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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.03.2004
Aktenzeichen: 1 Bs 117/04
Rechtsgebiete: SchulR, VerwVfG


Vorschriften:

SchulR
VerwVfG § 35 Abs. 1
Die Umstufung von einem Kurs auf der höheren Anspruchsebene in einem Kurs der niedrigeren Anspruchsebene (Herabstufung) zum zweiten Schulhalbjahr der Klasse 10 der integrierten Gesamtschule in Hamburg ist als belastender Verwaltungsakt zu qualifizieren. Ein Widerspruch dagegen hat aufschiebende Wirkung.
HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

Beschluss

1 Bs 117/04

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Raecke, Dr. Meffert und E.-O. Schulz am 19. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 3. März 2004 geändert. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 8. Februar 2004 gegen die Umstufungsentscheidung vom 29. Januar 2004 für das Fach Mathematik aufschiebende Wirkung hat. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Schülerin der 10. Klasse einer integrierten Gesamtschule in Hamburg und besuchte im ersten Schulhalbjahr 2003 im Fach Mathematik den Fachleistungskurs auf höherer Anspruchsebene (Kurs I). Aufgrund ihrer mit der Note A2 bewerteten Leistungen beschloss die Zeugniskonferenz ihre Umstufung in den Fachleistungskurs auf der niedrigeren Anspruchsebene (Kurs II). Unter dem Datum des 29. Januar 2004 wurde dies den Eltern der Antragstellerin gegen Empfangsquittung förmlich mitgeteilt. Sie beantragten die Wiederaufnahme der Antragstellerin in den Kurs I und legten, nachdem die Gesamtschule dies abgelehnt hatte, mit Schreiben vom 8. Februar 2004 Widerspruch gegen die Umstufungsentscheidung ein. Über den Widerspruch ist noch nicht entscheiden.

Da die Antragsgegnerin es ablehnte, die Antragstellerin im Fach Mathematik weiterhin am Kurs I teilnehmen zu lassen, hat diese am 19. Februar 2004 einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt und hilfsweise im Wege der Einstweiligen Anordnung begehrt, im Fach Mathematik wieder in den Kurs I aufgenommen zu werden.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Mit der Beschwerde macht sie weiterhin geltend, dass die Umstufung ein sie belastender Verwaltungsakt sei. Die Antragsgegnerin ist dagegen der Ansicht, dass die Umstufung für die Antragstellerin keine rechtlichen Auswirkungen habe.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in dem tenorierten Umfang Erfolg.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin handelt es sich bei der Umstufung um einen die Antragstellerin belastenden Verwaltungsakt.

Nach der Begriffsbestimmung des § 35 Abs. 1 VwVfG ist als Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme anzusehen, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft, und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die getroffene Maßnahme muss Rechte des Betroffenen unmittelbar begründen, verbindlich feststellen, beeinträchtigen, aufheben oder mit bindender Wirkung verneinen. Eine derartige Regelung setzt eine unmittelbare rechtliche Außenwirkung voraus. Ob ihr diese Wirkung im einzelnen zukommt, hängt davon ab, ob sie ihrem objektiven Sinngehalt nach dazu bestimmt ist, Außenwirkung zu entfalten (st. Rspr. des BVerwG, vgl. Urt. v. 15.2.1989 - 6 A 2/87- NVwZ 1989 S. 1055; Stelkens/Bonk/Stelkens, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 35 Rdn. 85; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 35 Rdn. 48). Welchen Inhalt die Mitteilung der Umstufung hat, ist durch die im öffentlichen Recht entsprechend anwendbare Regelung des § 133 BGB zu ermitteln. Maßgebend für die Bedeutung der Erklärung ist der erklärte Wille der Behörde, wie ihn der Adressat von seinem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung verstehen konnte (BVerwG, Urt. v. 2.9.1999 - 2 C 23.98 NVwZ-RR 2000 S. 367, 368 m.w.N.; Stelkens/Bonk/Stelkens, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 35 Rdn. 43).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist zumindest eine Umstufung von einem Kurs auf der höheren Anspruchsebene in einen Kurs der niedrigeren Anspruchsebene (Herabstufung) zum zweiten Schulhalbjahr der Klasse 10 der integrierten Gesamtschule als belastender Verwaltungsakt zu qualifizieren. Die Entscheidung über die Herabstufung wird von der Zeugniskonferenz getroffen (§ 8 Abs. 2, Abs. 1 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die integrierte Gesamtschule - Jahrgangsstufe 5 bis 10 - APO-iGS - vom 22.7.2003, HmbGVBl 2003, 359). Die Antragsgegnerin hat die Mitteilung an die Eltern darüber äußerlich ähnlich einem Zeugnis gestaltet und unterstreicht die Bedeutung dadurch, dass sie darauf wie bei Zeugnissen vermerkt: "Die Durchschrift ist Bestandteil der Schulpapiere und mit der Empfangsbestätigung an die Schule zurückzugeben". Damit entspricht die Form der Umstufungsmitteilung ihrer materiellrechtlichen Bedeutung. Diese ergibt sich aus den Vorschriften über den Erwerb des Realschulabschlusses und die Versetzung in die gymnasiale Oberstufe (§§ 17 und 18 der Ausbildungsordnung der integrierten Gesamtschule - Jahrgangsstufen 5 bis 10 - AO-iGS - vom 21.7.1998, HmbGVBl. 1998, S. 173). Danach ist der Besuch von Fachleistungskursen I zumindest von Beginn des zweiten Halbjahres der Klassenstufe 10 an in unterschiedlichem Umfang erforderlich sowie das Erreichen eines bestimmten durch Noten nachgewiesenen Leistungsniveaus in den Kursen. Ein geringeres Leistungsniveau in den erforderlichen Fachleistungskursen I kann in bestimmtem Rahmen ausgeglichen werden. Kein Ausgleich ist dagegen vorgesehen, wenn es an dem Besuch der erforderlichen Fachleistungskurse I fehlt, deren Anforderungen auf die Weiterarbeit in der gymnasialen Oberstufe ausgerichtet sind ((§ 14 Abs. 2 Satz 2 APO-iGS). Der tatsächliche Besuch von Fachleistungskursen I zumindest ab dem zweiten Halbjahr der Klassenstufe 10 stellt sich demnach am Ende des Schuljahres als rechtliche Vorbedingung für einen Realschulabschluss oder eine Versetzung in die gymnasiale Oberstufe dar. Die Herabstufung aus einem Fachleistungskurs I ist damit eine Entscheidung, die die rechtliche Möglichkeit, einen Realschulabschluss oder die Versetzung in die gymnasiale Oberstufe zu erreichen verringern oder ausschließen kann. Somit werden mit der Herabstufung der Schulabschluss oder die weitere Schullaufbahn in einem Maße vorherbestimmt, dass die Herabstufung selbst schon die Rechte des Betroffenen gestaltet. Denn wenn der Betroffene tatsächlich im zweiten Schulhalbjahr der Klasse 10 einen erforderlichen Fachleistungskurs I nicht besucht hat, wird er sich gegenüber einer darauf gestützten Versagung des Realschulabschlusses oder der Versetzung in die gymnasialen Oberstufe schwerlich darauf berufen können, bei richtiger Entscheidung der Zeugniskonferenz hätte er nicht herabgestuft werden dürfen und hätte dann den Fachleistungskurs I besucht. Im Ergebnis kann es auch keinen Unterschied machen, ob die Herabstufungsentscheidung im konkreten Einzelfall einen Realschulabschluss oder eine Versetzung in die gymnasiale Oberstufe ausschließt oder nicht. Denn zumindest werden durch eine Herabstufung regelmäßig die Möglichkeiten des Betroffenen zu weiterer Qualifikation am Ende von Klasse 10 und damit seine Rechte konkret betroffen.

Soweit die Anträge, die auf eine Wiederaufnahme der Antragstellerin in den Fachleistungskurs I gerichtet sind, darüber hinausgehen, bleiben sie ohne Erfolg. Die Antragsgegnerin ist nach der Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gegen die nicht für sofort vollziehbar erklärte Umstufung gehalten, die Vollziehung rückgängig zu machen. Dies reicht aus, um dem Begehr der Antragstellerin nach vorläufigem Besuch des Kurses I im Fach Mathematik zu entsprechen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Den weit überwiegenden Teil ihres Begehrens, den weiteren Besuch des Fachleistungskurses I im Fach Mathematik, hat die Antragstellerin erreicht. Soweit der Antrag nach seinem Wortlaut darüber hinaus eine nachträgliche Vollziehungsanordnung ausschließt, ist ein solches Vorgehen der Antragsgegnerin weder angekündigt noch liegen die Voraussetzung dafür auf der Hand. Damit ist der Antrag nur zu einem geringen Teil abzulehnen. Der Wert des Streitgegenstandes bemisst sich mangels anderer Anhaltspunkte wegen der Vorläufigkeit des Eilrechtsschutzes mit der Hälfte des Auffangwertes gem. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.



Ende der Entscheidung

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