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Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 09.05.2007
Aktenzeichen: 5 K 198/06
Rechtsgebiete: FGO, EStG
Vorschriften:
FGO § 100 Abs. 1 S. 1 | |
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1 | |
EStG § 22 Nr. 1 Buchst. a |
Finanzgericht Schleswig-Holstein
Einkommensteuer 2004
In dem Rechtsstreit
...
hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts
am 9. Mai 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in das so genannte "begrenzte Realsplitting" auch Zahlungen des Gebers an den Unterhaltsberechtigten, hier die Klägerin, einzubeziehen sind, die dem Ausgleich steuerlicher Nachteile aufgrund des in den Vorjahren durchgeführten begrenzten Realsplittings auf Seiten des unterhaltsberechtigten Ehegatten dienen.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Sie lebt von ihrem Ehemann getrennt und erhält von diesem Unterhaltszahlungen. Unter dem 9. Oktober 1997 hatte die Klägerin eine Anlage U für Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten zur Einkommensteuer(ESt)-Erklärung (des Ehemannes) für 1996 unterzeichnet und dem Antrag auf Abzug von Barleistungen in Höhe von 28.908,00 DM (Unterhaltsleistungen) zugestimmt. Die vorgedruckte Zustimmungserklärung dieser Anlage enthält unter anderem folgende Sätze:
"Sie (die Zustimmung) gilt - solange sie nicht widerrufen wird - auch für alle darauf folgenden Kalenderjahre.
Mir ist bekannt, dass ich die Zustimmung nur vor Beginn des Kalenderjahres, für das sie erstmals nicht gelten soll, gegenüber dem für mich zuständigen Finanzamt widerrufen kann."
Im Streitjahr zahlte der getrennt lebende Ehemann insgesamt 3.093,89 EUR an die Klägerin. In Höhe von 1.881,73 EUR (6 Zahlungen à 221,38 EUR, 1 Zahlung à 442,76 EUR und 1 Zahlung à 110,69 EUR) handelt es sich - zwischen den Beteiligten unstreitig - um laufende Unterhaltszahlungen. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Zahlungen in Höhe von 1.212,16 EUR (3 Zahlungen à 200,00 EUR, 1 Zahlung à 400,00 EUR und 1 Zahlung à 212,16 EUR) wurden von dem Ehemann steuerliche Nachteile, die bei der Klägerin aufgrund des Realsplittings in zurückliegenden Jahren eingetreten waren, ausgeglichen. Dem lag zu Grunde, dass der getrennt lebende Ehemann der Klägerin sich im Hinblick auf die Durchführung des begrenzten Realsplittings bereit erklärt hatte, "die anfallende Steuer meiner Frau auf die Unterhaltsbezüge zu übernehmen" (schriftliche Erklärung vom 18. Oktober 1996). Aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings war bei der Klägerin für die Jahre 1999, 2000 und 2001 insgesamt ESt in Höhe von 2.412,16 EUR entstanden. In einem Schreiben seiner Anwälte vom 28. Juli 2003 hatte der Ehemann der Klägerin erklärt, diesen Erstattungsanspruch in monatlichen Raten in Höhe von 200,00 EUR, beginnend zum August 2003, zu bedienen (zur Verwaltungsakte gereichte Kopie).
Unter Berücksichtigung der von dem Ehemann der Klägerin im Streitjahr geltend gemachten Unterhaltszahlungen in Höhe von 3.094,00 EUR als sonstige Einkünfte setzte das Finanzamt die ESt der Klägerin für das Streitjahr mit Bescheid vom 25. November 2005 auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens in Höhe von 23.464,00 EUR auf 3.901,00 EUR fest.
Gegen diesen ESt-Bescheid legte die Klägerin fristgemäß Einspruch unter anderem mit der Begründung ein, sie habe der Anlage U bereits für 2003 widersprochen gehabt, so dass die Anlage für 2004 an Gültigkeit verloren habe. Vorsorglich widerrief sie (nochmals) ab sofort die Einbeziehung sonstiger Unterhaltsleistungen. Die von dem Ehemann geltend gemachten Zahlungen von monatlich 200,00 EUR für Januar bis Juli und 110,00 EUR für August 2004 seien keine Unterhaltszahlungen.
Mit Schreiben vom 28. Juni 2006 widerrief die Klägerin "nochmals ausdrücklich und vorsorglich" ihre Zustimmung zur Anlage U für 2004 und die Folgejahre.
Auf Anfrage des Finanzamts im Rahmen des Einspruchsverfahrens teilte das vormals für die Klägerin zuständige Finanzamt ... mit Schreiben vom 16. Januar 2006 mit, dass ein Widerruf der Anlage "U" nicht vorläge bzw. nicht habe festgestellt werden können. Ebenso bestätigte das für den Ehemann der Klägerin zuständige Finanzamt ... in einem Telefongespräch am 4. Juli 2006 gegenüber dem Beklagten, dass ein Widerruf der Anlage U dort nicht vorläge sondern lediglich die von der Klägerin am 9. Oktober 1997 unterzeichnete Anlage U 1996.
Mit Einspruchsentscheidung vom 8. August 2006 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Ein Widerruf der Zustimmung zur Durchführung des begrenzten Realsplittings läge für das Streitjahr (2004) nicht vor, so dass die gesamten Unterhaltszahlungen der Besteuerung zu unterwerfen seien. Bei den Ausgleichszahlungen für die Jahre 1999 bis 2001 handele es sich ebenfalls um Unterhaltszahlungen. Durch die Durchführung des Realsplittings seien der Klägerin steuerliche Nachteile entstanden. Sie habe im Ergebnis hierdurch weniger Unterhalt erhalten als ihr zugestanden habe. Die Rückzahlung diene dem Zweck, der Klägerin den ihr zustehenden Unterhalt auch ungeschmälert zukommen zu lassen und stelle somit "Unterhaltszahlung" im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) dar. Auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung im Übrigen wird Bezug genommen.
Mit der hiergegen fristgemäß erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel, die Ausgleichszahlungen ihres getrennt lebenden Ehemannes in Höhe von insgesamt 1.212,16 EUR nicht der ESt unterwerfen zu müssen, weiter. Sie trägt im Wesentlichen Folgendes vor:
Der Betrag in Höhe von monatlich 200,00 EUR, welcher zum Ausgleich der steuerlichen Nachteile von ihrem Ehemann an sie auszuzahlen war, könne nicht zur Unterhaltsabsetzung im Rahmen steuerlicher Vergünstigungen herangezogen werden. Es handele sich hierbei nicht um Unterhaltszahlungen sondern um einen Schadensersatz, welcher steuerlich nicht auf der Grundlage einer Unterhaltszahlung zu berücksichtigen sei. Ihr Entgegenkommen, monatliche Ratenzahlungen in Höhe von 200,00 EUR zu akzeptieren, könne nunmehr nicht zu ihrem Nachteil gereichen. Es handele sich auch nicht um eine laufende oder einmalige Barzuwendung, da sie lediglich damit einverstanden gewesen sei, dass der ihr entstandene Schaden in monatlichen Raten zurückgezahlt werde. Unterhalt sei eine Barzuwendung, welche dem Unterhaltsberechtigten zum Unterhaltsbedarf gezahlt werde. Unterhalt sei in der Regel auch laufend zu bezahlen. Hierunter fielen selbstverständlich nicht Zahlungen aus dem Ausgleich von steuerlichen Nachteilen, da hier die Gegenleistung der Unterschrift der Anlage U gegenüberstehe.
Sie habe im Übrigen die Unterhaltszahlungen der vergangenen Jahre nur deshalb zu versteuern, weil sie selbst über eigene Einkünfte verfüge. Allein die Unterhaltszahlungen unterlägen keiner Versteuerung aufgrund der geringen Höhe, so dass hier der Unterhaltsverpflichtete den Steuervorteil für sich in Anspruch nehmen könne. Lediglich durch ihre Nachversteuerung seien diese Ausgleichsverpflichtungen entstanden, welche mit Unterhaltszahlungen überhaupt keinen Bezug hätten. Mit diesem Ausgleich solle lediglich gewährleistet werden, dass die tatsächlichen Unterhaltszahlungen, welche vereinbart wurden, fließen und nicht durch irgendwelche Steuernachzahlungen reduziert würden.
Das Finanzamt könne die Zahlungen zum Ausgleich des steuerlichen Nachteils auch nicht als Unterhaltszahlungen ansehen, da sie auch ohne Ausgleich des steuerlichen Nachteils den ihr zustehenden Unterhalt ungeschmälert erhalten habe. Die Unterschrift der Anlage U2 diene ausschließlich dem Unterhaltsverpflichteten, der hierdurch einen steuerlichen Vorteil erhalte und im Gegenzug der Unterhaltsberechtigten den hieraus entstehenden Nachteil auszugleichen habe.
Im Übrigen habe sie bereits beim Finanzamt ... im Jahre 2003 die Zustimmung zur Absetzmöglichkeit über die Anlage U2 widerrufen. Sie wiederhole ausdrücklich und widerrufe vorsorglich nochmals die Zustimmung zur Absetzung der Unterhaltszahlung über die Anlage U2 für das Jahr 2004 und die Folgejahre (Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 11. September 2006).
Mit Bescheid vom 2. Mai 2007 änderte das Finanzamt den ESt-Bescheid für das Streitjahr nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) und setzte unter erstmaliger Berücksichtigung des Werbungskosten-Pauschbetrages in Höhe von 102 EUR gemäß § 9a Nr. 3 EStG bei den strittigen Einkünften aus Unterhaltsleistungen (bisher: 3.094 EUR, neu: 2.992 EUR) die ESt auf 3.869 EUR fest. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin wurde über die beabsichtigte Änderung vorab telefonisch durch den Berichterstatter informiert.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den ESt-Bescheid für 2004 vom 25. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. August 2006, geändert durch Bescheid vom 2. Mai 2007 zu ändern und die ESt ohne Einbeziehung der Ausgleichszahlungen des getrennt lebenden Ehemannes in Höhe von 1.212,16 EUR als sonstige Einkünfte entsprechend niedriger festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt hält an seiner Rechtsauffassung fest, wonach die von dem Ehemann der Klägerin an sie geleisteten Zahlungen in Höhe von 1.212,00 EUR als Unterhaltszahlungen im Rahmen des Realsplittings nach § 22 Nr. 1 a EStG der Besteuerung zu unterwerfen seien. Es sieht die Zahlungen zum Ausgleich des steuerlichen Nachteils als "Unterhaltszahlungen" an, weil sie dem Zweck dienten, der Klägerin den ihr zustehenden Unterhalt im Ergebnis ungeschmälert zukommen zu lassen. Soweit die Klägerin im Klageverfahren erneut vortrage, sie habe ihre Zustimmung dem Finanzamt ... gegenüber widerrufen, sei darauf hinzuweisen, dass sowohl das Finanzamt ... mitgeteilt habe, ein Widerruf der Anlage U (für 1996) läge nicht vor bzw. habe nicht festgestellt werden können, als auch die Akte des Ehemannes bei dem zuständigen Finanzamt ... im Rahmen des Einspruchsverfahrens nochmals durchgesehen worden sei und sich danach lediglich eine Anlage U1996, von der Klägerin am 9. Oktober 1997 unterzeichnet, dort befände, nicht jedoch ein Widerruf der Zustimmungserklärung.
Mit Beschluss des Senats vom 20. Dezember 2006 ist der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Berichterstatter zur Entscheidung übertragen worden.
Auf telefonische Anfrage des Berichterstatters teilte der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamts ..., Herr ..., am 18. April 2007 mit, dass weder aus dem Datensichtgerät (Computer) der Eingang eines Widerrufschreibens der Klägerin erkennbar ist, noch die - auf Bitte des Berichterstatters - nochmals durchgesehenen im Keller archivierten steuerlichen Unterlagen der Klägerin einen Widerruf der Anlage U bzw. der Zustimmung zur Durchführung des begrenzten Realsplittings enthalten (Gesprächsnotiz Blatt 58 der Gerichtsakte).
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze sowie 1 Hefter ESt-Vorgänge ergänzend Bezug genommen. Diese waren beigezogen und Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Finanzamt hat zu Recht die von dem getrennt lebenden Ehemann der Klägerin an diese im Streitjahr geleisteten Ausgleichszahlungen in Höhe von 1.212,16 EUR für steuerliche Nachteile, die der Klägerin aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings in zurückliegenden Jahren erwachsen sind, als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 a EStG steuererhöhend erfasst.
Die Ausgleichszahlungen des von der Klägerin getrennt lebenden Ehemannes sind Unterhaltsleistungen und damit sonstige Einkünfte der Klägerin im Sinne des § 22 EStG. Zu den sonstigen Einkünften zählen gemäß Nr. 1 a dieser Vorschrift auch Einkünfte aus Unterhaltsleistungen, soweit sie nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG vom Geber abgezogen werden können. Nach der für das Streitjahr geltenden Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG können Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten bis zu 13.805,00 EUR im Kalenderjahr als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt. Die Zustimmung ist mit Ausnahme der nach § 894 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) als erteilt geltenden bis auf Widerruf wirksam (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Der Widerruf ist vor Beginn des Kalenderjahres, für das die Zustimmung erstmals nicht gelten soll, gegenüber dem Finanzamt zu erklären (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG).
Der Begriff "Unterhaltsleistungen" ist in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht definiert. Er entspricht dem in § 33 a Abs. 1 EStG verwendeten Begriff "Aufwendungen für den Unterhalt" (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12. April 2000, XI R 127/96, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2002, 130), denn der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Realsplittings den Steuerpflichtigen bewusst das Wahlrecht zwischen dem Abzug als Sonderausgabe oder als außergewöhnliche Belastung eingeräumt (vgl. Hutter in Blümich, EStG, Stand: März 2006, § 10 Rz. 60 m.w.N.). Danach sind Unterhaltsleistungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG die typischen Aufwendungen zur Bestreitung der Lebensführung, z.B. für Ernährung, Kleidung, Wohnung (BFH-Beschluss vom 3. Juni 2002, XI B 206-208/01, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2002, 1300; BFH-Urteil vom 12. April 2000, XI R 127/96, a.a.O.). Ebenso gehört zum Unterhalt auch die auf die Unterhaltsleistungen entfallende ESt nebst Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls die Kirchensteuer (Lindberg in Frotscher, EStG, § 10 Rz. 21; Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10 Rz. 27; Hutter in Blümich, a.a.O., Rz. 62; Söhn in Kirchhof/Söhn, EStG, Rn. C20; Steiner in Lademann, EStG, § 10 Anm. 64; offen: Schmidt/Heinicke, EStG, 25. Aufl. 2006, § 10 Rz. 50).
Dies beruht darauf, dass die Erklärung bzw. Vereinbarung, mit der sich der von der Klägerin getrennt lebende Ehemann verpflichtet hat, die seiner Ehefrau aus dem begrenzten Realsplitting erwachsenden steuerlichen Nachteile auszugleichen, unterhaltsrechtlichen Charakter hat. Denn die Verpflichtung des ausgleichsberechtigten Ehegatten zur Zustimmung zum begrenzten Realsplitting gegen Ausgleich der ihm hierdurch (gegebenenfalls) erwachsenden steuerlichen Nachteile beruht auf einer Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Rahmen des zwischen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten bestehenden gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 23. März 1983, IV b ZR 369/81, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht -FamRZ- 1983, 576). Der Erstattungs- oder Freistellungsanspruch des unterhaltsberechtigten Ehegatten aus dem begrenzten Realsplitting ist demgemäß weder, wie die Klägerin meint, ein Schadensersatzanspruch noch ein isolierter Anspruch nach § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), sondern ein Anspruch im Rahmen des gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses, der als solcher Unterhaltsqualität besitzt (vgl. BGH-Urteil vom 29. Januar 1997, XII ZR 221/95, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 1997, 1441). Der Ausgleichsanspruch sichert den Unterhaltsanspruch des Berechtigten. Das führt zu seiner Unpfändbarkeit nach Maßgabe des § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO (BGH-Urteil vom 11. Mai 2005, XII ZR 108/02, NJW 2005, 2223) und bedeutet damit zugleich, dass die Aufrechnung gegen den Anspruch ausgeschlossen ist, § 394 BGB (BGH-Urteil vom 29. Januar 1997, XII ZR 221/95, a.a.O.).
Der Ausgleichsanspruch wird als Ausfluss des zwischen dauernd getrennt lebenden bzw. geschiedenen Ehegatten bestehenden gesetzlichen Unterhaltsverhältnisses unter Billigkeitsgesichtspunkten gewährt, um dem Unterhaltsgläubiger die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting zumutbar zu machen. Das ist nur der Fall, wenn gewährleistet ist, dass dem Berechtigten der ihm zustehende Unterhalt im Ergebnis ungeschmälert verbleibt (BGH-Urteil vom 29. Januar 1992, XII ZR 248/90, NJW 1992, 1391 ff.). Ohne Ausgleichspflicht des Unterhaltsverpflichteten würden dem Unterhaltsberechtigten die Unterhaltsleistungen - im Ergebnis - nicht ungeschmälert zufließen (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Februar 1990, 10 UF 361/89, FamRZ 1990, 757).
Das wird auch von der Klägerin offenbar nicht anders gesehen. Zwar trägt sie vor, dass sie "auch ohne Ausgleich des steuerlichen Nachteils den ihr zustehenden Unterhalt ungeschmälert erhalten" habe. Im Sinne einer Befriedigung des laufenden Unterhaltsanspruchs mag dies zutreffen, gilt zeitlich und im Ergebnis jedoch nur so lange, bis die Klägerin für das jeweilige Zuflussjahr der Unterhaltszahlungen zur Steuerzahlung mittels Steuerbescheid herangezogen wurde. Die Klägerin führt insoweit selbst aus, der Ausgleich durch den getrennt lebenden Ehemann solle gewährleisten, "dass die tatsächlichen Unterhaltszahlungen, welche vereinbart sind, fließen und nicht durch irgendwelche Steuernachzahlungen reduziert werden". Genau letzteres, nämlich das Erfordernis, dass die Unterhaltszahlungen dem Unterhaltsberechtigten trotz Durchführung des begrenzten Realsplittings ungeschmälert ("nicht reduziert") verbleiben, führt dazu, dass der Ausgleichsanspruch Unterhaltsqualität besitzt. Zwar dient der Anspruch nicht der Befriedigung des laufenden Lebensunterhalts, denn dieser ist bereits gezahlt, sondern gleicht einen konkret entstehenden Nachteil des Unterhaltsberechtigten aus. Die Ausgleichsverpflichtung darf jedoch nicht isoliert und unabhängig von der Unterhaltsverpflichtung gesehen werden. Denn erst durch den auf Treu und Glauben beruhenden Ausgleich der steuerlichen Nachteile kommt der Unterhaltsberechtigte dauerhaft in den Genuss der ihm zustehenden - typischen - Unterhaltsleistungen.
So hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 15. Juli 1987 (1 BvR 54/87, NJW 1988, 127), in dem es unter anderem um die Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung der steuerlichen Anerkennung von Unterhaltszahlungen an den dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten ging (der seinerzeitige Höchstbetrag für das begrenzte Realsplitting lag bei 9.000,00 DM), die - unter Umständen - entstehende Ausgleichspflicht des Unterhaltsverpflichteten für steuerliche Nachteile des Unterhaltsberechtigten ergänzend in den Vergleich zum sozialhilferechtlich gewährleisteten Existenzminimum mit einbezogen und ist damit offenbar ebenfalls (inzident) von der Unterhaltsqualität des Ausgleichsanspruchs und der Abzugsfähigkeit auch dieser Zahlungen im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgegangen.
Die Ausgleichszahlungen des von der Klägerin getrennt lebenden Ehemannes im Streitjahr in Höhe von 1.212,16 EUR für die der Klägerin aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings in den Jahren 1999, 2000 und 2001 entstandenen steuerlichen Nachteile sind damit Unterhaltsleistungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Unerheblich dafür ist, entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin, dass diese Ausgleichszahlungen nur aufgrund des Einverständnisses der Klägerin in monatlichen Raten entrichtet wurden. Denn für das Vorliegen von Unterhaltsleistungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG kommt es nicht darauf an, ob es sich um laufende oder einmalige Leistungen handelt (vgl. Steiner in Lademann, a.a.O., Anm. 63). Auch die Zahlung des Ausgleichsbetrages in einer Summe hätte zu Unterhaltsleistungen im Sinne dieser Vorschrift und damit zu Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 a EStG auf Seiten der Klägerin geführt.
Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die übrigen ("eigenen") Einkünfte der Klägerin, wie von ihr behauptet, für sich genommen nicht zur Steuerpflicht geführt hätten. Denn die unterhaltsrechtliche Ausgleichspflicht besteht unabhängig davon, ob es auf Seiten des Berechtigten nur aufgrund der Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings zu einer Steuerfestsetzung kommt oder ob (lediglich) eine höhere ESt festzusetzen ist. Auszugleichen ist in beiden Fällen der steuerliche Nachteil auf Seiten des Berechtigten, damit die Unterhaltsverpflichtung nicht - teilweise - leer läuft.
Die Klägerin hat sich vorliegend auch mit der Durchführung des begrenzten Realsplittings einverstanden erklärt. Sie hat unter dem Datum 9. Oktober 1997 die Anlage U für das Jahr 1996 unterschrieben und damit dem Antrag auf Abzug der (in Abschnitt A des Vordrucks bezeichneten) Unterhaltsleistungen zugestimmt. Diese Zustimmung wirkt fort. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass sie, wie § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG es vorsieht, vor Beginn des Streitjahres (2004) ihre Zustimmung wirksam widerrufen hat. Nach Auskunft des Finanzamtes ... liegt ein derartiger Widerruf, den die Klägerin im Jahr 2003 gegenüber diesem bis Ende 2002 zuständigen Finanzamt erklärt haben will, dort nicht vor (schriftliche Bestätigung des Finanzamts ... vom 16. Januar 2006 gegenüber dem Beklagten). Darüber hinaus hat der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamts ... auf telefonische Anfrage des Berichterstatters die bereits (im Keller) archivierten steuerlichen Unterlagen der Klägerin (nochmals) durchgesehen und erklärt, dass ein Widerruf der Anlage U nicht vorläge und auch im Computer der Eingang eines derartigen Widerrufschreibens nicht vermerkt sei.
Schließlich sind die von dem getrennt lebenden Ehemann der Klägerin insgesamt in Höhe von 3.094,00 EUR geltend gemachten und von der Klägerin - nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrages in Höhe von 102,00 EUR (§ 9 a Satz 1 Nr. 3 EStG) - zu versteuernden Unterhaltsleistungen von der seinerzeitigen Zustimmungserklärung der Klägerin der Höhe nach erfasst, da die in "Abschnitt A" der Erklärung aufgeführten Unterhaltsleistungen den - noch über dem seinerzeit gesetzlich vorgesehenen Höchstbetrag in Höhe von 27.000,00 DM liegenden - Betrag von 28.908,00 DM ausweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
Das Urteil wurde im Hinblick auf die Wahrung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abgabenordnung überarbeitet.
Ende der Entscheidung
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