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Gericht: Finanzgericht Thüringen
Beschluss verkündet am 28.11.2007
Aktenzeichen: 2 K 287/07
Rechtsgebiete: RL 92/83/EWG, BierStG 1993, EG
Vorschriften:
RL 92/83/EWG Art. 4 Abs. 1 | |
RL 92/83/EWG Art. 4 Abs. 2 | |
BierStG 1993 § 2 Abs. 2 | |
BierStG 1993 § 2 Abs. 3 | |
EG Art. 234 Unterabs. 2 |
Finanzgericht Thüringen
Biersteuerbescheid 2005
In dem Rechtsstreit
...
hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts
aufgrund der mündlichen Verhandlung am 28. November 2007 beschlossen:
Tenor:
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird um eine Vorabentscheidung zu folgender Frage ersucht:
Sind die Merkmale der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 EWG des Rates vom 19 Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke für die Anwendung der ermäßigten Steuersätze im Hinblick auf die Erwägungsgründe der Richtlinie dahin zu verstehen, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen ansonsten rechtlich unabhängigen Brauereien nur dann anzunehmen ist, wenn die betroffenen Brauereien nicht voneinander unbeeinflusst als Wettbewerber am Markt auftreten können oder genügt bereits die faktische Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit der Brauereien, um dem Kriterium der Unabhängigkeit nicht mehr zu entsprechen? Dieser Beschluss ist unanfechtbar
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich, soweit hier entscheidungserheblich, gegen die Versagung der Tarifermäßigung des § 2 Abs. 2 des Biersteuergesetzes (BierStG).
Die im Jahr 1991 unter Mehrheitsbeteiligung der IXY Brauerei AG privatisierte Klägerin betreibt eine Brauerei in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).
Am Stammkapital der Klägerin waren im Streitjahr nachstehende Gesellschafter beteiligt:
RS mit einem Nennbetrag in Höhe von 106.600,00 EUR = 26 v.H. der Geschäftsanteile,
AP geb. S mit einem Nennbetrag in Höhe von 94.300,00 EUR = 23 v.H. der Geschäftsanteile
M. Beratungs- und Beteiligungs GmbH, mit einem Nennbetrag in Höhe von 12.300,00 EUR = 3 v.H. der Geschäftsanteile.
IXY Brauerei AG, mit einem Nennbetrag in Höhe von 196.800,00 EUR = 48 v.H. der Geschäftsanteile.
Das Braugeschäft der IXY Brauerei AG wurde 1996 ausgegliedert und auf die IXY Brauerei Bierspezialitäten GmbH übertragen. An den Geschäftsanteilen der IXY Brauerei AG sind seit 2000 u.a. die österreichische O. Brauerei AG in Wien mit 49 v.H., und die M. Beratungs- und Beteiligungs GmbH (nachfolgend: M. GmbH) mit 30,7 v.H. beteiligt. Vorstandsvorsitzender der O. Brauerei AG ist Herr Mx. Dieser ist ferner geschäftsführender Gesellschafter der M. GmbH. Konzernmutter und beherrschende Gesellschafterin der O. Brauerei AG ist die G.H AG, Wien (jetzt firmierend als O. Holding AG). Letztere steht zu rund 81 v.H. im Besitz der Familien Wh (ca. 65 v.H.) und M. (ca. 16 v.H.). Die restlichen Gesellschaftsanteile halten zwei weitere Familien. Nach § 9 Abs. 2 der Satzung der O. Brauerei AG zählt bei Stimmengleichheit der zwei Vorstandsmitglieder, Frau C. Wh und Herr Mx. S. M., die Stimme des Vorstandsvorsitzenden. Die IXY Brauerei AG ist als assoziiertes Unternehmen in den Konzernabschluss der O. Brauerei AG sowohl nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) als auch in ihren Jahresabschluss nach österreichischem Handelsgesetzbuch (HGB) einbezogen, wobei die Klägerin wiederum als 48 v.H.- Beteiligung der IXY Brauerei AG ausgewiesen wird.
Ausgehend von den vorstehenden Beteiligungsverhältnissen und der Abstimmungsregelung bei der O. Brauerei AG ging das Finanzgericht München im Urteil vom 6. April 2006 14 K 4578/04 (nicht veröffentlicht) von einem über die IXY Brauerei AG vermittelten beherrschenden Einfluss der O. Brauerei AG auf die IXY Brauerei Bierspezialitäten GmbH aus. Durch seine Stellung als Vorstandsvorsitzender bei der O. Brauerei AG und als geschäftsführender Gesellschafter der M. GmbH verfüge Herr Mx. S. M. bei der IXY Brauerei AG de facto über die Stimmenrechtsanteile beider Gesellschaften (79,7 v.H.), sodass er mit der Stimmrechtsmehrheit die Möglichkeit habe, die personelle Besetzung der Gesellschaftsorgane der IXY Brauerei AG zu steuern, was zur wirtschaftlichen Abhängigkeit führe.
Weder die IXY Brauerei AG noch die O. Brauerei AG, deren Gesamtjahreserzeugung unstreitig 200.000 hl Bier überschritt, traten in der streitigen Zeit mit der Klägerin am Markt gemeinsam auf. Zwischen den Brauereien bestanden keine Preisabsprachen, Pachtverträge oder Gewinnabführungsverträge. Ebenso waren sie unstreitig auf unterschiedlichen regionalen Märkten mit verschiedenen Kundenkreisen und unterschiedlichen Getränkesortimenten präsent. Gemeinsame Werbeaktionen fanden nicht statt.
Die rechtliche Bewertung des Finanzgerichts München hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse übertrug das Hauptzollamt (HZA) auf die Klägerin, nachdem es erfuhr, dass die M. GmbH ab 2001 den zuvor in 2000 von der O. Brauerei AG erworbenen Geschäftanteil von 3 v.H. an der Klägerin hielt. Davor hatte es die Klägerin als eine von der IXY Brauerei AG bzw. O. Brauerei AG unabhängige Brauerei i. S. des § 2 Abs. 2 und 3 BierStG behandelt und die Biersteuerschuld im Jahresbiersteuerbescheid für 2005 vom 2. Februar 2006 mit dem ermäßigten Steuertarif des § 2 Abs. 2 BierStG in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung festgesetzt. Im Zuge des von der Klägerin aus anderen Gründen gegen den Biersteuerbescheid für das Jahr 2005 betriebenen außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens verneinte das HZA nunmehr die Voraussetzungen für die Tarifermäßigung des § 2 Abs. 2 BierStG. Mit Steueränderungsbescheid vom 4. Dezember 2006 - V 3205 B - 2005 - B 19 erhob es den Differenzbetrag zum Normaltarif nach.
Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe die Berechtigung für die Tarifermäßigung des § 2 Abs. 2 BierStG verloren. Infolge der Beteiligungsverhältnisse in Verbindung mit der Stimmrechtsbindung bei der O. Brauerei AG sei die Klägerin von letzterer wirtschaftlich abhängig geworden. Denn Herr Mx. S. M. verfüge über die Beteiligungen der M. GmbH und der IXY Brauerei AG an der Klägerin sowie mit seinem durch die O. Brauerei AG und der M. GmbH vermittelten beherrschenden Einfluss bei der IXY Brauerei AG faktisch über die Stimmrechtsmehrheit bei der Klägerin. Das Abhängigkeitsverhältnis der Klägerin zur O. Brauerei AG komme auch im Konzernabschluss der O. Brauerei AG für das Kalenderjahr 2005 zum Ausdruck, in dem die Klägerin unter den assoziierten Unternehmen aufgeführt werde. Sowohl nach den deutschen als auch nach den 2005 noch geltenden Vorschriften des österreichischen Handelsgesetzbuchs (HGB) zur Konzernrechnungslegung seien in einer Konzernbilanz rechtlich selbständige Unternehmen als assoziiert auszuweisen, wenn von einem in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen maßgeblicher Einfluss auf die Geschäfts- und Finanzpolitik eines nicht einbezogenen Unternehmens, an dem das Unternehmen beteiligt sei, ausgeübt werde. Bei assoziierten Unternehmen im Sinne von § 311 HGB sei für eine maßgebliche Einflussnahme bereits die Mitwirkung bei Entscheidungen über Grundsatzfragen oder über die Geschäfts- oder Firmenpolitik ausreichend. Einer Teilnahme an einzelnen konkreten unternehmenspolitischen Entscheidungen bedürfe es nicht. Eine mittelbare Einflussnahme der O. Brauerei AG, vertreten durch ihren Vorstandsvorsitzenden Mx. S. M., auf die Geschäfts- und Finanzpolitik der Klägerin sei hinreichend belegt. Im Übrigen reiche nach dem entsprechend anwendbaren Rechtsgedanken des § 17 Aktiengesetz (AktG) bereits die bloße Möglichkeit einer mittelbaren Einflussnahme von einer Brauerei auf die Geschäfts- und Finanzpolitik einer anderen Brauerei aus, um deren wirtschaftliche Abhängigkeit zu begründen.
Hiergegen wandte sich die Klägerin erfolglos mit ihrem Einspruch und erhob nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens fristgerecht Klage.
Nach Auffassung der Klägerin sei für die Auslegung des in den nationalen Biersteuergesetzen enthalten Merkmals der "wirtschaftlichen Unabhängigkeit" der Zweck der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke maßgeblich (ABl. EG Nr. L 316/21 vom 31. Oktober 1992). Dessen Auslegung nach nationalen Rechtsgrundsätzen scheide aus. Ein Rückgriff auf die Konzernrechtsvorschriften des nationalen Aktienrechts, insbesondere auf § 17 AktG, verbiete sich, weil dessen Vorschriften nicht harmonisiert seien und gemeinschaftsweit keine vergleichbare Regelung bestehe. Ein Assoziierungsverhältnis zwischen der Klägerin und der O. Brauerei AG gem. § 311 HGB bestehe nicht, da letztere nicht an der Klägerin beteiligt sei. Die Auslegung der Begriffe der "rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit" müsse entgegen der Verwaltungsauffassung unter dem Blickwinkel des Marktes erfolgen. Wenn die betroffenen Brauereien auf unterschiedlichen regionalen Märkten tätig seien und kein gemeinsamer Marktauftritt stattfinde, liege keine wirtschaftliche Abhängigkeit vor (vgl. Erkenntnis des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs -VwGHzum vergleichbaren österreichischen BierStG vom 26. Juni 2000 Az: 99/17/0450, http://www.ris.bka.gv.at). Dem folge auch das der Systematik der Richtlinie 92/83/EWG nachgebildete Biersteuergesetz der Schweiz in Art. 11 der Verordnung über die Biersteuer. Darin werde ein Herstellungsbetrieb als wirtschaftlich unabhängig angesehen, wenn er selbstständig handeln und alle für den Betrieb maßgebenden Funktionen selbstständig ausüben könne (http://www.admin.ch/ch/d/sr/641_411_1/a11.html). Folglich werde erst dann eine wirtschaftliche Abhängigkeit begründet, wenn die durch die gemeinsame Beteiligung eines Dritten verbundenen Unternehmen derart auf dem Markt in Erscheinung träten, dass sie in wesentlichen Belangen wie ein einziges Unternehmen agierten. Das Erfordernis des gemeinsamen Marktauftritts erfülle die Klägerin unstreitig nicht.
Das HZA ist der Klage entgegengetreten. Der Begriff der wirtschaftlichen Unabhängigkeit nach dem BierStG müsse auch unter dem Blickwinkel der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse ausgelegt werden. Es bestehe bereits dann ein relevantes wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen Brauereien, wenn sich eine rechtlich selbständige Brauerei aus ihrer Perspektive in der Lage befände, dass eine andere Brauerei maßgeblichen Einfluss auf ihre Geschäfts- und Finanzpolitik ausüben könne. Die Möglichkeit einer mittelbaren Einflussnahme genüge, wenn sie beständig, umfassend und gesellschaftsrechtlich fundiert sei. Diese Gelegenheit zur Einflussnahme bestehe im Streitfall. Weiter gehe die Rechtsauffassung der Klägerin fehl, wonach eine Auslegung des Begriffs "wirtschaftliche Unabhängigkeit" anhand EUweit einheitlicher Kriterien zu erfolgen habe. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/83/EWG räume den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, auf Bier, das von kleinen unabhängigen Brauereien gebraut werde, unter bestimmten Voraussetzungen ermäßigte Steuersätze anzuwenden. Die Entscheidung über die Einführung einer solchen Subventionsmaßnahme habe der EU-Gesetzgeber den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen. Wenn schon die Anwendung ermäßigter Steuersätze für die Mitgliedstaaten nicht verpflichtend sei, bedürfe es folglich keiner EU-weiten einheitlichen Auslegung des Begriffs "wirtschaftlicher Abhängigkeit". Demgemäß habe der EU-Gesetzgeber Regelungen für eine unterschiedslose Anwendung ermäßigter Biersteuersätze nur bezogen auf die Hoheitsgebiete der einzelnen Mitgliedstaaten getroffen und bestimmt, dass Lieferungen von Bier aus anderen Mitgliedstaaten in keinem Fall höher belastet werden dürften als genau entsprechende innerstaatliche Lieferungen (Artikel 4 Abs. 5 der Richtlinie 92/83/EWG).
II.
Für die Entscheidung über die Vorlagefrage sind folgende Vorschriften von Bedeutung:
1. Des nationalen Biersteuergesetzes:
§ 2 Steuertarif
...
(2)
Abweichend von Absatz 1 ermäßigt sich der Steuersatz für im Brauverfahren hergestelltes Bier aus unabhängigen Brauereien mit einer Gesamtjahreserzeugung von weniger als 200.000 hl Bier in Stufen von 1.000 zu 1.000 hl gleichmäßig ...
(3)
Als unabhängig ist eine Brauerei anzusehen, die rechtlich und wirtschaftlich von einer anderen Brauerei unabhängig ist, Betriebsräume benutzt, die räumlich von anderen Brauereien getrennt sind und Bier nicht unter Lizenz braut. Das Brauen unter Lizenz ist jedoch für die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes unschädlich, wenn
1. die Lizenzherstellung weniger als die Hälfte der Gesamtjahreserzeugung beträgt,
2. die Lizenzherstellung zum Steuersatz nach Absatz 1 versteuert wird und
3. die Gesamtjahreserzeugung 200.000 hl nicht übersteigt.
...
2. Des Gemeinschaftsrechts:
Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke:
Artikel 4
(1)
Die Mitgliedstaaten können auf Bier, das von kleinen unabhängigen Brauereien gebraut wird, ermäßigte Steuersätze, die je nach Jahresausstoß der betreffenden Brauereien gestaffelt werden können, unter folgenden Voraussetzungen anwenden:
- die ermäßigten Steuersätze gelten nicht für Unternehmen, die jährlich mehr als 200 000 hl Bier herstellen;
- die ermäßigten Steuersätze, die den Mindestsatz unterschreiten können, dürfen nicht um mehr als 50% unter dem normalen nationalen VerbrauchsteuerSatz 1iegen.
(2)
Zum Zwecke der Anwendung der ermäßigten Steuersätze gilt als "kleine unabhängige Brauerei" eine Brauerei, die rechtlich und wirtschaftlich von einer anderen Brauerei unabhängig ist, Betriebsräume benutzt, die räumlich von denen anderer Brauereien getrennt sind, und kein Lizenznehmer ist. Sofern zwei oder mehrere kleine Brauereien zusammenarbeiten und deren gemeinsamer Jahresausstoß 200 000 hl nicht übersteigt, können diese Brauereien jedoch als eine einzige kleine unabhängige Brauerei behandelt werden.
(3)
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die von ihnen gegebenenfalls festgelegten ermäßigten Sätze unterschiedslos auch für Bier gelten, das aus kleinen unabhängigen Brauereien in anderen Mitgliedstaaten in ihr Hoheitsgebiet geliefert wird. Im Besonderen sorgen sie dafür, dass einzelne Lieferungen aus anderen Mitgliedstaaten in keinem Fall steuerlich höher belastet werden als genau entsprechende innerstaatliche Lieferungen.
...
III.
Der Senat setzt das bei ihm anhängige Klageverfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 Unterabs. 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft die im Tenor formulierte Frage zur Vorabentscheidung vor.
Die Entscheidung über die Klage hängt davon ab, wie die aus der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. EG Nr. L 316/21) in das deutsche Biersteuergesetz übernommenen gemeinschaftsrechtlichen Begriffe der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit in Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 92/83/EWG auszulegen sind.
Nach der fast wörtlich mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/83/EWG übereinstimmenden Vorschrift des deutschen § 2 Abs. 2 Satz 1 BierStG ermäßigt sich der Steuersatz nach Maßgabe weiterer hier nicht streitiger Voraussetzungen für im Brauverfahren hergestelltes Bier aus unabhängigen Brauereien mit einer Gesamtjahreserzeugung von weniger als 200.000 hl Bier. Als unabhängig ist nach Abs. 3 der Vorschrift eine Brauerei anzusehen, die rechtlich und wirtschaftlich von einer anderen Brauerei unabhängig ist, Betriebsräume benutzt, die räumlich von anderen Brauereien getrennt sind und Bier nicht unter Lizenz braut.
Eine genaue Definition des Begriffs der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit enthalten weder die Richtlinie noch das nationale BierStG. Eine klarstellende Rechtsprechung des EuGH liegt hierzu - soweit ersichtlich - noch nicht vor. Lediglich die Erwägungsgründe der Richtlinie 92/83/EWG setzen dem nationalen Gesetzgeber für den Fall der Inanspruchnahme der Ermächtigung eine Grenze für die Steuerermäßigung, wonach die Ermäßigung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen darf. Aus dem Gesetz bzw. der Richtlinie erschließt sich lediglich, dass beide für die Unabhängigkeit stehenden Merkmale kumulativ verwirklicht sein müssen.
Im Streitfall ist die Klägerin aufgrund der Beteiligungsverhältnisse rechtlich weder von der IXY Brauerei AG bzw. der O. Brauerei AG noch von einem ihrer anderen Gesellschafter abhängig. Keiner der Gesellschafter der Klägerin vereint unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte auf sich oder vermag aufgrund vertraglicher Vereinbarungen beherrschenden Einfluss auf sie auszuüben. Die vom HZA angenommene Abhängigkeit wird allenfalls über eine dritte Person vermittelt, sodass hier nur das Merkmal der wirtschaftlichen Unabhängigkeit in Streit steht.
Der vorlegende Senat hat Zweifel, ob die Versagung der Biersteuerermäßigung nach § 2 Abs. 3 BierStG durch das Hauptzollamt mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 92/83/EWG zu vereinbaren ist.
Das Merkmal der wirtschaftlichen Unabhängigkeit nach § 2 Abs. 3 BierStG wird von der Verwaltung verneint, wenn die Art und der Umfang der Zusammenarbeit zwischen den Brauereien dazu führt, dass eine Brauerei nicht mehr in der Lage ist, wirtschaftlich selbständig zu handeln oder sie wesentliche für den Betrieb einer Brauerei charakteristische Funktionen nicht mehr erfüllt. Dabei stellt sich bei der Auslegung des Merkmals die grundsätzliche Frage, ob auch personelle Verflechtungen ohne unmittelbare Beteiligung, die einem Dritten Zugriff auf die Willensbildung einer Brauerei verschaffen, unter das Merkmal der wirtschaftlichen Unabhängigkeit gefasst werden können.
Nach der zu § 2 Abs. 2 und 3 BierStG ergangene Verwaltungsvorschrift (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. Juli 1993 (III A 3 - V 3220 - 3/93; inhaltlich wiedergegeben in VSF V 3205) entspricht dem Verlust der wirtschaftlichen Selbstständigkeit der Abschluss von Beherrschungs-, Gewinnabführungs-, Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsverträgen, die Gewährung von umfangreichen Eigenkapital ersetzenden Darlehen oder Absprachen in der Preispolitik. Dies gilt insbesondere auch für Gestaltungen, die einen beherrschenden Einfluss einer Brauerei auf die Geschäftsführung einer anderen Brauerei zulassen, z.B. bei einer Geschäftsführung zweier Brauereien in Personalunion, bei Gesellschafteridentität oder bei damit vergleichbaren Sachverhalten, wie bei einer persönlichen Verflechtung in Form von Beteiligungsverhältnissen mit besonderen Stimmrechtsbefugnissen.
Das nach § 2 Abs. 2 BierStG erforderliche Merkmals der wirtschaftlichen Unabhängigkeit wird dabei unter Heranziehung der sich aus dem AktG und den Rechnungslegungsvorschriften des HGB ergebenden Rechtsgedanken zur Bestimmung von Abhängigkeitsverhältnissen definiert. Demgemäß kann bei der Möglichkeit eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäfts- und Finanzpolitik selbst eine Beteiligung von weniger als 50 v. H. zum Verlust der wirtschaftlichen Unabhängigkeit führen. Beherrschender Einfluss wurde in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 17 AktG bereits dann angenommen, wenn eine beständige, umfassende und gesellschaftsrechtlich fundierte mittelbare Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit einer Brauerei möglich ist (Finanzgericht München Urteil vom 6. April 2006, 14 K 4578/04 nicht veröffentlicht; Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 27. Februar 1997 II 124/96, Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1494).
Bei dieser gesellschaftsrechtlich geprägten Auslegung des streitigen Merkmals wäre die Klägerin als wirtschaftlich von der O. Brauerei AG abhängig anzusehen, da für Herrn Mx. S. M. als Dritter, ohne unmittelbare Beteiligung an der Klägerin, im Zusammenhang mit der Stimmrechtsbindung bei der O. Brauerei AG und den übrigen Beteiligungsverhältnissen faktisch die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit der Klägerin besteht und er eine gleichgerichtete Willensbildung und Interessenbindung zwischen der Klägerin, der IXY Brauerei AG bzw. der O. Brauerei AG herstellen kann. Auf eine tatsächliche Einflussnahme im Einzelfall oder eine Konkurrenzsituation zwischen den betroffenen Brauereien am Markt kommt es bei dieser Betrachtung nicht an, weil wegen der in der Regel nach außen nicht erkennbaren Willensbildung eine Einflussnahme insoweit zu vermuten ist.
Demgegenüber lässt der österreichische VwGH für die Annahme der wirtschaftlichen Abhängigkeit einer Brauerei weder eine personelle Verflechtung noch eine gemeinsame Vertriebsgesellschaft ausreichen. Der Zweck der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 bestehe in der Schaffung eines einheitlichen Marktes. Beteiligungsverhältnisse und Synergieeffekte rechtfertigten im Allgemeinen zwar den Schluss auf ein gemeinsames Marktverhalten. Da sich aber die Auslegung der Merkmale der Vorschrift am Marktverhalten der betroffenen Brauereien orientieren müsse, führe ihr Auftreten auf unterschiedlichen regionalen Märkten mangels Beeinträchtigung des Konkurrenzverhältnisses nicht zur wirtschaftlichen Abhängigkeit. Diese sei erst dann zu schlussfolgern, wenn die durch die gemeinsame Beteiligung eines Dritten verbundenen Unternehmen derart auf dem Markt in Erscheinung treten würden, dass sie in wesentlichen Belangen wie ein einziges Unternehmen agierten.
Sollte das Merkmal der wirtschaftlichen Unabhängigkeit in diesem Sinne zu verstehen sein, wäre nicht nur die gesellschaftsrechtlich abgesicherte Einflussnahme eines Dritten, sondern insbesondere auch die Geschäftsführung zweier kleiner Brauereien durch einen Geschäftsführer in Personalunion unschädlich, solange die betreffenden Brauereien am Markt offensichtlich voneinander unbeeinflusst tätig sind. Eine ausschließlich marktorientierte Auslegung der in der Richtlinie enthaltenen Merkmale für die Unabhängigkeit einer Brauerei, hätte im Streitfall die Klagestattgabe zur Folge, da beide Brauereien unstreitig auf verschiedenen Märkten tätig sind.
Gleichwohl könnte eine ausschließlich auf das tatsächliche Marktverhalten der betroffenen Brauereien abstellende Auslegung zu kurz greifen, wenn sie den Zweck der Richtlinie nicht vollständig erfasst. Nach Erwägungsgründen besteht das Ziel der Richtlinie 92/83/EWG primär in der Verwirklichung und Harmonisierung des Binnenmarktes. Wie die in ihr enthaltene Ermächtigung zum Erlass ermäßigter Verbrauchsteuersätze zeigt, hatte der Rat überdies die Bewahrung gewachsener regionaler Strukturen im Blick, indem er die nationalen Gesetzgeber ermächtigte, die sich aus höheren Kosten bei Investitionen, Einkauf, Personal und Produktion ergebenden strukturellen Nachteile kleiner unabhängiger Brauereien abzumildern. Nach Auffassung des vorlegenden Senats könnte deshalb eine nicht nur auf das Marktverhalten beschränkte Auslegung geboten sein, da es ansonsten des Merkmals der rechtlichen Unabhängigkeit nicht bedurft hätte. Denn nur durch das kumulative Wirken der Merkmale der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit können Umgehungsformen verhindert werden, da sich Abhängigkeitsverhältnisse im Sinne der Vorschrift sich nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus rechtlichen Strukturen ergeben können. Diesen Umstand greift das Merkmal der rechtlichen Unabhängigkeit auf, indem nur solche kleine Brauereien begünstigt werden, die eigenständig wirtschaften und dem damit verbundenen Marktrisiko ohne Einbindung in einen Gesellschaftsverbund tatsächlich ausgesetzt sind. Wird aber z.B. eine nicht mehr der Brautätigkeit nachgehende Gesellschaft zwischengeschaltet, scheitert die Anwendung der Vorschrift am Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 92/83/EWG, da dieser auf das Merkmal "Brauerei" abstellt. Eine rein marktorientierte Auslegung würde deshalb Konstruktionen unerfasst lassen müssen, in denen das Abhängigkeitsverhältnis nicht unmittelbar durch eine andere Brauerei begründet wird. Insofern liegt es nahe, dass das Abhängigkeitsverhältnis wirtschaftlich unter Rückgriff auf gesellschaftsrechtliche Kriterien bestimmt wird. Mit Sachverhaltsgestaltungen wie im Streitfall oder eine Geschäftsführung in Personalunion wäre es deshalb zu rechtfertigen, dass das Merkmal der wirtschaftlichen Unabhängigkeit nicht frei von gesellschaftsrechtlichen Begriffsbestimmungen ausgelegt wird, zumal die dem HGB entnommenen Rechtsfiguren der Beteiligung, Assoziierung bzw. Abhängigkeit eines Unternehmens auf Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts beruhen. Die allgemein unter Publizitätsgesichtspunkten wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse darstellenden und somit für die Auslegung entsprechend heranziehbaren Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften, insbesondere die §§ 271 und 311 HGB, sind durch das Bilanzrichtliniengesetz, das wiederum auf die Siebte Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 (ABl. L 193 v. 18.7.1983 S. 1) zurückgeht, in das HGB eingeführt worden. Überdies wird das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit in der zum Missbrauchsverbot des Art. 86 des EG-Vertrages (jetzt Art. 82 EGV) ergangenen Rechtsprechung des EuGH ebenfalls unter Anwendung gesellschaftsrechtlicher Definitionen bestimmt (vgl. zuletzt Urteil des EuGH vom 26. April 2007 T-109/02, T- 118/02, T-122/02, T-125/02, T-126/02, T-128/02, T-129/02, T-132/02 und T-136/02, bislang nur veröffentlicht unter http://curia.europa.eu).
Ende der Entscheidung
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