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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 3 Bs 204/07
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 16
AufenthG § 104 a
1. Eine Ausnahme von der Regel des § 16 Abs. 2 AufenthG, wonach während eines Aufenthalts zum Zweck des Studiums keine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt werden soll, wird nicht bereits durch den Umstand begründet, dass der Ausländer im Bundesgebiet in familiärer Lebensgemeinschaft mit seinem während des Studienaufenthalts geborenen ausländischen Kind und der Kindesmutter lebt.

2. Der Aufenthalt mit einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums steht nicht den Aufenthaltszeiten im Sinne des § 104 a Abs. 1 AufenthG gleich.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

3 Bs 204/07

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Kollak am 21. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 9. August 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert von 2.500,-- Euro.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 6. August 2007, mit dem sein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 10. Mai 2007 abgelehnt wurde, ist nicht begründet. Die mit dem Beschwerdevorbringen dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ausschließlich zu prüfen hat, rechtfertigen es nicht, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.

a) Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass der Antragsteller bis zum 29. März 2007 gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken gewesen sei. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG solle während des Aufenthalts nach § 16 Abs. 1 AufenthG in der Regel keine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch bestehe. Im vorliegenden Fall könne sich ein solcher Anspruch nur aus § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit der Weisung Nr. 1/2006 ergeben. Deren Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor, weil der Antragsteller sich nicht seit mindestens acht Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalte. Für einen Ausnahmefall, der den Regelversagungsgrund des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG beseitige, sei nichts ersichtlich.

b) Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Antragsteller vor, dass er sich nunmehr auf die zwischenzeitlich in Kraft getretenen Bestimmungen des § 104 a AufenthG berufen könne. Sein Aufenthalt werde seit dem 10. Mai 2007 nur noch geduldet. Er lebe mit einem minderjährigen Kind in häuslicher Gemeinschaft und seit mehr als sechs Jahren erlaubt in der Bundesrepublik. Nach dem Grundsatz a majore ad minus sei eine Aufenthaltserlaubnis aus anderen Gründen derjenigen aus humanitären Gründen im Sinne des § 104 a AufenthG gleichzustellen. Denn Sinn und Zweck der Norm sei es, hinreichend integrierten Ausländern den weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik aus humanitären Gründen im Sinne einer Altfallregelung zu ermöglichen. Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis aus anderen als humanitären Gründen seien im Zweifel eher mehr und nicht weniger integriert als jemand, der sich hier mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen aufgehalten habe.

Mit diesem Vorbringen dringt der Antragsteller nicht durch. Zum einen könnte es an der Voraussetzung fehlen, dass sich aus § 104 a AufenthG ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ergibt, dem Antragsteller aber im Hinblick auf § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG grundsätzlich eine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck als zum Zweck des Studiums nur bei Vorliegen eines gesetzlichen Anspruchs erteilt werden darf. Die Beschwerde setzt sich insoweit nicht mit der Auffassung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass ein "Soll-Anspruch" kein gesetzlicher Anspruch ("Ist-Anspruch") im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist. Der Anwendbarkeit von § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die vom Antragsteller nicht bestritten wird, dürfte auch der Umstand nicht entgegen stehen, dass der Antragsteller derzeit nicht mehr über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG verfügt. Die Beschränkung des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG dürfte unabhängig hiervon bis zu einer Ausreise des Antragstellers gelten (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 30.5.2007, InfAuslR 2007, 380; OVG Münster, Beschl. v. 21.8.2006, 18 B 1472/06, juris; 16.2.3 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 22. Dezember 2004 zu § 16).

Zum anderen sind jedenfalls die Voraussetzungen des § 104 a Abs. 1 AufenthG im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht gegeben. Denn der Antragsteller hat sich zum Stichtag am 1. Juli 2007 nicht seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten, sondern mit einer bis zum 29. März 2007 gültigen Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums. Die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums ist nicht gleich zu setzen mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Der Wortlaut des § 104 a Abs. 1 AufenthG ist insoweit eindeutig. Sinn und Zweck der Regelung ist es nicht, im Sinne einer Auffangregelung allen hier integrierten Ausländern den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Vielmehr handelt es um eine Bleiberechtsregelung nur für die begrenzte Gruppe ausreisepflichtiger und geduldeter oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen versehener, aber gleichwohl integrierter Ausländer, um deren Bedürfnis nach einer dauerhaften Perspektive in Deutschland Rechnung zu tragen.

c) Soweit der Antragsteller sich unter Hinweis auf seinen erstinstanzlichen Schriftsatz vom 5. Juli 2007 darauf beruft, er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sich aus dieser Vorschrift kein - im vorliegenden Fall im Hinblick auf § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erforderlicher - gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ergibt.

d) Es ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht eine Ausnahme von § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG verneint hat. Um zu vermeiden, dass entgegen der Regelung ein Daueraufenthalt erwirkt wird, rechtfertigen nur besonders gelagerte Sachverhalte im Ausnahmefall die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. Walther, in: Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand November 2007, II § 16 Rn. 16). Das ist nur der Fall, wenn der Wechsel des Aufenthaltszwecks aufgrund objektiver und nicht in der Sphäre des Ausländers liegender Umstände erforderlich wird (vgl. Walther, a. a. O.). Davon kann im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden. Der Antragsteller begehrt die Aufenthaltserlaubnis, um sich zusammen mit seiner am 23. Dezember 2006 geborenen Tochter und der Kindesmutter hier auf Dauer weiter aufhalten zu können. Diese allein vom Antragsteller zu verantwortende Fallkonstellation rechtfertigt es nicht, dem Antragsteller entgegen dem Zweck der gesetzlichen Regelung ohne vorherige Ausreise einen Daueraufenthalt im Anschluss an sein nicht erfolgreich abgeschlossenes Studium zu ermöglichen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 13.4.2007, 2 Bs 56/07). Sie betrifft zudem alle Ausländer, die während ihres vorübergehenden Aufenthalts zu Studienzwecken Vater eines sich im Bundesgebiet aufhaltenden Kindes werden, ohne dadurch einen gesetzlichen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu erlangen.

Die Auffassung des Antragstellers, ein Ausnahmefall sei stets schon dann anzunehmen, wenn dies erforderlich sei, um eine Beeinträchtigung des betroffenen Ausländers in seinem Grundrecht zu vermeiden, und der Antragsteller könne sich auf Art. 6 GG und Art 8 Abs. 1 und 2 EMRK berufen, trifft schon insoweit nicht zu, als sich im vorliegenden Fall weder aus Art. 6 GG noch aus Art. 8 EMRK ein Hindernis für die zeitweilige Trennung des Antragstellers von seiner Tochter und der Kindesmutter ergibt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005, InfAuslR 2006, 122, m. weit. Nachw.). Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm verpflichtet die Ausländerbehörde lediglich, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Das schließt es nicht aus, den weiteren Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet zur Durchsetzung der Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht zu gestatten.

Im Übrigen ist dem Interesse des Antragstellers am Verbleib im Bundesgebiet ein geringeres Gewicht beizumessen als dem normierten öffentlichen Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Ausländern nach Wegfall des vorübergehenden Aufenthaltszwecks. Die Tochter des Antragstellers und die Kindesmutter sind ebenso wie der Antragsteller serbische Staatsangehörige. Die Kindesmutter ist nach den Angaben der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 11. Oktober 2007 nicht (mehr) im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis. Auch ihr Aufenthalt war ein vorläufiger zum Zweck des Studiums. Es ist dem Antragsteller deshalb zuzumuten, sich für eine kürzere Zeit von seiner Tochter und der Kindesmutter zu trennen oder die Beziehung im gemeinsamen Heimatland fortzusetzen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 8 EMRK. Unabhängig von der Frage, ob durch die Nichterteilung einer Aufenthaltserlaubnis im vorliegenden Fall überhaupt in ein Schutzgut des Art. 8 Abs. 1 EMRK eingegriffen wird, weil der Antragsteller sein Privat- und Familienleben im Anschluss an einen zweckgebundenen vorübergehenden Aufenthaltsstatus auch in Serbien führen könnte (vgl. die entsprechenden Erwägungen der Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid vom 18.7.2007), zeigt die Beschwerde nicht auf, dass die zeitweilige Trennung des Antragstellers von seiner Tochter und der Kindesmutter oder die Fortsetzung der Beziehung im gemeinsamen Heimatland unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK wäre. Solche Gründe lassen sich auch dem Schriftsatz des Antragstellers vom 5. Juli 2007 an die Antragsgegnerin, auf den die Beschwerde verweist und der sich im Wesentlichen mit der Rechtsprechung zu Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK auseinandersetzt, nicht entnehmen.

e) Der vom Antragsteller erst mit Schriftsatz vom 26. September 2007, bei Gericht eingegangen am 1. Oktober 2007, geltend gemachte Umstand, dass der Antragsteller inzwischen am 25. September 2007 die Kindesmutter seiner Tochter geheiratet hat und deshalb nun einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 29 AufenthG habe, kann in diesem Verfahren gemäß § 146 Abs. 4 VwGO nicht zu Gunsten des Antragstellers berücksichtigt werden, weil er nicht innerhalb der Begründungsfrist, die am 10. September 2007 ablief, geltend gemacht worden ist (vgl. Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Ergänzungslieferung 2007, § 146 Rn. 13a; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 146 Rn. 84)); das unmittelbare Bevorstehen der Eheschließung ist als Beschwerdegrund nicht vorgetragen gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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