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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 29.03.2007
Aktenzeichen: IV 203/06
Rechtsgebiete: FGO, EStG, EStR 2001, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 100 Abs. 1 S. 1
EStG § 4 Abs. 1 S. 1
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1
EStR 2001 RL 131 Abs. 2 S. 3
AO 1977 § 163
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Thüringen

IV 203/06

Einkommensteuer 2003

In dem Rechtsstreit

hat der IV. Senat des Thüringer Finanzgerichts durch

...

in der Sitzung

am 29. März 2007

ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob der Kläger, nachdem er das Feldinventar seines gewerblichen landwirtschaftlichen Betriebes aktiviert hatte, im Kalenderjahr 2003 dazu übergehen kann, dieses Inventar erfolgswirksam nicht mehr zu aktivieren.

Der Kläger betreibt seit dem Kalenderjahr 1992 einen landwirtschaftlichen Ackerbaubetrieb. Er ermittelt seinen Gewinn nach § 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit Beginn seiner Tätigkeit aktivierte er das Feldinventar seines landwirtschaftlichen Betriebes. Zum 30. Juli 2003 - Wirtschaftsjahr ist der 1. Juli bis 30. Juni des Folgejahres - betrug der Inventurwert des Feldinventars 108.439,18 EUR. Im Streitjahr 2003 (Wirtschaftsjahr 1. Juli 2003 bis 30. Juni 2004) löste der Kläger die bisherige Aktivierung des Feldinventars Gewinn mindernd auf. Auf der Grundlage einer Betriebsprüfung erließ das Finanzamt am 1. September 2005 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2003, in dem es das Feldinventar wieder aktivierte. Den Einspruch des Klägers wies das Finanzamt mit Entscheidung vom 17. Februar 2006 als unbegründet zurück.

Der Kläger wendet sich mit der vorliegenden Klage weiterhin gegen die Aktivierung des Feldinventars seines landwirtschaftlichen Betriebes. Er ist der Ansicht, dass er dazu berechtigt gewesen sei, im Kalenderjahr 2003 die bisherige Aktivierung des Feldinventars Gewinn mindernd aufzulösen. Die Billigkeitsregelung der Richtlinie R 131 Abs. 2 Satz 3 der Einkommensteuerrichtlinie 2001 (im Folgenden: EStR) gestehe ihm das Wahlrecht zu, das Feldinventar zu aktivieren oder nicht zu aktivieren. Seiner Auffassung nach stehe ihm dieses Wahlrecht auch dann zu, wenn er bereits einmal die Aktivierung des Feldinventars in einem anderen, vorherigen Gewinnermittlungszeitraum gewählt habe. Der Kläger beruft sich im Weiteren auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), Urteil vom 6. April 2000 (IV R 38/99, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 191, 527, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2000, 422; Beschluss des BFH vom 10. August 2004, I B 212/03, Haufe-Index 1257813, zitiert nach Haufe Steueroffice Professional - Kanzlei-Edition).

Der Kläger beantragt,

1. den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 1. September 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2006 dahingehend zu ändern, dass dem Kläger eine Steuererstattung in Höhe von 13.789,09 Euro gewährt wird;

2. hilfsweise, im Falle des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt zunächst Bezug auf seine Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2006. Darüber hinaus verweist er auf den Billigkeitscharakter der Richtlinie R 131 Abs. 2 Satz 3 EStR. Ohne diese Richtlinienregelung wäre der Kläger aus handels- und steuerrechtlichen Gründen zur Bilanzierung (Aktivierung) des Feldinventars verpflichtet. Die Finanzverwaltung verfolge mit dieser Richtlinie ausdrücklich das alleinige Ziel, den landwirtschaftlichen Betrieben gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit Bilanzierungserleichterungen - gegebenenfalls durch Nichtaktivierung des Feldinventars - einzuräumen. Ein landwirtschaftlicher gewerblicher Betrieb habe auch dann das Recht, zur Bilanzierung des Feldinventars überzugehen, wenn er zunächst die Nichtaktivierung gewählt hätte. Dieses Wechselrecht ergebe sich daraus, dass es dem Betrieb nicht verwehrt werden könne, zur handelsrechtlich verpflichtenden Aktivierung zurückzukehren. Dieses Recht zum Wechseln zur Bilanzierung des Feldinventars folge jedoch nicht aus einer Billigkeitsmaßnahme der Finanzverwaltung, sondern aus dem allgemeinen Handels- und Steuerrecht. Ein Wechselrecht in die andere Richtung - also von der Aktivierung zur Nichtaktivierung - bestehe nicht und zwar weder handels- und steuerrechtlich noch aufgrund einer Billigkeitsmaßnahme.

Soweit sich der Kläger auf das Urteil des Finanzgerichtes Brandenburg vom 22. Oktober 2003 (II K 618/02, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2005, 1005) und den daraufhin ergangenen Beschluss des BFH beziehe, seien diese Entscheidungen im vorliegenden Fall nicht mehr aktuell. Das dort streitbefangene Jahr sei 1994 gewesen. Die Finanzverwaltung habe jedoch in den EStR 2001 die Richtlinie R 131 Abs. 2 Satz 4 eingefügt, wonach der Landwirt an seine letzte Entscheidung gebunden sei, wenn er nach einem ursprünglichen Verzicht auf die Bewertung dann zu einer Aktivierung des Feldinventars übergegangen sei. Dies bedeute, dass die Finanzverwaltung im hier streitigen Jahr 2003 das Recht auf die Nichtaktivierung des Feldinventars im Billigkeitswege nur unter der Voraussetzung eingeräumt habe, dass der Landwirt nicht bereits vorher zu einer Aktivierung übergegangen sei. Gerade dies habe der Kläger aber vorliegend getan.

Der Berichterstatter hat den vorliegenden Rechtsstreit mit den Parteien am 22. Februar 2007 erörtert. Wegen des Ergebnisses und Inhaltes des Erörterungstermins wird auf das Protokoll vom 22. Februar 2007 verwiesen. Die Parteien haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Entscheidung des Beklagten, das Feldinventar des gewerblich landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers im Kalenderjahr 2003 (wiederum) zu aktivieren, verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

1. Der Kläger war im Kalenderjahr 2003 dazu verpflichtet, das Feldinventar seines Betriebes (weiterhin) zu aktivieren. Denn bei einem land- und forstwirtschaftlichem Betrieb gehört auch das als Umlaufvermögen auszuweisende Feldinventar zum Betriebsvermögen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, das nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen ist (Urteil des BFH vom 6. April 2000 IV R 38/99 a.a.O.).

Der Kläger kann sich vorliegend auf keinen Ausnahmetatbestand berufen, der ihn von dieser Bilanzierungspflicht befreit. Zwar hat die Finanzverwaltung in der Richtlinie R 131 Abs. 2 den Land- und Forstwirten ein "Wahlrecht" eingeräumt, auf die Aktivierung des Feldinventars und der stehenden Ernte (künftig kurz: Feldinventar) aus Billigkeitsgründen zu verzichten (R 131 Abs. 2 Satz 3 EStR 2001). Der Kläger kann jedoch auf der Grundlage dieser Richtlinie nicht für sich beanspruchen, von seiner bisherigen Aktivierung des Feldinventars in 2003 abzuweichen.

Die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat die in R 131 Abs. 2 EStR eröffnete Vorgehensweise als "Wahlrecht" begriffen, dessen rechtliche Grundlage zunächst in § 148 der Abgabenordnung 1977 (AO) angesiedelt wurde. Seit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 6. April 2000 (IV R 38/99 a.a.O) geht der BFH jedoch von einer Billigkeitsmaßnahme im Sinne des § 163 AO aus.

Nach Ansicht des hier entscheidenden Senats kann die Finanzverwaltung Land- und Forstwirten jedoch nicht ermöglichen, ihr Feldinventar nicht zu aktivieren. Ist das Feldinventar nämlich handels- und steuerrechtlich materiell zwingend zu aktivieren, so kann eine Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung zu keiner Änderung der steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften führen. Der Finanzverwaltung fehlt die (Gesetzgebungs-) Kompetenz, die gesetzlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu ändern oder nicht gesetzeskonform zu gestalten. Die Richtlinie R 131 Abs. 2 Satz 3 EStR 2001, auf die sich der Kläger beruft, ist keine Rechtsnorm, sondern eine Verwaltungsvorschrift, mit deren Hilfe nur eine gleichmäßige Gesetzesanwendung durch die Verwaltungsbehörden erreicht, nicht aber eine Bindung im Sinne einer Rechtsverordnung erzielt werden kann und soll (vgl. z.B. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts -BverfGE- 78, 214, 227).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, der aus Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) hergeleitet wird. Zwar hat der einzelne Steuerpflichtige grundsätzlich einen Anspruch auf Teilhabe an steuerlichen Vorteilen, die anderen Steuerpflichtigen in gleicher Situation gewährt werden. Dies findet jedoch dort seine Grenze, wo die Steuerverwaltung Rechte einräumt, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Denn der einzelne Steuerpflichtige - hier der jeweilige Land- und Forstwirt - hat keinen Anspruch auf rechtswidrigen Gesetzesvollzug. Insoweit ist es folgerichtig, wenn der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 6. April 2000 (IV R 38/99 a.a.O.) die Rückkehr zur materiell zwingend vorgeschriebenen Aktivierung - nach vorheriger "Nichtaktivierung" - für in jedem Fall zulässig erachtet. Wie der IV. Senat ausgeführt hat, kann es niemandem verwehrt sein, zur gesetzesmäßigen Bilanzierung zurückzukehren. An diese Bilanzierung ist er von Gesetzes wegen gebunden.

Der Senat folgt insoweit nicht dem Beschluss des I. Senats des BFH vom 10. August 2004 (I B 212/03 a.a.O.). Der I. Senat hatte dort - unter Verweis auf das Urteil des BFH vom 6. April 2000 (IV R 38/99 a.a.O.) - ausgeführt, dass das den Land- und Forstwirten von der Finanzverwaltung eingeräumte "Wahlrecht", auf die Aktivierung dieser Feldbestände zu verzichten, im Hinblick auf den Grundsatz der materiellen Bilanzkontinuität keine Bindungswirkung für die Zukunft entfalte. Eine Bindungswirkung soll nach diesem Beschluss auch nicht für den umgekehrten Fall gelten, in dem der Landwirt zunächst die Aktivierung der Feldbestände gewählt hatte, später jedoch - wie im vorliegenden Fall - dazu übergehen will, das Feldinventar nicht mehr zu aktivieren. Demgegenüber hatte der IV. Senat des BFH (Urteil vom 6. April 2000 IV R 38/99 a.a.O.), auf das sich der I. Senat bezogen hat, ausdrücklich ausgeführt, dass der Land- und Forstwirt wegen des Grundsatzes der materiellen Bilanzkontinuität (nach der Rückkehr zur richtigen Bilanzierung in Form der Aktivierung des Feldinventars) daran auch für die Zukunft gebunden sei. Insofern ist nicht nachvollziehbar, ob und aufgrund welcher rechtlichen Erwägungen der I. Senat des BFH ein weitergehendes Wahlrecht auch dann annehmen will, wenn der Land- und Forstwirt zunächst seine Feldbestände aktiviert hatte. Dem Beschluss des I. Senates vom 10. August 2004 ist jedenfalls keine Begründung seines (Umkehr-) Schlusses zu entnehmen.

2. Selbst wenn der Kläger vorliegend ein "Wahlrecht" der Finanzverwaltung in Anspruch nehmen könnte, wäre er nach Ansicht des Senates daran gehindert, nach einer Aktivierung des Feldinventars dazu überzugehen, im Kalenderjahr 2003 das Feldinventar (gewinnwirksam) nicht mehr zu aktivieren. Denn die Richtlinie R 131 Abs. 2 EStR 2001 geht erkennbar davon aus, dass dem Land- und Forstwirt bei der erstmaligen Bilanzierung ein Wahlrecht der Aktivierung bzw. Nichtaktivierung des Feldinventars zusteht. Zwar ist eine Verwaltungsvorschrift nicht wie ein Gesetz auszulegen. Dennoch ist es vorliegend erforderlich, den Umfang des "Wahlrechtes" zu ermitteln. Denn Billigkeit kann der Anspruchsteller lediglich in dem Umfang beanspruchen, in dem ihm Vorteile in Form einer Billigkeitsregelung zugedacht werden. Danach ergibt sich nach Ansicht des Senates eindeutig aus den Sätzen 3 und 4 der Richtlinie R 131 Abs. 2, dass die Finanzverwaltung davon ausgeht, dass einem Land- und Forstwirt bei seiner erstmaligen "Wahl" die Möglichkeit offen steht, das Feldinventar zu aktivieren oder nicht zu aktivieren. Geht der Land- und Forstwirt jedoch erst später zu einer Aktivierung des Feldinventars über, so soll er hieran aufgrund des Grundsatzes der Bewertungsstetigkeit auch für die Zukunft gebunden sein.

Auch wenn der Kläger vorliegend darauf hinweist, dass sein Fall - sofortige Aktivierung des Feldinventars - nicht in der Richtlinienregelung ausdrücklich aufgenommen ist, wird aus dem Wortlaut deutlich, dass die Finanzverwaltung (Erst - Recht - Schluss) davon ausgeht, dass eine Bindung an die Aktivierung des Feldinventars in jedem Falle beibehalten werden soll. Für diesen Schluss spricht insbesondere die Ergänzung des Richtlinientextes durch Satz 4 gegenüber früheren Richtlinienfassungen, über die die bisherige Rechtsprechung des BFH befunden hatte. Insofern begehrt der Kläger vorliegend mehr als ihm von Seiten der Verwaltung im Billigkeitswege zugestanden werden sollte. Darauf hat er jedoch keinen Anspruch, auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung. Denn anderen Land- und Forstwirten erkennt die Finanzverwaltung ebenfalls nicht das Recht zu, von einer (evtl. später) bestehenden Aktivierung des Feldinventars wieder abzuweichen.

Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob es die Finanzverwaltung unbeanstandet gelassen hätte, wenn der Kläger zunächst auf die Bilanzierung seines Feldinventars verzichtet hätte. Denn aus diesem Umstand folgt kein weitergehender Anspruch, wie sich aus den zu 1. dargelegten Gründen ergibt. Darüber hinaus ist die erstmalige Wahl der Aktivierung auch nicht mit dem Übergang von der Bilanzierung zur Nichtaktivierung vergleichbar, da sich unterschiedliche Gewinnauswirkungen ergeben.

Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden, § 90 Abs. 2 FGO. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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