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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.01.2007
Aktenzeichen: 1 Bs 4/07
Rechtsgebiete: AufenthG, GG, EMRK
Vorschriften:
AufenthG § 25 Abs. 5 Satz 1 | |
GG Art. 4 Abs. 3 | |
EMRK Art. 9 |
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, Dr. Meffert und Walter am 19. Januar 2007 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2006 wird zurückgewiesen und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller reiste im Dezember 2003 aus dem Iran mit einem Visum ein, das er erhalten hatte, um hier mit seiner damaligen deutschen Ehefrau zusammen zu leben. Im Sommer 2004 trennte er sich von ihr. Nach seiner Scheidung begehrt er die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Er wolle nunmehr eine iranische Staatsangehörige heiraten; außerdem dürfe er nicht in den Iran abgeschoben werden, weil er Wehrdienstverweigerer sei und er im Iran Wehrdienst leisten müsse. Die Antragsgegnerin hat seinen Verlängerungsantrag vom 12. Januar 2006 mit Bescheid vom 16. Mai 2006 und seinen dagegen gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2006 zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat es abgelehnt, ihm vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.
II.
Die von dem Antragsteller dargelegten Gründe, die das Gericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, geben keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern. Seine Klage hat keine Aussicht auf Erfolg und es besteht kein Grund, gleichwohl die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
1. Das Verwaltungsgericht hat es zutreffend abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der von dem Antragsteller erhobenen Klage 10 K 3494/06 in Hinblick auf die Schutzwirkungen des Art. 6 GG anzuordnen, da die von ihm beabsichtigte Eheschließung nicht unmittelbar bevorstehe. Es fehle an der gemäß § 1309 Abs. 2 BGB erforderlichen Befreiung von dem Erfordernis des Ehefähigkeitszeugnisses. Mit der Beschwerde ist nichts vorgetragen, was diese Einschätzung in Frage stellt. Insoweit genügt nicht, dass der Antragsteller lediglich wörtlich sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.
2. Der Antragsteller vermag auch aus dem Recht der Kriegsdienstverweigerung kein Aufenthaltsrecht abzuleiten.
a. Ihm gewährt § 25 Abs. 5 AufenthG keinen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.
§ 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erlaubt es u.a. nur dann, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn die Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, d.h. wenn sowohl der Abschiebung als auch der freiwilligen Ausreise rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich aus inlandsbezogenen und aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben (vgl. BVerwG, Urt. vom 26.6.2006, DVBl 2006, 1509). Insoweit hat die Ausländerbehörde auch zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen, wenn sie nicht nach § 42 AsylVfG an eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration oder des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen der Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gebunden ist oder das Vorbringen deshalb materiell ein Asylgesuch nach § 13 Abs. 1 AsylVfG darstellt, weil sich dem Vorbringen des Ausländers entnehmen lässt, dass er Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder Schutz vor einer Rückführung in einen Staat, in dem ihm die in § 60 Abs. 1 AufenthG bezeichneten Gefahren drohen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. vom 6.9.2006 - 4 Bs 251/06 - ).
Nach diesen Grundsätzen ist in dem vorliegenden Verfahren zu prüfen, ob sich aus dem von dem Antragsteller geltend gemachten Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung ein Abschiebungshindernis ergibt. Der Antragsteller, der kein Asylverfahren durchlaufen hat, verfolgt auch der Sache nach kein Asylbegehren. Er beruft sich nicht darauf, dass ihm wegen der von ihm behaupteten Weigerung, im Iran Wehrdienst zu leisten, politische Verfolgung drohe. Vielmehr macht er allein Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 AufenthG und unmittelbar aus Art. 4 Abs. 3 GG geltend. Das Grundrecht auf Asyl schließt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen nicht ein (vgl. BVerwG, Urt. vom 31.3.1981, BVerwGE 62, 123 - juris Rn. 12 - ).
a.a. Der Antragsteller vermag sich nicht auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung aus Art. 4 Abs.3 GG zu stützen. Es schützt ihn nicht vor der Ableistung seines Wehrdienstes im Iran. Deshalb kann offen bleiben, ob der Antragsteller in Wahrheit seinen Wehrdienst bereits abgedient hat, wie die Antragsgegnerin meint.
Zwar trifft das Vorbringen des Antragstellers zu, dass Art. 4 Abs. 3 GG "jedermann" und damit auch Ausländer schützt. Das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung ist nicht allein Deutschen vorbehalten. Dies zeigt der Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 GG, der das Grundrecht der Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG ausformt (vgl. Morlok, in: Dreier GG-Kommentar, Art. 4 Rn. 148; Kempen, AK-GG, Art. 4 Abs. 3 Rn. 9). Das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung, welches nicht als Menschenrecht im naturrechtlichen Sinne nachweisbar ist (vgl. Mayer, in: von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. Art. 4 Rn. 66), gilt aber nur für den Personenkreis, den die deutsche Wehrpflicht erreicht und für den Art. 12 a GG es zulässt, eine Wehrpflicht einzuführen (vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 4 Rn. 178; Zippelius, in: BK, Art. 4 Rn. 122; Mayer a.a.O., Rn. 67; von Mangold/Klein, GG 4. Aufl., Art. 4 Abs. 3 Rn. 154). Daran ändert der Hinweis des Bundesgerichtshofs ( BGH, Beschl. vom 24.5.1977, BGHSt 27, 191/193/) nichts, dass der Verfassungsgeber Art. 4 Abs. 3 GG zu einem Zeitpunkt geschaffen hat, zu dem in Deutschland die allgemeine Wehrpflicht noch nicht eingeführt war. Deshalb schützt Art. 4 Abs. 3 GG nicht Ausländer davor, in ihrem Heimatland nach dem dortigen Recht Wehrdienst leisten zu müssen (a.A. BGH a.a.O.; Treiber, GK-AuslR II § 53 Rn. 75; gegen BGH Stein, NJW 1978, 2426 ff.). Dem Verfassungsgeber stand, wie insbesondere die Diskussionsbeiträge des Abgeordneten Heuß zeigen, schon bei der Schaffung des Grundgesetzes die Möglichkeit einer späteren Einführung der allgemeinen Wehrpflicht vor Augen (vgl. Kempen, in: AK-GG, 4. Aufl. Art. 4 Abs. 3 Rn. 3).
Demgegenüber überzeugt die Überlegung des Antragstellers nicht, Art. 4 Abs. 3 GG müsste nicht als Menschenrecht für jedermann, sondern als ein ausschließlich Deutschen vorbehaltenes Grundrecht verstanden werden, wenn das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung nicht auch Ausländer vor einer Heranziehung zum Wehrdienst im Ausland schütze. Art. 4 Abs. 3 GG läuft als Menschenrecht nicht leer. Art. 4 Abs. 3 GG bewahrt als "Jederman-Grundrecht" auch Ausländer davor, entgegen ihrer Gewissensentscheidung zum Wehrdienst in der Bundeswehr herangezogen zu werden. Der durch Art. 1 Streitkräftereserve-Neuordnungsgesetz - SKResNOG - vom 22.4.2005 (BGBl. I S. 1106) gestrichene § 2 Wehrpflichtgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.2.2002 (BGBl. I S. 9549) erlaubte noch, Ausländer und Staatenlose der deutschen Wehrpflicht zu unterwerfen. Der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 3 GG bestimmt sich nicht danach, ob es das einfache Gesetz gegenwärtig erlaubt, Ausländer einzuberufen.
Angesichts dieser ausreichend klaren Rechtslage (wie hier auch: OVG Münster, Beschl. vom 4.10.2006 - 18 B 2066 - juris; VGH Bad.Württ., Beschl. vom 1.2.1995, AuAS 1995, 186) geht das Vorbringen des Antragstellers ins Leere, ihm müsse vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden, weil der Schutzumfang des Art. 4 Abs. 3 GGG höchstrichterlich noch nicht geklärt sei und ihn das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 27.10.2004 (NVwZ 2005, 464) offen gelassen hatte. Für das Bundesverwaltungsgericht bestand kein Anlass, ausdrücklich von dem genannten Beschluss des Bundesgerichtshofs abzuweichen.
a.b. Auch aus Art. 9 EMRK ergibt sich kein Abschiebungshindernis für den Antragsteller.
Der Schutz der Gewissensfreiheit in Art. 9 EMRK beinhaltet das Recht auf Wehrdienstverweigerung nicht (vgl. OVG Hamburg, Beschl. vom 2.9.1998, InfAuslR 1999, 105; zust. Hailbronner, AufenthG, § 60 Rn. 120; Treiber, GK-AuslR II § 53 Rn. 75). Die Europäische Menschenrechtskommission hat unter Hinweis auf Art. 4 Abs. 3 b EMRK entschieden, dass die Konvention kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen enthält (Nachw. bei Walter, in: EMRK/GG Konkordanz-Kommentar, Kap. 17 Rn. 29 - 31). Die vielfachen Versuche, ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung in die Menschenrechtskonvention aufzunehmen, haben keinen Erfolg gehabt (vgl. im Einzelnen OVG Hamburg, Beschl. vom 2.9.1998 a.a.O.). Art. 9 EMRK gewinnt auch nicht deshalb neuen Inhalt, weil Art. 10 Abs. 2 der Grundrechte-Charta der EU, die nicht in Kraft ist, das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen nach den einzelstaatlichen Gesetzen anerkennt, welche die Ausübung dieses Rechts regeln (mit gegenteiliger Tendenz Walter a.a.O.).
b. Damit steht zugleich fest, dass der Antragsteller keine Aufenthaltserlaubnis aus § 25 Abs. 3 i.V.m. § 60 Abs. 5 AufenthG erhalten kann. Ebenso ist nichts dafür dargelegt und im Übrigen auch sonst nicht ersichtlich, dass ein Abschiebehindernis aus § 60 Abs. 7 AufenthG in Betracht kommt oder die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG verlängert werden könnte.
3. Der Antragsteller hat als Unterlegener gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG. Prozesskostenhilfe war mangels Erfolgsaussichten nicht zu bewilligen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Ende der Entscheidung
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