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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 30.08.1995
Aktenzeichen: I 259/94
Rechtsgebiete: StBerG


Vorschriften:

StBerG § 36 Abs. 1 Nr. 1
StBerG § 36 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Thüringen

I 259/94

Erteilung einer verbindlichen Auskunft über die Zulassung zur Steuerberaterprüfung

In dem Rechtsstreit

...

hat der I. Senat des Thüringer Finanzgerichts

unter Mitwirkung

des Vizepräsidenten des Finanzgerichts ... als Vorsitzender,

der Richter am Finanzgericht ... und ... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 30.08.1995

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine verbindliche Auskunft über die Zulassung zur Steuerberaterprüfung.

Der Beklagte hat nach der Beratung des Zulassungsausschusses über den Antrag der Klägerin negativ entschieden. Die Ablehnung ist damit begründet, daß ihr Studium weder ein wirtschaftswissenschaftliches noch ein anderes Universitätsstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung gewesen sei.

Die Klägerin hat ... ein Studium an der Universität in Jena als Diplomlehrerin für Mathematik und Physik abgeschlossen. ... hat sie die Abschlußprüfung als Fachgehilfin in Steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen bestanden. Das Hochschulstudium umfaßte 3.200 Stunden, davon 1.065 Stunden Mathematik.

Nach dem Zeugnis hat die Klägerin ihren Hochschulabschluß in der Fächerkombination Mathematik/Physik und damit die Lehrbefähigung zur Erteilung des Fachunterrichts in Mathematik und Physik an den allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschulen der DDR erworben. Sie ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Diplomlehrer für Mathematik/Physik" zu führen. Das Thema ihrer Diplomarbeit war "Behandlung von Aufgaben der sphärischen Geometrie mit Methoden der darstellenden Geometrie". Die Hauptprüfung wurde abgelegt in den Fächern

Marxismus-Leninimus

Hauptfach Mathematik

Nebenfach Physik

Pädagogik

Psychologie

Methodik des Hauptfaches

Methodik des Nebenfaches.

Die Abschlußprüfungen wurden abgelegt in den Fächern

Russisch

Grundkurs Physik

Grundkurs Mathematik

Numerische Mathematik und Rechentechnik

Wahrscheinlichkeitstheorie und Mathematische Statistik

Darstellende Geometrie

Ausgewählte Kapitel der Mathematik

Grundlagen der Mathematik

Theoretische Physik.

Mit der Klage bringt die Klägerin im wesentlichen vor:

Ihr Hochschulstudium sei zumindestens ein vergleichbares Studium i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 2 Steuerberatungsgesetz - StBerG -. Das Bundesministerium der Finanzen habe empfohlen, u.a. die Studienabschlüsse mit den Fachrichtungen Diplom-Ökonom, Diplom-Finanz-Ökonom, Diplom-Ingenieur-Ökonom, Diplom-Agrar-Ökonom und Diplom-Ökonompädagoge anzuerkennen (Peter/Charlier, Komm, zum StBerG, § 36 Rz. 88). Vergleiche man die Studieninhalte dieser Fachrichtungen mit dem Studienplan ihres Studiums, so seien zahlreiche Parallelen erkennbar.

Der vom Minister der DDR herausgegebene Studienplan für die Ausbildung von Diplomlehrern der allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschulen in der Fächerkombination Mathematik/Physik vom 01.09.1982 stelle u.a. klar, daß diese Ausbildung eine besondere Bedeutung für die bewußte Darstellung der Rolle von Wissenschaft und Technik als Produktivkraft und als Wachstumsfaktor der sozialistischen Volkswirtschaft besitze. Desweiteren werde hervorgehoben, daß sich aus der Mathematik und Physik vielfältige Möglichkeiten u.a. zur politisch-ökonomischen Bildung und Erziehung der Studenten ergäben.

Im Rahmen des marxistisch-leninistischen Grundlagenstudiums sei der Schwerpunkt insbesondere auf die Politische Ökonomie des Kapitalismus und Sozialismus gelegt worden. Auch in den fachspezifischen Bereichen sei der wirtschaftswissenschaftliche Bezug deutlich ausgeprägt gewesen. Unter Nr. 1. 2. 2 des Studienplans sei der interdisziplinäre Charakter dieses Studienganges hervorgehoben worden. Unter Nr. 1.2.3 sei dort wesentlicher Wert auf die Darlegung der Rolle der Physik und Technik bei der volkswirtschaftlichen Leistungssteigerung in der DDR gelegt worden.

a) Die aus dem Studienplan zu entnehmende Struktur und der Inhalt des Studiums dokumentierten einen ausgeprägten betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Bezug. Unerheblich sei, daß dieser am Wirtschaftssystem der DDR ausgerichtet gewesen sei (Verwaltungsgerichtshof Mannheim, NJW 1991 S. 3109).

b) Die Zielsetzungen hätten sich in den jeweiligen Stundentafeln niedergeschlagen. Zwar seien für die Politische Ökonomie des Kapitalismus und des Sozialismus lediglich 90 Stunden vorgesehen. Es seien hierzu jedoch auch die Mathematik und Physik als Studieninhalt und die Fremdsprache (Russisch) zu berücksichtigen. Dies bestätige das beigefügte Gutachten des Berliner Instituts für Lehrerfort- und Weiterbildung und Schulentwicklung vom 14.11.1994. Auch der Bundesfinanzhof habeim Urteil vom 28.08.1990, VII R 25/89 (BStBl 1991 II S. 154) klargestellt, daß das Hauptfach Mathematik in einem inneren Bezug zu den Wirtschaftswissenschaften stehe, weil das Studium der Betriebswirtschaftslehre hochgradig mathematisiert sei. Dementsprechend sei auch in den Wirtschaftswissenschaften der Bereich Mathematik gelehrt worden.

c) § 36 Abs. 1 StBerG sei weit auszulegen (BFH-Urteil VII R 25/89 a.a.O.). Entscheidend sei, daß das Studium den Bewerber zu systematischer, wissenschaftlicher Beschäftigung befähige. Das sei bei ihr zweifellos der Fall. Ohnehin werde weder durch ein rechtswissenschaftliches noch durch ein wirtschaftswissenschaftliches Studium das Fachwissen eines Steuerberaters vermittelt. Darauf komme es auch nicht an, denn die Kenntnisse für die Steuerberatung müsse sich der Bewerber durch Fortbildung aneignen (Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.1992, 13 K 202/91, EFG 1993 S. 180). Diese Fachkenntnisse habe sie durch ihre Prüfung zur Fachgehilfin mit der Note "sehr gut" nachgewiesen.

d) Sollte das erwähnte Gutachten vom 14.11.1994 nicht für ausreichend erachtet werden, werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis darüber beantragt, daß ihr Studium ein vergleichbares anderes Studium sei. Gegebenenfalls könne der Sachverständige Herr Lockemann zur Erläuterung seines Gutachtens geladen werden.

e) Der Gesetzgeber habe den Absolventen der landwirtschaftlichen Studiengänge den Zugang zur Steuerberatertätigkeit eröffnen wollen Deshalb verbiete sich auch für Bewerber aus anderen Studiengängen eine enge Auslegung des Gesetzes.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 01.12.1994 (S 0850 B He 201.2) den Beklagten zu verpflichten, eine verbindliche Auskunft dahingehend zu erteilen, daß ihr Hochschulstudium die Voraussetzung des § 36 Abs. 1 StBerG erfülle,

hilfsweise,

die beklagte Behörde zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bringt im wesentlichen vor:

Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 StBerG.

Das erwähnte Gutachten habe dem Zulassungsausschuß vorgelegen. In diesem sei das mit 1065 Stunden angegebene Fach Mathematik dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich zugeordnet und deshalb ein wirtschaftswissenschaftlicher Anteil des Studiums von 36% angegeben. Es sei aber bereits aus dem Zeugnis über den Hochschulabschluß erkennbar, daß es sich nicht um ein Studium mit wirtschaftswissenschaftlicher Ausrichtung handele. Alle auf Seite 2 des Zeugnisses aufgeführten 16 Fächer sowie das Thema der Diplomarbeit stammten nicht aus dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften, sondern wiesen auf ein rein mathematisch/physikalisch/pädagogisches Studium hin.

Die von der Klägerin nunmehr vorgelegten zwei Studienpläne änderten daran nichts. Sei seien bezeichnet als

(1) für die Ausbildung von Diplomlehrern der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen in der Fachkombination Mathematik/Physik an Universitäten und Hochschulen der DDR und

(2) für die Grundstudienrichtung Wirtschaftswissenschaften zur Ausbildung an Universitäten, Ökonomischen und Technischen Hochschulen und Ingenieur-Hochschulen der DDR.

Die Klägerin habe im Fach Marxismus-/Leninismus eine Hauptprüfung abgelegt, wonach in den drei Bestandteilen

Dialektischer und Historischer Materialismus

Politische Ökonomie des Kapitalismus und Sozialismus (90 Stunden)

Wissenschaftlicher Kommunismus (Grundlehren der Geschichte der Arbeiterbewegung)

ein breites Wissen in marxistischer-leninistischer Theorie vermittelt worden sei. Dies seien jedoch keine wirtschaftswissenschaftlichen Inhalte.

Zwar hätten wirtschaftswissenschaftliche Studienabschlüsse die gleiche Kombination des Faches Marxismus-Leninismus enthalten. Jedoch seien dort daneben eine Vielzahl ökonomischer Fächer gelehrt worden, so auch Mathematik für Ökonomen.

Ein interdisziplinärer Charakter des Lehrgebiets Mathematik sei nicht zu erkennen. Jedenfalls sei dieses Fachgebiet nicht auf die Vermittlung von Grundlagenwissen für die spätere Tätigkeit als Steuerberater ausgerichtet gewesen (BFH-Urteil VII R 25/89, a.a.O.).

Der im Zeugnis ausgewiesene Lehrstoff spiegele statt dessen genau das berufliche Aufgabengebiet des Lehrers für Mathematik und Physik wider.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Nach § 7 der Verordnung zur Durchführung der Vorschrift über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) vom 12.11.1979, zuletzt geändert am 27.04.1993 (BGBl. I S. 512) erteilt der Zulassungsausschuß auf Antrag eine verbindliche, schriftliche Auskunft über die Erfüllung einzelner Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung.

Nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG ist u.a. eine Voraussetzung für die Steuerberaterprüfung, daß der Bewerber ein wirtschaftswissenschaftliches oder ein anderes Universitätsstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung mit einer Regelstudienzeit von jeweils mindestens 8 Semestern oder ein rechtswissenschaftliches Studium abgeschlossen und danach hauptberuflich 3 Jahre auf dem Gebiet der von der Bundes- oder Landesfinanzbehörde verwalteten Steuern tätig gewesen ist. Im Streitfall ist nur die Voraussetzung umstritten, ob die Klägerin ein anderes Universitätsstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung mit einer Regelstudienzeit von mindestens 8 Semestern abgeschlossen hat.

Ein Universitätsstudium mit einer Regelstudienzeit von mindestens 8 Semestern hat die Klägerin absolviert. Es handelt sich hierbei aber nicht um ein Studium "mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung".

Nach dem von der Klägerin vorgelegten Zeugnis behandelt das Studium die Fachrichtung Mathematik und Physik mit der Berufbezeichnung "Diplomlehrer für Mathematik und Physik". Ein ausgesprochenes wirtschaftswissenschaftliches Studium liegt also nach dem Wortlaut des Zeugnisses nicht vor.

Die Rechtsprechung legt die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG i.d.S. aus, daß von einem "anderen Studium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung" als theoretische Grundlage für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung noch gesprochen werden kann, wenn dieses andere Studium auf die Vermittlung von Grundlagenwissen für die spätere Tätigkeit als Steuerberater ausgerichtet ist (BFH-Urteil VII R 25/89, a.a.O.).

Das Studium der Klägerin kann jedoch auch nicht in diesem Sinne als ein anderes Studium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung angesehen werden.

Der erkennende Senat richtet sich in der Beurteilung des Studiums der Klägerin u.a. nach dem Beschluß der Kultusministerkonferenz zur Feststellung der Gleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen i.S. des Art. 37 Abs. 1 des Einigungsvertrags vom 11.10.1991. Danach sind der Fachrichtung "Wirtschaftswissenschaften" zahlreiche Studiengänge zugeordnet, z.B. auch "Finanzwirtschaft-Diplomökonom" der Humboldtuniversität zu Berlin, oder "Arbeitsökonom-Diplomökonom" der Karl-Marx-Universität Leipzig, der Technischen Universität Dresden und der Hochschule für Ökonomie "Bruno Leuschner" in Berlin. Dagegen ist das Studium der Klägerin "Mathematik und Physik" nicht der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften zugeordnet.

Es kann für das "andere Studium" mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung nicht ausreichen, wenn der Bewerber nur gelegentlich an wirtschaftswissenschaftlichen Unterrichtsveranstaltungen teilgenommen hat. Denn aus dem Merkmal "Fachrichtung" ergibt sich, daß die wirtschaftswissenschaftliche Ausrichtung des Studiums auf der Grundlage einer festumrissenen Studienordnung mit schriftlicher oder mündlicher Abschlußprüfung erfolgen muß, in der die wirtschaftswissenschaftliche Ausrichtung des gesamten Studienganges zum Ausdruck kommt. Darüberhinaus muß berücksichtigt werden, daß nicht schon jede beliebige Kombination des Hauptstudiums mit vielleicht einem wirtschaftswissenschaftlichen Nebenfach ausreichen kann, denn der Gesetzgeber wollte den Zugang zum Steuerberaterberuf nur für Absolventen solcher Studiengänge eröffnen, deren Studiengang von vornherein auf eine spätere Tätigkeit in der Wirtschaft ausgerichtet ist, wie es z.B. bei den Absolventen der landwirtschaftlichen Hochschulen der Fall war, und deren Hauptstudium von vornherein in einem inneren Zusammenhang mit wirtschaftswissenschaftlichen Studieninhalten steht. Hieran fehlt es z.B., wenn das wirtschaftswissenschaftliche Nebenfach lediglich der Abrundung von Kenntnissen im Hauptfach dient, eine spätere berufliche Tätigkeit in der Wirtschaft aber hierdurch nicht angelegt ist oder nur ausnahmsweise erfolgt (vgl. BFH, Urteil VII R 25/89, a.a.O.).

Danach hat die Klägerin einen Studiengang absolviert, der nicht vornherein auf eine Tätigkeit in der Wirtschaft ausgerichtet war. Jedenfalls ist dies aus den Zeugnissen und dem Studiengang nicht erkennbar. Ihr Studiengang hat überhaupt kein wirtschaftswissenschaftliches Nebenfach ausgewiesen.

Eines Sachverständigengutachtens bedarf der Senat insoweit nicht, weil es hier um Beurteilungen geht, zu denen er selbst fähig ist. Soweit der Sachverständige dartun soll, daß in den mathematischen Fächern ein wirtschaftswissenschaftlicher Bezug des Studiums der Klägerin vorliegt, hat dies in diesem Prüfungszeugnis und in den sonstigen Unterlagen keinen Ausdruck gefunden. Das aber ist erforderlich.

Die nach dem Studium vorgenommene Weiterbildung der Kägerin kann zu keiner anderen Entscheidung führen, da es auf die Voraussetzungen ankommt, die das Gesetz aufgestellt hat.

Art. 12 des Grundgesetzes (Grundrecht der Berufsfreiheit) ist durch diese Entscheidung nicht verletzt. Wie in allen anderen Berufen kann auch hier der Gesetzgeber die Voraussetzungen zur Zulassung zu einer Prüfung im einzelnen festlegen.

Soweit für ein Studium der Landwirtschaft ein Bezug auf die künftige Tätigkeit als Steuerberater bejaht wird, läßt sich ein solcher Bezug bei dem Studium zum Diplomlehrer für Mathematik und Physik nicht feststellen.

Aus den oben dargelegten Gründen ist auch der Hilfsantrag unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Für die Zulassung der Revision sieht der Senat keinen Anlaß.

Ende der Entscheidung

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