GmbH-Geschäftsführer geforderten Leitungsaufgabe. Hinzu kommt, dass jegliche Verknüpfung zum Erfolg der Gesellschaft bzw. dem konkreten Erfolg der Beratung fehlte und dies obwohl die Klägerin sich in vergleichsweise engen finanziellen Verhältnissen befand. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte daher keine Veranlassung zum Abschluss eines derartigen Vertrages mit einem GmbH-Gesellschafter, erst recht nicht zu den vereinbarten Konditionen.

Der Tatbestand einer vGA entfällt hier auch nicht deshalb, weil es in den Jahren 1992 - 1994 wegen der Passivierung der Forderungen (noch) nicht zu einem Mittelabfluss gekommen ist. Es reicht aus, dass es - wie hier - in der Steuerbilanz zu einer Vermögensminderung gekommen ist (vgl. BFH, Urteil vom 14. Juli 2004 I R 16/03, BStBl II 2004, 1010).

Entgegen der Auffassung des FA bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte für ein Scheingeschäft im Sinne des § 41 Abs. 2 AO. Der Abschluss des Beratervertrages war zur Überzeugung des Senats ernstlich gemeint, denn den Vertragsparteien kam es ja gerade auf eine Zuwendung an die X bzw. die Schaffung eines zivilrechtlich wirksamen Verpflichtungstatbestandes an. Dass die Beratung bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung das vereinbarte Honorar nicht wert war und/ oder möglicherweise nur oberflächlich durchgeführt wurde, lässt den zivilrechtlichen Verpflichtungstatbestand nicht entfallen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin lediglich selbst erstellte Provisionsabrechnungen, nicht aber formell ordnungsgemäße Rechnungen der X vorgelegt hat. Denn die Vertragsparteien waren sich ausweislich des vorgelegten Protokolls über die Gesellschafterversammlung vom 23. Juni 1994 über die Höhe und die ursprüngliche Fälligkeit der abgerechneten Beträge sowie über deren Fortbestand als "nachrangige Verbindlichkeit" einig. Dass die "nachrangige" Verbindlichkeit zu späterer Zeit, z.B. im Wege des Verzichts, zivilrechtlich erloschen wäre, ist weder qualifiziert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch eine nicht näher definierte nachrangige Verbindlichkeit ist grundsätzlich als Fremdkapital auszuweisen. Ob eine Verbindlichkeit möglicherweise in nicht fremdüblicher Weise umgewandelt bzw. gestundet wurde, ist für die Bilanzierung der Kapitalgesellschaft unerheblich.

Aus den vorgenannten Gründen ergibt sich zugleich, dass auch kein Bilanzierungsfehler im Sinne einer irrtümlichen Bilanzierung vorliegt. Die Verbuchung als Aufwand und der Ausweis entsprechender Verbindlichkeiten gegenüber der X erfolgte vielmehr bewusst und gewollt und dies auch in der ausgewiesenen Höhe.

Das FA kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine mangelnde betriebliche Veranlassung (§ 4 Abs. 4 EStG) der Aufwendungen bzw. der ausgewiesenen Verbindlichkeit berufen. Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung hat eine Kapitalgesellschaft keine außerbetriebliche Sphäre. Eine unter steuerlichen Gesichtspunkten gebotene Gewinnkorrektur ist deshalb vorrangig unter Anwendung des Rechtsinstituts der vGA vorzunehmen (vgl. nur BFH, Urteile vom 12. August 2007 I R 32/06, BFH/NV 2007, 2424 und I R 74/06 vom 21. August 2007).

Nach allem ist der Klage mit der Kostenfolge aus den §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.



Ende der Entscheidung

Zurück