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Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 21.09.1999
Aktenzeichen: III 23/95
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10d Satz 4
EStG § 10d Satz 13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

In dem Rechtsstreit geht es darum, ob dem Kläger (Kl.) als Hoferben die vom Erblasser nicht verbrauchten Verluste in voller Höhe oder nur anteilig in Höhe seiner Erbteilquote am hoffreien Vermögen zustehen.

Der Kl. ist selbständiger Landwirt. Er ermittelt den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Der Kl. hat den Hof von seinem am 23. Oktober 1983 verstorbenen Vater geerbt. Dieser hatte den Kl. testamentarisch zum alleinigen Hoferben bestimmt. Der Erbteil des Kl. am hoffreien Vermögen beträgt 10 %. Die restlichen Erbteile entfallen auf seine Mutter und seine vier Geschwister.

In den Jahren 1980 bis 1982 waren bei dem Erblasser Verluste in Höhe von insges. 107.165 DM entstanden, von denen im Wege des Verlustabzugs im Kalenderjahr 1983 lediglich 16.431 DM berücksichtigt werden konnten. Danach verblieb ein nicht ausgeglichenes Verlustvolumen von 90.734 DM.

In den Einkommensteuer (ESt)-Erklärungen für die Kalenderjahre 1983 bis 1986 beantragte der Kl., die beim Erblasser nicht ausgeglichenen Verluste im Wege des Verlustabzuges gemäß § 10d EStG zu berücksichtigen. Das Finanzamt (FA) veranlagte erklärungsgemäß und berücksichtigte die folgenden Verlustabzüge:

 für 1983:9.547 DM
für 1984:2.575 DM
für 1985:19.928 DM
für 1986:59.951 DM

Die Veranlagung für 1986 stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).

Im Rahmen der im April 1990 für die Wirtschaftsjahre 1986/87 bis 1988/89 durchgeführten Außenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, daß der Kl. nur 10 % des vom Erblasser nicht verbrauchten Verlustes hätte geltend machen dürfen. Im Streitjahr sei deshalb kein Verlustvortrag mehr zu berücksichtigen. Das FA schloß sich dieser Rechtsauffassung an und erließ am 29. September 1992 einen entsprechend geänderten ESt-Bescheid für 1986, in dem es die ESt nach der Splittingtabelle auf 9.744 DM festsetzte.

Hiergegen erhob der Kl. Einspruch, den er durch seinen damaligen Steuerberater ... im wesentlichen wie folgt begründete:

Vor der schriftlichen Beantragung des Verlustvortrages bei Abgabe der ESt-Erklärung 1983 sei eine fernmündliche Anfrage an das FA gestellt worden. Von dem zuständigen Sachbearbeiter - Herrn ... - sei bei genauer Kenntnis des Sachverhaltes ein Vortrag der Verluste vom Erblasser auf den Kl. als Hoferben zugesagt worden. Die Veranlagungen erfolgten nach dieser Zusage in den nächsten Jahren entsprechend. Betriebliche Investitionen mit der Möglichkeit von Sonderabschreibungen seien daher auf Veranlagungszeiträume nach Absetzung der Verlustvorträge verlagert worden. Aufgrund der erteilten Zusage sei die Änderung des Steuerbescheides 1986 rechtsfehlerhaft.

Des weiteren halte er an seiner Rechtsauffassung fest, daß der nach der Höfeordnung bestimmte Hoferbe einen alleinigen Anspruch auf Verlustvortrag habe. Wie aus verschiedenen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ersichtlich sei, sei der Gesetzgeber verpflichtet, jeden Steuerpflichtigen nur nach seiner Leistungsfähigkeit zu besteuern. Die Höfeordnung bestimme den Hoferben, der die gesamten Vermögenswerte des Hofes übernehme. Bei einer Verteilung der Verluste nach dem Verhältnis des hoffreien Vermögens wäre das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit durchbrochen. Verluste des Erblassers seien nur im Bereich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft angefallen. Der Kapitaldienst für die aus den Verlusten resultierenden Schulden müsse aus den Erträgen der Landwirtschaft erbracht werden. Daher würde eine Anknüpfung an den Übernehmer der verlustverursachenden Einkunftsquelle den vom Verfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen entsprechen.

Aus den Steuerakten ergibt sich, daß die ESt-Erklärung 1983 am 21. Februar 1985 beim FA abgegeben worden ist. Ein Aktenvermerk über eine telefonische Auskunft zur Behandlung des Verlustvortrages findet sich in den Akten nicht.

Am 14. Oktober 1987, dem Datum der Unterzeichnung des Eingabebogens für die Veranlagung 1985, fertigte ... folgenden Vermerk (Bl. 29 ESt-Akten):

"Dem Erben ... stehen Verlustvorträge vom Vater zu."

Die Eingabebögen für die Veranlagungen 1983 bis 1986 sind von ... unterzeichnet worden.

Das FA wies den Einspruch durch Entscheidung vom 8. Dezember 1994, auf die Bezug genommen wird, als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Einspruchsbegehren weiter und trägt durch seine Prozeßbevollmächtigten im wesentlichen vor:

Das FA habe bei der ursprünglichen - allerdings unter dem Vorbehalt der Nachprüfung - durchgeführten Veranlagung für 1986 den geltend gemachten Verlustabzug anerkannt. Dies gehe zurück auf eine Entscheidung des zuständigen Sachbearbeiters in der Veranlagungsdienststelle, der dem Kl. die Anerkennung bzw. Übertragung der Verluste zugesagt gehabt habe. Insoweit sei zwischen den Beteiligten streitig, ob es sich um eine "verbindliche Zusage" gehandelt habe, welche einer nachträglichen Änderung zum Nachteil des Kl. entgegenstehe. Sie seien der Auffassung, daß im Hinblick auf die geschilderten Umstände ein nachträglicher Entzug des anerkannten Verlustabzuges aus Billigkeitsgründen nicht mehr zulässig sei. Hinsichtlich der Rechtsfrage, ob bzw. in welchem Umfange Verluste des Erblassers von dem oder den Erben geltend gemacht werden könnten, könne sich das FA zwar auf die wohl weit überwiegend in der Literatur vertretene Auffassung stützen. Danach könnten vom Erblasser nicht verbrauchte Verluste von seinen Erben im Verhältnis ihrer Erbquoten geltend gemacht werden. Begründet werde diese Auffassung mit dem "Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge" (vgl. auch Bundesfinanzhof - BFH - in Bundessteuerblatt - BStBl 1973 II S. 679). Sie seien allerdings der Auffassung, daß das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge zumindest im Bereich der Landwirtschaft der Übertragung der ausschließlich aus der Landwirtschaft entstandenen Verluste allein auf den Hoferben nicht entgegenstehe. Denn nach dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge seien nicht nur die Aktiva des landwirtschaftlichen Betriebes, sondern auch dessen Passiva auf den Hoferben übergegangen. Es sei kein einleuchtender Grund dafür erkennbar, daß die Erbquoten am hoffreien Vermögen für die Aufteilung der Verluste des Erblassers auf seine Erben maßgeblich sein sollten, wenn doch - wie im Falle des Kl. - der wesentliche Teil des Nachlasses aus dem Hof selbst bestanden habe. Insoweit werde auf die Ausführungen von Heidemann "Übertragung des Verlustausgleichs oder Verlustabzugs in Erbfällen" (INF 14/1997) verwiesen.

Der Kl. beantragt,

den ESt-Änderungsbescheid für 1986 vom 29. September 1992 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Dezember 1994 zu ändern und unter Berücksichtigung eines Verlustabzuges in Höhe von 59.991 DM die ESt anderweitig festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es nimmt zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Bezug.

Beigezogen und Gegenstand des Verfahrens waren die ESt- und Bilanzakten (..., Steuer-Nr. ...) und die ESt-, Bilanz-, Betriebsprüfungs- und Zonenrandförderungsakten betreffend den Kl. sowie 1. Band Arbeitsbögen der Betriebsprüfung (Steuer-Nr. ...).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Das FA hat im Ergebnis zu Recht den Verlustabzug gemäß § 10d EStG versagt. Es war auch nicht durch Treu und Glauben gehindert, den ursprünglichen ESt-Bescheid für 1986 zum Nachteil des Kl. zu ändern.

1. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat das FA in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muß es zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte (Urteil vom 5. September 1990 X R 100/89, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1991, 217). Dies gilt sogar dann, wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte. Das FA ist an eine bei einer früheren Veranlagung zugrunde gelegte Rechtsauffassung auch dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (BFH-Urteile vom 23. Mai 1989X R 17/85, BFHE 157, 516, BStBl 1989 II S. 879; vom 21. Oktober 1992 X R 99/88, BFHE 170, 41, BStBl 1993 II S. 289, 291). Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen gilt nur dann, wenn das FA eine Zusage erteilt hat oder durch sein früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hatte (BFH-Urteil vom 19. November 1985VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl 1986 II S. 520, und in BFHE 157, 516, BStBl 1989 II S. 879).

Eine Zusage, die nicht ausgeglichenen Verluste des Erblassers auf den Kl. in vollem Umfange zu übertragen, ist im Streitfall nicht gegeben.

Die Abgabenordnung (AO) regelt nur die verbindliche Zusage im Anschluß an eine Außenprüfung (§§ 204 - 207 AO). Das schließt jedoch nicht aus, daß die Finanzbehörde auch in anderen Fällen Auskünfte mit bindender Wirkung (sog. Zusage) erteilen kann. Das FA kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gebunden sein, wenn es einem Steuerpflichtigen zugesichert hat, einen noch nicht verwirklichten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche Beurteilung zweifelhaft erscheint und der für die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen bedeutsam ist, bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinne zu beurteilen (BFH-Urteile in BFHE 146, 32, BStBl 1986 II S. 520, 523 und vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl 1990, II S. 274, 276). Demgegenüber ist die Auskunft im Gegensatz zur Zusage eine unverbindliche Erklärung des FA über die Beurteilung eines bereits abgeschlossenen Sachverhaltes. Sie hat nur die Bedeutung einer Meinungsäußerung des FA, an die weder der Steuerpflichtige noch das FA gebunden sind. Denn nach dem System der AO wird über den Steueranspruch in einem förmlichen und schriftlichen Steuerfestsetzungsverfahren entschieden. Vorangehende Verwaltungshandlungen können nur unter besonderen Umständen, z. B. als Zusage im vorgenannten Sinne, eine Bindungswirkung für das FA haben (BFH-Urteile vom 3. Juli 1964 VI R 78/63 S, BStBl 1964 III S. 566 und in BFHE 146, 32, BStBl 1985 II S. 520, 523).

Bei Anwendung dieser Grundsätze hatte das FA entgegen der Ansicht des Kl. eine Zusage nicht erteilt. Abgesehen davon, daß weder das vom früheren Berater des Kl. behauptete Telefonat noch dessen Inhalt belegt sind, liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer Zusage nicht vor. Denn eine Zusage bezieht sich begriffsnotwendig auf die steuerrechtliche Beurteilung eines künftigen, noch nicht verwirklichten Sachverhalts. Im Streitfall ging es aber um die steuerrechtliche Behandlung eines zum Zeitpunkt des behaupteten Telefonats Anfang 1985 bereits abgeschlossenen Sachverhalts. Der Steueranspruch war bereits mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 1983 entstanden (§ 36 Abs. 1 EStG); die Höhe des vom Erblasser nicht ausgeglichenen Verlustabzugsvolumens stand fest. Es konnte bei der telefonischen Anfrage nur darum gehen, wie das FA voraussichtlich den bereits verwirklichten Sachverhalt beurteilen werde. Bei dieser Lage kommt der vom Kl. behaupteten Rechtsauskunft des Sachbearbeiters ... nur der Charakter einer unverbindlichen Meinungsäußerung zu; die verbindliche Entscheidung des FA erfolgte im Steuerfestsetzungsverfahren.

Das FA hat auch keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, durch den es sich gebunden hätte, dem Kl. den Verlustabzug in voller Höhe zu gewähren.

Ein Vertrauenstatbestand, der ein Finanzamt auch außerhalb einer Zusage zu einer bestimmten Behandlung eines Steuerfalles bindet, ist dann gegeben, wenn es die Grundsätze von Treu und Glauben gebieten, daß sich ein FA nicht mit seinem eigenen früheren Verhalten, auf das der Steuerpflichtige vertraut hat und vertrauen durfte, in Widerspruch setzt und der Steuerpflichtige aufgrund des früheren Verhaltens des FA Dispositionen getroffen hatte (BFH in BFHE 146, 32, BStBl 1986 II S. 520, 523). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall ebenfalls nicht vor, denn - wie dargelegt - stellte die telefonische Auskunft Anfang 1983 lediglich eine unverbindliche Meinungsäußerung dar; auch bewirkt die steuerliche Beurteilung in den früheren Veranlagungszeiträumen keine Bindung des FA für künftige Steuerabschnitte. Ein Verhalten des FA, aus dem der Kl. hätte schließen können und dürfen, das FA werde den Verlustabzug auch für 1986 gewähren, ist somit nicht gegeben. Das FA war danach aus Treu und Glauben nicht gehindert, den Verlustabzug zu versagen.

2. Gemäß § 10d Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung sind Verluste, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte nicht ausgeglichen werden und die nicht nach § 10d Sätze 1-3 EStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte der beiden dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeiträume abgezogen werden können, in den folgenden fünf Veranlagungszeiträumen wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Der Abzug ist nur insoweit zulässig, als die Verluste in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen nicht abgezogen werden konnten.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann der Erbe einen in der Person des Erblassers entstandenen und von diesem nicht ausgeschöpften Verlust gemäß § 10d EStG abziehen, soweit der Erblasser den Verlust noch hätte geltend machen können und der Erbe den Verlust wirtschaftlich zu tragen hat (u. a. BFH-Urteile vom 17. Februar 1961VI 66/59 U, BFHE 72, 630, BStBl III 1961, 230; vom 22. Juni 1962 VI 49/61 S, BFHE 75, 328, BStBl 1962 III S. 386; vom 17. Mai 1972 I R 126/70, BFHE 105, 483, BStBl 1972, II S. 621; vom 13. November 1979 VIII R 193/77, BFHE 129, 262, BStBl 1980, II S. 188; vgl. auch BFH-Urteil vom 5. Mai 1999 XI R 1/97 DStR 1999, 1391). Miterben können nach dieser Rechtsprechung den Verlust anteilig nach dem Verhältnis ihrer Erbteile abziehen; dies gilt selbst dann, wenn nur einer der Erben den Betrieb, der zu den Verlusten geführt hatte, fortführt (BFH-Urteil vom 10. April 1973VIII R 132/70, BFHE 109, 34, BStBl 1973, II S. 679, 680). Der BFH begründet seine Rechtsauffassung im wesentlichen damit, daß der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger materiellrechtlich und verfahrensrechtlich in die Stellung des Rechtsvorgängers gemäß §§ 1922 BGB, 45 AO eintrete (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 21. März 1969VI R 208/67, BFHE 96, 19, BStBl II 1969, 520: Erbe und Erblasser gedanklich als eine Person; vom 22. September 1993 X R 107/91, BFHE 172, 362, BStBl 1993, II S. 874; vom 17. Juni 1997 IX R 30/95, BFHE 183, 470, BStBl 1997 II S. 802) und sich somit in der Person des Erben die Einkunftsgrundlagen des Erblassers fortsetzen (u. a. BFH-Urteil in BFHE 75, 328, BStBl 1962 III S. 386).

Dem Kl. ist zuzugeben, daß auf der Grundlage dieser BFH-Rechtsprechung manches dafür sprechen mag, ihm nicht nur den Verlustabzug in Höhe seiner Erbquote am hoffreien Vermögen, sondern in voller Höhe zu gewähren. Denn der Kl. hatte als testamentarisch bestimmter Hoferbe (§ 7 Höfeordnung) den Hof, aus dessen Bewirtschaftung die Verluste herrührten, gemäß § 4 Höfeordnung kraft Gesetzes im Wege der Sondererbfolge (Palandt/Edenhofer, BGB, 58. Aufl., § 1922 Anm. 5, Stein in Soergel, BGB, 12. Aufl., § 1922 Rdnr. 80; Leipold in Münchner Kommenatar, BGB, 3. Aufl., § 1922 Rdnr. 68) unter Ausschluß einer Miterbengemeinschaft (BFH-Urteil vom 26. März 1987IV R 20/84, BFHE 149, 557, BStBl 1987 II S. 561; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 14. Juni 1990 II 322/87, EFG 1991, 105) geerbt. Er war unmittelbar in die Rechtsposition des Erblassers eingetreten und hatte den Kapitaldienst für die Verbindlichkeiten der Landwirtschaft alleine zu tragen (vgl. hierzu auch Heidemann in INF 1987, 314). Der Senat kann aber die Streitfrage, ob der Kl. den Verlustabzug in voller Höhe geltend machen kann, unentschieden lassen. Denn er hält den dogmatischen Ansatz der BFH-Rechtsprechung - ebenso wie die weit überwiegende Mehrheit des Schrifttums (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Komm. zur AO und FGO, § 45 AO 1977 Rdnr. 33; von Groll in Kirchhof/Söhn, EStG § 10d Rdnr. B 190 f; Brandt in Lademann, EStG, § 10d Rdnr. 233; Orth in Hermann/Heuer/Raupach, EStG und KöStG, § 10d Rndr. 119; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Aufl., § 8 III 1b bb; Tipke/Lang, Steuerrecht, 13. Aufl., S. 207; Ruppe, Einkommenssteuerrechtliche Positionen bei Rechtsnachfolge in DStJG, Band 10, 1987, S. 45 ff, 94 f; Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen durch Erbfall und Schenkung, S. 43; Stadie, Die persönliche Zurechnung von Einkünften, S. 78; Trzaskalik in StuW 1979, 97 ff; Ring in DStZ 1981, 24; Strnad in FR 1998, 935; Lindberg in Frotscher, EStG, § 10d Rdnr. 12; Biergans, EStG, 6. Aufl., S. 527 f; a. A. Horlemann in Blümich, EStG, § 10d Rdnr. 32; Lang in Tipke/Lang, a. a. O., 16. Aufl., § 9 Rdnr. 65; Frotscher, Steuern im Konkurs, 4. Aufl., S. 103 f; Schmitz in BB 1996, 987; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Teil B Rdnr. 1293) - nicht für zutreffend mit der Folge, daß auf den Erben das Recht des Erblassers nach § 10d EStG generell nicht übergeht. Schon aus diesem Grunde hat das FA einen Verlustabzug zugunsten des Kl. im Ergebnis zu Recht versagt. Die Rechtsprechung des BFH entbehrt der gesetzlichen und systematischen Grundlage.

Die zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 1922 BGB (Übergang des Vermögens als Ganzes auf den Erben), 1967 (Haftung des Erben für Nachlaßverbindlichkeiten) sind als Rechtsgrundlage für den Übergang des Verlustabzugs auf den Erben nicht geeignet. Diese Vorschriften sind im öffentlichen Recht nicht unmittelbar anwendbar. Die Rechtsnachfolge in steuerrechtliche Positionen ist vielmehr nach den allgemeinen und speziellen steuerrechtlichen Vorschriften zu beurteilen (Trzaskalik, a. a. O., S. 98 Fußnote 4; Ruppe, a. a. O., S. 45, 53 f; von Groll, a. a. O., § 10d Rdnr. B 195). Insoweit läßt sich auch aus § 45 AO eine Abzugsberechtigung zugunsten des Erben nicht ableiten. Nach dieser Bestimmung gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden auf den Rechtsnachfolger über. § 45 AO regelt den Übergang der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Erben. Das bedeutet aber nicht, daß Erblasser und Erbe einkommensteuerrechtlich als eine Person zu behandeln wären. Rechtsvorgänger und Gesamtrechtsnachfolger verwirklichen die Tatbestände, an die das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO), jeder für sich; der Erblasser bis zum Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge, der Erbe für die Zeit danach. Durch § 45 AO wird sichergestellt, daß die beim Erblasser durch Verwirklichung des Steuertatbestandes entstandenen Verpflichtungen und Rechte mit seinem Tod nicht untergehen, sondern durch den Erben ordnungsgemäß abgewickelt werden (Trzaskalik, a. a. O., S. 98 Fußnote 4; Tipke/Kruse, AO, § 45 Rdnr. 2; Ruppe, a. a. O., S. 55; Ring, a. a. O., S. 27). Der Gesamtrechtsnachfolger tritt nur in die verfahrensrechtliche, nicht aber in die materiell-rechtliche Position des Rechtsvorgängers ein. Vererbt werden Steuererstattungsansprüche oder Steuerschulden sowie verfahrensrechtliche Positionen wie z. B. das Recht, Anträge oder Wahlrechte auszuüben, gegebenenfalls Rechtsbehelfe einzulegen oder Klage zu erheben. Hingegen sind Verluste (negative Einkünfte) ebenso wie positive Einkünfte, Sonderausgaben oder außergewöhliche Belastungen unselbständige Besteuerungsgrundlagen (§ 157 Abs. 2 AO), die nicht Vermögenswerte darstellen, nicht vererblich sind und nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung auf den Erben übergehen können (Ring, a. a. O., S. 27; Orth, a. a. O., § 10d Rdnr. 119; Strnad, a. a. O., S. 935 re.Sp.; von Groll, a. a. O., Rdnr. 195; Lindberg, a. a. O., Rdnr. 12; Brandt, a. a. O., § 10d Rdnr. 233, 238 f; Gosch in StBP 1994, 126 Urteilsanmerkung).

Die Übertragung des Verlustabzuges auf den Erben verstößt zudem gegen das Subjektsteuerprinzip (§ 1 EStG). Mit dem Tod erlischt die ESt-Pflicht. Der letzten Veranlagung ist das bis zum Tode bezogene Einkommen zugrunde zu legen (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 1 EStG). Die ESt ist eine Jahressteuer (§ 36 Abs. 1 EStG). Die Grundlagen für ihre Festsetzung sind jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln (§ 2 Abs. 7 EStG). Erblasser und Erbe werden unabhängig voneinander veranlagt. Eine Zusammenrechnung von Einkünften negativer oder positiver Art von Erblasser und Erben sieht das EStG nicht vor. Besteuerungsgrundlagen verschiedener Steuersubjekte dürfen nach der Systematik des EStG nicht miteinander vermengt werden (Trzaskalik, a. a. O., S. 106, 112; Ring, a. a. O., S. 25; Stadie, a. a. O., S. 77; Biergans, a. a. O., S. 1527; Ruppe, a. a. O., S. 45; Wasmer, a. a. O., S. 43). Bei Anerkennung der Abzugsberechtigung des Erben würden aber vom Erblasser realisierte Einkünfte auf den Erben systemwidrig übertragen.

Ein vollständiges Einrücken des Erben in die Position des Erblassers widerspräche auch dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Diese kann sich nur aus den von dem Steuerpflichtigen selbst verwirklichten Besteuerungsmerkmalen ergeben. Der Zweck des Verlustabzugs besteht darin, Härten des Periodenprinzips durch eine Art Durchschnittsbesteuerung zu mildern. Dieser Zweck läßt sich aber nur individuell begreifen und verwirklichen (von Groll, a. a. O., Rdnr. 196; Knobbe-Keuk, a. a. O., Stadie, a. a. O., S. 78; Strnad, a. a. O., S. 936 li.Sp.). Der Verlustabzug ist Teil der Einkünfteermittlung; er steht demjenigen zu, der den Verlust erlitten hat. Das Recht auf Verlustabzug ist nicht übertragbar (Grundsatz der Personenidentität; hierzu von Groll, a. a. O., Rdnr. 105 f). Die in den erlittenen Verlusten zum Ausdruck kommende negative Leistungsfähigkeit ist ein höchstpersönliches Merkmal, das nicht vererblich ist (Lindberg, a. a. O., Rdnr. 12; Stadie, a. a. O., S. 77; Strnad, a. a. O., S. 936). Die Berechtigung, positive Einkünfte mit Verlusten auszugleichen, ist nach alledem ein personenbezogenes, die individuelle Leistungsfähigkeit widerspiegelndes höchstpersönliches Recht, das auf den Erben mangels gesetzlicher Grundlage nicht übergeht.

Das FA hat somit im Ergebnis zu Recht den Verlustabzug versagt. Danach war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 FGO - Vererblichkeit des Verlustabzug gemäß § 10d EStG).

Ende der Entscheidung

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