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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 25.06.2008
Aktenzeichen: 1 K 186/04
Rechtsgebiete: EStG, HGB


Vorschriften:

EStG § 5 Abs. 1
EStG § 5 Abs. 1 Satz 1
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 6a
HGB § 253 Abs. 1
HGB § 255 Abs. 1
Die Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung nebst Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) stellen ein einheitliches Wirtschaftsgut dar. Ist bei der BUZ bereits der Leistungsfall eingetreten, dann ist auch für die Bewertung der Ansprüche aus der BUZ auf das vom Versicherer gebildete Deckungskapital abzustellen.
Finanzgericht Schleswig-Holstein

1 K 186/04

Körperschaftsteuer 1996 bis 1998, gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 KStG und Gewerbesteuermessbeträge 1996 bis 1998

In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 25. Juni 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die geänderten Körperschaftsteuerbescheide und die geänderten Feststellungsbescheide gemäß § 47 KStG sowie die geänderten Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag der Jahre 1996 bis 1998, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. September 2004, werden geändert. Die Aktivwerte der Rückdeckungsversicherungen für Pensionszusagen der Klägerin sind mit den im Schriftsatz des Beklagten vom 15. August 2005 jeweils angeführten Werten in Ansatz zu bringen. Die steuerlichen Gewinne der Klägerin sind entsprechend anzupassen. Die Steuerberechnung wird dem Beklagten übertragen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten zuletzt noch über den anzusetzenden Aktivwert von Leistungen aus einer in Kombination mit einer Kapitallebensversicherung abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) nach Eintritt des Versicherungsfalls aus der BUZ.

Mit Prüfungsanordnung vom 8. August 2000 wurde bei der Klägerin eine Außenprüfung betreffend die Körperschaftsteuer (KSt) und die Gewerbesteuer (GewSt) der Jahre 1996 - 1998 durchgeführt. Gegenstand der Prüfung war u.a. auch die betriebliche Altersversorgung. Der hierzu tätige Fachprüfer beanstandete neben weiteren nicht mehr streitigen Punkten den Aktivwert einer bei der Versicherungs-AG abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung in Gestalt einer Kapitallebensversicherung mit zusätzlicher Risikoabsicherung bei Berufsunfähigkeit (Policennummer ...). Bei dieser Versicherung war der Leistungsfall bereits eingetreten. Die Versicherung zahlte die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente und übernahm zugleich die Beiträge zur Hauptversicherung. Die Klägerin ermittelte den Aktivwert mit dem versicherungsmathematischen Barwert unter Berücksichtigung eines Rechnungszinses für die BUZ von 6% wie folgt (Zahlen jeweils in DM):

 1996703.206,35
1997712.456,02
1998723.136,54

Demgegenüber erachtete der Fachprüfer einen Rechnungszins von 3% für zutreffend und gelangte im Wege der Schätzung zu den folgenden Aktivwerten:

 19961.026.681
19971.033.061
19981.041.317

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Bericht über die Prüfung der betrieblichen Altersversorgung vom 28. März 2001 sowie den Außenprüfungsbericht vom 22. Oktober 2001 Bezug genommen. Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - berichtigte die Aktivierungen gewinnerhöhend und erließ am 11. Dezember 2001 entsprechend geänderte KSt-Bescheide, Feststellungsbescheide gemäß § 47 KStG sowie GewStMB der Jahre 1996 - 1998. Den Einspruch der Klägerin wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 2. September 2004 unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 25. Februar 2004 I R 54/02, BStBl II 2004, 654 zurück.

Mit der am 15. September 2004 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Der vom Prüfer für die BUZ in Ansatz gebrachte Rechnungszinssatz von 3% sei unzutreffend. Selbst das Bewertungsgesetz sehe zur Ermittlung der Bar- und Kapitalwerte einen Zinssatz von 5,5% vor. Es seien deshalb maximal die von der Versicherung zugestandenen und schriftlich mitgeteilten Deckungskapitalien in Ansatz zu bringen. Das BFH-Urteil vom 25. Februar 2004, BStBl II 2004, 654 sei nicht einschlägig, weil die BUZ keinen Sparanteil aufweise. Der Anspruch der Klägerin gegenüber der Versicherung bestehe nicht in Form eines Rückdeckungskapitals. Er sei lediglich auf monatliche bzw. vierteljährliche Rentenzahlungen gerichtet. Der Anspruch sei deshalb als gesondert zu bewertendes Wirtschaftsgut zu qualifizieren. Die Klägerin nimmt ergänzend Bezug auf die Stellungnahme der Versicherung vom 5. November 2004.

Nach Vorlage weiterer angeforderter Unterlagen im Klageverfahren hat das FA festgestellt, dass der Aktivwert des "Hauptteils" der Versicherung Nr. ... (Kapitallebensversicherung) jeweils mit einem Zinssatz von 3% abgezinst wurde, so dass der von der Klägerin in Ansatz gebrachte Aktivwert insoweit nicht mehr zu beanstanden sei. Das FA hat den Klaganspruch in diesem Umfang und hinsichtlich anderer nicht mehr streitgegenständlicher Versicherungen mit Schriftsatz vom 15. August 2005 unter Kostenprotest anerkannt.

Die Klägerin beantragt,

die geänderten KSt-Bescheide, die geänderten Feststellungsbescheide gemäß § 47 KStG sowie die geänderten GewStMB der Jahre 1996 bis 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. September 2004 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Bilanzansätze aus den Rückdeckungsversicherungen unverändert der Besteuerung zu Grunde zu legen sind und dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Das FA beantragt,

die Klage, soweit sie über die im Schriftsatz vom 15. August 2005 aufgeführten Bilanzansätze hinausgeht, abzuweisen und der Klägerin gemäß § 137 FGO die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die BUZ sei im Gegensatz zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung keine selbständige Lebensversicherung. Sie sei gekoppelt an eine Kapitallebensversicherung und stelle mit ihr zusammen ein einheitliches Wirtschaftsgut dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2008 verwiesen. Die steuerlichen Vorgänge sind beigezogen worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in dem noch offenen Punkt unbegründet.

Das FA ist bei der Ermittlung des Aktivwertes des Rückdeckungsanspruchs aus der BUZ zu Recht von einem Abzinsungssatz von 3% ausgegangen. Dieser Zinssatz entspricht dem vom Versicherer zur Ermittlung seines Deckungskapitals für die Kapitallebensversicherung sowie der Ansprüche aus der BUZ zugrunde gelegten Zinssatz und ist deshalb auch für die Bewertung des Rückdeckungsanspruchs der Klägerin maßgeblich.

Nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin ihr Betriebsvermögen in der Höhe anzusetzen, wie es nach den handelsrechtlichen Vorschriften (§§ 238 ff. HGB) auszuweisen ist. Forderungen sind gemäß § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um ein Wirtschaftsgut zu erwerben, soweit sie diesem einzeln zugeordnet werden können (BFH, Urteil vom 25. Februar 2004 I R 54/02, BStBl II 2004, 654). Jede Pensionsverpflichtung ist als Wirtschaftsgut für sich zu behandeln, wobei die Anwartschaft einer Person auf Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung als einheitlicher Anspruch und einheitliches Wirtschaftsgut gilt (BFH, Beschluss vom 3. Februar 1993 I B 50/92, BFH/NV 1993, 541 mit weiteren Nachweisen). Wird die eingegangene Verpflichtung durch eine Rückdeckungsversicherung abgesichert, dann stellen die Rückdeckungsversicherung einerseits und die Pensionsverpflichtung andererseits unabhängig voneinander zu bilanzierende Wirtschaftsgüter dar. Eine Saldierung ist auch bei Rückdeckung in voller Höhe (kongruente Rückdeckung) nicht zulässig. Das vom Versicherer jeweils nachgewiesene Deckungskapital (Deckungsrückstellung) ist auch Bewertungsgrundlage und Bewertungsmaßstab für den korrespondierenden Rückdeckungsanspruch zu dessen Anschaffungskosten. Ein unter den Anschaffungskosten liegender Teilwert der Rückdeckungsansprüche des Versicherungsnehmers scheidet aus. Ein gedachter Erwerber des Betriebs würde auch in die Pensionsverpflichtungen und die dafür abgeschlossenen Rückdeckungsversicherungen eintreten und deshalb auch die vom Versicherer kalkulierten und als dessen Deckungskapital verzinslich angesammelten Sparbeträge entgelten (vgl. BFH, Urteile vom 25. Februar 2004 I R 54/02, BStBl II 2004, 654 und I R 8/03, BFH/NV 2004, 1234 sowie vom 9. August 2006 I R 11/06, BStBl II 2006, 762).

Zu den Anschaffungskosten eines Rückdeckunganspruchs gehören zunächst die unmittelbar aufgewendeten Sparanteile der Versicherungsprämien (Sparbeiträge). Weiterhin führt zu Anschaffungskosten auch die vertraglich garantierte rechnungsmäßige Verzinsung der Sparbeiträge. Der verzinslichen Ansammlung der jeweiligen Sparbeiträge entspricht auf der Seite des Versicherers unter Zugrundelegung einer retrospektiven Betrachtung zum jeweiligen Bilanzstichtag dessen geschäftsplanmäßiges Deckungskapital. Aus Sicht des Bilanzstichtages prospektiv betrachtet ist dies der (nämliche) Betrag, den der Versicherer in Höhe des Barwertes der künftigen Verpflichtungen aus dem jeweiligen Vertrag abzüglich des Barwertes der künftig eingehenden Nettobeiträge passivieren muss. Das vom Versicherer nachgewiesene Deckungskapital (Deckungsrückstellung) ist deshalb auch Bewertungsgrundlage und Bewertungsmaßstab für den korrespondierenden Rückdeckungsanspruch des Versicherungsnehmers zu dessen Anschaffungskosten (BFH, Urteil vom 25. Februar 2004 I R 8/03, BFH/NV 2004, 1234; Blümich/Förster, EStG, § 6 a Rn. 484 ff. mit weiteren Nachweisen).

Die Klägerin hat die vorgenannten Grundsätze bei der Ermittlung des Aktivwertes der Kapitalebensversicherung beachtet. Sie hat einen Zinssatz von 3% zur Anwendung gebracht. Dies ist zwischen den Beteiligten nach Vorlage weiterer Unterlagen im gerichtlichen Verfahren unstreitig geworden. Für die mit der Kapitallebensversicherung verbundene BUZ hat im Ergebnis nichts anderes zu gelten.

Eine abweichende Beurteilung ist hier nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Versicherungsfall in Gestalt der Berufsunfähigkeit bereits eingetreten ist. Das von der Klägerin hierzu ins Feld geführte Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 29. Oktober 2002, EFG 2003, 764 ist durch den BFH mit dem vorgenannten Urteil vom 25. Februar 2004 I R 8/03, BFH/NV 2004, 1234 aufgehoben worden. Der BFH hat insoweit ausgeführt, dass eine Bewertungseinheit bei kongruenter Rückdeckung auch dann ausscheide, wenn der Versicherungsfall bereits eingetreten ist. Denn in diesem Fall würde der Versicherer eine Prämie mindestens in Höhe seines Deckungskapitals erheben. Dem tritt der Senat bei.

Die ergänzend vorgetragene Erwägung, eine BUZ weise als Risikoversicherung keinen Sparanteil auf, so dass in Ansehung dieser Versicherung auch kein Anspruch auf ein angespartes Deckungskapital bestehen könne, rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Die BUZ ist hier im Verbund mit einer Kapitallebensversicherung unter einer einheitlichen Versicherungsnummer zur Rückdeckung einer einheitlichen Versorgungszusage abgeschlossen worden. Jedenfalls in einem solchen Fall stellen die Ansprüche aus der Kapitallebensversicherung nebst BUZ ein einheitliches Wirtschaftsgut dar, dessen Aktivwert unter Berücksichtigung des gesamten vom Versicherer gebildeten Deckungskapitals mit einem einheitlichen Abzinsungssatz zu ermitteln ist. Der Versicherer hat hier wegen des eingetretenen Leistungsfalls auch für die BUZ ein Deckungskapital gebildet. Aus dem Schreiben der Versicherungs-AG vom 15. Januar 2002 ergibt sich, dass die nach Eintritt des Versicherungsfalls entstandenen Verbindlichkeiten aus der BUZ von ihr mit einem Abzinsungssatz von 3% bewertet und passiviert wurden. Diese Bewertung ist auch maßgeblich für den Wert des Anspruchs des Versicherungsnehmers.

Richtig ist zwar, dass eine wertmäßige Diskrepanz zwischen der Pensionsverpflichtung einerseits und der Rückdeckung andererseits verbleibt. Diese Diskrepanz ist jedoch kein Indiz für eine unsachgemäße Ermittlung des Aktivwertes der Rückdeckung. Sie ist allein Konsequenz der sich aus § 6a EStG ergebenden Absicht des Gesetzgebers, den bilanziellen Ausweis von Pensionsverpflichtungen bestimmten Maßgaben, z.B. einem Rechnungszinsfuß von 6%, zu unterwerfen. Dieser Zinssatz mag zwar in Niedrigzinsphasen vergleichsweise hoch erscheinen, ist aber rechtlich nicht zu beanstanden, da der Gesetzgeber zu einer typisierenden Betrachtung befugt ist. Es ist denn mittlerweile auch wieder ein ansteigender Zinstrend zu beobachten.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 135 Abs. 1, 138, 137 Satz 1 FGO. Das FA hat die Klägerin bereits im Rahmen der Betriebsprüfung mit Schreiben vom 14. August 2001 zur Vorlage der Berechnungsunterlagen der Versicherung aufgefordert. Da es keine vollständigen Unterlagen erhielt, hat es ausweislich der Gründe des Berichts über die Prüfung der betrieblichen Altersversorgung eine Schätzung vorgenommen (vgl. Ziffer I 1. des Berichts am Ende). Hierauf hat die Klägerseite im Wesentlichen mit rechtlichen Einwänden reagiert, ohne die vollständigen Berechnungsunterlagen nachzureichen. Dies geschah vielmehr erstmals mit Schriftsatz vom 29. Juni 2005 im Laufe des gerichtlichen Verfahrens. Bei dieser Sachlage hat die Klägerseite im Umfang des Teilanerkenntnisses des FA selbst Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, so dass es sachgerecht erscheint, ihr auch die insoweit entstandenen anteiligen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.



Ende der Entscheidung

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