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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 28.09.2007
Aktenzeichen: 3 K 165/04
Rechtsgebiete: AO, GG


Vorschriften:

AO § 233 S. 1
AO § 233a
AO § 236 Abs. 1
AO § 236 Abs. 3 Nr. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 82 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Schleswig-Holstein

3 K 165/04

Erstattungszinsen zur Erbschaftsteuer

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 28. September 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verzinsung eines Erbschaftsteuererstattungsanspruchs.

Die Klägerin war Alleinerbin der 1991 verstorbenen A. Die aus diesem Erbfall resultierende Steuer wurde mit Bescheid vom 28. Oktober 1996 auf 496.570 DM festgesetzt. Die Klägerin entrichtete die Erbschaftsteuer in zwei Teilbeträgen im November 1996. Sie legte am 26. November 1996 Einspruch gegen den Erbschaftsteuerbescheid ein und machte unter anderem geltend, dass dieser wegen bereits eingetretener Festsetzungsverjährung nicht habe erlassen werden dürfen. Der Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 16. März 1998 die Erbschaftsteuerfestsetzung auf.

Die Klägerin beantragte am 28. April 1998 die Erstattung ihrer Zinsverluste bzw. -aufwendungen, die durch die Zahlung der 496.570 DM entstanden seien.

Mit Bescheid vom 11. Mai 1998 lehnte der Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass § 236 der Abgabenordnung (AO) eine Erstattung nur in den Fällen vorsehe, in denen Klage erhoben worden sei. Dieser Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Die Klägerin legte dagegen am 24. Juli 1998 Einspruch ein und machte dabei geltend, dass § 236 AO in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1980, 1537) - im Folgenden: § 236 AO 1980 anzuwenden sei. Nach § 236 AO 1980 sei der aufgrund eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens zu erstattende Steuerbetrag zu verzinsen. Diese Vorschrift habe nach Art. 14 Abs. 2 Halbsatz 1 des Gesetzes vom 18. August 1980 gleichzeitig mit dem Staatshaftungsgesetz in Kraft treten sollen. Das Staatshaftungsgesetz vom 26. Juli 1981 (BGBl I 1981, 53) - StHG- sei gemäß § 38 StHG am 01. Januar 1982 in Kraft getreten. Allerdings habe das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 19. Oktober 1982 entschieden (BVerfGE 61, 149), dass das StHG nichtig sei. Folge der Nichtigkeit sei, dass für das Änderungsgesetz 1980 kein Tag des Inkrafttretens mehr bestimmt sei, an dem § 236 AO 1980 in Kraft treten solle. Nach Art. 82 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) trete die Bestimmung dann 14 Tage nach Ablauf des Tages, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden sei, in Kraft. Das maßgebliche Bundesgesetzblatt sei am 28. August 1980 ausgegeben worden, so dass § 236 AO 1980 am 11. September 1980 in Kraft getreten sei.

Diese Bestimmung gelte fort und sei nicht durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 aufgehoben worden. Eine solche Aufhebung sei zwar in Art. 5 Steuerbereinigungsgesetz 1986 vorgesehen gewesen. Diese Bestimmung sei aber erst am 01. Januar 1982 in Kraft getreten und damit zu einem Zeitpunkt, als § 236 AO 1980 bereits in Kraft gewesen sei. Der Gesetzgeber habe somit entweder die Abgabenordnung selbst ändern müssen, oder den Änderungsbefehl des Steueränderungsgesetzes 1980 rückwirkend zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens aufheben müssen. Dies sei indes nicht geschehen. Zudem sei die Zinsregelung verfassungsrechtlich nach Art. 3 Abs. 1 GG geboten.

Mit Einspruchsentscheidung vom 17. September 2004 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat am 19. Oktober 2004 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Ergänzend trägt sie im Wesentlichen vor, dass durch die Nichtigkeit des StHG das Änderungsgesetz 1980 von Anfang an keine Bestimmung über den Zeitpunkt des Inkrafttretens enthalten habe. Es entspreche allgemeiner Ansicht, dass die Regelung des Art. 82 Abs. 2 Satz 1 GG inhaltlicher und nicht lediglich verfahrensrechtlicher Natur sei. Insoweit reiche im Sinne dieser verfassungsrechtlichen Norm nicht eine Regelung für das Inkrafttreten als solche aus, sondern diese Regelung müsse auch tatsächlich in der Lage sein, das Inkrafttreten herbeizuführen. Hierzu sei Art. 14 Abs. 2 Halbsatz 1 des Änderungsgesetzes 1980 von Anfang an nicht geeignet gewesen, weil das StHG von Anfang an unwirksam gewesen sei. Es habe von Anfang an festgestanden, dass das Inkrafttreten des StHG nicht eintrete. Es gelte somit die Inkrafttretensregelung des Art. 82 Abs. 2 Satz 2 GG.

Das Steuerbereinigungsgesetz 1986 sei ins Leere gegangen, weil Änderungsgesetze nach ihrem Inkrafttreten nur noch als inhaltsleere Hülsen verblieben, die keine Rechtswirkungen mehr entfalteten. Der Gesetzgeber müsse nunmehr das geänderte Stammgesetz wiederum ändern, wenn er die geänderte Regelung aufheben oder ändern wolle, oder das Inkrafttreten des Änderungsgesetzes rückwirkend beseitigen. Beides sei mit dem Steuerbereinigungsgesetz 1986 nicht geschehen, weil es nach seinem Art. 25 Abs. 2 Satz 2 erst zum 01. Januar 1982 in Kraft getreten sei. Weil das Steueränderungsgesetz 1980 bereits ab dem 11. September 1980 in Kraft gewesen sei, habe Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 Steuerbereinigungsgesetz 1986 keine Rechtswirkungen entfalten können.

Es widerspreche zudem dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, dass der Steuerbürger im Einspruchsverfahrens - jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht - Zinsen an den Staat zu leisten habe; der Staat umgekehrt aber nicht. Die Zinsregelung sei verfassungsrechtlich geradezu geboten. Diese Kenntnis habe auch der Änderung des § 236 Abs. 1 Satz 1 AO durch das Änderungsgesetz 1980 zu Grunde gelegen. Art. 3 Abs. 1 GG enthalte nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch im Verhältnis zum Staat ein Willkürverbot, wonach ein sachlich rechtfertigender Differenzierungsgrund vorhanden sein müsse, dass der Staat im Einspruchsverfahren vom Steuerbürger Zinszahlungen verlangen dürfe, nicht aber dieser vom Staat. Einen solchen Grund vermöge die Klägerin nicht zu erkennen. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG liege schließlich auch darin begründet, dass es kein sachlich rechtfertigendes Argument gebe, § 233 a AO auf die Erbschaftsteuer nicht anzuwenden.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Mai 1998 und der Einspruchsentscheidung vom 17. September 2004 zu verpflichten, den von der Klägerin an den Beklagten geleisteten Betrag von 496.570 DM zu verzinsen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf den Inhalt seiner Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Erbschaftsteuerakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 11. Mai 1998 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17. September 2004 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verzinsung ihrer Erbschaftsteuererstattungsforderung.

Nach § 233 Satz 1 AO werden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist hier nicht der Fall.

Ein Anspruch auf Verzinsung ergibt sich nicht aus § 236 AO in der hier maßgeblichen Fassung vom 01. Oktober 2002 (BGBl I 2002, 3866). Nach Absatz 1 dieser Bestimmung ist ein zu erstattender Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt wird. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag der Zahlung ( § 236 Abs. 1 Satz 2 AO). § 236 AO regelt die Verzinsung von Erstattungsansprüchen, die als solche (bei Gericht) rechtshängig gewesen sind. Das war vorliegend nicht der Fall. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Erstattungsansprüche, die Gegenstand eines Einspruchsverfahrens waren, ist nicht möglich (vgl. dazu: BFH-Urteil vom 02. März 1988 I R 72/84, BFH/NV 1988, 619; BFH-Beschluss vom 03. April 2007 IX B 169/06, BFH/NV 2007, 1267). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05. September 1979, 1 BvR 594/79, HFR 1979, 486).

Entgegen der Auffassung der Klägerin findet § 236 AO 1980 bereits deshalb keine Anwendung, weil diese Bestimmung nie in Kraft getreten ist. Art. 2 Nr. 1 Buchstabe c des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze vom 18. August 1980 (BGBl I 1980, 1537) sah zwar eine Änderung des § 236 AO vor, wonach in § 236 Abs. 1 AO i.V.m. § 236 Abs. 3 Nr. 1 AO auch Zinsen auf Erstattungsbeträge zu leisten waren, wenn sich ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren - wie hier - durch Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts erledigt hat. Diese Änderung des § 236 AO ist aber nicht wirksam geworden, weil Art. 2 des Änderungsgesetzes vom 18. August 1980 niemals in Kraft getreten ist.

Art. 14 Abs. 2 Halbsatz 1 dieses Gesetzes sah vor, dass Art. 2 gleichzeitig mit dem Staatshaftungsgesetz in Kraft tritt. Das Staatshaftungsgesetz vom 26. Juni 1981 (BGBl I 1981, 553) trat nach § 38 StHG am 01. Januar 1982 in Kraft, so dass zunächst auch § 236 AO 1980 zu diesem Zeitpunkt wirksam geworden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat aber mit Urteil vom 19. Oktober 1982 (2 BvF 1/81, BVerfGE 61, 149) entschieden, dass das Staatshaftungsgesetz nichtig ist. Dies hat zur Folge, dass es von Anfang an unwirksam war und nicht in Kraft getreten ist, so dass deshalb § 236 AO 1980 ebenfalls nicht in Kraft getreten ist (vgl. dazu: BMF Schreiben vom 09. Dezember 1982, BStBl I 1982, 900; Heuermann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler; Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 236 AO Rdnr. 2 [Stand: Juni 2003]).

Die Unwirksamkeit des Staatshaftungsgesetzes hatte entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zur Folge, dass rückwirkend kein Tag bestimmt war, an dem Art. 2 des Änderungsgesetzes vom 18. August 1980 in Kraft getreten ist und deshalb das Inkrafttreten nach der Auffangregelung des Art. 82 Abs. 2 Satz 1 GG geregelt ist.

Nach Art. 82 Abs. 2 Satz 1 GG soll jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung den Tag des Inkraftretens bestimmen. Fehlt eine solche Bestimmung, so tritt das Gesetz mit dem 14. Tag nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist ( Art. 82 Abs. 2 Satz 2 GG). Dem Gesetzgeber ist es hiernach freigestellt, das Wirksamwerden eines Gesetzes nach der verfassungsrechtlichen Regelung des Art. 82 Abs. 2 Satz 2 GG automatisch eintreten zu lassen oder den Zeitpunkt selbst zu bestimmen. Das Inkrafttreten des Gesetzes betrifft dessen Inhalt und hat daher materielle Bedeutung. Das verkündete, aber noch nicht in Kraft getretene Gesetz ist zwar rechtlich existent, übt jedoch keine Wirkungen aus; ihm fehlt die Kraft, das Rechtsleben zu gestalten. Erst das Inkrafttreten verhilft der Geltungsanordnung zur Wirksamkeit und bestimmt den zeitlichen Geltungsbereich der Vorschriften, d. h. von welchem Zeitpunkt ab die Rechtsfolgen des Gesetzes für die Normadressaten eintreten und seine Bestimmungen von den Behörden und Gerichten anzuwenden sind. Das Inkrafttreten des verkündeten Gesetzes ist somit nicht Teil des Gesetzgebungsverfahrens, sondern ein Teil der normativen Regelung des Gesetzes (vgl. BVerfG, Urteil vom 08. Juli 1976, 1 BvL 19 und 20/75, 1 BvR 148/75, BVerfGE 42, 263, 283).

Art. 82 Abs. 2 Satz 1 GG gibt dem Gesetzgeber auf, den Tag des Inkrafttretens zu bestimmen. Damit ist aber nicht schlechthin unvereinbar, wenn der Gesetzgeber das Inkrafttreten von einer Bedingung abhängig macht, ohne ausdrücklich ein Datum zu bestimmen. Es kann dem Gesetzgeber zumindest dann nicht verwehrt werden, das Wirksamwerden der Geltungsanordnung eines Gesetzes vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig zu machen, wenn das mit dem Gesetz verfolgte rechtliche und soziale Ziel sonst nicht sachgerecht verwirklicht werden könnte. Der Gesetzgeber muss den Tag des Inkrafttretens des Gesetzes auch nicht kalendermäßig bestimmen. Es reicht vielmehr, wenn das Gesetz den Zeitpunkt seines Inkrafttretens mit hinreichender Bestimmtheit regelt. Dem kann auch dann Genüge getan werden, wenn kein nach dem Datum bestimmter Zeitpunkt festgelegt ist, sondern hierfür ein mit großer Wahrscheinlichkeit erwartetes bestimmtes Ereignis maßgebend sein soll; wesentlich ist allerdings, dass dies in ausreichender Weise im Gesetz zum Ausdruck kommt (vgl. BVerfG, Urteil vom 08. Juli 1976, 1 BvL 19 und 20/75, 1 BvR 148/75, a.a.O. S. 283 - 285).

Daran gemessen lag mit Art. 14 Abs. 2 Halbsatz 1 des Änderungsgesetzes vom 18. August 1980 eine hinreichend bestimmte Regelung über den Tag des Inkrafttretens im Sinne von Art. 82 Abs. 2 Satz 1 GG vor. Der Gesetzgeber hat mit Art. 14 Abs. 2 Halbsatz 1 des Änderungsgesetzes vom 18. August 1980 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass nach seinem Willen die in Art. 2 des Gesetzes enthaltenen Änderungen der Abgabenordnung gleichzeitig mit dem Staatshaftungsgesetz in Kraft treten sollten. Dadurch war der Zeitpunkt des Inkrafttretens hinreichend bestimmt geregelt. Das Staatshaftungsgesetz vom 26. Juli 1981 (BGBl I 1981, 553) war zu diesem Zeitpunkt bereits im Gesetzgebungsverfahren und vom Bundestag mit Beschluss vom 12. Juni 1980 angenommen worden (vgl. zur Entstehungsgeschichte BVerfG, Urteil vom 19. Oktober 1982, 2 BvF 1/81, a.a.O). Sein Inkrafttreten war mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet worden und ist auch am 01. Januar 1982 eingetreten (vgl. § 38 StHG). Die Normadressaten konnten nach Verabschiedung und Verkündung des Staatshaftungsgesetzes feststellen, wann die im Änderungsgesetz vom 18. August 1980 vorgesehenen Änderungen der Abgabenordnung in Kraft treten würden.

Der Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht später mit Urteil vom 19. Oktober 1982 (2 BvF 1/81 a.a.O.) die Nichtigkeit des StHG festgestellt hat, führt nicht dazu, dass nunmehr rückwirkend im Änderungsgesetz vom 18. August 1980 kein Tag des Inkrafttretens mehr bestimmt war, vielmehr blieb die gesetzliche Inkrafttretensanordnung wirksam, wonach Art. 2 des Änderungsgesetzes vom 18. August 1980 gleichzeitig mit dem StHG in Kraft treten sollte (Art. 14 Abs. 2 Halbsatz 1 Änderungsgesetz 1980). Der Gesetzgeber hat das Inkrafttreten von Art. 2 des Änderungsgesetzes vom 18. August 1980 an die Bedingung des Inkrafttretens des StHG geknüpft, die zunächst eingetreten, dann aber wieder weggefallen ist. Nach dem oben Dargelegten war er dazu befugt, dass Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung von einer Bedingung abhängig zu machen, weil die Änderungsbefehle in Art. 2 Änderungsgesetz vom 18. August 1980 mit den Regelungen des StHG rechtlich verknüpft waren. Art. 2 Nr. 1 Buchstaben a und b des Änderungsgesetzes vom 18. August 1980 enthielten Regelungen, die auf das Staatshaftungsgesetz verwiesen haben. Nachdem dieses Gesetz vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden ist, die vom Gesetzgeber vorgesehene Bedingung mithin rückwirkend entfallen ist, entsprach es dem Willen des Gesetzgebers, dass die geplanten Änderungen der AO nicht in Kraft treten. Dieser Wille des Gesetzgebers kann nicht durch die Auffangregelung des Art. 82 Abs. 2 Satz 2 GG umgangen werden. Es oblag vielmehr dem Gesetzgeber, darüber zu befinden, ob er die Änderungen der AO unabhängig vom Inkrafttreten des Staatshaftungsgesetzes wirksam werden lassen, ob er einen neuen gesetzgeberischen Anlauf zur Schaffung eines Staatshaftungsgesetzes machen oder von den geplanten Änderungen der AO Abstand nehmen wollte.

Der Gesetzgeber hat sich für Letzteres entschieden. Dies ergibt sich aus Art. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436). Nach Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 Steuerbereinigungsgesetz 1986 wird Art. 2 aus dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze vom 18. August 1980 gestrichen. Der Umstand, dass diese Regelung gemäß Art. 25 Abs. 2 Satz 2 Steuerbereinigungsgesetz 1986 rückwirkend zum 01. Januar 1982 in Kraft getreten ist, ist entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich, weil das Änderungsgesetz vom 18. August 1980 - wie oben dargelegt - nicht in Kraft getreten ist.

Es kann nach dem Dargelegten dahingestellt bleiben, wie sich die Änderungen des § 236 AO durch die Fassungen vom 25. Juli 1988, vom 21. Dezember 1993 und vom 1. Oktober 2002 auf den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auswirken.

Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Nichtverzinsung ihres Erbschaftsteuererstattungsanspruches nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Soweit die Klägerin einen Gleichheitsverstoß darin sieht, dass der Steuerbürger während des Einspruchsverfahrens Zinsen an den Staat zu leisten habe, der Staat umgekehrt aber nicht, wird dieser Einwand der gesetzlichen Lage nicht gerecht. Eine allgemeine Zinspflicht des Steuerpflichtigen während des Einspruchsverfahrens ist in der AO nicht vorgesehen. § 233 bis § 239 AO regeln die Zinspflicht nur für bestimmte Tatbestände, worunter keine allgemeine Zinspflicht während des Einspruchsverfahrens enthalten ist. Zinsen können danach nur in bestimmten Konstellationen anfallen (vgl. § 233 a Abs. 5 AO - Zinsen bei Änderung der Steuerfestsetzung -, § 234 AO - Stundungszinsen - , § 235 AO - Hinterziehungszinsen -, § 237 AO - Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung -). Für die Klägerin hätte danach keine Zinspflicht bestanden, wenn sie die Erbschaftsteuer nicht fristgemäß entrichtet hätte. Es ist folglich insoweit nicht erkennbar, inwieweit das Fehlen einer gesetzlichen Regelung für Erstattungszinsen im Einspruchsverfahren die Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen soll.

Sofern die Klägerin die Erbschaftsteuer bei Fälligkeit nicht entrichtet hätte, wären allerdings Säumniszuschläge entstanden ( § 240 AO), die in wirtschaftlicher Hinsicht einer Verzinsung ähnlich sind. Diese sind Folge der gesetzgeberischen Konzeption, dass festgesetzte Steuern zum Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen sind und ein Einspruch grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung entfaltet ( § 361 Abs. 1 AO). Die Klägerin hätte indes das Entstehen von Säumniszuschlägen oder von eigenen Zinsverlusten (im Zahlungsfall) durch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) gemäß § 361 Abs. 2 AO (oder gegebenenfalls § 69 Abs 3 FGO) vermeiden können, dem bei Vorliegen von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Erbschaftsteuerbescheides stattzugeben gewesen wäre. Einem solchen Antrag wäre hier zu entsprechen gewesen, wie die Aufhebung der Erbschaftsteuerfestsetzung wegen Festsetzungsverjährung durch den Beklagten zeigt. In dieser Fallkonstellation wären auch keine Aussetzungszinsen nach § 237 AO entstanden. Der Klägerin stand somit ein zumutbares und erfolgversprechendes Instrumentarium zur Verfügung, um wirtschaftliche Verluste im Einspruchsverfahren zu vermeiden.

Ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich auch nicht daraus, dass die Zinsregelung des § 233 a AO nicht auf die Erbschaftsteuer anzuwenden ist. Die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gilt nach Absatz 1 dieser Bestimmung nur für die Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- und Gewerbesteuer. Die Erbschaftsteuer wird davon nicht erfasst. Der Entwurf des Steuerreformgesetzes 1990 vom 19. April 1988 (vgl. BTDrucks. 11/2157) mit dem § 233 a AO eingeführt wurde, begründet die Nichteinbeziehung der Erbschaftsteuer in die so genannte Vollverzinsung damit, dass einzelne Steuern Besonderheiten aufweisen, die die schematisch wirkende Verzinsung für sie ungeeignet erscheinen ließen. Dies gelte z. B. für die Erbschaftsteuer, bei der durch die Ermittlung der Erben oder des Nachlassvermögens oder durch langwierige Erbschaftsprozesse Verzögerungen eintreten könnten (vgl. BTDrucks. 11/2157, S. 195).

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln und verpflichtet die Grundrechtsadressaten - bei Belastungen wie Begünstigungen -, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, die Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft, die er also im Rechtssinne als gleich ansehen will. Er muss allerdings seine Auswahl sachgerecht treffen. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es ihm, einerseits Sachverhalte ungleich zu behandeln, wenn sich die Differenzierung sachbereichsbezogen nicht auf einen vernünftigen oder sonst einleuchtenden Grund zurückführen lässt, und andererseits Art und Ausmaß tatsächlicher Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen (vgl. Bergmann, in: Hömig, Grundgesetz, 8. Aufl. 2007, Art. 3 Rdnr. 5 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG).

Vorliegend erscheint es nicht sachfremd, wenn der Gesetzgeber die Nichteinbeziehung der Erbschaftsteuer in die Vollverzinsung nach § 233 a AO mit deren Besonderheiten begründet. In der Tat zeigen auch die Erfahrungen des Senats, dass die Erbschaftsteuerfestsetzung häufig ohne Verschulden des Steuerpflichtigen langwierig ist, weil zunächst unbekannte Erben ermittelt werden müssen oder die Erbenstellung als solche gerichtlich geklärt werden muss. Die Überlegung des Gesetzgebers ist deshalb sachgerecht, die in § 233 a AO schematisch geregelte Verzinsung für die regelmäßig anfallenden und veranlagten Steuern, die gemäß § 233 a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, beginnt, nicht auf die Erschaftsteuer zu übertragen. Dies dürfte sich in den meisten Fällen zu Gunsten des Steuerpflichtigen auswirken, die keine Zinsen auf ihre Erbschaftsteuerschuld zahlen müssen. Dass dann korrespondierend keine Erstattungszinsen vom Staat zu leisten sind, wenn die Erbschaftsteuerfestsetzung im Einspruchsverfahren aufgehoben wird, ist systemgerecht.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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