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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.02.2004
Aktenzeichen: 1 Bf 484/03
Rechtsgebiete: ASiG
Vorschriften:
ASiG § 1 | |
ASiG § 5 |
1 Bf 484/03
Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, Dr. Meffert sowie die Richterin Huusmann am 19. Februar 2004 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Kläger, die Berufung gegen das auf Grund mündlicher Verhandlung vom 10. November 2003 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg zuzulassen, wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens bis auf die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 4.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die Kläger haben hat mit ihrem Begehren vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg gehabt, sie von der Verpflichtung zur Bestellung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit zu befreien. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg ist nicht nach den §§ 124, 124 a Abs. 5 VwGO zuzulassen.
1. Aus dem Vorbringen der Kläger ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des von dem Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Die Kläger machen geltend, das Verwaltungsgericht habe § 5 Abs. 1 des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit vom 12. Dezember 1973 (BGBl. I S. 1885 mit spät. Änd.)- ASiG - unrichtig dahin ausgelegt, dass diese Regelung keine Möglichkeit eröffne, von der Verpflichtung zur Bestellung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit zu befreien. Diese Vorschrift lautet: "Der Arbeitgeber hat Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Sicherheitsingenieure, -techniker, -meister) schriftlich zu bestellen und ihnen die in § 6 genannten Aufgaben zu übertragen, soweit dies erforderlich ist im Hinblick auf ...". Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts beziehe sich die Formulierung "soweit dies erforderlich ist im Hinblick auf" nicht nur auf den Umfang und die Ausformung der Verpflichtung zur Bestellung der genannten Fachkräfte sondern auch auf die Frage, ob überhaupt Fachkräfte zu bestellen seien. Das Arbeitssicherheitsgesetz sei 1973 zur Verbesserung der Arbeitssicherheit im produzierenden Gewerbe geschaffen worden und gelte für die mit moderner Computertechnik ausgestatteten Büroarbeitsplätze in der von ihnen - den Klägern - betriebenen Anwaltskanzlei nicht. Diese Überlegungen überzeugen nicht.
a) Das genannte Arbeitssicherheitsgesetz nimmt Büroarbeitsplätze und Betriebe mit reinen Büroarbeitsplätzen nicht von seinem Geltungsbereich aus. Gemäß § 1 Satz 1 ASiG hat der Arbeitgeber nach Maßgabe dieses Gesetzes Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen, die ihn beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung unterstützen sollen. Auch die Zielrichtung des Gesetzes spricht gegen die von den Klägern gewünschte Einschränkung. Nach § 1 Satz 3 ASiG soll mit der Bestellung der Fachkräfte erreicht werden, dass die dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung dienenden Vorschriften den besonderen Betriebsverhältnissen entsprechend angewandt werden, gesicherte arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Erkenntnisse zur Verbesserung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung verwirklicht werden können und die dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung dienenden Maßnahmen einen möglichst hohen Wirkungsgrad erreichen. Diese Zielsetzungen gelten auch für Büroarbeitsplätze. Nicht allein im produzierenden Gewerbe, sondern auch in Büroräumen macht der Arbeitsschutz Sinn. Dies gilt beispielsweise für die Vermeidung von Stolpergefahren und eine ergonomische Ausgestaltung der Arbeitsstühle und Tische sowie die Ausgestaltung der Bildschirmarbeitsplätze. Dass die Anforderungen des Arbeitssicherheitsgesetzes auch für reine Büroarbeitsplätze gelten, bestätigt die Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (Amtsblatt Nr. L 183 vom 29.6.1989 S.0001-OOO8). Diese ist durch Art. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz und weiterer Arbeitsschutz-Richtlinien vom 7. August 1996 (BGBl I S. 1246) in das Arbeitssicherheitsgesetz eingearbeitet und bei dessen Auslegung zu berücksichtigen. Die Rahmenrichtlinie findet gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1 Anwendung auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche (gewerbliche, landwirtschaftliche, kaufmännische, verwaltungsmäßige sowie dienstleistungs- oder ausbildungsbezogene, kulturelle und Freizeittätigkeiten usw.). Die in ihrem Art. 2 Abs. 2 formulierten Ausnahmetatbestände sind für die Kläger nicht einschlägig.
b) Zuzugeben ist den Klägern, dass der Wortlaut des § 5 Abs. 1 ASiG nicht lediglich die Verpflichtung, den Fachkräften für Arbeitssicherheit die in § 6 ASiG genannten Aufgaben zu übertragen, durch den Zusatz "soweit dies erforderlich ist im Hinblick auf ..." begrenzt, sondern auch die Verpflichtung, Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Beklagten bezieht sich die genannte Einschränkung auf die gesamte erste Satzhälfte und damit sowohl auf die dort geregelte Verpflichtung zur Bestellung der Fachkräfte wie diejenige zur Übertragung der Aufgaben an diese. Mit dem Ausdruck "soweit dies erforderlich ist" begrenzt das Gesetz den Umfang der Verpflichtung zur Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit. Diese Verpflichtung besteht nach § 5 Abs. 1 2. Halbsatz ASiG nur, soweit sie erforderlich ist im Hinblick auf (1) die Betriebsart und die damit für die Arbeitnehmer verbundenen Unfall- und Gesundheitsgefahren, (2) die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer und die Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft (3) die Betriebsorganisation ...und (4) die Kenntnisse und die Schulung des Arbeitgebers oder der nach § 13 Abs. 1, 2 oder 3 des Arbeitsschutzgesetzes verantwortlichen Personen in Fragen des Arbeitsschutzes. Gerade die letztere Einschränkung zeigt, dass zumindest ausnahmsweise bei einer ausreichenden Kenntnis und Schulung des Arbeitgebers oder der nach § 13 Abs. 1, 2 oder 3 Arbeitsschutzgesetz verantwortlichen Personen auf die Bestellung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit verzichtet werden kann. Dies bestätigt die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/260 zu § 5 S.13). In dieser heißt es u.a.: "Nach diesen auf die besonderen Betriebsverhältnisse bezogenen Kriterien ist zu beurteilen a) ob Fachkräfte für Arbeitssicherheit bestellt werden müssen und für welche Zeit eine oder mehrere Fachkräfte tätig sein müssen und b) in welchem Umfang die in § 6 der Art nach beschriebenen Aufgaben erfüllt werden müssen".
Gleichwohl ist nicht ernsthaft zweifelhaft, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis richtig ist. Die Kläger, die eine große Rechtsanwaltskanzlei betreiben, haben nichts für die Annahme vorgetragen, dass in ihrem Büro der Einsatz einer Fachkraft für Arbeitssicherheit ausnahmsweise entbehrlich sein könnte. Insoweit genügt der Hinweis auf unterdurchschnittliche Gesundheitsgefahren sowie darauf, dass es bei Ihnen seit 30 Jahren zu keinem Arbeitsunfall gekommen sei, ebenso wenig wie die Behauptung, die Computerarbeitsplätze befänden sich auf einem modernen Stand. Dass auch in dem Büro der Kläger für die Arbeitssicherheit Sorge getragen werden muss, bestätigt der Besichtigungsvermerk der Beklagten vom 8. 10. 1999, in dem u.a. ein Bildschirm-Arbeitstisch bemängelt und die Beleuchtung kritisiert wurde wie auch der Besichtigung der Beigeladenen vom 21.11.2000, in der ergonomische Mängel festgestellt sein sollen.
Ebenso überzeugt das Vorbringen der Kläger nicht, eine Anwaltskanzlei sei eine Betriebsart, die als Dienstleistungserbringer nicht mit Unfall- und Gesundheitsgefahren verbunden sei. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter a) verwiesen. Auch in Anwaltskanzleien kann es etwa durch fehlerhaftes Mobiliar oder ungeeignete Bildschirmarbeitsplätze etc. zu Unfall- und Gesundheitsgefahren kommen. Insoweit ist den im Vergleich zu vielen anderen Betrieben eher unterdurchschnittlichen Gefahren durch eine entsprechend niedrige Bemessung der erforderlichen Einsatzzeiten einer Fachkraft für Arbeitssicherheit, die auch stundenweise beauftragt werden kann, oder eine entsprechende Ausgestaltung des sog. Unternehmermodelles Rechnung zu tragen, mit dem die Kläger nach dem Angebot der Beklagten ihre Verpflichtung erfüllen können.
2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Eine solche Bedeutung haben die Kläger nicht dargelegt. Sie messen der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, "ob und in welchem Umfang zugunsten der Kläger ein Anspruch besteht, von der Verpflichtung zur Bestellung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit gemäß § 2 Abs. 4 UVV befreit zu werden". Dies ist eine Frage des Einzelfalles.
3. Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
a) Entgegen der Auffassung der Kläger war das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet, ihrem Terminverlegungsantrag zu entsprechen. Das Verwaltungsgericht konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch ohne den Klägervertreter verhandeln. Dass der Sachbearbeiter der Kläger einen Tag nach dem Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht vom 10. November 2003 in Münster eine gerichtliche Verhandlung wahrzunehmen und zur Vorbereitung darauf u.U. weitere Informationen einzuholen und zu verarbeiten hatte, verlangte keine Terminsverlegung. Im übrigen hatten sich die Kläger mit einer Verhandlung ohne ihre Anwesenheit ausdrücklich nach der Ablehnung ihres Verlegungsantrages einverstanden erklärt.
b) Das Verwaltungsgericht hat auch seine Aufklärungspflicht nicht verletzt. Dem Verwaltungsgericht drängte sich nicht auf, dass die Unfall- und Gesundheitsgefahren in dem Büro der Kläger geringer seien als in anderen Rechtsanwalts- und Notariatspraxen. Für eine derartige - eher fern liegende - Annahme hatten und haben die Kläger nichts vorgetragen. Dass die Kläger - ohne nähere Begründung - der Gefährdungsbeurteilung der Beigeladenen entgegengetreten sind, die bei einer Besichtigung am 21.11.2000 ergonomische Mängel festgestellt hatte, musste das Verwaltungsgericht nicht zu einer weiteren Aufklärung veranlassen.
Die Kläger haben als Unterlegene die Kosten des Zulassungsverfahrens gemäß § 154 Abs. 2 VwGO mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen, die dieser nach § 154 Abs. 3 VwGO selbst trägt. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf den §§ 13 Abs. 1 Satz 2 , 14 Abs. 3 GKG.
Ende der Entscheidung
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