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Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 01.12.2006
Aktenzeichen: 1 K 81/04
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 | |
EStG § 8 Abs. 2 | |
EStG § 8 Abs. 2 S. 2 | |
EStG § 8 Abs. 2 S. 3 | |
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 |
Finanzgericht Schleswig-Holstein
Haftung Lohnsteuer 2001 und 2002
In dem Rechtsstreit
...
hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts
am 01 Dezember 2006
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin ihrem Gesellschafter/Geschäftsführer durch die Überlassung eines Firmenfahrzeuges einen geldwerten Vorteil zugewandt hat.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für ... . In den Streitjahren stellte sie ihrem Gesellschafter/Geschäftsführer zwei Firmenfahrzeuge, nämlich einen Opel Astra (Listenpreis: 36.550,00 DM = 18.660,00 EUR) und einen Opel Combo (Listenpreis: 26.800,00 DM = 13.700,00 EUR) zur Verfügung. Bei dem Opel Combo handelt es sich um einen zweisitzigen Kastenwagen. Der Aufbau hat keine Fenster und ist mit Materialschränken und -fächern sowie Werkzeug ausgestattet. Er ist mit einer auffälligen Lackierung und Beschriftung versehen.
Im Anschluss an eine bei der Klägerin im Jahre 2003 durchgeführten Lohnsteuer(LSt)-Außenprüfung für die Streitjahre vertrat das Finanzamt die Ansicht, die Klägerin habe ihrem Gesellschafter/Geschäftsführer mit der Überlassung des Opel Astra einen geldwerten Vorteil zugewandt. Den Wert ermittelte es auf 1% des Listenpreises zuzüglich eines Anteils von 0,03% für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Mit Einverständnis der Klägerin nahm es diese wegen der nichteinbehaltenen LSt als Haftungsschuldnerin in Anspruch.
Gegen die Haftungsbescheide vom 9. Juli 2003 legte die Klägerin Einspruch ein. Mit diesem machte sie geltend:
Der Opel Astra sei nur für Privatfahrten, nicht aber für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt worden. Hierfür sei der Opel Combo eingesetzt gewesen. Von dessen niedrigerem Listenpreis sei auszugehen, da stets der Listenpreis des überwiegend genutzten Fahrzeugs zu Grunde zu legen sei, wenn gleichzeitig mehrere Kraftfahrzeuge für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden könnten.
Nach vorherigem Hinweis änderte das Finanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 31. März 2004 die angefochtenen Haftungsbescheide, indem es nunmehr für beide Firmenfahrzeuge einen privaten Nutzungswert von jeweils 1% des Listenpreises sowie zusätzlich 0,03% des Listenpreises für den Opel Combo für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ansetzte.
Zur Begründung führte es unter anderem aus:
Die Klägerin habe ihrem Arbeitnehmer zwei Fahrzeuge zur Nutzung überlassen, die von diesem und den Familienangehörigen auch privat genutzt werden könnten. Deshalb sei für jedes der Fahrzeuge ein privater Nutzungswert anzusetzen.
Auf den vollständigen Inhalt der Einspruchsentscheidung wird verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt:
Für den Opel Combo dürfe deshalb kein privater Nutzungswert angesetzt werden, weil es sich bei dem Fahrzeug um einen Lkw handele, der wegen seiner Bauart und seines Aussehens nicht für eine private Mitbenutzung geeignet und tatsächlich auch nicht privat genutzt worden sei. Für Privatfahrten sei der Opel Astra genutzt worden. Auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei kein geldwerter Vorteil anzusetzen, denn die Überlassung des Kundendienstfahrzeuges an ihren Gesellschafter/Geschäftsführer habe keinen Entlohnungscharakter gehabt, sondern sei ganz überwiegend in ihrem eigenen betrieblichen Interesse erfolgt. Sie - die Klägerin - sei aufgrund von Wartungsverträgen mit Störungsdienst "rund um die Uhr" verpflichtet, in Störfällen sofort - auch sonn- und feiertags - tätig zu werden. Ihr Gesellschafter/Geschäftsführer sei ihr einziger Monteur, der in der Lage sei, den betrieblichen Bereitschaftsdienst sicherzustellen. Nur aus diesem Grunde stünde ihm der Opel Combo auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung. Im Jahr 2001 sei er von seiner Wohnung aus zu 115 und im Jahr 2002 zu 109 Notdiensteinsätzen gefahren. In seiner Wohnung unterhalte er außer einem kleinen Büro auch ein Material- und Werkzeuglager in ihrem - der Klägerin - Interesse. Zur Betriebsstätte, die 35 km von der Wohnung entfernt liege, sei ihr Gesellschafter/Geschäftsführer nur circa einmal in der Woche gefahren.
Die Klägerin beantragt,
die Haftungsbescheide über LSt für 2001 und 2002 vom 1. August 2003, in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 31. März 2004, dahingehend zu ändern, dass die Versteuerung eines geldwerten Vorteils für den Opel Combo aufgehoben wird.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung.
Dem Gericht wurde der mit dem Gesellschafter/Geschäftsführer abgeschlossene Anstellungsvertrag vom 1. September 2000, auf dessen Inhalt verwiesen wird, vorgelegt. Außerdem hat das Gericht vom Finanzamt die Einkommensteuer(ESt)-Vorgänge betreffend den Gesellschafter/Geschäftsführer beigezogen. Danach hatte dieser erklärt, im Jahr 2001 an 226 Tagen von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte gefahren zu sein. Außerdem hatte er zur Erledigung von Bürotätigkeiten (z.B. Angebote und Rechnungen schreiben, Bank- und Mahnwesen, Bearbeiten von Anträgen, Berechnungen sowie die Erstellung von Zeichnungen und Bauplänen) Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend gemacht. Seine Ehefrau hatte bei ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit den Abzug von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung zu der 41 km entfernt liegenden Arbeitsstätte beantragt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Finanzamtsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Zutreffend ist das Finanzamt davon ausgegangen, dass die Klägerin ihrem Gesellschafter/Geschäftsführer nicht nur durch die Überlassung des Opel Astra, sondern auch durch die des Opel Combo einen als Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zu bewertenden geldwerten Vorteil zugewandt hat.
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit unter anderem auch Vorteile, die für eine Beschäftigung im privaten Dienst gewährt werden. Darunter fällt unter anderem auch der geldwerte Vorteil aus der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeuges. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeuges für jeden Kalendermonat 1% des inländischen Listenpreises als Entnahme anzusetzen. Kann das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der Wert für jeden Kalendermonat um 0,03% des Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die in einer privaten Nutzung betrieblicher Fahrzeuge liegende Bereicherung eines Arbeitnehmers für alle Arbeitnehmer und damit auch für einen Gesellschafter/Geschäftsführer als steuerpflichtiger Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zu behandeln. Bei diesen ist wegen ihrer herausragenden Position und dem damit verbundenen jederzeitigen Zugriff auf das betriebliche Kraftfahrzeug nach den Regeln des Anscheinsbeweises von einer privaten Nutzung des Kraftfahrzeuges auszugehen. Die 1-%-Regelung ist grundsätzlich nur dann nicht anwendbar, wenn nachgewiesen wird, dass eine Privatnutzung des Kraftfahrzeuges ausscheidet (BFH-Urteil vom 13. Februar 2003, X R 23/01, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2003, 472; BFH-Beschluss vom 13. April 2005, VI B 59/04, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2005, 1300). An den Nachweis fehlender Privatnutzung sind strenge Anforderungen zu stellen. Die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, das betriebliche Kraftfahrzeug werde nicht für Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten würden ausschließlich mit anderen Fahrzeugen durchgeführt, reicht nicht aus, um die Anwendung der 1-%- und der 0,03-%-Regelung auszuschließen. Vielmehr muss der Steuerpflichtige einen atypischen Sachverhalt darlegen und beweisen, warum er das betriebliche Kraftfahrzeug ausschließlich betrieblich nutzt. Für die Behauptung eines solchen nach der Lebenserfahrung untypischen Sachverhalts trifft die Darlegungs- und Beweislast den Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000, III R 59/98, BStBl II 2000, 273 m.w.N.).
Im Streitfall sieht das Gericht den Anscheinsbeweis nach den Gesamtumständen des Falles nicht als widerlegt an. Ein Fahrtenbuch, das die rein betriebliche Nutzung der Kraftfahrzeuge hätte belegen können, ist nicht geführt worden. Entgegen der Ansicht der Klägerin scheidet die Annahme einer Privatnutzung nicht deshalb aus, weil es sich bei dem Opel Combo um ein Kombinationsfahrzeug handelt, denn auch ein solches ist nach allgemeinen Erfahrungssätzen einer nicht nur gelegentlichen privaten Mitbenutzung zugänglich und ist deshalb in die 1-%-Regelung einzubeziehen. Auf die nach Kraftfahrzeugsteuerrecht oder Straßenverkehrsrecht vorzunehmende Klassifizierung kommt es dabei nicht an (BFH-Urteil vom 13. Februar 2003, X R 23/01, BStBl II 2003, 472). Etwas anderes ergibt sich im Streitfall nicht deshalb, weil das Fahrzeug mit einer aufwendigen Aufschrift versehen und mit Werkzeug ausgestattet ist, denn dieses schließt nicht aus, dass es auch privat, z.B. für Fahrten zum Arzt, Apotheke, Friseur, zur Post oder zur Erledigung von Einkäufen genutzt worden ist. Dass diese Fahrten ausschließlich mit dem Opel Astra durchgeführt worden sind, ist nicht glaubhaft, denn dieser Wagen wurde von der Ehefrau des Gesellschafter/Geschäftsführers unter anderem zu ihrer 41 km entfernt liegenden Arbeitsstätte genutzt und stand dem Ehemann für Privatfahrten mithin nur eingeschränkt zur Verfügung.
Hinzu kommt, dass der Gesellschafter/Geschäftsführer den Opel Combo auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen durfte. Die Kraftfahrzeuggestellung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte stellt in aller Regel Arbeitslohn dar. Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus, wie § 8 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EStG sowie § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG zeigen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Überlassung des Kraftfahrzeugs im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers erfolgt (BFH-Urteil vom 25. Mai 2000, VI R 195/98, BStBl II 2000, 690).
Ein solcher Sachverhalt kann im Streitfall nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden. Das Vorbringen der Klägerin, der Opel Combo habe ihrem Gesellschafter/Geschäftsführer ununterbrochen ganzjährig zur Verfügung stehen müssen, um Not- und Störungsfälle schnellstmöglichst beseitigen zu können, ist letztendlich über eine bloße Behauptung nicht hinausgegangen. Dem mit dem Gesellschafter/Geschäftsführer abgeschlossenen Anstellungsvertrag vom 1. September 2000 lässt sich nicht entnehmen, dass dieser ganzjährig "rund um die Uhr" einsatzbereit zu sein hatte und von zu Hause aus zu den Einsätzen habe fahren sollen. Gegen eine rein im Interesse der Klägerin liegende betriebliche Veranlassung für die Überlassung des Kraftfahrzeuges auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte spricht ferner die Tatsache, dass sich die Klägerin hierauf erstmals im Klageverfahren berufen hat. Im Widerspruch zu ihren Erklärungen stehen darüber hinaus die ihres Gesellschafter/Geschäftsführers in seiner ESt-Erklärung, denn dort hatte dieser unter anderem angegeben, an 226 Tagen von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte gefahren zu sein. Dass er in seiner Wohnung im Interesse der Klägerin ein Material- und Werkzeuglager unterhalten hat, wie nunmehr behauptet wird, ergibt sich ebenfalls nicht aus der ESt-Erklärung.
All dies lässt Zweifel daran aufkommen, ob die Überlassung des Kraftfahrzeuges für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte tatsächlich nur als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erfolgt ist. Dies geht zu Lasten der Klägerin, denn ihr obliegt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die von ihr behauptete ausschließlich betriebliche Veranlassung der Kraftfahrzeugüberlassung. Im Ergebnis ist deshalb davon auszugehen, dass in den Streitjahren eine Privatnutzung des Opel Combo stattgefunden hat.
Der vom Finanzamt ermittelte Wert der privaten Nutzung lässt Fehler nicht erkennen.
Der Haftungsbescheid ist auch insoweit formell ordnungsmäßig, als in ihm die Gründe für die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin nicht besonders erwähnt sind.
Nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die LSt, die er einzubehalten und abzuführen hat. Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind Arbeitnehmer Gesamtschuldner (§ 42 d Abs. 3 Satz 1 EStG). Das Finanzamt kann daher die Haftungs- oder Steuerschuld nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 Abgabenordnung -AO-) gegenüber jedem der Gesamtschuldner festsetzen (§ 42 d Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG). Die Ermessenserwägungen hat es im Regelfall im Haftungsbescheid oder spätestens in der Einspruchsentscheidung nachvollziehbar darzulegen. Dies ist aber - wie hier - dann entbehrlich, wenn der Arbeitgeber den Haftungsbescheid selbst beantragt hat und wenn zwischen den Beteiligten kein Streit über die Auswahl der Klägerin anstelle ihres Arbeitnehmers besteht (BFH-Urteil vom 27. September 1996, VI R 84/95, BFH/NV 1997, 50; Schmidt/Drenseck, EStG, 24. Aufl. 2005, § 42 d Rz. 48 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Gründe, gemäß § 115 Abs. 2 FGO die Revision zum BFH zuzulassen, lagen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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