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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.10.2003
Aktenzeichen: 1 Bf 42/03
Rechtsgebiete: HmbBeihVO


Vorschriften:

HmbBeihVO § 6 Nr. 3 Satz 3
Die in Ungarn ausgebildeten Konduktoren des Petö-Institutes gehören nicht zu den staatlich anerkannten Heilhilfsberufen, deren ärztlich verordnete Leistungen nach § 6 Nr. 3 Satz 3 HmbBeihVG beihilfefähig sind.
1 Bf 42/03

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld und Dr. Meffert sowie die Richterin Huusmann am 14. Oktober 2003 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 6. November 2002 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 1942,90 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 6.11.2002 ist nicht gemäß den §§ 124 Abs.2, 124 a. Abs. 5 Satz 2 VwGO zuzulassen.

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteiles des Verwaltungsgerichtes ( § 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Beihilfe für die Behandlung ihres Sohnes im Petö-Institut in Budapest in der Zeit vom 18. Oktober bis zum 12. November 1999 zu gewähren.

Insoweit kann dahinstehen, ob die Blockbehandlung ihres gut 13 Jahre alten Sohnes im Petö-Institut, der seit seiner Geburt im Jahr 1986 an einer schweren Tetraspastik leidet, eine Heilbehandlung im Sinne des § 6 Nr.3 Sätze 1 und 2 HmbBeihVO bildet oder ob es sich - wie es das Verwaltungsgericht angenommen hat - um eine überwiegend heilpädagogisch orientierte Behandlung handelt, die nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes keine Heilbehandlung im beihilferechtlichen Sinne darstellt. Auf die Darlegungen der Klägerin kommt es insoweit nicht an. Denn das Verwaltungsgericht hat die Beihilfefähigkeit der Behandlung jedenfalls auch daran scheitern lassen, dass die in Ungarn ausgebildeten Konduktoren, die den Sohn der Klägerin behandelt haben, nicht den in § 6 Nr.3 Satz 3 HmbBeihVO aufgeführten Heilhilfsberufen gleichzusetzen sind. Demgegenüber überzeugen die Überlegungen der Klägerin nicht:

Gemäß § 13 Abs.1 Nr.1 HmbBeihVO sind außerhalb der Bundesrepublik Deutschland entstandene Aufwendungen nur beihilfefähig, wenn es sich u.a.. um Aufwendungen nach § 6 HmbBeihVO handelt. Gemäß § 6 Nr.3 Satz 3 HmbBeihVO müssen die vom Arzt schriftlich angeordneten Heilbehandlungen von einem Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten, Physiotherapeuten, Krankengymnasten, Logopäden, Masseur oder Masseur und medizinischen Bademeister durchgeführt werden, wenn sie beihilfefähig sein sollen. Zu diesen medizinischen Hilfsberufen gehören die Konduktoren des Petö-Institutes in Budapest nicht. Das stellt auch die Klägerin nicht in Frage. Die in der hamburgischen Beihilfeverordnung abschließend formulierte Aufzählung der Heilhilfsberufe kann auch nicht im Wege der Analogie auf die genannten Konduktoren entsprechend angewendet werden (a..). Eine solche über den klaren Wortlaut der Rechtsverordnung hinausgehende Erweiterung gebietet auch nicht die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht (b.).

a.. § 6 Nr.3 Satz 3 HmbBeihVO begrenzt die Beihilfefähigkeit ärztlich verordneter Heilbehandlungen auf die von den in der Vorschrift aufgeführten staatlich anerkannten Heilhilfsberufen durchgeführten Heilbehandlungen. Einen diesen Heilhilfsberufen beihilferechtlich vergleichbaren Beruf üben die ungarischen Konduktoren nicht aus. Es handelt sich insoweit - jedenfalls noch zur Zeit - nicht um einen in der Bundesrepublik Deutschland anerkannten Heilhilfsberuf. Daran ändert nichts, dass die Konduktoren nach den Darlegungen der Klägerin in Ungarn eine vierjährige Hochschulausbildung durchlaufen, während deren ersten beiden Jahren unterschiedliche medizinische Lehrinhalte vermittelt werden und die Hochschulausbildung mit einer Prüfung endet, die auch medizinischen Wissensstoff umfasst.

Der ungarische Abschluss ist in Deutschland - soweit ersichtlich (vgl. Seite 9 des von der Klägerin vorgelegten Vortrages von K.S. Weber Prinzipien und Wirkungsweise der konduktiven Förderung beim 1. Fachkongress "Neue Wege in der Therapie für Kinder mit Zerebralparese - Bl. 73 d.A..) nicht anerkannt. Auch die Klägerin macht nicht geltend, dass sich Konduktoren anderen Angehörigen deutscher Heilhilfsberufe vergleichbar auf Grund ihrer Ausbildung selbständig in Praxen niederlassen könnten. Selbst wenn man zur Qualifikation der ungarischen Konduktoren die in ihrem Heimatland geltenden rechtlichen Regelungen mit heranzieht, setzt eine solche Gleichstellung mit den im deutschen Ausbildungs- und Zulassungsrecht der Heilhilfsberufe geregelten Berufen voraus, dass es sich bei den Konduktoren jedenfalls nach den in Ungarn geltenden Regelungen zweifelsfrei um medizinische Heilbehandler handelt (vgl. OVG Koblenz, Urt. vom 12.12.1997, BVerwG, Beschl. vom 17.11.1998 - 2 B 22/98 - - juris - ). Daran fehlt es aber:

Das OVG Koblenz a..a..O. , auf dessen Ausführungen sich das Verwaltungsgericht stützt, führt unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Kommission der Neuropädriatischen Gesellschaft zu Behandlungsverfahren bei Entwicklungsstörungen und cerebralen Bewegungsstörungen vom Oktober 1995 aus: Bei der Behandlung nach Petö stehe die Förderung der eigenen Aktivitäten der Kinder im Mittelpunkt, sie selbst sollten lernen, ihre motorischen Fähigkeiten und sonstigen Fertigkeiten zu verbessern. Die praktische Vorstellung werde dabei einem sogenannten Konduktor übertragen, der in diesem Zusammenhang verschiedene Aufgaben und Kompetenzen zu übernehmen habe, wie sie in der Bundesrepublik von ganz unterschiedlichen Heilhilfsberufen - nämlich den des Krankengymnasten, Ergotherapeuten oder Logopäden - sowie von Pädagogen wahrgenommen würden. Die Integration aller Förderansätze erfolge in einer Person, wobei die vorrangige Aufgabe allerdings eine solche der Pädagogik sei.

Das von der Klägerin vorgelegte Material erlaubt keine gegenteilige Einschätzung. Weber a..a..O. Seite 3 - Bl. 67 d.A.. - unterscheidet zwischen dem in der Taunusklinik Falkenstein durchgeführten Modellversuch, bei dem es sich um ein Forschungsvorhaben der medizinischen Rehabilitation gehandelt habe und der - hier interessierenden - traditionellen ungarischen "Konduktiven Pädagogik" bzw. "Konduktiven Erziehung". In dem Bericht des Institutes für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin der Universität München und des Internationalen Petö Andràs Institutes Budapest von Januar 1998 (Bl. 43 d.A..) wird dementsprechend als für die Konduktive Förderung bezeichnend ausgeführt,

"dass sie eine ganzheitliche Fördermethode erzieherischen Charakters ist ... . Danach wird die Arbeit von "Konduktor-Lehrern durchgeführt, die durch ihre biomedizinischen und pädagogischen Studien auf Hochschulebene für diese Tätigkeit qualifiziert sind".

Insoweit ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteiles des Verwaltungsgerichtes aus dem Vorbringen der Klägerin, die medizinischen Anteile der Konduktorenausbildung überstiegen an Dauer, Umfang und Qualität die Ausbildung der hiesigen Krankengymnasten. Deshalb komme es nicht darauf an, dass die Konduktoren zusätzlich eine Qualifikation als Lehrer erlangt hätten und das Petö-Institut dem ungarischen Bildungsministerium unterstehe. Es erscheint unwahrscheinlich, dass die ungarischen Konduktoren gleichermaßen unzweifelhaft mit ihrer Ausbildung die Ausbildungsinhalte der Berufe der Krankengymnasten, Ergotherapeuten und Logopäden abdecken, die als Heilhilfsberufe anerkannt sind. Auch in dem Abschlussbericht des Institutes für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin der Universität München zu dem dort von 1996 bis 2001 durchgeführten Modellversuch heißt es unter 4.4.1, dass sich das Originalkonzept von ungarischer Seite als primär pädagogisch versteht, wobei die Maßnahmen durchaus integrativ mit medizinischen und psychologischen Prinzipien verwoben seien. Dementsprechend wird in dem Leitfaden der Konduktiven Förderung nach Petö des Institutes für ganzheitliche Kindesentwicklung "Schritt für Schritt" (Bl. 49 d.A..)zu dem Berufsbild der Konduktoren ausgeführt:

"Der Konduktor ist ein speziell für die Förderung der Zerebralparese entwickelter Beruf, der aus heutiger Sicht Elemente der Krankengymnastik, Sonderpädagogik, Logopädie, Ergotherapie, Musiktherapie, Anatomie, Psychologie u.a..m. beinhaltet, aber den einzelnen Berufsbildern natürlich nicht vollständig entspricht."

Danach unterscheidet sich der ungarische Beruf der Konduktoren nicht allein wegen der fehlenden staatlichen Anerkennung eines entsprechenden Berufes in Deutschland wesentlich von den in § 6 Nr. 3 Satz 3 HmbBeihVO aufgeführten Heilhilfsberufen. Ihn kennzeichnet, dass er Elemente unterschiedlicher Heilhilfsberufe vereint und sie auf Grund seines ganzheitlichen verbindenden Ansatzes mit Elementen der Pädagogik und Sonderpädagogik verknüpft. Eine derartige Verbindung entspricht nicht dem Regelungsgehalt des § 6 Nr. 3 HmbBeihVO. § 6 Nr. 3 Satz 5 HmbBeihVO bestimmt vielmehr, dass, wenn mit der Durchführung der Heilbehandlung zugleich in erheblichem Umfang allgemein bildende Zwecke verfolgt werden, die Aufwendungen mit Ausnahme der Kosten für zusätzliche, gesondert durchgeführte und berechnete Heilbehandlungen nicht beihilfefähig sind. Gemäß § 5 Abs. 2 HmbBeihVO sind zudem u.a. Aufwendungen für Erziehung und körperliche Ertüchtigung auch dann nicht beihilfefähig, wenn insoweit aus gesundheitlichen Gründen höhere Aufwendungen entstehen. Angesichts dieses Regelungsmodelles, das auf eine Trennung von pädagogischen und medizinischen Behandlungen zielt, ist schwerlich Raum für eine analoge Anwendung der Liste anerkannter Heilhilfsberufe in § 6 Nr. 3 Satz 3 HmbBeihVO auf die ungarischen Konduktoren. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob - wie die Klägerin unter Hinweis auf den Abschlussbericht des Institutes für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin der Universität München vorträgt - zumindest die - hier interessierende - Blockförderung als vorwiegend therapeutisch angesehen werden müsse, da der motorische Anteil an den Gruppenprogrammen auf über 70 % geschätzt werde. Dieser Hinweis ändert nichts daran, dass - soweit ersichtlich - der Beruf des ungarischen Konduktors gerade auf eine ganzheitliche Verbindung von pädagogischen und eher therapeutischen Maßnahmen zielt.

b.) Eine Erweiterung der Liste der anerkannten Heilhilfsberufe auf ungarische Konduktoren gebietet auch nicht die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht. Das Beihilferecht zielt lediglich auf eine ergänzende Hilfeleistung nach einer pauschalierenden Betrachtungsweise, die Härten in Einzelfällen hinnimmt. Die Beihilfevorschriften konkretisieren die Fürsorgepflicht in Krankheitsfällen grundsätzlich abschließend. Deshalb lässt sich ein Beihilfeanspruch regelmäßig nicht unmittelbar aus der dem Dienstherrn gegenüber dem Beamten obliegenden Fürsorge herleiten. Ein auf den Grundsatz der Fürsorge gestützter Anspruch kann nur Erfolg haben, wenn die Fürsorgepflicht andernfalls in ihrem Kern verletzt wäre. Die Fürsorgepflicht verlangt nicht, dass der Dienstherr zu allen Aufwendungen Beihilfe gewährt, die krankheitsbedingt entstehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.6.1999, ZBR 2000 S. 46; OVG Hamburg, Urt. v. 7.12.2001 - 1 Bf 455/99 -). Besonderen Härtefällen kann insoweit nach § 14 Abs. 6 HmbBeihVO Rechnung getragen werden. Danach kann die oberste Dienstbehörde in besonderen Ausnahmefällen, die nur bei Anlegung strenger Maßstäbe anzunehmen sind, eine Ausnahmeentscheidung treffen und eine Beihilfe unter anderen als den in der Beihilfeverordnung genannten Voraussetzungen bewilligen.

Dass die Beklagte, die der Klägerin eine Beihilfegewährung für eine vierwöchige Petö-Behandlung bei dem Hamburger Institut "Schritt für Schritt" im Wege einer Ausnahmeentscheidung nach § 14 Abs. 6 HmbBeihVO in Aussicht gestellt hatte, es hier rechtsfehlerfrei abgelehnt hat, eine solche Ausnahmeentscheidung zu treffen, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Zulassungsantrag nicht.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Frage besonders schwierig zu beurteilen ist, ob die Blockförderung am Petö-Institut in Budapest eine Heilbehandlung darstellt, wie die Klägerin ausführt. Maßgeblich ist, dass der Beruf der ungarischen Konduktoren nicht den abschließend in § 6 Nr. 3 Satz 3 HmbBeihVO aufgeführten Heilhilfsberufen gleichgestellt werden kann. Dass dies nach der durch das Verwaltungsgericht erfolgten Aufbereitung besonders schwierig zu beurteilen ist, ist nicht dargelegt.

3. Die Rechtssache hat auch nicht deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil eine Anerkennung der Petö-Therapie als medizinische Heilbehandlung durch ein deutsches Gericht noch nicht erfolgt ist. Diese Frage stellt sich in einem Berufungsverfahren nicht.

4. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Ein solcher Verfahrensfehler ist nicht darin zu sehen, dass das Verwaltungsgericht den von der Klägerin schriftsätzlich unterbreiteten Beweisangeboten nicht nachgegangen ist. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung keine Beweisanträge gestellt. Ein Gericht verstößt grundsätzlich nicht gegen seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine von einem Rechtsanwalt vertretene Partei nicht beantragt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.2.1988, NVwZ 1988, 1019; Beschl. vom 17.11.1998 - 2 B 22/98 - -juris -; VGH Bad.-Württ. Beschl. v. 30.4.1997, DVBl. 1997, 1343). Eine weitere Beweisaufnahme drängte sich dem Verwaltungsgericht auch nicht auf. Da es zumindest auch entscheidungserheblich darauf abgestellt hat, dass der Beruf der Konduktoren nicht denen der in § 6 Nr. 3 Satz 3 HmbBeihVO aufgeführten Heilhilfsberufen gleichzustellen ist, kam es für das Verwaltungsgericht nicht darauf an, ob die Petö-Methode eine Heilbehandlung ist.

Soweit die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht hätte über die medizinischen Anteile der Konduktorenausbildung Beweis erheben müssen, kommt es hierauf für die Entscheidung nicht an. Insoweit wird auf die Ausführungen zu 1 verwiesen. Dass die medizinischen Anteile in der Konduktorenausbildung die Ausbildungsinhalte der anerkannten Heilhilfsberufe nach § 6 Nr. 3 Satz 3 HmbBeihVO abdecken, hat die Klägerin im übrigen nicht behauptet.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 13 Abs.1 GKG.

Ende der Entscheidung

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