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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 01.09.2006
Aktenzeichen: 1 Bf 392/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, SGB I, Versstatut


Vorschriften:

ZPO § 850 b
BGB § 394
SGB I § 51
SGB I § 54
Versstatut § 18
Das ärztliche Versorgungswerk kann gegen einen Anspruch auf Sterbegeld nicht mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen überzahlter Renten aufrechnen.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Im Namen des Volkes Urteil

1 Bf 392/04

In der Verwaltungsrechtssache

Verkündet am 1. September 2006

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, E.-O. Schulz und die Richterin Huusmann sowie den ehrenamtlichen Richter Feddern und die ehrenamtliche Richterin Leskovar für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Änderung ihres Bescheides vom 10. November 2003 und Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2004 verpflichtet, an die GmbH in ... Bestattungsinstitut ... 3.605,31 Euro zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Auszahlung von Sterbegeld und wendet sich dagegen, dass die Beklagte gegen den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Auszahlung von Sterbegeld mit einer Rückforderung überzahlter Rente aufrechnet.

Kläger ist/sind der die durch den Nachlasspfleger vertretene unbekannte Erbe des am 30. September 2003 verstorbenen Arztes Dr. ... Dieser war Mitglied des Versorgungswerkes der Beklagten und bezog seit dem 1. März 2003 Altersrente. In Unkenntnis des Todes ihres Versicherten zahlte die Beklagte die Renten für Oktober und November 2003 auf ein Konto des Verstorbenen bei der Hamburger Sparkasse. Die Hamburger Sparkasse weigert sich, die überzahlte Altersrente an die Beklagte zurückzuzahlen und rechnete die Rückzahlungsforderung mit eigenen Forderungen gegen den Verstorbenen auf.

§ 18 des Versorgungsstatuts der Ärztekammer Hamburg vom 18. Februar 2002 lautet:

"Für das verstorbene Mitglied wird ein Sterbegeld in Höhe von drei Monatsbeträgen der statutgemäß ohne Anwendung von § 17 Absatz 10 zustehenden Altersrente gezahlt. Bezugsberechtigt sind, sofern sie die Bestattungskosten tragen, der Ehegatte, die Kinder oder andere Personen."

Mit Schreiben vom 5. November 2003 bat der Kläger die Beklagte, das Sterbegeld für den Verstorbenen direkt an das mit der Beerdigung beauftragte Beerdigungsinstitut zu zahlen, das 5.441,50 Euro für die Beisetzung berechnet habe. Mit Bescheid vom 10. November 2003 stellte die Beklagte fest, dass nach § 18 Satz 2 ihres Versorgungsstatuts ein Anspruch auf Sterbegeld in Höhe von 5.508,57 Euro bestehe und teilte mit, dass sie die für Oktober und November überzahlte Altersrente in Höhe von 3.672,38 Euro verrechne und dem gemäß 1.836,19 Euro überweise. Dagegen legte der Nachlasspfleger Widerspruch mit der Begründung ein, ihm stehe das Sterbegeld zu, da er als andere Person die Bestattung veranlasst habe. Hingegen seien die Überzahlungen der Renten an die Hamburger Sparkasse bzw. die Erben erfolgt, so dass es an einer Aufrechnungslage fehle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Der Kläger sei als Nachlasspfleger als Partei kraft Amtes an die Stelle der unbekannten Erben getreten und vertrete diese als Inhaber des Sterbegeldanspruches. Deshalb bestehe eine Aufrechnungslage. Mit der Gutschrift auf dem Konto der Hamburger Sparkasse des Verstorbenen habe sie ihre Leistung erbracht. Damit habe der Kläger die Sterbegeldzahlung unabhängig davon erlangt, ob die Hamburger Sparkasse berechtigt gewesen sei, die so entstandene Gutschrift des Erblassers mit dessen Schulden zu verrechnen. Der Nachlass sei auch nicht durch die von der Hamburger Sparkasse vorgenommene Verrechnung entreichert. Denn er sei in gleicher Höhe von einer Verbindlichkeit gegenüber der Sparkasse entlastet worden.

Nach der am 19. Mai 2004 erfolgten Zustellung dieses Bescheides hat der Kläger am Montag, den 21. Juni 2004 Klage erhoben und vorgetragen: Die Beklagte dürfe nicht mit der Sterbegeldforderung aufrechnen, da dieses an denjenigen zu zahlen sei, der die Bestattungskosten trage; das Sterbegeld diene dazu, den Verstorbenen würdig beizusetzen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 10. November 2003 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2004 zu verurteilen, an die GmbH in Fa. ... Bestattungsinstitut ... einen Betrag von 3.605,31 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat den Antrag gestellt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ihre Bescheide verteidigt.

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat die Klage mit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2004 ergangenem Urteil abgewiesen: Die Beklagte habe die Sterbegeldforderung zu Recht mit den überzahlten Rentenbeträgen aufgerechnet. Der Beklagten stehe ein öffentlich-rechtlicher Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der überzahlten Rentenbeträge gegen die Erben zu. Die Erben seien auch nicht entreichert. Gegenstand des verwaltungsrechtlichen Verfahrens sei nur das Verhältnis der Beklagten zu den Erben. Dieser Erstattungsanspruch stehe zu dem Sterbegeldanspruch in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Nach § 18 Satz des Versorgungsstatuts sei entscheidend, wen die wirtschaftliche Belastung für die Begräbniskosten letztlich treffe. Dies seien in der Regel die Angehörigen, die auf eigene Rechnung ein Bestattungsunternehmen mit der Beisetzung beauftragten. Deshalb entstehe der Sterbegeldanspruch nicht in der Person des Verstorbenen, sondern in Gestalt eines gesetzlich bestimmten Dritten. Kostenträger seien jedenfalls die Erben, wenn die Erben - wie hier - unbekannt seien und der Nachlasspfleger ein Beerdigungsinstitut beauftrage. Auch die übrigen Anforderungen für eine Aufrechnung seien gegeben. Insbesondere sei die Aufrechnung nicht mit Treu und Glauben unvereinbar. Zweck des Sterbegeldes sei es nicht allein, ein würdige Bestattung zu sichern. Denn das Sterbegeld knüpfe schon der Höhe nach nicht an die Bestattungskosten an, sondern an die der Altersrente.

Mit seiner durch Beschluss des Berufungsgerichts vom 23. März 2005 zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend: Die unbekannten Erben seien als andere Personen im Sinne des § 18 Satz 2 Versstatut berechtigt, das Sterbegeld zu beziehen. Damit entspreche die Fallgestaltung der des § 58 Satz 2 SGB V, nach der die gesetzlichen Krankenkassen Sterbegeld an denjenigen zahlten, der die Bestattungskosten trüge. Nach § 51 Abs. 1 SGB I dürfe gegen das Sterbegeld aber nicht aufgerechnet werden, da die Sterbegeldforderung nicht pfändbar sei. Denn das Sterbegeld dürfe nur mit den Beitragsforderungen der Krankenkassen verrechnet werden, aber nicht mit Forderungen aus überzahlten Renten. Entsprechende Regelungen bestünden auch für andere Sterbegeldforderungen, für die der gleiche Grundgedanke gelte. Auch verkenne das Verwaltungsgericht, dass die Sterbegeldforderung nicht über die Höhe der tatsächlichen Bestattungskosten hinausgehe, sondern diese es kappten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. September 2004 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 10. November 2003 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2004 zu verurteilen, an die GmbH in Fa...Bestattungsinstitut ... 3.605,31 Euro zu zahlen.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte erwidert: Nach dem Sinn und Zweck der §§ 394 BGB, 850 b) Abs. 1 Nr. 4 ZPO solle das Aufrechnungsverbot im öffentlichen Interesse verhindern, dass dem Gläubiger der unpfändbaren Forderung der Lebensunterhalt entzogen werde und deshalb der Staat eingreifen müsse. So liege es hier nicht. Im Übrigen zeige § 394 Satz 2 BGB, dass eine Aufrechnung von Sterbegeldzahlungen gegen geschuldete Beiträge zulässig sein solle. Insoweit komme den Belangen der Versichertengemeinschaft der Vorrang vor denen des Staates zu. Dieser Grundgedanke gelte auch hier. Der Fall, dass der Versicherte unberechtigter Weise Leistungen bezogen habe, sei dem der regelmäßigen Beitragszahlungen gleichzustellen, auf die die Krankenkassen angewiesen seien. Wären die überzahlten Renten nicht mit dem Sterbegeld zu verrechnen, so würden der Versichertengemeinschaft Beiträge entzogen, die dann für die Leistungen an die Mitglieder nicht mehr zur Verfügung stünden.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sachakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg hat keinen Bestand. Dem Kläger steht gemäß § 18 Versorgungsstatut der Ärztekammer Hamburg vom 18. Februar 2002 - Versstatut - Sterbegeld zu. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht umstritten, dass den unbekannten Erben des Erblassers nach § 18 Versstatut ein Anspruch auf Sterbegeld zusteht. Diesen hat die Beklagte mit Bescheid vom 10. November 2003 auf 5.508,57 Euro festgesetzt und damit einen Betrag, der die Klagforderung von noch zu zahlenden 3.605,31 Euro zuzüglich der von der Beklagten an den Bestatter bereits geleisteten 1.836,19 Euro zusammen 5441,15 Euro geringfügig übersteigt. Gegen diesen Sterbegeldanspruch kann die Beklagte nicht mit dem von ihr geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erstattung überzahlter Renten aufrechnen.

1. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Rechtsvorschriften, nämlich dem auch im öffentlichen Recht Anwendung findenden Rechtsinstitut der Aufrechnung (vgl. BVerwG, Urt. vom 10.4.1977, DÖV 1997, 875). Die allgemeinen Rechtsvorschriften sind anzuwenden, da es an einer unmittelbar anwendbaren Regelung über die Aufrechenbarkeit des Sterbegeldanspruches fehlt. § 29 Satz 4 Versstatut ist insoweit auch nach der Auffassung der Beklagten nicht einschlägig. Nach dieser Bestimmung kann die Beklagte mit ihren Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen nur gegen Ansprüche auf laufende Versorgungsleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen. Darum geht es hier nicht. Die Beklagte will gegen einen Anspruch auf eine einmalige Leistung aufrechnen.

2. Nach dem danach anzuwendenden § 394 Satz 1 BGB kann gegen einen unpfändbaren Anspruch nicht aufgerechnet werden. Der Sterbegeldanspruch aus § 18 Versstatut ist unpfändbar. Zwar besteht - worauf die Beklagte richtig hinweist - keine Regelung, die unmittelbar die Unpfändbarkeit des Sterbegeldes anordnet. Jedoch folgt die Unpfändbarkeit aus einer entsprechenden Anwendung des § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Danach sind Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, unpfändbar, wenn die Versicherungssumme 3579,-- Euro nicht übersteigt.

a) Diese Vorschrift bezieht sich auf Versicherungsleistungen, die allein auf den Todesfall abgeschlossen werden und dazu dienen, die Sterbekosten abzudecken (Stöber in Zöller, ZPO, 50. Aufl. § 850 Rdnr. 10; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl. § 850 b Rdnr. 14; Kemper in Saenger, ZPO, § 850 b Rdnr. 7; BVerfG, Beschl. vom 3.5.2004, NJW 2004, 2585). Zwar handelt es sich bei dem Sterbegeldanspruch nach § 18 Versstatut nicht um einen Anspruch aus einer derartigen Risikolebensversicherung, sondern aus einem öffentlich-rechtlichen Versorgungswerk. Der Anspruch auf Sterbegeld dient aber in gleicher Weise dazu, denjenigen, der für die Bestattungskosten aufzukommen hat, vor einer Pfändung und damit auch einer Aufrechnung des ihm zustehenden Sterbegeldanspruches zu schützen wie dies bei den sogenannten Sterbegeldversicherungen der Fall ist. Mit der Pfändungsschutzbestimmung des § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO wollte der Gesetzgeber (vgl. BT-Drucks. 1/4452 S. 3) entgegen dem Vorbringen der Beklagten die Versicherungen erfassen, mit denen vor allem die Bestattungskosten abgedeckt werden sollen und die Personen entlasten, die die Kosten der Bestattung eines Schuldners zu tragen haben (vgl. BVerfG a.a.O.). Diese Erwägung gilt gleichermaßen für den Sterbegeldanspruch aus § 18 Versstatut. Auch diese Bestimmung spricht das Sterbegeld nicht gleichsam automatisch den Erben des Erblassers zu, sondern den Personen, die die Bestattungskosten tragen. Dies müssen nicht die Versorgungsberechtigten sein. Es handelt sich nicht um einen Anspruch der Hinterbliebenenversorgung. Denn nach § 18 Satz 2 Versstatut sind der Ehegatte, die Kinder oder andere Personen nur bezugsberechtigt, sofern sie die Bestattungskosten tragen. Deshalb überzeugt der Hinweis der Beklagten nicht, das Sterbegeld werde nicht wie die pfändungsfreien Bezüge aus Witwen-, Waisen-, Hilfs- und Krankenkassen ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt. Zum einen liegt die Zweckbestimmung des § 18 Versstatut darin, diejenigen zu unterstützen, die für die Bestattungskosten aufkommen. Zum anderen erweitert § 850 Abs. 1 Nr. 4 ZPO den Pfändungsschutz gerade auf die dort genannten Versicherungen. Eine Versicherungsleistung, wenn auch keine Lebensversicherungsleistung, stellen der Sache nach auch die Leistungen des ärztlichen Versorgungswerkes dar, für die die Berechtigten zuvor nach den §§ 21 ff. Versstatut Versorgungsbeiträge zu entrichten haben.

b) Eine entsprechende Anwendung des § 850 Abs. 1 Nr. 4 ZPO entfällt auch nicht deshalb, weil diese Bestimmung nur Lebensversicherungen bis zu einer Höchstsumme von 3579,-- Euro schützt, während der Sterbegeldanspruch aus § 18 Versstatut sich auf drei Monatsbeträge der nicht nach § 17 Abs. 10 Versstatut erhöhten Altersrente beläuft und damit - wie auch im vorliegenden Fall - den Höchstbetrag nach § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO übersteigen kann.

Mit dem Höchstbetrag von 3579,-- Euro will der Gesetzgeber sicherstellen, dass nur solche Lebensversicherungen privilegiert werden, mit denen die bei dem Tode des Versicherungsnehmers anfallenden Kosten abgedeckt werden sollen. Deshalb sollten nach der ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehenen Fassung (BT-Drucks. 1/4452 S. 20) nur Sterbegeldversicherungen bedingt pfändungsfrei bleiben und nicht etwa auch kombinierte Kapital- und Risikolebensversicherungen. Ausweislich der Gesetzesbegründung a.a.O. sollten nur Versicherungsansprüche der Pfändung entzogen sein, "wenn die Zweckbestimmung - Deckung der bei dem Tode des Versicherungsnehmers anfallenden Ausgaben, insbesondere der Bestattungskosten - hinreichend gesichert ist." Einer betragsmäßigen Begrenzung bedarf es aber dafür bei dem Sterbegeld nach § 18 Versstatut nicht. Insoweit besteht kein Bedürfnis, die pfändungsfreien Lebensversicherungen gegenüber den pfändbaren Lebensversicherungsleistungen und insbesondere den gemischten Versicherungen abzugrenzen. § 18 Versstatut dient - wie seine Bezeichnung Sterbegeld und die Bestimmung der Bezugsberechtigten zeigen - schon bestimmungsgemäß dazu, die Todesfall- und insbesondere die Bestattungskosten abzudecken und nicht dafür, die Bezugsberechtigten darüber hinaus finanziell zu begünstigen. Insoweit unterscheidet sich das Sterbegeld nach § 18 Versstatut von dem Sterbegeld nach § 37 BVG für die Kriegsopfer. Dieses wird zwar insoweit dem Sterbegeld nach § 18 Versstatut vergleichbar in Höhe des Dreifachen der Versorgungsbezüge gezahlt. Es wird aber nicht wie das Sterbegeld nach § 18 Versstatut an denjenigen gezahlt, der die Bestattungskosten trägt, sondern in der nach § 37 Abs. 2 BVG bestimmten Reihenfolge an denjenigen, den der Verstorbene unterhalten hat. Damit verfolgt das im Rahmen der Kriegsopferversorgung zu zahlende Sterbegeld anders als das Sterbegeld nach § 18 Versstatut und auch anders als das Bestattungsgeld nach § 36 BVG gerade nicht den Zweck, die Todesfallkosten abzudecken.

Demgegenüber verfängt der Einwand nicht, § 18 Versstatut begrenze die Höhe des Sterbegeldes nicht auf die der Bestattungskosten. Ersichtlich will die Vorschrift sicherstellen, dass der verstorbene Arzt in einer seiner beruflichen Stellung angemessenen würdigen Weise bestattet werden kann. Diesem Zweck entspricht es, an die Höhe der Altersrente anzuknüpfen und aus Gründen zweckmäßiger Pauschalierung auf eine Einzelabrechnung der Todesfallkosten zu verzichten.

c) Folgendes bestätigt, dass die mangels einer einschlägigen Bestimmung des Versorgungsstatuts bestehende Regelungslücke mit dem Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu schließen ist. § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO liegt ein über den Wortlaut hinausreichender allgemeiner Rechtsgrundsatz zugrunde, der Sterbegelder vor der Pfändung schützen will. Dieser hat u.a. seinen Niederschlag auch in § 850 a Nr. 7 ZPO gefunden, der Sterbebezüge aus Arbeits- und Dienstbezügen unpfändbar stellt. Es besteht kein Grund, Sterbebezüge aus Arbeits- und Dienstbezügen wie auch das beamtenrechtliche Sterbegeld (§ 18 BeamtVG) gemäß § 51 Abs. 3 BeamtVG und auch das der Soldaten nach § 48 Abs. 2 SVG vor einer Pfändung zu schützen, das Sterbegeld aus dem ärztlichen Versorgungswerk aber unbegrenzt der Pfändbarkeit zu unterwerfen.

d) Der entsprechenden Anwendung des § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf das ärztliche Sterbegeld steht ferner nicht entgegen, dass § 850 b Abs. 2 ZPO die "Sterbegeldversicherungen" auf den Todesfall nur bedingt unpfändbar stellt und sie nicht in gleichem Umfang schützt wie die Sterbezüge aus Dienst- und Arbeitsverhältnissen aus § 850 a Nr. 7 ZPO. Gemäß § 850 b Abs. 2 ZPO können diese Versicherungsleistungen (Sterbegeld) nach den für das Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird. Ferner muss die Pfändung nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, der Billigkeit entsprechen. Dies ändert nichts daran, dass § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO die dort genannten Sterbegeldversicherungen unpfändbar stellt damit nach § 394 Satz 1 BGB dem Gläubiger des Sterbegeldes die Möglichkeit der Aufrechnung mit eigenen Forderungen versperrt (vgl. Stöber a.a.O.). Denn § 850 b Abs. 2 ZPO erlaubt lediglich dem Vollstreckungsgericht im Pfändungsverfahren unter den in § 850 Abs. 2 ZPO geregelten Bedingungen eine Ausnahme von dem Pfändungsschutz zuzulassen. Die Pfändbarkeit begründet erst der konstitutive Beschluss des Vollstreckungsgerichts. Dies gilt auch im Verhältnis zur Aufrechnung (vgl. BGHZ 53, 41; Stöber a.a.O.). Die Einschaltung des Vollstreckungsgerichts, das gemäß § 850 b Abs. 3 ZPO die Beteiligten vor seiner Entscheidung zu hören hat, schützt den Schuldner im Falle einer Pfändung weit mehr als dies bei einer Auflockerung des aus dem Pfändungsschutz folgenden Aufrechnungsverbotes der Fall wäre. Letzteres würde es dem Gläubiger erlauben, seine Forderung im Wege der Aufrechnung durchzusetzen, ohne zunächst gegenüber dem Vollstreckungsgericht darzulegen, dass die Voraussetzungen des § 850 b Abs. 2 Nr. 4 ZPO gegeben sind.

e) Der entsprechenden Anwendung des § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der Beklagten um eine öffentlich-rechtliche Einrichtung handelt, während § 850 b ZPO privatrechtliche Gläubiger im Auge hat. Der Beklagten wird im Wege eines Rückgriffes auf die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften die Vergünstigung eingeräumt, aufrechnen zu dürfen statt gegen ihre Schuldner nur im Wege von Leistungsbescheiden vorgehen zu dürfen. Damit wird sie von den mit der aufschiebenden Wirkung von Widersprüchen gegen Leistungsbescheiden nach § 80 VwGO verbundenen Erschwerungen freigestellt. Deshalb erscheint angemessen, dass sie auch die nachteiligen Folgen der Anwendung zivilrechtlicher Grundsätze hinzunehmen hat.

f) Auf der anderen Seite ist zuzugeben, dass die Regelungen der §§ 51 Abs. 1, 54 Abs. 2 SGB I einen derart weit reichenden Schutz des Schuldners für die Aufrechnung gegen seine sozialrechtliche Ansprüche nicht kennen, wie ihn das Verfahren nach § 850 b Abs. 2 ZPO gewährt. Nach § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I unpfändbar sind. Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können gemäß § 54 Abs. 2 SGB I nur gepfändet werden, soweit die Pfändung nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung der Billigkeit entspricht. Diese Billigkeitsprüfung weicht von der nach § 850 b Abs. 2 ZPO vorzunehmenden Billigkeitsprüfung ab und stellt insbesondere nicht darauf ab, ob eine Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners Erfolg verspricht. Die Billigkeitsprüfung nach § 54 Abs. 2 SGB I hat der Leistungsträger im Falle einer Aufrechnung selbst vorzunehmen und der Schuldner hat - anders als nach § 850 b Abs. 2 ZPO - nur die Möglichkeit, die Billigkeitsentscheidung im Nachhinein von dem Gericht überprüfen zu lassen. Einer Einschaltung der Vollstreckungsbehörde oder des Vollstreckungsgerichts bedarf es danach nur soweit gepfändet wird aber nicht im Falle der Aufrechnung (vgl. Hauck in Hauck/Noftz, SGB I k § 54 Rdnr. 13).

Auf die Frage, ob die Sterbegeldforderung nach § 18 Versstatut in dem vorliegenden Fall unpfändbar wäre, wenn man auf sie den Billigkeitsmaßstab des § 54 Abs. 2 SGB I anwendete, kommt es indessen nicht an. Denn die §§ 51, 54 SGB I finden hier keine Anwendung. Zwar regeln diese Vorschriften das in mancher Hinsicht vergleichbare Sterbegeld der gesetzlichen Krankenversicherung nach den §§ 58, 59 SGB V, das durch Art. 1 Nr. 4 Gesetz vom 23. Dezember 2002 (BGB. I S. 4637) auf 525,-- Euro begrenzt und zum 1. Januar 2006 gänzlich entfallen ist. Jedoch handelt es sich bei dem Versorgungswerk der Beklagten nicht um einen Träger der gesetzlichen Sozialversicherung. Das Recht der ärztlichen Versorgungswerke ist nicht nach § 68 SGB I in das Sozialgesetzbuch einbezogen. Deshalb richtet sich die Aufrechenbarkeit des ärztlichen Sterbegeldes nach den allgemeinen Vorschriften der ZPO und des BGB und nicht den speziellen des Sozialgesetzbuches. Diese Sichtweise bestätigt § 51 Abs. 2 SGB I. Danach kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch wird. Auch diese Regelung umfasst nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Empfänger der Leistungen aus dem ärztlichen Versorgungswerk nicht. Deshalb hat die Beklagte insoweit in § 29 Satz 4 Versstatut eine parallele Regelung aufgenommen.

g) Auch ist die in dem Versorgungsstatut enthaltene Regelungslücke nicht im Wege der Analogie durch einen Rückgriff auf die §§ 51, 54 SGB I zu schließen. Es besteht kein Anlass, die Vorschriften des Sozialgesetzbuches heranzuziehen, weil gegenüber diesen speziellen Regelungen insoweit auf die allgemeinen Vorschriften des BGB und die Regelungen des Pfändungsschutzes der ZPO zurückgegriffen werden kann. Auch kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber das Recht der berufsständischen Versorgungswerke lediglich versehentlich nicht in den Geltungsbereich des SGB I einbezogen hat. Da dem Versorgungswerk ermöglicht wird, zur Durchsetzung seiner öffentlich-rechtlichen Forderungen auf das allgemeine Institut der Aufrechnung zurückzugreifen, muss es auch die für die Aufrechnung allgemein geltenden Beschränkungen hinnehmen und kann es nicht ohne satzungsmäßige oder gesetzliche Regelung eine Besserstellung im Vergleich zu anderen Gläubigern erwarten.

3. Schließlich hilft der Beklagten auch die Bestimmung des § 394 Satz 2 BGB nicht. Hiernach können geschuldete Beiträge gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine zu beziehenden Hebungen trotz des grundsätzlichen Aufrechnungsverbotes nach Satz 1 der Vorschrift aufgerechnet werden. Die Beklagte will nicht mit geschuldeten Versorgungsbeiträgen aufrechnen, sondern mit einem Erstattungsanspruch wegen überzahlter Altersrente. Dieser Erstattungsanspruch ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht deshalb den Beitragsansprüchen gleichzusetzen, weil die Versichertengemeinschaft nicht nur ein finanzielles Interesse an der Aufrechnung mit rückständigen Beitragsforderungen sondern auch mit Erstattungsansprüchen hat. Anderenfalls könnten alle Ansprüche des Versorgungswerkes den Beitragsansprüchen gleichgesetzt werden, da das Versorgungswerk naturgemäß ein finanzielles Interesse an der Durchsetzung aller ihrer finanziellen Forderungen hat. Dies kann aber nicht richtig sein. Der Gesetzgeber des § 394 Satz 2 BGB hat bewusst nur die Aufrechnung mit rückständigen Beiträgen privilegiert und nicht auch die mit Erstattungsansprüchen.

Auch der Blick auf § 51 Abs. 2 SGB I erlaubt nicht, den Erstattungsanspruch wie einen Beitragsanspruch zu behandeln und die Aufrechnung nach § 394 Satz 2 BGB zuzulassen. Nach dieser Regelung kann zwar der Leistungsträger nicht nur mit Beitragsansprüchen sondern auch mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen unter bestimmten Bedingungen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen. Hierbei handelt es sich aber um eine spezielle Vorschrift des Sozialrechts, die wegen ihres speziellen Charakters keinen für die Einmalzahlung des hier fraglichen Sterbegeldes verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken beinhaltet.

Die Beklagte hat als Unterlegene die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Revision war nach § 132 VwGO nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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