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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 23.07.2009
Aktenzeichen: 2 K 461/07
Rechtsgebiete: InvZulG 2010, AO


Vorschriften:

InvZulG 2010 § 2 Abs. 1
InvZulG 2010 § 2 Abs. 2
AO § 125
AO § 129
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts

in der Sitzung

am 23.07.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Investitionszulagebescheid vom 12.12.2005, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.04.2007, wird dahingehend geändert, dass für das Jahr 2004 eine Investitionszulage in Höhe von 34.750 EUR festgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist im Rahmen eines Anspruchs auf Investitionszulage, ob die Einordnung des Unternehmens in die Klassifikation der Wirtschaftszweige durch das Landesamt für Statistik für das Finanzamt bindend ist. Die Klägerin betreibt ihr Unternehmen in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft (KG). Im Jahr 2004 erwarb sie für ihren Betrieb einen Radlader Volvo 2 110 E zum Preis von 139.000 EUR, für den sie im Februar 2005 eine Investitionszulage nach § 2 des Investitionszulagegesetzes 1999 (InvZulG) beim Beklagten beantragte. In ihrem Antrag gab die Klägerin an, sie unterhalte einen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG mit dem Unternehmensgegenstand: "Bearbeiten und Aufbereiten von Mauerwerk, Beton, Stahlbeton, Natursteinen, Schlacken und analog Baurückständen, Abbruchmaterial und Stoffen zu Materialien verschiedener Körnungen unter Berücksichtigung der Normative zur Wiederverwertung. Der Handel und die Vermarktung der aufbereiteten Stoffe und entstehenden Produkte". Der wirtschaftliche Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin besteht tatsächlich in der mechanischen Bearbeitung von Betonbruch, Naturgestein und Ziegelbruch durch Brechen, Sieben und Konditionieren durch einen sogenannten Backenbrecher. Die Brecherarbeiten führt die Klägerin als Lohnunternehmerin auf den Baustellen ihrer Auftraggeber aus. Die Auftraggeber bestimmen die Korngröße des zu zerkleinernden Materials. In Abhängigkeit von der Körnung können die so entstandenen Kiese oder Sande u.a. als untere Tragschicht im Straßenbau oder als Zuschlagstoff für Betonfertigteile, Rohre, Kanalbauteile, Pflastersteine etc. Verwendung finden. Da die Klägerin kein Eigentum an den hergestellten Produkten erwirbt, kann sie nicht belegen, in welchem Umfang die Produkte tatsächlich z.B. als Ersatzschotter im Straßenbau oder als Zuschlagstoff bei der Herstellung von Betonfertigteilen eingesetzt werden. Fest steht lediglich, dass im Streitjahr 23,2 v.H. des Umsatzes der Klägerin auf Abbrucharbeiten sowie 76,8 v.H. auf Brecherleistungen entfielen, wobei darin das in geringen Mengen erforderliche Sortieren und Entsorgen des beim Abriss und Brechen anfallenden Papiers, Kunststoffs, Glas etc. enthalten ist.

Die Klägerin war in den Jahren zuvor, entsprechend der damals gültigen Systematik der Wirtschaftszweige 1993 (WZ 1993), vom Beklagten mit ihrem Betrieb als Ganzes in die Unterklasse 37.20.5 Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen und damit als ein nach dem Investitionszulagegesetz begünstigtes verarbeitendes Gewerbe eingestuft worden. In der für das Streitjahr anzuwenden Systematik der Wirtschaftszweige 2003 (WZ 2003) wurden Recyclingbetriebe erstmals als Mischbetriebe angesehen, die mehrere nach der Klassifikation unterschiedlich einzuordnende Tätigkeiten ausüben. Folge hiervon ist, dass die Zuordnung der Recyclingbetriebe zum verarbeitenden Gewerbe von dem Schwerpunkt der jeweiligen wirtschaftlichen Tätigkeiten abhängt. Dem folgte die Finanzverwaltung auch im Streitfall. Aufgrund der veränderten Verwaltungsauffassung forderte der Beklagte die Klägerin im Zuge der Antragsbearbeitung auf, den Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit mitzuteilen und die Wertschöpfungsquote zu ermitteln. Daraufhin bezifferte die Klägerin ihrem Nettoumsatz mit 415.855,17 EUR und den darin enthaltenen Umsatz aus dem Zerkleinern von nichtmetallischen Altmaterialien (z.B. Abbruchmaterial) mit 319.455,41 EUR (= 76,8 v.H.). Auf das Schreiben der Klägerin wird Bezug genommen. Weiter berief sich die Klägerin auf ein Schreiben des Thüringer Landesamtes für Statistik vom 11.04.2005, worin es die Klägerin aufgrund der von ihr gemachten Tätigkeitsbeschreibung:

"Bearbeiten (Brechen und Sieben) von Betonbruch, Mauerwerk, Naturgesteine, Asphalt mittels Brecher- und Siebanlagen zu Mineralgemischen verschiedenster Körnungen für die unterschiedlichsten Einsatzbereiche (Tiefbau, Straßenbau, Kanal- und Wasserbau etc.). Herstellen verschiedener Bodengemische und Substrate. Herstellung erfolgt teilweise mit Zertifikat durch Fremdüberwachung der Materialprüfanstalten"

der Unterklasse "37.20.5 Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen" und damit dem verarbeitenden Gewerbe zugeordnet hatte.

Mit Bescheid lehnte der Beklagte die Festsetzung der Investitionszulage trotz der vom Thüringer Landesamt für Statistik Zuordnung vorgenommen Zuordnung der Klägerin zum verarbeitenden Gewerbe ab.

Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Zur Begründung führte der Beklagte unter Hinweis das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25.01.2007 III R 69/06 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2007, 1187) sinngemäß aus: Die Tätigkeit der Klägerin sei nicht überwiegend dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen. Nach der maßgeblichen WZ 2003 unterhalte die Klägerin mit dem Recyceln von Bauschutt und Abbruchmaterial einen Mischbetrieb, der nicht mehr insgesamt den Recyclingbetrieben zugeordnet werden könne. Die Entscheidung des Thüringer Landesamtes für Statistik sei nicht maßgeblich. Eine Bindungswirkung beinhalte die Einordnung nur, wenn diese nicht offensichtlich falsch sei. Letzteres sei im Streitfall aus mehreren Gründen gegeben. Das Landesamt für Statistik habe den gesamten Betrieb und nicht nur Einzeltätigkeiten des Unternehmens der Klägerin für Zwecke der Investitionszulage in die Klassifikation der Wirtschaftzweige eingestuft. Ferner habe die Klägerin in ihrem Antrag gegenüber dem Thüringer Landesamt für Statistik nur den Tätigkeitsbereich Bauschuttrecycling und nicht die Abbrucharbeiten erwähnt. Folglich sei ihre die Sachverhaltsdarstellung unvollständig gewesen, sodass das Thüringer Landesamt für Statistik die Einordnung der Tätigkeiten der Klägerin nicht habe fehlerfrei vornehmen können. Überdies gehe das Thüringer Landesamt für Statistik nicht von der Definition des Recyclings aus, wie sie für die Unterklasse 37.20.5 der WZ 2003 gelte, da es nicht zwischen den verschiedenen Tätigkeiten eines Recyclingbetriebs differenziert habe. Übe ein Betrieb mehrere Tätigkeiten aus, müsse das Finanzamt, anhand einer vom Unternehmer vorzulegenden Berechnung der Wertschöpfungsanteile der einzelnen Tätigkeiten, ermitteln, wie das Unternehmen in die Klassifikation der Wirtschaftszweige einzuordnen sei (BMF - Schreiben vom 28.06.2001, IV A 5 - InvZ 1271 - 21/01, Bundessteuerblatt -BStBl- I, 2001, 379 Rz. 79 - 80). Dabei habe das Finanzamt das Recht, die vom Unternehmen vorgelegte Berechnung der Wertschöpfungsanteile auf Richtigkeit zu prüfen. Mit ihrer Haupttätigkeit sei das Unternehmen der Klägerin in die Wirtschaftklasse 14.1 der WZ 2003 (Gewinnung von Natursteinen) zuzuordnen. Die Zuordnung in die Wirtschaftklasse 14.1. WZ 2003 oder in die Wirtschaftsklasse 37.20.5 (Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen) richte sich nach der Weiterverwendung des Outputs. Würden die gebrochenen Materialien als Endprodukt eingesetzt, z.B. als Füllstoff für die Straßenbauindustrie, führe dies zur Einstufung in die erstere Fallgruppe. Die Einbringung des Outputs als Sekundärrohstoff in die direkte industrielle Weiterverarbeitung unterfalle demgegenüber der zweiten Fallgruppe. Infolgedessen sei die Eingruppierung in die Wirtschaftsklasse "Recycling" nur dann möglich, wenn zweifelsfrei feststehe, dass die Klägerin tatsächlich Sekundärrohstoffe und keine Endprodukte erzeuge. Die Folgen der Unerweislichkeit wirkten zu Lasten der Klägerin. Sie trage die objektive Beweislast für diejenigen Tatsachen, welche die Zugehörigkeit in einem begünstigten Wirtschaftzweig begründeten (BMF - Schreiben vom 28.06.2001, Rz. 39). Da weder eine der Tz. 80 des BMF - Schreibens vom 28.06.2001 entsprechende Ermittlung der Wertschöpfungsquote vorgelegt noch der Nachweis für den Einsatz der von der Klägerin erzeugten Produkte als Sekundärrohstoff erbracht worden sei, unterfalle das von der Klägerin vorgenommene Zerkleinern von nicht metallischem Abfallmaterial sowie die Weiterveräußerung der gewonnenen Rohstoffe dem Tätigkeitsbereich 14.1. der Klassifikation der Wirtschaftszweige und dort der Unterklasse 14.21.0 (Unterabschnitt CB, Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau, Gewinnung von Kies, Sand, Ton und Kaolin - Brechen und Mahlen von Kiesen und Sanden). Nach der Rechtsprechung des BFH sei das Brechen von Altasphalt und Altbeton mit dem Brechen von Kiesen und Steinen vergleichbar. Dabei sei es unerheblich, dass die Gruppe 14.1. nach der Bezeichnung in der WZ 2003 die Gewinnung von Naturstein kennzeichne. Der Abschnitt CB meine nicht ausschließlich eine im Zusammenhang mit Natursteinen ausgeübte Tätigkeit. Vielmehr falle unter die Abteilung 14 "Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau" auch allgemein das "Mahlen von Steinen". Die Gewinnung von Natursteinen sei in der Unterklasse 14.1., die auch das Brechen und Mahlen von Natursteinen aufführt (Unterklasse 14.11.2.), gesondert erfasst.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom 30.04.2007 hat die Klägerin am 04.06.2007 Klage erhoben. Ihren Anspruch auf die Investitionszulage begründet sie im Wesentlichen mit dem Argument, der Beklagte sei an die vom Thüringer Landesamt für Statistik vorgenommene Einordnung in Unterklasse 37.2.0 der WZ 2003 gebunden, da diese nicht offensichtlich falsch sei. Die tabellarische Aufgliederung des Gesamtumsatzes auf der Grundlage der abgerechneten Leistungen, der erteilten Aufträge sowie das Tätigkeitsfeld der Auftraggeber lasse erkennen, dass auf das Recycling im gewogenen Mittel ein Anteil am Gesamtumsatz in Höhe von 81,65 v.H. entfalle. Damit sei ihre Zugehörigkeit zum verarbeitenden Gewerbe zweifelsfrei. Die Entscheidung des Beklagten, das Unternehmen der Klägerin in die Unterklasse 14.2.1 der WZ 2003 einzuordnen, sei demgegenüber falsch. Es fehle an der Vergleichbarkeit der Tätigkeit des Zerkleinerns von Asphalt und Beton mit der Gewinnung von Kiesen und Sanden. Aber selbst wenn man der Auffassung des Beklagten folge und unterstelle, dass das von ihr hergestellte Material als Ersatzschotter im Straßenbau Verwendung finden könne, sei dieses Endprodukt nicht aus Sekundärrohstoff erstellt, sondern aus Abfall. Denn erst nach der Bearbeitung des Abfalls könnten die hergestellten Materialien wieder dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden. Entgegen der Annahme des Beklagten stelle sie keine neuen Endprodukte aus Sekundärrohstoffen her. Sie bearbeite Abbruchmaterialien und keine Sekundärrohstoffe. Letztere entstünden erst durch die Bearbeitung des Abbruchmaterials. Insoweit sei die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unzutreffend, wenn darin davon ausgegangen werde, dass das Zerkleinern von Asphalten und Altbeton nicht zur Herstellung von Sekundärrohstoffen, sondern von Endprodukten führe, wenn diese als Füllmaterial beim Straßenbau zum Einsatz kämen. Die Entscheidung berücksichtigte nicht die Bearbeitung von Bauschutt, bei dem durch das Brechen fertige Produkte, deren Nutzungsdauer abgelaufen sei, aufbereitet würden. Die von der Klägerin produzierten Granulate aus Straßenabfall stellten keine letzten Produktionsglieder in der Absatzkette dar. Sie seien vielmehr ein Zwischenerzeugnis. Sofern Endprodukte einem Menschen unmittelbar Dienste leisteten, werde von Endnutzung gesprochen. Endprodukte bzw. Enddienstleistungen seien Güter bzw. Dienstleistungen, die an den Endverbraucher gingen und zur endgültigen Nutzung verwendet würden. Der Begriff der Produktion in der Abteilung 37 umfasse das Ergebnis der Verarbeitung von Abfällen und Schrott sowie von gebrauchten oder nicht gebrauchten Erzeugnissen, sowie Sekundärrohstoffen. Kennzeichen hierfür sei, dass der Input aus sortierten oder unsortierten, metallischen oder nicht metallischen Altmaterial bei Reststoffen bestehe, der in der Regel ohne eine weitere Bearbeitung zur Verwendung in einem industriellen Verarbeitungsprozess ungeeignet sei. Unter Recycling seien in diesem Zusammenhang Transformationsprozesse zu verstehen, die anderweitig miteinander verbundene oder vermischte Stoffe, hier Betonerzeugnisse und nicht Kies, Sandstein und Erde, durch stoffspezifische Verfahren mechanisch mit einem wesentlichen Einsatz von Investitionsgütern so in ihrer Beschaffenheit veränderten, dass sie als Sekundärrohstoffe mittelbar in einem weiteren industriellen Verarbeitungsprozess eingesetzt werden könnten. Grundvoraussetzung für die Produktion von Sekundärrohstoffen sei, dass Abfall umgewandelt werde und somit seine ursprüngliche Eigenschaft verliere und in diesen Transformationsprozess zum Sekundärrohstoff werde, welcher den Primärrohstoff substituierend, eingesetzt werden könne. Hier spreche man nicht, wie bei dem in Abschnitt 14 der WZ 2003 verwendeten Begriff von "Gewinnung", sondern von "Rückgewinnung" (Sekundärrohstoff). Erst nach dem Bearbeitungsprozess durch die Klägerin im ausschließlichen Sinne des Wirtschaftszweiges 37 der WZ 2003 verliere der Betonabfall seine Abfalleigenschaft.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Investitionszulagebescheids für 2004, in Gestalt der Einspruchsentscheidung, ihr eine Investitionszulage in Höhe von 34.750 EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Vorverfahren.

In der vom Gericht beim Statistischen Bundesamt eingeholten Stellungnahme zur Frage der Einordnung der Tätigkeit der Klägerin hat das Statistische Bundesamt die Zuordnung zur Unterklasse 37.20.5 des Thüringer Landesamtes für Statistik in dem Umfang bestätigt, als durch das Brechen Sieben und Konditionieren Zuschlagstoffe für die Herstellung von Betonfertigteilen, Rohren, Kanalbauteilen, Pflastersteinen etc. erzeugt werden. Soweit Endprodukte hergestellt werden, die z.B. als Tragschicht im Straßenbau verwendet werden, hat es zunächst mitgeteilt, dass der Ausschluss der Zerkleinerung von Abbruchmaterial zu Ersatzschotter aus der Unterklasse 37.20.5 durch den Verweis auf die Abteilungen 14 bis 36 der Erläuterungen vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften in Abstimmung mit der Statistischen Abteilung der Vereinten Nationen auf einem Tippfehler beruhe. Richtig müsse sich der Verweis auf Abteilung 15 bis 36 beziehen, sodass, vorbehaltlich einer weiteren Klärung, auch die Bearbeitung zu Endprodukten möglicherweise der Unterklasse 37.20.5 zugeordnet werden könne. Da sich keine alternative schlüssige Zuordnung auf europäischer Ebene habe erreichen lassen, hat das Statistische Bundesamt im Nachgang unter Hinweis auf die bisherige Zuordnungspraxis und deren klassifikatorischen Zusammenhänge mitgeteilt, dass der möglicherweise auf einem Tippfehler beruhende Verweis auf die Abteilung 14 innerhalb der Erläuterungen der Abteilung 37 der WZ 2003 keinen ausreichenden Grund darstelle, die Abteilung 14 für die Zuordnung der Erzeugung von Ersatzschotter aus Abbruchmaterial auszuschließen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 01.07.2008 sowie die Antwortschreiben des Statistischen Bundesamtes vom 07.07.2008 und 04.08.2008 (Blatt 59, 60f. und 68 der Gerichtsakte) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Investitionszulagebescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Klägerin hat wegen der vom Thüringer Landesamt für Statistik vorgenommenen Einordnung zum verarbeitenden Gewerbe i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG einen Anspruch auf beantragte Investitionszulage. Die vom Beklagten für die Ermittlung der Wertschöpfungsquote für notwendig erachtete Aufteilung der Tätigkeiten bzw. die nicht akzeptierte Wertschöpfungsberechnung ist im konkreten Streitfall unbeachtlich, weil der Anteil der Abrissarbeiten an der Wertschöpfungsquote die Zugehörigkeit der Resttätigkeit zum verarbeitenden Gewerbe nicht in Frage stellt. Ebenso wenig steht dem Anspruch der von der Klägerin aufgrund der Lohnbearbeitung nicht zu führende Nachweis entgegen, ob das gebrochene Material als Sekundärrohstoff in die direkte industrielle Weiterverarbeitung einging oder als Endprodukt, z.B. als Ersatzschotter im Straßenbau genutzt wurde. Maßgeblich ist allein, dass die Einordnung der Klägerin unter Rückgriff auf die WZ 2003 zum verarbeitenden Gewerbe nicht offensichtlich falsch ist. Auch die Frage, ob entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 25.01.2007 III R 69/06, BFH/NV 2007, 1187) das Herstellen von Baustoffen aus Altmaterial unter den Begriff des Recyclings fällt und damit die Tätigkeit dem verarbeitenden Gewerbe zugeordnet werden kann, kann deshalb dahinstehen.

Nach § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG besteht ein Anspruch auf Investitionszulage, wenn - neben anderen hier nicht streitigen Voraussetzungen - die Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen eines Betriebs des verarbeitenden Gewerbes gehören.

Begrifflich beinhaltet das verarbeitende Gewerbe im Wesentlichen die Herstellung eines anderen Produkts im Sinne einer substanziellen Veränderung von Materien oder durch die Veredelung von Erzeugnissen (BFH-Urteil vom 23.03.2005 III R 20/00, BStBl II 2005, 497). Ebenso wie in den dem Investitionszulagengesetz 1999 vorhergehenden Gesetzen hat der Gesetzgeber auf die Definition des Begriffs verzichtet. In ständiger Rechtsprechung nimmt der BFH deshalb die Zuordnung zum verarbeitenden Gewerbe im Interesse der Rechtssicherheit unter engster Anlehnung an die jeweiligen von dem Statistischen Bundesamt herausgegebenen Verzeichnisse der Wirtschaftszweige vor. Obgleich die Verzeichnisse überwiegend statistischen Zwecken dienen, beinhalten sie nach Auffassung des BFH eine Grundsystematik aller Wirtschaftszweige, bei der die Erkenntnisse fachlich kompetenter Gremien über die Gruppierungen wirtschaftlicher Institutionen verwertet worden seien. Der BFH misst der Entscheidung über die Einordnung zwar nicht die Qualität eines Grundlagenbescheids im Sinne des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (AO) bei. Dennoch leitet er aber aus der Einordnung eines Betriebs in einem bestimmten Wirtschaftszweig auf der Grundlage des jeweils gültigen Verzeichnisses der Wirtschaftszweige durch das Statistische Landes- oder Bundesamt eine Bindungswirkung für die Finanzämter her. Diese haben die Zuordnung, soweit sie nicht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt, bei der Entscheidung über die Gewährung der Investitionszulage zu übernehmen. Entsprechendes gilt, wenn das Statistische Landes- oder Bundesamt bestätigt, dass der Betrieb des Investors nicht dem verarbeitenden Gewerbe im Sinne des für den Investitionszeitraum geltenden Verzeichnisses der Wirtschaftszweige zuzuordnen ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 10.05.2007 III R 54/04, BFH/NV 2007, 2146, m.w.H auf die Rspr.).

Der Senat versteht dabei die in der Rechtsprechung des BFH formulierte Ausnahme von der Verpflichtung zur Übernahme, wenn diese zu einem "offensichtlich falschen" Ergebnis führt, entsprechend der Systematik der Abgabenordnung, sodass nur offenbare Unrichtigkeiten im Sinne von § 129 AO und schwere, offenkundige Fehler im Sinne des § 125 AO zur Abweichung berechtigen. Nach diesem Verständnis ist dem Finanzamt eine generelle Überprüfung der mit der Einordnung verbundenen Sachund Rechtsfragen verwehrt. Denn ansonsten wäre die Überprüfung der Einordnung durch die Finanzämter und Finanzgerichte immer eine Vollprüfung, was mit der Einschränkung der Prüfungskompetenz auf "offensichtlich falsche Ergebnisse" unvereinbar wäre (vgl. hierzu Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 22.01.2009 1 K 1137/07, Sammlung der Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2009, 871; Revision eingelegt: BFH III R 14/09). "Offenbar" ist eine Unrichtigkeit im Rahmen des § 129 AO nach allgemeiner Auffassung, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als Unrichtigkeit erkennbar ist, der Fehler auf bloße mechanische Versehen zurückzuführen und die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 17. Juni 2004 IV R 9/02, BFH/NV 2004, 1505, m.w.N.). Zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts i.S. von § 125 Abs. 1 AO führen nach ständiger Rechtsprechung nur besonders schwerwiegende Fehler, die zudem bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sein müssen. Ein Verwaltungsakt ist deshalb nicht schon allein nichtig, weil ihm die gesetzliche Grundlage fehlt oder weil die in Frage kommenden Rechtsvorschriften unrichtig angewendet worden sind. Ein Verwaltungsakt verdient nur dann keine Beachtung, wenn er die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so erheblichen Maß verletzt, dass von niemand erwartet werden kann, ihn als verbindlich anzuerkennen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, muss anhand der jeweiligen für das Verhalten der Behörde maßgebenden Rechtsvorschrift beurteilt werden (BFH-Beschluss vom 01.10.1981 IV B 13/81, BStBl II 1982, 133; Urteile vom 11.07.1986 VI R 105/83, BStBl II 1986, 775; vom 22.11.1988 VII R 173/85, BStBl II 1989, 220).

Dabei braucht der Senat im Hinblick auf die vom BFH der Einordnung beigemessenen Bindungswirkung nicht entscheiden, ob die Einordnung durch das Thüringer Landesamt für Statistik einen Verwaltungsakt und damit einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO darstellt, sodass die §§ 125, 129 AO unmittelbar anwendbar wären. Ungeachtet dieser Frage ist zumindest der in §§ 125, 129 AO enthaltene Grundgedanke aus rechtssystematischen Erwägungen bei der Auslegung, ob die vom Thüringer Landesamt für Statistik vorgenommene Einordnung offensichtlich falsch ist, entsprechend heranzuziehen, zumal auch der Begriff des verarbeitenden Gewerbes lediglich unter Rückgriff auf die nicht normierte Systematik der Wirtschaftszweige bestimmt wird.

Unstreitig ist die Einordnung der Tätigkeit der Klägerin zur Unterklasse 37.20.5 berechtigt, als sie durch das Brechen Sieben und Konditionieren Zuschlagstoffe für die Herstellung von Betonfertigteilen, Rohren, Kanalbauteilen, Pflastersteinen etc. erzeugt. Jedoch kann die Klägerin den hierauf entfallenden Anteil an ihrem Umsatz und damit den Schwerpunkt ihrer Wertschöpfung nicht belegen, was für die Einordnung des Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe unabdingbar wäre. Insoweit führt die Unterlassung der an und für sich gebotenen Differenzierung zwischen der Herstellung von Sekundärrohstoffen und der als Endprodukte genutzten Erzeugnisse unstreitig zu einer falschen statistischen Einordnung durch das Statistische Landesamt. Gleichwohl ist der Klägerin der Anspruch auf Investitionszulage nicht zu versagen. Denn der Fehler bei der Einordnung ist gemessen an den zuvor dargelegten Voraussetzungen für seine Erkennbarkeit nicht offenbar. Wie die Stellungnahme des Statistischen Bundesamtes zeigt, ist die Zuordnung von Erzeugnissen, die als Endprodukt verwendet werden, in der WZ 2003 nicht zweifelsfrei. Von einer Umklassifizierung unter Geltung der WZ 2003 hat man nach der Stellungnahme trotz des offenkundigen Übersetzungsfehlers lediglich wegen der bisherigen Zuordnungspraxis und deren klassifikatorischen Zusammenhänge abgesehen. Aber selbst wenn man für die Beurteilung der Offensichtlichkeit des Fehlers die bisherige Zuordnung der Herstellung von Endprodukten beim Recycling in die Klasse 14.21 der WZ 2003 zum Ausgangspunkt macht, kann man vor dem Hintergrund, dass die Einordnung auch in Fachkreisen nicht zweifelsfrei ist, von keinem für jeden auf der Hand liegenden Fehler ausgehen. Anhaltspunkte für eine willkürliche und von daher unbeachtliche Einordnung hat der Senat nach Lage der Akten nicht erkennen können. Fehlt es an der Offensichtlichkeit des Fehlers, besteht keine Prüfungskompetenz des Finanzamtes, sodass dieses die Einordnung durch die Statistikbehörden im Hinblick auf deren Bindungswirkung zu akzeptieren hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision war im Hinblick auf die beim Bundesfinanzhof anhängige Revision III 14/09, die eine vergleichbare Rechtsfrage zum Gegenstand hat, zuzulassen, § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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