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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: 2 K 211/08
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4
EStG § 9 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 27. Mai 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Einkommensteuerbescheid 2006 vom 30.05.2007, geändert am 26.09.2007 und am 09.11.2007, in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 07.02.2008, wird dahingehend geändert, dass Kinderbetreuungskosten i. H. v. 660,00 EUR beim Kläger wie Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/3 und der Beklagte 2/3 zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten des Klägers vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob beim Kläger erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten berücksichtigt werden können.

Der Kläger erzielte im Streitjahr als Landschaftsgärtner Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Er wohnte mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind, geb. am 07.04.2004, in einem gemeinsamen Haushalt. Seine Lebensgefährtin erzielte ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Bruttoarbeitslohn des Klägers betrug knapp 26.000 EUR, der seiner Lebensgefährtin knapp 13.000 EUR. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag wirtschaften die Lebenspartner "aus einem Topf". Hierzu hat der Kläger im Laufe des Klageverfahrens Belege vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass die Lebenspartner sich die Miete für die gemeinsame Wohnung teilen, der Kläger beispielsweise die Kosten für Strom und Telefon zu 100 v.H. bezahlt und Kosten für den Pkw von der Lebenspartnerin genutzten Pkw von den Eltern des Klägers gezahlt wurden.

Für die Betreuung des gemeinsamen Kindes in einer Kindertagesstätte wurden vom Konto der Mutter im Streitjahr 990,00 EUR bezahlt. Mit seiner Einkommensteuererklärung für 2006 begehrte der Kläger ursprünglich, 2/3 der Aufwendungen (= 660,00 EUR) als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten im Rahmen seiner Veranlagung wie Werbungskosten gem. § 4 f EStG zu berücksichtigen.

Der Beklagte versagte den Abzug mit der Begründung, die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten seien nicht vom Kläger getragen worden, sondern von der Kindesmutter.

Hiergegen wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit seiner Klage. Der Kläger ist der Ansicht, er könne im Einvernehmen mit der Mutter die gesamten Aufwendungen beanspruchen. Die Kinderbetreuungskosten seien infolge der gemeinsamen Haushaltsführung, bei der aus einem Topf gewirtschaftet werde, von beiden Lebenspartnern gemeinschaftlich getragen worden. Folglich sei auch der Kläger durch die Zahlung der Kinderbetreuungskosten wirtschaftlich belastet.

Überdies hat der Kläger im Laufe des Klageverfahrens geltend gemacht, es seien die gesamten erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten i. H. v. 990,00 EUR anzuerkennen. Dieses Begehren hat der Kläger nicht mehr aufrechterhalten.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 30.05.2007, geändert am 26.09.2007 und am 09.11.2007, in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 07.02.2008 dahingehend zu ändern, dass die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten i. H. v. 660,00 EUR berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Einspruchsentscheidung fest und trägt ergänzend vor: Gegen eine Berücksichtigung der erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten beim Kläger spreche neben der Tatsache, dass der Betrag vom Konto der Mutter abgeflossen ist auch der Umstand, dass diese und nicht der Kläger den Betreuungsvertrag mit der Kindertagesstätte unterschrieben hat.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die Kinderbetreuungskosten sind beim Kläger gem. § 4 f i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG 2006 i. H. v. 2/3 der Aufwendungen (= 660 EUR) wie Werbungskosten zu berücksichtigen.

Voraussetzung für den Abzug der Aufwendungen i.S.d. § 4 f EStG 2006 ist - neben weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen - insbesondere, dass der Kläger die Aufwendungen zumindest teilweise getragen hat. Der Abzug gilt nicht nur für Alleinerziehende, sondern gleichermaßen, wenn - wie hier - beide Elternteile zusammenleben und beide erwerbstätig sind. Haben beide Elternteile, unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder nicht, Aufwendungen getragen, so ist der Betrag grundsätzlich bei den Eltern je zur Hälfte zu berücksichtigen. Die Eltern sind aber nach dem Willen des Gesetzgebers berechtigt, eine andere Aufteilung zu wählen (BT-Drs.16/643, S. 9; ebenso Loschelder, in Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 4 f, Rn. 21). Ein solches Wahlrecht sieht unter der erwähnten Voraussetzung, dass der Kläger Aufwendungen getragen hat, auch das BMF- Schreiben vom 19. Januar 2007 IV C 4 - S 2221 - 2/07, Tz. 34 (BStBl I 2007, 184 ff.) vor.

Die Streitfrage, ob der Kläger Aufwendungen zur Kinderbetreuung getragen hat, obwohl der Betrag vom Konto der Mutter abgeflossen ist, ist zu bejahen. Bei der Beantwortung der Frage, wer die Aufwendungen getragen hat, kann nicht isoliert auf den Abfluss vom Konto der Mutter abgestellt werden. Nach dem das gesamte Einkommensteuerrecht beherrschenden Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit sind die Aufwendungen demjenigen zuzurechnen, dessen Leistungsfähigkeit durch die Aufwendungen gemindert ist. Die Mittelherkunft ist für den Ausgabenabzug nicht bedeutsam. Dies hat der BFH für den Abzug von Werbungskosten ausdrücklich entschieden. Der Steuerpflichtige kann Aufwendungen selbst dann abziehen, wenn ein Dritter ihm den entsprechenden Geldbetrag zuvor geschenkt hat oder der Dritte - ohne ihm den Geldbetrag zuvor zuzuwenden - unmittelbar (auch) für ihn zahlt, sog. Abkürzung des Zahlungswegs (z.B. BFH Urteil vom 15. November 2005 IX R 25/03, BStBl II 2006, 623 f., Drenseck in Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 9 Rn. 70 f.). Nichts anderes kann infolge der umfassenden Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips für die sonstigen Bereiche der Aufwandszurechnung gelten (vgl. Heinicke in Schmidt, EStG, § 10, Rn. 23), insbesondere für den Abzug von erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten. Maßgeblich dafür, dass ein Steuerpflichtiger Aufwendungen getragen hat, ist demnach, dass seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die Aufwendungen gemindert ist.

Im Streitfall ist (auch) die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers durch Zahlung der Kinderbetreuungskosten gemindert worden. Wirtschaftlich belastet sind beide Elternteile, da sie in eheähnlicher Lebensgemeinschaft gemeinsam "aus einem Topf" gewirtschaftet und Ausgaben für das gemeinsame Kind getätigt haben, auch wenn der Betrag nicht jeweils zur Hälfte von den getrennten Konten bezahlt wurde, sondern im Ganzen vom Konto eines Elternteils.

Das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft hat der Kläger ausreichend belegt. Aus den vom Kläger vorgelegten Belegen geht hervor, dass größere Posten, die die gemeinsame Lebensführung betreffen, wie die Miete, jeweils zur Hälfte von dem Kläger und seiner Lebensgefährtin überwiesen werden. Demgegenüber wurden beispielsweise die gemeinsamen Kosten für Strom und Telefon allein vom Konto des Klägers bezahlt. Die gemeinschaftlichen Kosten wurden vom Kläger und seiner Lebenspartnerin wirtschaftlich gemeinsam getragen. Dies für die Kosten der Betreuung des gemeinsamen Kindes anders zu beurteilen, ist nicht gerechtfertigt.

An der vorstehenden Beurteilung ändert - entgegen der Ansicht des Beklagten - auch der Umstand nichts, dass nicht der Kläger, sondern seine Lebenspartnerin und Mutter des gemeinsamen Kindes den Betreuungsvertrag mit der Kindertagesstätte unterschrieben hat. Wer Partner des Betreuungsvertrags geworden ist, ist für die Abzugsberechtigung nach § 4 f i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG irrelevant. Das Gesetz gewährt die Abzugsmöglichkeit unabhängig vom Bestehen eines Betreuungsvertrages den Elternteilen, die die Aufwendungen getragen haben. Da das Bestehen eines solchen Vertrages nicht zu den Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Vorschriften gehört, ist es auch unerheblich, welcher Elternteil den Vertrag unterschrieben hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO). Ausschlaggebend für die verhältnismäßige Aufteilung der Kosten war, dass die Klage ursprünglich darauf gerichtet war, die gesamten Aufwendungen für die Kinderbetreuung i. H. v. 990,00 EUR wie Werbungskosten zu berücksichtigen. Im Umfang des fallen gelassenen Teils des Klagebegehrens trifft die Kostenlast den Kläger.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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