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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 17.06.2004
Aktenzeichen: III 912/03
Rechtsgebiete: StBerG


Vorschriften:

StBerG § 4 Nr. 11
StBerG § 23 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Thüringen

III 912/03

Ablehnung der Eintragung einer Beratungsstellenleiterin

In dem Rechtsstreit

...

hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts

auf Grund mündlicher Verhandlung

am 17. Juni 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der ablehnende Bescheid vom 03.07.2003 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29.07.2003 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers in gleicher Höhe abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Strittig ist die Eintragung der Frau X als Beratungsstellenleiterin in das Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine.

Frau X ist für die Klägerin als Beratungsstellenleiterin bei der Beratungsstelle A-Stadt seit April 1991 tätig.

Der Kläger hat der Beklagten im Juni 2003 die Bestellung der Frau X als Leiterin einer weiteren Beratungsstelle und zwar in B-Stadt, gem. § 23 Abs. 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG) mitgeteilt.

Die Beklagte hat die Eintragung im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass kein Nachweis dafür erbracht worden sei, dass Frau X auf den für die Beratungsbefugnis nach § 4 Nr. 11 StBerG einschlägigen Gebieten des Einkommensteuerrechts in einem Umfang von mindestens 16-Wochenstunden in einem Zeitraum von drei Jahren praktisch tätig gewesen sei.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor: Frau X sei seit 1999 mithin über drei Jahre lang mit einer Arbeitszeit von 32-Wochenstunden auf den für die Beratungsbefugnis nach § 4 Nr. 11 StBerG einschlägigen Gebieten des Einkommensteuerrechts praktisch tätig gewesen. Sie erfülle die notwendige fachliche Eignung nach § 23 StBerG. Zudem habe Frau X am 03.11.1997 beim Prüfungsverband der Lohnsteuerhilfevereine e.V. die Prüfung auf dem Gebiet der Einkommensteuer der Arbeitnehmer mit Erfolg abgelegt.

Schließlich komme es nicht darauf an, dass jede Woche die tatsächliche Wochenstundenzahl von 16 erreicht werde. So sei es durchaus denkbar, dass ein Mitarbeiter eines Steuerbüros oder eines Lohnsteuerhilfevereins zu gewissen Zeiten an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehme, Urlaub habe oder gar erkrankt sei und daher die geforderte Anzahl der Wochenstunden in einem gewissen Zeitraum nicht erzielen könne. Maßgeblich sei insoweit, dass durchschnittlich bei einer Gesamtschau der in Betracht zu ziehenden Zeiträume eine Wochenstundenzahl von 16 erreicht werde. Gerade bei Mitarbeitern von Lohnsteuerhilfevereinen, die einem gewissen Zyklus beim Arbeitsanfall unterliegen, könne bei Überprüfung des gesetzgeberischen Zwecks nicht verlangt werden, dass in allen Wochen des Jahres tatsächlich 16 Stunden gearbeitet worden sei. Die Auslegung der neugefassten Vorschrift des § 23 Abs. 3 StBerG sei daher am Sinn und Zweck der Regelung zu orientieren. Der Begriff "16-Wochenstunden" sei aus dem Begriff "hauptberuflich" entwickelt worden und dementsprechend sei davon auszugehen, dass eine durchschnittliche Tätigkeit von 16-Wochenstunden ausreiche, weil damit praktisch eine hauptberufliche Tätigkeit nachgewiesen werde.

Des Weiteren sei Frau X als Leiterin einer Beratungsstelle bereits eingetragen und dementsprechend sei die fachliche Eignungsvoraussetzung durch den Beklagten überprüft worden. Diese Eignungsvoraussetzungen könnten nicht ohne sachliche Anhaltspunkte nunmehr der Beratungsstellenleiterin abgesprochen werden.

Der Kläger beantragt,

den ablehnenden Bescheid vom 03.07.2003 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29.07.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor: Die praktische Tätigkeit im Umfang von 16- Wochenstunden für den Zeitraum von drei Jahren sei über die gesamte Dauer des festgelegten dreijährigen Zeitraums zu erbringen. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Das vorliegende REFA-Gutachten vom 13.11.2002 könne für den Nachweis der Erfüllung der Eintragungsvoraussetzung "mindestens 16-Wochenstunden" gem. § 23 Abs. 3 Nr. 3 StBerG als Berechnungsgrundlage für den Zeitaufwand nur insoweit herangezogen werden, wie die einschlägigen Tätigkeiten i.S.d. § 4 Nr. 11 StBerG auch tatsächlich ausgeübt werden. Es werde verkannt, dass es nicht darum gehe, dass eine Person 16 Stunden in der Woche arbeite, sondern praktische Tätigkeiten i.S.d. § 4 Nr. 11 StBerG ausübe. Dementsprechend müssten organisatorische Tätigkeiten, Weiterbildungen usw. bei der Berechnung der zu berücksichtigenden 16- Wochenstunden entfallen. Daraus folge, dass der im REFA-Gutachten ermittelte Zeitaufwand pro Vereinsmitglied und Jahr in Höhe von 192 Minuten sich verringere auf 150 Minuten. Dies ergebe unter Berücksichtigung der von der Klägerin angegebenen Anzahl der Vereinsmitglieder von 230 (1999), 240 (2000), 249 (2001) und 279 (2002) bei 220 Arbeitstagen im Jahr und einer fünftägigen Arbeitswoche 13,15 Std. pro Woche (1999), 13,7 Std. (2000), 14,2 Std. (2001) und 15,95 Std. (2002). Dementsprechend habe die als Beratungsstellenleiterin vorgesehene Frau X in keinem der letzten vier Jahre die gesetzliche Voraussetzung von 16-Wochen-stunden erfüllt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Es ist Frau X zum Beweisthema "Tätigkeit für die Klägerin" als Zeugin vernommen worden. Es wird insoweit auf die Sitzungsniederschrift vom 17. Juni 2004 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat zur Überzeugung des erkennenden Senats nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Nachweis über die Erfüllung der erforderlichen Qualifikationsvoraussetzungen gem. § 23 Abs. 3 Nr. 3 StBerG für die als Leiterin einer weiteren Beratungsstelle vorgesehene Frau X erbracht.

Die Zeugin X hat glaubhaft dargestellt, dass sie in der jeweiligen ersten Jahreshälfte wegen der für die Vereinsmitglieder notwendigen Veranlagungsarbeiten für das vorangegangene Kalenderjahr und des damit verbundenen Beratungsbedarfs an den Wochentagen Montag bis Donnerstag von 8 Uhr bis ca. 20 Uhr und am Freitag von 8 Uhr bis zum späten Nachmittag arbeite. Zwar lasse in der zweiten Jahreshälfte dann der Arbeitsumfang ein wenig nach, gleichwohl arbeite sie auch dann von Montag bis Donnerstag von 8 bis 16 oder auch 18 Uhr und am Freitag von 8 bis 12 Uhr.

Die Zeugin hat ihren zeitlichen Aufwand für die praktische Tätigkeit i.S.d. § 4 Nr. 11 StBerG mit zwei bis drei Stunden für das Erstellen der Steuererklärung sowie ein bis zwei Stunden für die Beratung je Vereinsmitglied angegeben. Der Senat sieht diese glaubhafte Aussage als zutreffend an.

Aus diesen Darstellungen der Zeugin wird ersichtlich, dass auch unter Berücksichtigung der nach allgemeiner Lebenserfahrung an den Arbeitstagen anfallenden üblichen Arbeitspausen und der mit der Tätigkeit verbundenen organisatorischen und sonstigen Arbeiten die Zeugin ganzjährig durchgängig nicht nur mindestens 16- Wochenstunden, sondern darüber hinaus in einem erheblich größeren Umfang für den Kläger als Beratungsstellenleiterin auf den nach § 4 Nr. 11 einschlägigen Gebieten des Einkommensteuerrechts praktisch tätig ist. Die Zeugin hat den geschilderten Arbeitsaufwand für all die Jahre als zutreffend bezeichnet, in denen sie als Beratungsstellenleiterin die annähernd gleiche Anzahl der Vereinsmitglieder zu betreuen hatte. Anhaltspunkte, dass diese Aussage unzutreffend ist, sind für den Senat nicht ersichtlich. Die Zeugin hatte mithin, nach dem von ihr vollzogenem Aufbau der Beratungsstelle, abgesehen vom Jahr 1996, in den Jahren ab 1993 bis zum Jahr 2003, mithin gut ein Jahrzehnt, weit über 200 Mitglieder zu betreuen. Sie ist damit mindestens drei Jahre auf den für die Beratungsbefugnis nach § 4 Nr. 11 StBerG einschlägigen Gebieten des Einkommensteuerrechts in einem Umfang von mindestens 16- Wochenstunden praktisch tätig gewesen.

Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung auf der Grundlage des sog. REFA-Gutachtens ist nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu führen. Das Gutachten ist nicht für die Beratungsstelle, in der die Zeugin X als Beratungsstellenleiterin tätig ist, angefertigt worden, sondern in Beratungsstellen in Y-Stadt und Z-Stadt. Da diese REFA-Ausarbeitung nicht die Verhältnisse der von der Zeugin betreuten Beratungsstelle zum Gegenstand hat, ist insgesamt diese Darstellung nur äußerst bedingt auf die Gegebenheiten der klägerischen Beratungsstelle übertragbar. Die von der Beklagten vorgenommene minutiös vergleichende Berechnung lässt insbesondere unberücksichtigt, dass zwischen den betroffenen Beratungsstellenleitern in Y-Stadt/Z-Stadt und der klägerischen Beratungsstelle keine Personenidentität besteht. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass eine beratende Tätigkeit sowie die Anfertigung einer Steuererklärung vom zeitlichen Umfang her abhängig ist von den jeweiligen individuellen Fähigkeiten der handelnden Personen.

Der Senat lässt, da bereits die Voraussetzungen für eine Eintragung als Beratungsstellenleiterin nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 StBerG vorliegen, dahingestellt, ob daneben in der erfolgreichen Ablegung einer Prüfung auf dem Gebiet der Einkommensteuer der Arbeitnehmer durch die Zeugin X vor dem Prüfungsverband der Lohnsteuerhilfevereine am 03.11.1997 eine "andere gleichwertige Vorbildung" i.S.d. § 23 Abs. 3 Nr. 2 StBerG gesehen werden kann und damit auch die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind.

Ebenso erübrigt sich eine Entscheidung über die vom Kläger vertretene Ansicht, dass der Beklagten keine Prüfungsbefugnis zustünde hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 StBerG bei einer als Beratungsstellenleiter bereits eingetragenen Person bei Bestellung derselben Person für eine weitere Beratungsstelle.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, weil sie unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der von der Beklagten beantragten Revision kommt nicht in Betracht, weil keine der für eine Zulassung der Revision in § 115 Abs. 2 genannten Voraussetzungen ersichtlich ist.

Ende der Entscheidung

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