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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 17.11.2005
Aktenzeichen: II 1177/03
Rechtsgebiete: TVG, GG, EStG 1997


Vorschriften:

EStG 1997 § 3 Nr. 62 S. 1
EStG 1997 § 40b Abs. 1
EStG 1997 § 40b Abs. 2
TVG § 5
GG Art. 9 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 17. November 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer 1998 bis 2001 vom 17. April 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. Oktober 2003 wird insoweit aufgehoben, als darin die Beiträge zum Zusatzversorgungswerk für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft e.V. zur Steuer herangezogen werden.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die steuerliche Behandlung von Leistungen der Klägerin an die Zusatzversorgungskasse der Landwirte zur Zukunftssicherung ihrer Arbeitnehmer.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) einen landwirtschaftlichen Produktions- und Handelsbetrieb. In den Streitjahren 1998 bis 2001 führte sie für jeden ihrer Arbeitnehmer 10,00 DM pro Monat an die Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (ZLA) - Anstalt des öffentlichen Rechts - im Auftrag des Zusatzversorgungswerkes für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (ZLF) e.V. ab. Die Klägerin war hierzu nach § 2 Abs. 3 i. V. m. § 3 Abs. 1 des Tarifvertrages (TV) zwischen der damaligen Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft (später IG Bauen, Agrar, Umwelt) und den land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbänden verpflichtet. Die Tarifparteien hatten mit Wirkung vom 1. Januar 1995 einen Tarifvertrag ausgehandelt, in dem die Errichtung eines Zusatzversorgungswerkes für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft vereinbart wurde. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat dann gem. § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) die Bestimmungen über dieses Zusatzversorgungswerk für allgemein gültig erklärt. Die Klägerin selbst ist nicht tarifgebunden, d.h. sie ist nicht Mitglied eines als Tarifpartei auftretenden Arbeitgeberverbandes. Die jährlich zu zahlenden Beiträge wurden von der Klägerin nicht versteuert.

Eine im Jahr 2002 durchgeführte Lohnsteuerprüfung behandelte die Leistungen der Klägerin als Beiträge des Arbeitgebers zur Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Nr. 3 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV), die nicht nach § 3 Nr. 62 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbefreit seien. Mit Nachforderungsbescheid vom 17.04.2002 unterwarf der Beklagte die Beiträge der pauschalen Lohnsteuer nach § 40b Abs. 1 und 2 EStG in Verbindung mit § 40 Abs. 3 EStG. Es ergab sich folgende pauschale Steuerschuld (in DM):

 LohnsteuerSolidaritätszuschlagKirchensteuer
199833618,489,98
199929716,338,82
200030016,508,91
20011669,134,93

Mit Schreiben vom 19.04.2002 legte die Klägerin gegen den Nachforderungsbescheid Einspruch ein.

Dieser wurde damit begründet, dass die Zukunftssicherungsleistungen gem. § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei seien. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung habe die tarifvertragliche Verpflichtung für allgemeinverbindlich erklärt. Allein aufgrund der Allgemeingültigkeitserklärung sei die Zahlungspflicht des Arbeitgebers gegeben. Diese Allgemeingültigkeitserklärung sei eine auf gesetzlicher Ermächtigung beruhende Bestimmung i. S. d. § 3 Nr. 62 EStG.

Hilfsweise wurde beantragt - unter Hinweis auf das Urteil des FG Brandenburg v. 25.05.2000, Az. IV K 1682/99 L - die Beiträge nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG steuerfrei zu belassen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 06.10.2003 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass die Beiträge nicht aufgrund gesetzlicher Bestimmung gezahlt würden. Durch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Bundesministers sei lediglich der Tarifvertrag auf bisher nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgedehnt worden. Die Leistungen seien auch nicht nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG außer Ansatz zu lassen, weil von gezahltem Barlohn und nicht von geldwertem Vorteil auszugehen sei.

Mit ihrer am 06.11.2003 erhobenen Klage trägt die Klägerin über ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren hinaus vor, dass der Beklagte die durch das Steueränderungsgesetz 1992 erfolgte Änderung des § 3 Nr. 62 EStG nicht beachte. Bis zu dieser Änderung habe das Gesetz vorgesehen, dass Zukunftssicherungsleistungen nur dann durch den Arbeitgeber steuerfrei gezahlt werden könnten, wenn diese aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geleistet würden. Diese Bestimmung sei ersetzt worden durch die Regelung "soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist". Durch diese Änderung sei die mögliche Steuerfreistellung von Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers erheblich erweitert worden. Zwar sei die Zusatzversorgungskasse aufgrund eines Tarifvertrages errichtet worden. Durch die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung sei die Klägerin gem. § 5 Abs. 4 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) von den Rechtsnormen des Tarifvertrages erfasst worden. Diese AVE sei demnach eine auf gesetzlicher Ermächtigung beruhende Bestimmung, wie sie in § 3 Nr. 62 EStG gefordert werde. Erst hierdurch würde die Beitragspflicht der Klägerin zum Zusatzversorgungswerk begründet. Die Bestimmungen des Tarifvertrages bestimmten nur noch die Höhe, die Fälligkeit der Zahlungen u. ä. Die Einbeziehung in den Tarifvertrag geschehe nicht aufgrund freiwilligen Beitritts der Klägerin oder ihrer Arbeitnehmer. Die AVE wirke wie ein Gesetz. Ein allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag stelle eine materielle Rechtsnorm i. S. d. § 4 Abgabenordnung (AO) dar und damit zugleich eine gesetzliche Bestimmung i. S. d. § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG. Das Bundesverfassungsgericht charakterisiere in seiner Entscheidung vom 24. 5.1977 (2 BvL 11/74; E 44,322) die Allgemeinverbindlicherklärung im Verhältnis zu den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern als einen Rechtssetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der auf Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) gründe und als typisches Rechtsinstitut für den Bereich einer Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von der Verfassung anerkannt sei.

Den Tarifvertragsparteien fehle die Kompetenz, ihre Regelungen auf Nichtmitglieder auszudehnen. Diese Kompetenz liege einzig und allein beim Staat. Da sich das betroffene Nichtmitglied den Regelungen des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages nicht entziehen könne, liege staatliches Zwangsrecht vor.

Die Klägerin beantragt,

den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer 1998 bis 2001 vom 17. April 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. Oktober 2003 dahingehend zu ändern, dass die Beiträge zum Zusatzversorgungswerk für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft e. V. von der Einkommensteuer gem. § 3 Nr. 62 EStG freigestellt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zu seiner Begründung in der Einspruchsentscheidung trägt der Beklagte vor, dass die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung an die Zusatzversorgungskasse letztlich aus dem Tarifvertrag folge, auch wenn dieser durch die Ministererklärung allgemeinverbindlich sei. Wie das in § 5 TVG geregelte Verfahren zur Allgemeinverbindlichkeit zeige, handele es sich nicht um einseitig gesetztes staatliches Recht, sondern nur um eine Erklärung nach Anhörung der Betroffenen und im Einvernehmen mit den Vertretern der Vertragsparteien. Das Kriterium eines Gesetzes im materiellen Sinne sei dem allgemeingültigen Tarifvertrag abzusprechen. Eine Zuordnung der Allgemeinverbindlicherklärung zur staatlichen Rechtsetzung lasse sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf sog. Außenseiter nicht entnehmen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Nachforderungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die von der Klägerin geleisteten Beiträge an die Zusatzversorgungskasse der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft stellen keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Sie sind nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG von der Einkommensteuer befreit.

Nach dieser Vorschrift sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers steuerfrei, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist.

Die von der Klägerin als Arbeitgeber geleisteten Zahlungen sind unstreitig Zukunftssicherungsleistungen für ihre Arbeitnehmer und gehören damit gem. § 2 Abs. 2 Nr. 3 der LStDV grundsätzlich zum Arbeitslohn. Das Zusatzversorgungswerk gewährt den ehemaligen Arbeitnehmern nach § 1 Abs. 3 Nr.1 TV und deren Witwen, Witwern und Vollwaisen im Rentenfalle Beihilfen (§ 2 Abs.2 TV). Der Arbeitgeber leistet die Ausgaben, um seine Arbeitnehmer und deren Angehörige für den Fall der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern und die Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch auf die Leistungen aus dem Tarifvertrag.

Bis zur Änderung durch das Steueränderungsgesetz 1992 sah § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG eine Steuerfreiheit für Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers lediglich dann vor, wenn sie "aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geleistet" wurden. Mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1992 wurde die Steuerfreiheit erstreckt auf Zahlungen des Arbeitgebers, zu denen er entweder nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften (§ 3 Nr.62 Satz 1 Alt.1 und 2 EStG) oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung (§ 3 Nr. 62 Satz 1 Alt. 3 EStG) verpflichtet ist.

Vorliegend beruht die Beitragszahlung der Klägerin auf den Regelungen des Tarifvertrages, der zwischen der Vorgängerin der Gewerkschaft IG Bauen, Agrar und Umwelt und den land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbänden ausgehandelt wurde und dessen Inhalt durch die Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG auch für die Klägerin rechtsverbindlich wurde. Eine sozialversicherungsrechtliche Verpflichtung bestand deshalb nicht.

Auch eine Verpflichtung des Arbeitgebers nach anderen gesetzlichen Vorschriften lag nicht vor. Diese Alternative setzt eine Verpflichtung aus einem formellen Gesetz voraus, weil - wenn ein Gesetz im materiellen Sinne genügen würde - es sonst der 3. Alternative in § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG ("oder einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung") nicht bedurft hätte (s. a. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Mai 2004, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2004, 1505 - 1507 m. w. N.). Allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge sind aber keine formellen Gesetze, die in einem verfassungsmäßigenförmlichen Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen sind.

Die Klägerin ist jedoch zur Zahlung der Beiträge nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet, § 3 Nr. 62 Satz 1 Alt. 3 EStG. Entgegen der Ansicht des Beklagten ergibt sich die Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge an das ZLF nur mittelbar aus dem Tarifvertrag. Der ursächliche Rechtsgrund, also die Begründung einer Beitragspflicht überhaupt für die Klägerin als nicht tarifgebundener Arbeitgeber, resultiert nicht aus dem Tarifvertrag. An dem Abschluss dieses Tarifvertrages hat sie weder als Vertragspartei unmittelbar noch mittelbar als eventuelles Mitglied einer der Tarifparteien mitgewirkt, so dass ihr daraus keine originären schuldrechtlichen Verpflichtungen entstanden sind. Erst aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung ist für die Klägerin die Beitragspflicht zu dem Zusatzversorgungswerk entstanden. Diese AVE hat über das "Ob" der Beitragspflicht für den nicht tarifgebundenen Arbeitgeber entschieden. Die Bestimmungen des Tarifvertrages über das Zusatzversorgungswerk bestimmen nur noch das "Wie", also die Höhe, die Fälligkeit der Zahlungen und ähnliches.

Die Allgemeinverbindlicherklärung beruht auf der gesetzlichen Ermächtigung des § 5 TVG. Diese ist eine Bestimmung im Sinne des § 3 Nr. 62 Satz 1 letzte Alternative EStG. Zu derartigen Bestimmungen zählen alle materiellen Rechtsnormen (§ 4 AO), insbesondere Rechtsverordnungen, aber auch Satzungen von autonomen Körperschaften. Voraussetzung ist zumindest, dass es sich um einseitig vom Staat gesetztes Recht handelt (vgl. Sächsisches Finanzgericht, Urt. v. 20. Juni 2001, EFG 2001, 1264; Urt. FG Baden-Württemberg vom 27. Mai 2004, a. a. O.) Bei der AVE mit der damit verbundenen Begründung der Beitragspflicht für die nicht tarifgebundene Klägerin handelt es sich für sie um einseitig vom Staat gesetztes Recht. Dem steht nicht entgegen, dass die inhaltliche Gestaltung der allgemeinverbindlich erklärten Tarifnormen bei den Tarifparteien und damit nicht beim Staat liegt. Denn an dieser inhaltlichen Gestaltung war die Klägerin nicht - auch nicht mittelbar beteiligt. Auch wird dabei noch nicht die Beitragspflicht für die Klägerin begründet. Auch der Umstand, dass nach § 5 Abs. 1 TVG das Initiativrecht für eine AVE bei den Tarifvertragsparteien liegt, führt nicht dazu, bei der AVE die Eigenschaft einseitig vom Staat gesetzten Rechts zu verneinen. Die Entscheidung für die Verbindlicherklärung liegt allein im Ermessen des gem. § 5 Abs. 1 TVG zuständigen Bundesministeriums im Einvernehmen mit einem Ausschuss aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Dabei ist der Minister bzw. das Ministerium nicht zur AVE verpflichtet, selbst wenn der Tarifausschuss zustimmt. Vielmehr hat er auch dann nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (Schaub, Arbeitsrechthandbuch 8. Aufl., § 207 Allgemeinverbindlicherklärung, Tz. III. 3). Den nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bleibt nach § 5 Abs. 2 TVG lediglich die Möglichkeit, schriftlich zum Antrag der Tarifvertragspartei Stellung zu nehmen bzw. in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung sich zu äußern. Ihre Äußerungen haben jedoch keinerlei Bindungswirkung für das Entscheidungsgremium. Auch wenn sie dem Antrag widersprechen, werden sie nach § 5 Abs. 4 TVG mit der Allgemeinverbindlicherklärung von den Rechtsnormen des Tarifvertrags zwangsweise erfasst.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht in der AVE eine Rechtsverordnung - also eine materielle Rechtsnorm -, die den Geltungsbereich der Tarifverträge auf Außenseiter erstreckt (Schaub. A. a. O., Tz. IV.1 m. w. N.). Damit wäre sie als Bestimmung i. S. der letzten Alternative des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG zu behandeln. Das Bundesverfassungsgericht begreift die AVE im Verhältnis zu den ohne sie nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern als einen Rechtssetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtssetzung, der seine eigenständige Grundlage in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) findet (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. Mai 1977, Neue juristische Wochenschrift -NJW-1977, 2255 und vom 15. Juli 1980, NJW 1981, 215). Danach ist die AVE weder ein Verwaltungsakt noch eine Rechtverordnung. Sie ist aber - jedenfalls soweit das Verhältnis zu den Außenseitern in Rede steht - Normsetzung (BVerfG, Beschl. vom 24. Mai 1977 a. a. O.). Schaub (a. a. O., Tz. IV.3) folgert daraus zu Recht, dass ihre Auslegung nur nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung erfolgen kann.

Die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Normsetzungsbefugnis der Koalitionen erstreckt sich grundsätzlich nur auf die Mitglieder der tarifvertragschließenden Parteien (§ 3 Abs.1 TVG). Da der Staat seine Normsetzungsbefugnis nicht in beliebigem Umfang außerstaatlichen Stellen überlassen und den Bürger nicht schrankenlos der normsetzenden Gewalt autonomer Gremien ausliefern darf, beruht die AVE auf der subsidiären Regelungszuständigkeit des Staates. Der die Außenseiter an die Tarifnormen bindende Geltungsbefehl bleibt dem Staat vorbehalten. Für nicht tarifgebundene Arbeitgeber, die zwangsweise beitragspflichtig werden, stellt die AVE eine Normsetzung dar, die für sie zumindest überwiegend Elemente einseitig staatlicher Rechtssetzung beinhaltet. Sie ist daher gem. § 3 Nr. 62 Satz 1 3. Alternative EStG eine Bestimmung, die auf gesetzlicher Ermächtigung beruht und die die Klägerin zur Beitragszahlung an die Zusatzversorgungskasse verpflichtet. Die Beitragszahlungen sind deshalb nach dieser Norm von der Einkommensteuer befreit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 151 Abs. 1 und 3 FGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision war zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle zukommt und der Bundesfinanzhof - BFH - zur Frage der Steuerpflicht von Arbeitgeberbeiträgen aufgrund allgemeinverbindlich erklärter Tarifverträge noch nicht Stellung genommen hat, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Auch im Hinblick auf das anders lautende Urteil des FG Baden-Württemberg vom 27. Mai 2004, AZ: 8 K 266/01(EFG 2004, 1505-1507) war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Zulassung der Revision geboten.

Ende der Entscheidung

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