Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.05.2008
Aktenzeichen: 1 Bf 108/07
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 124a Abs. 4 Satz 4
VwGO § 161 Abs. 2 Satz 1
1. Wird ein Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz übereinstimmend für erledigt erklärt, bevor über den Antrag auf Zulassung der Berufung entschieden ist, ist im Rahmen der Prüfung des voraussichtlichen Verfahrensausgangs (161 Abs. 2 Satz 1 VwGO) zunächst zu prüfen, ob der Zulassungsantrag voraussichtlich Erfolg gehabt hätte. Nur im Fall, dass diese Frage zu bejahen ist, ist weiter zu prüfen, welche Erfolgsaussicht die zugelassene Berufung gehabt hätte.

2. Hat sich der Rechtsstreit bereits vor Ablauf der Frist für die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) erledigt, sind die Umstände, aus denen sich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergeben soll, grundsätzlich innerhalb der Frist für die Begründung des Zulassungsantrags darzulegen. Anderes mag evtl. gelten, wenn die Erledigung bereits vor Klagerhebung oder während des erstinstanzlichen Verfahrens eingetreten ist und das Verwaltungsgericht in seinem Urteil hierauf an keiner Stelle eingeht.


Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt.

Das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. Februar 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg ist wirkungslos.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000.- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger, ein Polizeibeamter, erstrebte die Verpflichtung der Beklagten, ihn zur Zugangsprüfung zur Ausbildung zum Laufbahnabschnitt II zuzulassen. Seine hierauf gerichtete Klage blieb beim Verwaltungsgericht ohne Erfolg, da er die vom Gericht als rechtsgültig erachtete Altersgrenze des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HmbLVOPol (a.F.) überschritten habe und eine (erneute) Ausnahmeregelung nicht verlangen könne. Gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. Februar 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts stellte der Kläger den Antrag auf Zulassung der Berufung, über den bislang nicht entschieden wurde. Nachdem der Kläger aufgrund des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen neuen Laufbahnverlaufsmodells am 31. März 2008 zum Polizeikommissar ernannt worden und damit in den Laufbahnabschnitt II gelangt war (§ 2 Abs. 2 Satz 2 HmbLVOPol in der Fassung der Änderungsverordnung vom 18.12.2007, HmbGVBl. S. 466), erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

II.

1. Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

2. Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des ganzen Verfahrens zu entscheiden und zwar unabhängig davon, dass über den Antrag auf Zulassung der Berufung noch nicht entschieden worden war (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 23.11.1999, NVwZ 2000, 1317 m.w.N.). Billigem Ermessen entspricht es hier, dem Kläger die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da die Berufung aufgrund seines Zulassungsantrags voraussichtlich nicht zugelassen worden wäre.

Im Rahmen der Prüfung des voraussichtlichen Verfahrensausgangs ist hier zunächst zu prüfen, ob der Zulassungsantrag voraussichtlich Erfolg gehabt hätte. Nur im Fall, dass diese Frage zu bejahen ist, ist weiter zu prüfen, welche Erfolgsaussicht die zugelassene Berufung gehabt hätte (vgl. Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 161 Rn. 78 ff.; OVG Hamburg, Beschl. v. 16.3.1998, NVwZ-RR 1998, 461).

a) Zu Lasten des Kläger muss sich zunächst auswirken, dass er das eigentliche Ziel seines Rechtsmittelbegehrens, zur Zugangsprüfung zur Ausbildung für den Laufbahnabschnitt II zugelassen zu werden (vgl. die um die Wörter "zur Zugangsprüfung" sachgerecht zu ergänzende Antragsankündigung im Schriftsatz vom 21.2.2008), jedenfalls mit seinem Rechtsmittel (wahrscheinlich schon mit der am 11. Mai 2005 erhobenen Klage) nicht hätte erreichen können. Sein Begehren auf Zulassung zur Prüfung beruhte auf seiner Bewerbung vom 22. November 2004 aufgrund der Ausschreibung vom 25. Oktober 2004. In dieser Ausschreibung (wie auch in der Vereinbarung zwischen der Polizei und dem Personalrat der Polizei vom 1. Juni 2004, dort Ziffer 2.3 am Ende) hieß es: "Die Bewerbung gilt nur für das ausgeschriebene Auswahlverfahren." Eine Bewerbung gewissermaßen auf Vorrat ist damit eindeutig nicht vorgesehen. Dies ist auch sinnvoll, da sich z.B. die Eignungsbeurteilung eines Beamten für die Zulassung zur Ausbildung im Laufe der Zeit ändern kann. Die Zugangsprüfung im Rahmen des Auswahlverfahrens, das aufgrund der Ausschreibung vom 25. Oktober 2004 durchgeführt wurde, fand am 10., 11. und 12. Mai 2005 statt, worauf die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 26. Mai 2005 hingewiesen hatte. Die dreijährige Ausbildung der berücksichtigten Bewerber begann im Herbst 2005 und wird demnach in wenigen Monaten abgeschlossen sein. Der Kläger hätte somit gar nicht mehr erreichen können, in das Auswahlverfahren aufgrund der Ausschreibung vom 25. Oktober 2004 und in die daraufhin am 1. Oktober 2005 begonnene Ausbildung einbezogen zu werden. Eine Prüfung der vorgetragenen Berufungszulassungsgründe hätte sich insoweit erübrigt. Wie bereits dargelegt, kommt eine Zulassung zu einer irgendwann in den Folgejahren beginnenden Ausbildung aufgrund einer "Vorratsbewerbung" nicht in Betracht.

b) Aufgrund eines gerichtlichen Hinweisschreibens hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21. Februar 2008 angekündigt, im Berufungsverfahren (auch) einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zu stellen, und hat Ausführungen zum Feststellungsinteresse gemacht.

Der nicht näher substantiierte Hinweis auf etwaige Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche hätte ein hinreichendes Feststellungsinteresse schon deshalb nicht begründen können, da der Kläger durch die Nichtzulassung zur Prüfung keinen Schaden erlitten hat. Selbst unter optimalen Bedingungen (Zulassung zur Zugangsprüfung, Bestehen der Zugangsprüfung mit sehr gutem Ergebnis - zum Studienbeginn 1. Oktober 2005 bestand nur ein Bedarf von 15 Beamten bei mehr als 200 Bewerbern) hätte ihm erst nach erfolgreichem Abschluss der Laufbahnprüfung (im Herbst 2008) und Bewährung in Dienstgeschäften des Laufbahnabschnitts II ein Amt des Laufbahnabschnitts II verliehen werden dürfen (§ 2 Abs. 6 Satz 2 HmbLVOPol a.F.), während er dies nun durch die Ernennung zum Polizeikommissar am 31. März 2008 bereits innehat.

Ob die erstmals im Schriftsatz vom 21. Februar 2008 und damit lange nach Ablauf der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgetragenen Umstände, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen sollen, überhaupt berücksichtigungsfähig sind, ist zweifelhaft. Die Umstände, aus denen sich eine Entscheidungserheblichkeit der dargelegten Berufungszulassungsgründe ergibt, sind, sofern hierzu Veranlassung besteht, innerhalb der Frist für die Begründung des Zulassungsantrags vorzutragen. Für den Fall der Erledigung des Rechtsstreits (vor Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist) sind die Umstände darzulegen, aus denen sich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinn des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ergeben soll. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Eintritt der Erledigung in tatsächlicher Hinsicht offenkundig ist und rechtlich nicht zweifelhaft sein kann (so für den Fall der Nichtzulassungsbeschwerde BVerwG, Beschl. v. 21.8.1995, NVwZ-RR 1996, 122). Dass der Kläger eine Zulassung zu der Zugangsprüfung aufgrund der Ausschreibung vom 25. Oktober 2004 wegen Zeitablaufs nicht mehr erreichen konnte, lag auf der Hand; die Beklagte hatte zudem frühzeitig im erstinstanzlichen Verfahren darauf hingewiesen. Indes kann nicht übersehen werden, dass auch das Verwaltungsgericht, das über die Klage in voller Besetzung entschieden hat, hierauf in seiner Entscheidung mit keinem Wort eingegangen ist, so dass es die Anforderungen an den Klägerbevollmächtigten hinsichtlich der Rechtsmittelbegründung möglicherweise überspannen würde, wenn von ihm hier verlangt würde, schon mit der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung Ausführungen zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu machen.

Dies mag letztlich dahinstehen, da die vorgetragenen Gründe für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse in dem Zeitpunkt, als sie vorgebracht wurden (Schriftsatz vom 21. Februar 2008), bei realistischer Betrachtung nicht mehr bestanden haben. Zwar ist der Kläger erst am 31. März 2008 zum Polizeikommissar ernannt worden, doch war das Ernennungsverfahren längst vorher eingeleitet worden. Wie sich aus der aktuell vervollständigten Personalakte des Klägers ergibt, wurde ihm am 13. Februar 2008 eine dienstliche Beurteilung eröffnet, die aus dem Anlass "Ernennung zum Polizeikommissar" erstellt worden war. Aus ihr ergibt sich auch, dass mit dem Kläger Anfang Januar 2008 ein Leistungs- und Potenzialgespräch geführt worden war. Es liegt nahe, dass hierbei mit dem Kläger die Möglichkeit des "ausbildungslosen" Aufstiegs in den Laufbahnbahnabschnitt II aufgrund der soeben in Kraft getretenen Änderung der Verordnung über die Laufbahn der hamburgischen Polizeivollzugsbeamten (§ 4 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1, 2. Alternative HmbLVOPol) besprochen wurde. Dem Kläger dürfte auch bereits zu Anfang des Jahres 2008 eine neue Funktion übertragen worden sein (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 3 HmbLVOPol), da er rückwirkend zum 1. Januar 2008 in eine freie Planstelle eines Polizeikommissars eingewiesen worden ist. Angesichts all dessen war der Hinweis im Schriftsatz vom 21. Februar 2008, der Kläger habe die Absicht, sich bei Bestätigung seiner Rechtsauffassung von der Unvereinbarkeit der Höchstaltersgrenze des § 15 Abs. 1 (jetzt Abs. 2) Satz 1 Nr. 1 HmbLVOPol mit höherrangigem Recht auf eine erneute Ausschreibung für die Ausbildung zum Laufbahnabschnitt II zu bewerben, nicht mehr realistisch.

c) Angesichts dessen ist eine überschlägige Prüfung, ob die dargelegten Gründe eine Zulassung der Berufung gerechtfertigt hätten und ob ggf. eine Berufung Erfolg gehabt hätte, nicht mehr veranlasst.

III.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Da es dem Kläger nur um die Zulassung zu einer Zugangsprüfung ging, die zwar notwendige, längst aber nicht hinreichende Bedingung für einen Aufstieg gewesen wäre, kommt eine Anwendung des § 52 Abs. 5 GKG nicht in Betracht.

Ende der Entscheidung

Zurück