Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 23.07.2009
Aktenzeichen: II 940/06
Rechtsgebiete: GrStG


Vorschriften:

GrStG § 22 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts

in der Sitzung

am 23.07.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) hat die Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Zerlegung eines Grundsteuermessbetrags für ein sich über zwei Gemeinden erstreckendes Grundstück im Beitrittsgebiet.

Die Beigeladene zu 1), die heutige BF, (folgend: AG) erwarb seit 1993 für ihre Produktionshallen, Verwaltungsgebäude etc. mehrere Grundstücke mit insgesamt 205.383 m2. Hiervon liegt eine Teilfläche von 71.034 m2 im Gemeindegebiet der Klägerin. Dort befinden sich im Wesentlichen die Gebäude, die Zuwege, die Stellplätze und die Hofflächen des Unternehmens der AG. Die restlichen im Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2) liegenden Grundstückflächen bestehen aus gering bebauten und versiegelten land- und forstwirtschaftlichen Flächen (134.349 m2). Hinsichtlich der Wertansätze wird auf den Einheitswertbescheid auf den 01.01.2005 vom 30.06.2005 auf Blatt 41 der Bewertungsakten Bezug genommen.

Die Klägerin ist gem. § 51 der Thüringer-Kommunalordnung (ThürKO) erfüllende Gemeinde für die in eigenem Wirkungskreis gem. § 51 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 47 Abs. 2 ThürKO ansonsten rechtlich selbstständige Gemeinde W.

Eine Zerlegung des Grundsteuermessbetrages auf die Klägerin und die Gemeinde W. erfolgte erstmals auf den 01.01.1998. Wegen einer Wertfortschreibung des Einheitswertes und der Folgeänderung des Grundsteuermessbescheids auf den 01.01.2005, erließ der Beklagte am 01.07.2005 einen neuen Zerlegungsbescheid. Von dem im Bescheid vom 20.06.2005 festgesetzten Grundsteuermessbetrag in Höhe von 11.470,11 EUR ordnete er der Klägerin ausgehend von dem in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 des Grundsteuergesetzes (GrStG) vorgegebenen Zerlegungsmaßstab nach dem Verhältnis der Flächen an der Gesamtgrundstückfläche einen Teilbetrag in Höhe von 3.967,51 EUR und der Beigeladenen zu 2) den verbleibenden Betrag in Höhe von 7.502,60 EUR zu.

Dem hiergegen gerichteten Einspruch der Klägerin half der Beklagte, ohne die Beigeladene zu 2) gem. § 360 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) hinzugezogen zu haben, zunächst mit Bescheid vom ... ab. Ausgehend von den Einwendungen der Klägerin, wonach die Zerlegung nach Flächen zu einem offenbar unbilligem Ergebnis führe, weil sich der überwiegende Teil der Bebauung auf ihrem Gemeindegebiet befände, änderte der Beklagte den Zerlegungsmaßstab. Den Grundsteuermessbetrag teilte er im Verhältnis der aus den Boden- und Gebäudewerten folgenden Anteile auf, sodass im Ergebnis auf die Klägerin 7.889,14 EUR (= 68,78 v. H.) und auf die Beigeladene zu 2) 3.580,97 EUR (= 31,22 v. H.) entfielen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung des Einspruchs sowie den Zerlegungsbescheid vom ... der Rechtsbehelfsakte Bezug genommen.

Den Zerlegungsbescheid vom 13.02.2006 hob der Beklagte wiederum auf den Einspruch der Beigeladenen zu 2) mit Bescheid vom 11.07.2006 auf. Zur Begründung führte er aus, die Voraussetzungen für die Aufteilung nach Wertanteilen gem. § 22 Abs. 1 Nr. 2 des Grundsteuergesetzes (GrStG) hätten mangels einer solchen Zerlegung bereits vor dem Jahr 1974 nicht vorgelegen. Im Übrigen sei keine Einigung zwischen den Gemeinden und dem Steuerpflichtigen über die vom Flächenanteil abweichende Zerlegung erfolgt.

Der gegen die Aufhebung des Zerlegungsbescheids gerichtete Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom 10.11.2006 hat die Klägerin am 08.12.2006 Klage erhoben. Mit Beschluss vom 15.05.2009 hat der Senat die BF sowie die Gemeinde W. dem Verfahren notwenig beigeladen.

Die Klägerin begehrt weiterhin die Zerlegung, wie sie der Beklagte im aufgehobenen Zerlegungsbescheid vorgenommen hatte. Der Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 04.12.1991 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1992, 339) sei im Fall der hier vorgenommenen sukzessiven Grundstückserweiterung nicht anwendbar. Teile man die Einheitswerte auf die Gemeinden auf, ergebe sich ein Missverhältnis in Bezug auf die Zerlegung des Grundsteuermessbetrages nach Flächen. In der Regierungsbegründung zum § 22 GrStG habe man daher in solchen Fällen eine Ausnahmeregelung von der Aufteilung nach Flächen geschaffen. Zumindest sei der Grundsteuermessbetrag im Verhältnis der Bodenrichtwerte zu zerlegen, da die im Gemeindegebiet der Klägerin liegenden Flächen nach den Bodenrichtwerten höher bewertet würden.

Die Klägerin beantragt,

den geänderten Zerlegungsbescheid vom 11.07.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.11.2006 aufzuheben.

hilfsweise beantragt sie,

den Zerlegungsbescheid vom 01.07.2005, geändert durch Bescheide vom 13.02.2006 und 11.07.2006, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.11.2006, unter Berücksichtigung gewichteter Bodenrichtwerte dahingehend zu ändern, dass der Grundsteuermessbetrag zwischen ihr und der Gemeinde Weisendorf im Verhältnis 59,23 v. H. zu 40,77 v. H. aufgeteilt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Vorverfahren.

Die Beigeladene zu 2) beantragt,

die Klage abzuweisen und die Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwenig zu erklären. Ferner regt sie im Fall des Unterliegens an, die Revision zulassen.

Sie hält § 22 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 GrStG entgegen der Annahme der Klägerin für keine generelle Öffnungsklausel zur Vermeidung unbilliger Zerlegungsergebnisse.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Der angegriffene Zerlegungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtordnung (FGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine von den Flächenverhältnissen abweichende Zerlegung des Grundsteuermessbescheids. Ein Anspruch auf Zerlegung nach Wertanteilen bzw. gewichteten Bodenrichtwerten kann insbesondere nicht aus der unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 GrStG hergeleitet werden.

Sofern sich der Steuergegenstand wie im Streitfall über mehrere Gemeinden erstreckt, ist der Steuermessbetrag grundsätzlich in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile zu zerlegen, § 22 Abs. 1 GrStG. Den Zerlegungsmaßstab für Grundstücke bestimmt § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 GrStG wie folgt: Der Grundsteuermessbetrag ist in dem Verhältnis zu zerlegen, in dem die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Flächengrößen zueinander stehen. Führt die Zerlegung nach Flächengrößen zu einem offenbar unbilligen Ergebnis, so hat das Finanzamt auf Antrag einer Gemeinde die Zerlegung nach dem Maßstab vorzunehmen, der nach bisherigem Recht zugrunde gelegt wurde. Dies gilt nur so lange, als keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eintritt; im Falle einer wesentlichen Änderung ist nach einem Maßstab zu zerlegen, der den tatsächlichen Verhältnissen besser Rechnung trägt. Einigen sich die Gemeinden mit dem Steuerschuldner über die Zerlegungsanteile, so sind diese maßgebend.

Der Senat hält den in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 1 GrStG angeordneten Zerlegungsmaßstab nach dem Verhältnis der auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Flächengrößen für zwingend. Insoweit räumt das Gesetz dem Finanzamt kein Ermessen ein, um im Einzelfall einen nicht von den Beteiligten vereinbarten, abweichenden Bewertungsmaßstab zur Anwendung bringen zu können; § 22 Abs. 1 Satz 3 GrStG. Der Gesetzgeber hat die Aufteilung nach Flächenverhältnissen in Kenntnis, dass diese im Einzelfall zu einem offensichtlich unbilligen Ergebnis führen kann, aus verwaltungsökonomischen Gründen zum grundsätzlich anwendbaren Zerlegungsmaßstab bestimmt (vgl. BT-Drucks. 7/485, S.8). Von diesem Maßstab sind nur zwei Ausnahmen vorgesehen: In dem hier nicht gegebenen Fall des § 22 Abs. 1 Satz 3 GrStG, bei dem sich die Beteiligten auf einen abweichenden Maßstab einigen können und in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 GrStG. Danach hat das Finanzamt die Zerlegung nach dem Maßstab vorzunehmen, der nach bisher geltendem Recht zugrunde gelegt wurde, wenn das Ergebnis der Zerlegung nach Flächenanteilen zu einem offenbar unbilligem Ergebnis führt.

Auf diese Ausnahme kann sich die Klägerin jedoch nicht berufen. Die Bestimmung hält der Senat bei Neuveranlagungen, wie sie im Streitfall für das Grundstück der AG erstmals 1997 durchgeführt wurde, für unanwendbar. Die Regelung des Satz 2 knüpft an den bis zum 31.12.1973 geltenden Rechtszustand an, der die Zerlegung nach Wertanteilen vorsah. Nach den Gesetzesmaterialien sollte damit der Übergang zu der Zerlegung nach Flächenanteilen in den Fällen abmildert werden, in denen die Anwendung des neuen, vereinfachten Zerlegungsmaßstabs gegenüber dem alten Recht zu unbilligen Ergebnissen führt (BT-Drucks. 7/485, S. 4 und 8). Nach dem Wortlaut sowie nach dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung ist eine abweichende Ermittlung der Verhältnisse aber nur dann zulässig, wenn zuvor der "bisherige Maßstab", das heißt, die Zerlegung nach Wertverhältnissen, zur Anwendung kam. Wie § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 3 GrStG i.V.m. Abschnitt 34 der Grundsteuerrichtlinien zeigt, sollte der alte Rechtszustand lediglich übergangsweise für bereits existente Zerlegungen auf Antrag der betroffenen Gemeinde bis zu einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse beibehalten werden können. Ausschließlich diese Fallgruppen können bei einer Fortschreibung zudem die Ausnahme in Anspruch nehmen, dass nach einem Maßstab zu zerlegen ist, der den tatsächlichen Verhältnissen besser Rechnung trägt. Ansonsten sind nach der Intention des Gesetzgebers bei fehlender Einigung der an der Zerlegung Beteiligten ausschließlich die Flächenverhältnisse für die Zerlegung maßgebend. Gegen die Auffassung der Klägerin spricht auch die Überlegung, dass ansonsten die im Gesetz vorgesehene Ausnahme zur Regel und damit die Absicht zu Vereinfachung der Veranlagung unterlaufen würde. Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch den Verzicht des Gesetzgebers auf eine mit § 33 des Gewerbesteuergesetz vergleichbare Zerlegung der Grundsteuer bei einem offensichtlich unbilligen Ergebnis (vgl. Troll, Grundsteuergesetz, Kommentar, 6.Aufl., § 22 Rd. 4).

Obgleich der Gesetzgeber bei der Reform des Grundsteuerrechts im Jahr 1973 ausschließlich an den damaligen Rechtszustand angeknüpft hat und die durch den Beitritt der neuen Bundesländer erforderlichen Neuveranlagungen nicht bedenken konnte, hält der Senat den in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 1 GrStG zum Ausdruck kommenden Vereinfachungsgedanken bei der Auslegung für bestimmend. Raum für eine entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 GrStG auf Zerlegungen im Beitrittsgebiet besteht nicht. Der Gesetzgeber hatte bereits bei Erlass des Gesetzes die Problematik eventueller unbilliger Zerlegungsergebnisse erkannt, diese aber im Hinblick auf beabsichtigte Verfahrensvereinfachung akzeptiert und nur für den in den Gesetzesmaterialien auch ausdrücklich so bezeichneten "Status Quo" und damit für Altfälle eine im Ergebnis befristete Übergangsregelung geschaffen. Zur Überzeugung des Senats besteht deshalb keine Regelungslücke, die durch eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 und 3 GrStG zu Gunsten der Klägerin geschlossen werden könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Klägerin waren gem. § 139 Abs. 4 FGO aus Gründen der Billigkeit die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) aufzuerlegen, sodass sich eine Entscheidung über ihren Antrag auf Zuziehung ihres Bevollmächtigten zum Vorverfahren gem. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO erübrigt. Die Beigeladene zu 2) hat das Verfahren aktiv gefördert und sich mit ihrem Antrag im Falle des Unterliegens dem Kostenrisiko ausgesetzt. Mit den gleichen Erwägungen war hinsichtlich der Beigeladenen zu 1), die sich am Verfahren weder aktiv beteiligt noch einen eigenen Antrag gestellt hat, von einer Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin abzusehen. Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 FGO zu zulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück